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Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen. Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang - den Weltenbrand - der gesamten Galaxis. Einer der angeblichen Hauptverursacher ist Perry Rhodan, der sich allerdings keiner Schuld bewusst ist und sich gegen das Tribunal zur Wehr setzt. In der fernen Galaxis Larhatoon erfuhr er mehr über das Tribunal und wurde in die Vergangenheit verschlagen, wo er der ersten Zivilisation der Erde begegnete. Nun befindet er sich auf dem Weg zurück in die Gegenwart, musste aber in der Epoche der Methankriege unfreiwillig einen Zwischenstopp einlegen. Bald schon startet dort die KARAWANE NACH ANDROMEDA ...
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Veröffentlichungsjahr: 2016
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Nr. 2846
Karawane nach Andromeda
Perry Rhodan und der Verschwiegene Bote – gibt es Rettung für die RAS TSCHUBAI?
Hubert Haensel
Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.
Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.
Einer der angeblichen Hauptverursacher ist Perry Rhodan, der sich allerdings keiner Schuld bewusst ist und sich gegen das Tribunal zur Wehr setzt. In der fernen Galaxis Larhatoon erfuhr er mehr über das Tribunal und wurde in die Vergangenheit verschlagen, wo er der ersten Zivilisation der Erde begegnete.
Nun befindet er sich auf dem Weg zurück in die Gegenwart, musste aber in der Epoche der Methankriege unfreiwillig einen Zwischenstopp einlegen. Bald schon startet dort die KARAWANE NACH ANDROMEDA ...
Perry Rhodan – Der Terraner findet den Verschwiegenen Boten.
Gucky – Der Mausbiber nutzt eine Gabe, von der er nichts wusste.
Chandyshard da Thomonal – Der Arkonide will den Verschwiegenen Boten finden.
Farye Sepheroa
Als Gott die Zeit schuf,
machte er genug davon.
Irisches Sprichwort
Prolog
Farye Sepheroa lauschte dem Plätschern der nahen Wasserspiele. Es war ein beruhigendes, gleichmäßiges Geräusch. Vor allem war es weit entfernt von aller Hektik an Bord der RAS TSCHUBAI – ganz so, als wäre die Zeit vor Langem stehen geblieben.
Innehalten und durchatmen ...
Farye schloss die Augen. Sie lag im Gras, die Hände unter dem Hinterkopf verschränkt und die Knie angezogen. Das monotone Plätschern verleitete zum Träumen. Es erinnerte sie an ihre Kindheit. Oft hatte sie bei Regen an der Panoramascheibe des Wohnraums gestanden und sich am warmen Glas die Nase platt gedrückt. Die Welt war dann eine andere geworden. Nicht so kantig, grell und laut, sondern weich und in gedämpftem Ton.
Eine Ewigkeit schien seitdem vergangen zu sein.
Eigentlich sind es nur wenig mehr als zwei Jahrzehnte ...
Farye dachte an die Scheinwerfer anfliegender Gleiter, die vom abperlenden Regen in funkelnden Reflexen gebrochen worden waren. Jeder Tropfen hatte ihr ein leicht verändertes Bild gezeigt.
Unterschiedliche Momente, wie eingefroren nebeneinander. – Und dann: alles wieder wie zuvor.
Ihre Kindheitsträume gehörten der Vergangenheit an. Geblieben war wohlige Erinnerung, denn irgendwann endete der heftigste Wolkenbruch, trockneten Wind und Sonne die Scheibe und erlaubten von Neuem den Blick weit hinweg über die fest gefügte Welt.
Später war nichts anders gewesen: die gewohnte Hektik; der Lärm noch lauter ...
Sie stutzte.
Etwas hatte sich soeben verändert. Von einer Sekunde zur nächsten war es still geworden. Nur von fern klangen leise Stimmen und ein fröhliches Lachen heran.
Das Lachen verstummte.
Die Wasserspiele plätschern nicht mehr!
Farye öffnete die Augen – und erschrak. Düstere Wolken hatten sich zu einer hohen ambossförmigen Front zusammengeballt. Sie verdunkelten die im frühen Nachmittag stehende Sonne.
Farye Sepheroa stemmte sich auf den Ellenbogen hoch.
Dicke Tropfen klatschten ins Gras. Dabei hatte die Wetterkontrolle am Eingang des Ogygia-Habitats keine Veränderung angezeigt. Trocken. 24 Grad Celsius. Windstärke 1.
Tatsächlich herrschte Gewitterstimmung. Es roch nach Ozon, und eine eigenartige Spannung hing mit einem Mal in der Luft.
Farye drehte sich zur Seite und kam auf die Knie.
Ein Blitz, grell und vielfach verzweigt, ließ sie zusammenfahren. Die Wolkenfront trieb auf das Zentrum des Ogygia-Habitats zu. Immer höher und hektischer brodelte die Schwärze.
Die Biotophalle der RAS TSCHUBAI war mit ihren knapp zwei Kilometern Durchmesser groß genug für ein eigenes Mikroklima, einen Kreislauf aus Verdunstung, Wolkenbildung und Regen. Unterhalb der Parklandschaft befanden sich die notwendigen Steuer-, Regel- und Kontrollanlagen, die alle Vorgänge lenkten. Ebenso die Notfallreaktoren, die Projektoren für die Prallfeld-Sicherheitseinrichtungen, die Wassertanks und die Aufbereitungsanlagen für Luft und Wasser.
Farye schaute auf die Anzeige ihres Multikom-Armbands. Aktuell gemessen knapp siebzehn Grad Celsius, der Luftdruck war deutlich gefallen.
Sie rief die Werte der Ogygia-Info ab.
Keine Anzeige.
Es hätte ein sonniger, warmer Nachmittag sein sollen, nun kam sogar kalter Wind auf. Farye fuhr sich mit beiden Händen durch das schulterlange, glatte Haar und schüttelte es zurecht. Anschließend zog sie ihre offene Bordkombi zusammen und ließ die Magnetverschlüsse greifen. Dass sie in Ogygia fror, hatte es bislang nicht gegeben.
Ein leises, kaum wahrnehmbares Summen ließ sie aufsehen. Ein Schemen huschte heran; zu schnell, als dass sie Einzelheiten hätte erkennen können. Der Schemen klatschte vor ihr ins Gras, das verhaltene Summen steigerte sich zum zornigen Brummen.
Farye war im Begriff gewesen aufzustehen, nun verharrte sie auf den Knien. Was immer abgestürzt war, versetzte einige Grasbüschel in Schwingung und kam trotzdem nicht wieder in die Höhe. Lächelnd teilte sie das Gras mit den Fingern.
Das Brummen verstummte.
Ein Käfer lag da auf dem Rücken, alle sechs Beine starr in die Höhe gestreckt. Vorgetäuschte Totenstarre. Farye tippte ihn vorsichtig mit dem Zeigefinger an. Nur ein kurzes Zucken der Flügeldecken war die Reaktion darauf, mehr nicht.
»Was bist du für einer? Ein Kerlchen wie dich habe ich nie zuvor gesehen.«
Wahrscheinlich stammte das Tier von einer der vielen bewohnten Welten der Liga Freier Terraner. Vor allem war es ungefährlich, sonst hätte es niemand im Ogygia-Habitat der RAS TSCHUBAI »ausgewildert«. Und es gab nicht nur dieses eine Exemplar.
Farye erinnerte sich, dass ihr Großvater scherzhaft von einer »Arche Noah« gesprochen hatte. Perry Rhodan! Lange Zeit hatten sie nicht voneinander gewusst ...
Sie war inzwischen dreißig und alterte weiter. Ihr Großvater gehörte zu den potenziell Unsterblichen, er trug einen Zellaktivator. Auch wenn er den dreitausendsten Geburtstag längst hinter sich hatte, sein körperlicher Alterungsprozess war im Alter von 39 Jahren angehalten worden.
Ein paar Jahre, dann werde ich dich eingeholt haben, Perry, sinnierte Farye.
Das war eine eigenartige Vorstellung, alles andere als absurd und doch erschreckend. Zu wissen, dass sie dann so alt sein würde, wie ihr Großvater sich fühlte, hatte für Farye etwas Verrücktes. Es war verlockend und beängstigend zugleich. Nicht viel anders, als darüber nachzudenken, dass die RAS TSCHUBAI vor Kurzem mehr als zwanzig Millionen Jahre tief in der Vergangenheit gewesen war.
Das Brummen setzte wieder ein. Der Käfer hatte es geschafft, sich an einem der Halme festzuklammern. Unterstützt von schnellen Flügelschlägen kletterte er in die Höhe. Farye fing ihn mit der hohlen Hand ab – und wieder erstarrte er im Scheintod.
Sie betrachtete ihn genauer. Gut fünf Zentimeter groß, sechs Beine. Die Panzerung schimmerte wie Opal, nahm aber sehr schnell die Färbung ihrer Hand an. Der Käfer wurde deshalb nicht unsichtbar, doch musste Farye schon genau hinsehen.
Sie entdeckte den winzigen weißen SMID-Punkt im Nacken des Tieres und fuhr mit der Fingerspitze darüber hinweg. Siganesischer Mikro-Informations-Dienst – SMID. Ein handflächengroßes Holo baute sich auf. Es zeigte stilisierte Bilder des Käfers aus unterschiedlichen Perspektiven und Entwicklungsstadien.
Dazu erklang eine künstliche Stimme: »Der Große Mimikryt ist kein Käfer, sondern muss den Säugetieren zugeordnet werden. Erstmals beschrieben wurde diese Spezies im Jahr 1488 NGZ, das Vorkommen ist auf zwei Sonnensysteme beschränkt, die nur eineinhalb Lichtjahre voneinander entfernt sind.«
Farye wollte das Tier ins Gras zurückgleiten lassen, doch es klammerte sich an ihrem Mittelfinger fest. Es sah zu ihr auf, vielleicht an ihr vorbei. Sie vermisste Fühler, stattdessen wurde der Kopf von hauchfeinem, weißem Flaum eingerahmt. Die dreieckige Öffnung im unteren Schädelbereich öffnete und schloss sich fortwährend.
»Der Mimikryt ist ein extrem gefährliches Raubtier«, fuhr die erklärende Stimme fort. »Die Beißkraft seiner mächtigen Kiefer steht der eines Okrills in nichts nach. Ein Prankenhieb mit den scharfen Krallen genügt, um menschliche Gliedmaßen glatt abzutrennen.«
»Du?« Das Tier lag weiterhin auf dem Rücken und klammerte sich an ihrem eingebogenen Finger fest. In der Position schien es hilflos zu sein. Farye schmunzelte. »Da hat jemand beim Erklärungstext einiges durcheinandergebracht.«
Ein scharfer, schriller Ruf erklang in der Höhe. Farye hörte ihn, achtete aber nicht darauf. Sie streckte die Hand etwas weiter aus und bog den Finger zurück. Der »Käfer« wurde dadurch von seiner Rückenlage erlöst.
»Gik, gik, gik!« Das war nur wenige Meter entfernt.
Etwas Hartes klatschte gegen Faryes Schläfe und schrammte über ihr Gesicht. Gleichzeitig wurden ihre linke Hand und der Arm nach unten gedrückt. Ein brennender Schmerz raste durch die Hand, und schon stieg etwas Großes vor ihr auf. Schiefergrau war es, vielleicht auch leicht braun gefärbt. Der nächste Flügelschlag offenbarte eine weiße Unterseite mit dunkler Querbänderung, dann war die Attacke vorüber.
In ihrer Hand tobte der Schmerz. Klebrig warm rann ihr das Blut über die Finger und tropfte ins Gras. Ungläubig schaute Farye ihre Hand an. Zwei tiefe Fleischwunden zogen sich quer über den Handteller.
Hastig wühlte sie mit der Rechten in ihren Taschen, bis sie das Tuch fand, nach dem sie suchte. Sie knüllte es zusammen und drückte es auf die Wunde, um die starke Blutung zu stillen. Der Schmerz jagte ihr Tränen in die Augen.
Erst allmählich wurde ihr bewusst, was überhaupt geschehen war: Einer der im Ogygia-Park lebenden Habichte hatte das Tier auf ihrer Hand als Beute angesehen. Er hatte sich den »Käfer« geholt und war damit verschwunden.
Farye schloss die linke Hand fester um das Tuch und winkelte den Arm an. Die Bewegung aktivierte ihren Multikom.
»Mein Pech«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Deutlicher sagte sie: »Bitte einen Medoroboter zu mir! Eine stark blutende Handverletzung muss versorgt werden.«
Das zusammengeknüllte Tuch half nicht viel, inzwischen hatte es sich vollgesogen. Das Blut quoll zwischen den zusammengedrückten Fingern hindurch.
Es war fast dunkel. Die Gewitterwolken hatten sich nahezu über das gesamte Firmament ausgedehnt, doch das allein konnte nicht für die Finsternis verantwortlich sein. Obwohl es zu früh dafür war, schien jemand die Sonnenlampen abzublenden. Üblicherweise folgten sie dem irdischen Tag- und Nachtrhythmus.
Farye erhielt keine Bestätigung über den Multikom.
»Farye Sepheroa hier!«, rief sie drängender als zuvor. »Ich brauche einen Medoroboter. Was ist los?«
Sie zog den Arm näher an den Mund. Überrascht registrierte sie, dass ihr Atem einen leichten Nebelhauch bildete. Es war kalt geworden, um den Gefrierpunkt.
»Farye ruft die Zentrale, Kommandant Sergio Kakulkan! Dringend!«
Weiterhin keine Antwort. Ungläubig fragte sie sich, ob während der letzten Stunde mehr geschehen sein konnte, als sie im Habitat mitbekommen hatte. Die RAS TSCHUBAI war im Begriff gewesen, ins Heimatsystem der Taumuu einzufliegen. Wurde das Schiff von den Wasserstoffatmern angegriffen? Oder mischte die arkonidische Flotte bereits kräftig mit?
Ein Blitz zuckte aus den Wolken. Ohrenbetäubender Donner rollte durch das Habitat. Der Blitz hatte eingeschlagen. Kaum dreihundert Meter von ihr entfernt stand eine knorrige Eiche in Flammen. Farye hörte Schafe blöken, deren Pferch auf der anderen Seite des kleinen Eichenhains lag.
Wieder ein greller Blitz. Er schlug in den großen See im Zentrum des Habitats ein. Im zuckenden Widerschein sah Farye für einen Sekundenbruchteil die mächtigen Säulen der Antigravschächte.
Es schneite. Innerhalb weniger Sekunden wurde das Schneetreiben so dicht, dass die Sicht kaum wenige Meter weit reichte. Faryes Ziel war der See gewesen, eine der Antigravsäulen, die dort im Bereich der Brücken verliefen und ebenso auf der Insel. Das Speiselokal im Zentrum der Insel war zugleich der Stützpunkt zweier Medoroboter.
Der nächste Blitzschlag. Wie ein Scherenschnitt wurde die Umgebung sichtbar. Das Schneetreiben wollte Farye die Hirnzellen aus dem Kopf picken. Der heftiger werdende Sturm trug Stimmen vom See herüber, gefolgt vom Donner ineinander übergehender Explosionen. Feuerschein stieg auf und weitete sich sekundenlang aus, dann fegte eine heftige Windböe Farye von den Beinen.
Der Sturm peitschte ihr Schnee und Eiskristalle ins Gesicht. Ihre Haare und die Augenbrauen waren sofort dick verkrustet. Zudem wurde es erbärmlich kalt. Jeder Atemzug stach wie mit Nadeln in die Lungen. Farye hustete. Qualvoll rang sie nach Atem.
Ihre einfache Kombination bot kaum Schutz gegen die Eiseskälte. Zwanzig Grad minus? Mehr? Sie erkannte es nicht, ihr Multikom am linken Handgelenk war schon mit einer dicken Eis- und Schneekruste überzogen und am Ärmel festgefroren. Hastig versuchte sie, das Eis abzukratzen, gab es aber schnell wieder auf, presste sich die Hände vor den Mund und versuchte, die Finger mit ihrem Atem wenigstens etwas aufzuwärmen.
Vornübergesunken kniete sie im Gras, die Arme eng an den Oberkörper gezogen. Der Sturm peitschte von hinten Schnee und Eis heran.
Unablässig zuckten Blitze. Mehrmals spürte Farye Einschläge in nächster Nähe. Das schmetternde Dröhnen hörte sie kaum noch, weil der Schmerz in ihren Schläfen und den Ohren unerträglich wurde.
Trotzdem schaffte sie es, auf die Beine zu kommen. Sie torkelte vorwärts, stürzte, raffte sich von Neuem auf. Biss sich die Lippen blutig, der warme Blutgeschmack trieb sie unbarmherzig weiter. Sie wusste nicht mehr, in welche Richtung sie lief.
Warum kam keine Unterstützung? Zwanzig Meter durchmaßen die großen Antigravschächte und boten damit sogar Hilfstrupps mit schweren Gleitern Platz.
Vor allem über dem See tobte das Gewitter. Farye versuchte deshalb, die Peripherie des Habitats zu erreichen. Dort reihten sich Restaurants und Sportstätten aller Art aneinander, und weitere Antigravschächte führten sowohl zu den oberen Decks als auch nach unten.
Ein entsetzlicher Gedanke brach in ihr auf. Seit der Blizzard tobte, war ihr klar, dass die Indoktrinatoren zugeschlagen hatten. Ununterbrochen terrorisierten sie Schiff und Besatzung und raubten jede Verlässlichkeit. Kein Besatzungsmitglied der RAS TSCHUBAI hätte ähnlich intensiv eingreifen können; eine Fülle positronischer Sicherheitsvorkehrungen stand dem entgegen. Sie alle auszuhebeln konnte nur den Indoktrinatoren möglich sein.
Was, wenn die nanogroßen Angreifer das gesamte Schiff unter ihre Kontrolle gebracht hatten? Die Überlegung entsetzte Farye.
Dass sie stürzte, merkte sie kaum. Erst als der Schnee sie bedeckte, raffte sie sich wieder auf.
Von irgendwo drang eine Stimme heran.
Farye hielt inne. Sie lauschte. Dann brach sie erneut in die Knie, ihre Hände wühlten ziellos durch den Schnee.
Da war die Stimme wieder. Jemand rief ihren Namen. Faryes Herz raste. Sie wollte antworten, wollte schreien, aber nicht ein Hauch drang aus ihrer Kehle. Mühsam hielt sie sich aufrecht.
Es war nicht mehr ganz so bitterkalt. Wahrscheinlich liefen die richtigen Aggregate wieder an. Dann würde bald Rettung kommen.
»Farye ...!«
Sie hörte die Stimme deutlicher.
Mühsam um ihr Gleichgewicht ringend, verharrte sie. Tief in ihren Überlegungen wurde ihr bewusst, dass sie die Stimme kannte.
Perry?
Er musste es sein. Er war von den Taumuu zurückgekehrt. Gerade rechtzeitig.
Farye wollte sich bemerkbar machen, schreien, winken – es war unmöglich. Die eisige Kälte lähmte sie. Mit Mühe und Not hielt sie die verkrusteten Augen offen.
Da war plötzlich Helligkeit vor ihr ... Der Lichtkegel eines Scheinwerfers zuckte suchend hin und her. Dahinter zeichnete sich vage eine große, schlanke Gestalt ab. Der Mann trug einen SERUN.
Der Scheinwerfer blendete sie. Wenn es ihr möglich gewesen wäre, hätte Farye lauthals gejubelt. In der nächsten Sekunde wich das Licht von ihr und holte den Mann aus der Finsternis. Von unten nach oben gerichtet, zeichnete es einen beinahe dämonischen Kontrast von Licht und Schatten. Ausreichend, dass sie erkannte, wer da vor ihr stand.
Perry! Großvater ...!
»Eine Arkonbombe, und sie kann jeden Moment ...« Den Satz schrie Gucky geradezu heraus und teleportierte.
»... hochgehen und den Mond vernichten!« Er brachte den Satz ebenso hektisch zu Ende, da war er schon im Hangar der CHARIKLIS angekommen.
Vor ihm fügten sich die letzten Teile zusammen und ließen damit eine Arkonbombe entstehen. Die planetenzerstörende Waffe war knapp doppelt so groß wie Gucky selbst und deutlich fülliger.
Gucky griff telekinetisch zu; er suchte nach einem Zünder, den er stoppen, zumindest unterbrechen konnte. Sein Nackenfell sträubte sich vor Hektik, weil er keinen entsprechenden Mechanismus fand
Ungläubig fixierte er das leicht ovale Monstrum, das sich innerhalb von Minuten, einem abartigen Materialgedächtnis folgend, zusammengesetzt hatte. Dieses Höllending gab sich keine Blöße. Es gelang Gucky nicht, mit seiner Psi-Kraft zuzupacken und es irgendwie abzuschalten.
Aus dem Augenwinkel sah er zwei Arkoniden. Einer von ihnen hielt noch den Minikom in der Hand, mit dem er Remnark da Zoltral über die Veränderung informiert hatte. Beide starrten Gucky an wie einen Geist.
Ihre Gedanken lagen offen vor ihm. »Ich hab mit dem Ding nichts zu tun!«, stieß er hastig hervor. »Schließt eure Raumanzüge – wir verschwinden von hier!«
Der Jüngere der beiden griff zur Waffe.
Gucky ertastete endlich den Zünder der Arkonbombe. Nur schaffte er es nicht, etwas daran zu verändern. Wenige Sekunden blieben ihm, und die Arkoniden dachten überhaupt nicht daran, den Helm zu schließen.
»Macht endlich!«, herrschte er sie an.
Die Waffe ruckte hoch, zielte auf ihn. Er blickte auf die flirrende Abstrahlmündung.
Es war ohnehin zu spät.
Gucky sprang.
Das Gefühl, von einer Riesenfaust getroffen und zur Seite gewischt zu werden, raubte ihm fast die Besinnung. Eine unheimliche Kraft trieb ihn vor sich her und schmetterte ihn zu Boden; für einen Moment fürchtete er, überhaupt nicht teleportiert zu sein.
Er brüllte vor Schmerz, als er aufprallte und sich einige Male überschlug. Lediglich der SERUN bewahrte ihn vor schweren Verletzungen.
Sekundenlang blieb Gucky verkrümmt liegen und war unfähig, sich aufzurichten. Die vielfältigen Warneinblendungen im Helmdisplay ignorierte er. Sie hätten ihm nichts anderes verraten, als er ohnehin sah.
Er lag in einer weitläufigen Hangarhalle unter der Oberfläche des Mondes. Gut eineinhalb Kilometer entfernt hatte die Arkonbombe gezündet. Die CHARIKLIS existierte nicht mehr. Wo das kleine arkonidische Kugelraumschiff gestanden hatte, brodelte düstere Glut, die sich schnell ausweitete.
Zwei der in der Nähe postierten Raummandeln wurden von der Glut erfasst und flammten auf.
Wie Motten, die einer Kerzenflamme zu nahe gekommen waren und darin verbrannten. Der bizarre Vergleich erschreckte Gucky. Für Sekunden streckte er seine telepathischen Fühler aus. Die Panik Tausender Taumuu sprang ihn an. Sie hatten nicht einmal richtig erkannt, was geschehen war, da griff der Untergang nach den nächsten Schiffen.
Gucky teleportierte. Was ihn da gerade eben erwischt hatte, war der fünfdimensionale Zündschock der Bombe gewesen, aber davon spürte er nur noch einen Nachhall, der ihm kaum Widerstand entgegensetzte.
Trotzdem atmete er auf, als er an Bord einer Raummandel materialisierte, die mehrere Hundert Meter vom Explosionsherd entfernt stand. Chaos herrschte. Das Schiff reagierte nur widerwillig auf den eingeleiteten Alarmstart, während die Glutwoge der Kernfusion heranrollte und bereits das Heck des Schiffes fraß.
Wahllos riss Gucky zwei Taumuu telekinetisch zu sich heran, fasste mit beiden Händen nach ihnen und teleportierte.
Sie materialisierten im Hort der Dienerschaft, dem Regierungsgebäude, in dem bis vor wenigen Minuten über den Frieden zwischen Arkoniden und Taumuu gesprochen worden war. Gucky registrierte, dass Naats die arkonidischen »Diplomaten« in Gewahrsam genommen hatten. Alle an den Verhandlungen Beteiligten waren höchst alarmiert.
Er entdeckte Auchu Drittgelege/2, den Obersten Gelegediener, nur wenige Meter entfernt. Telekinetisch drehte er den Taumuu herum. Auchu reagierte verblüfft, und genau das war Gucky wichtig.
»Hier hast du zwei für deine Gelege!«, rief er. »Ich versuche, weitere zu retten!«
Sofort war er wieder weg. Er fing zwar einen Gedanken auf, dass Perry Rhodan über Funk nach ihm rief, aber darum konnte er sich in diesen überaus kritischen Sekunden nicht kümmern.
Kaum zehn Sekunden hatte die Aktion gedauert. In der Hangarhalle tobte bereits ein stärker werdender Sturm. Der Glutball des atomaren Feuers war deutlich angewachsen.
Zwei Raummandeln standen noch. Auch sie würden in spätestens zehn bis fünfzehn Sekunden im Atombrand untergehen. Eines der Schiffe hob soeben ab und stieg zur Hangardecke auf.
Gucky teleportierte in die Zentrale des Taumuu-Raumers. Von den Holoschirmen schien das unheimliche Brodeln des Atombrands ins Schiff überzugreifen. Entsetzen und Panik bestimmten die Gedanken der Taumuu; sie feuerten mit den Bordgeschützen gegen die geschlossene Hangardecke.
Mehr bekam Gucky nicht mit – er griff nach zwei Taumuu in seiner Reichweite und sprang mit ihnen zurück an den Ort, der vorerst noch trügerische Sicherheit bot
In längstens einer Stunde, womöglich eher, würde der Atombrand auch dort toben.
*
Farye schwebte wie auf einer Wolke ruhiger Gelassenheit, sich ihrer selbst kaum bewusst. Ein sanft fauchendes Geräusch begleitete jeden Atemzug. Außerdem erklang ein heller Ton in stetem Rhythmus. Nur hin und wieder schien er zu stocken und dann ein wenig nachzuhängen. Sie nahm diesen Ton wahr wie etwas Unabänderliches; er war einfach da und gehörte dazu.
Wärme verdrängte ihre innere Kälte. Schließlich mischten sich andere Laute in den rhythmischen Ton – Stimmen.
Sie reden über mich. Das wurde ihr mit einem Mal bewusst. Aber warum? Was ist geschehen und wo ...
... befinde ich mich?
Sie atmete schneller. Der Ton klang hektischer. Bitter stieg es in ihr auf, überflutete ihren Rachen, und schon krümmte sie sich würgend zusammen.
Wie durch dichten Nebel nahm sie Gestalten in ihrer Nähe wahr. Wieder rang sie nach Atem, und jemand drückte ihr eine Maske aufs Gesicht. Sie schmeckte das Aroma frischer Luft, zugleich wuchs ihre Müdigkeit ...
Als sie die Augen aufschlug, erinnerte sie sich an diese Szenen wie an einen fast verblassten Traum. Sie lag auf dem Rücken, über ihr war Schwärze. Mehr erkannte sie nicht, denn ihre Augen waren verklebt. Sie wollte einen Arm heben, mit den Fingern die Augenwinkel auswischen, doch sie war nicht dazu fähig. Ihr Arm gehorchte kaum.
»Ich helfe dir, Farye«, sagte eine freundlich modulierte Kunststimme. Kopf und Oberkörper eines Medoroboters schoben sich in ihr Blickfeld, gleichzeitig spürte sie eine sanfte Berührung.
Die Erinnerung brach wie eine Flutwelle über sie herein. Ich bin Farye Sepheroa. Pilotin. Zuletzt an Bord der KRUSENSTERN ... Sie erschrak über sich selbst und wühlte in ihrer Erinnerung. Die KRUSENSTERN hatte sie bereits vor geraumer Zeit verlassen. Mittlerweile gehörte sie zur RAS TSCHUBAI, als Gast zumindest, weil ihr Großvater sie in seiner Nähe haben wollte.
Sie rang nach Luft, das Herz hämmerte ihr gegen die Rippen, begleitet von der schneller werdenden Frequenz des Pieptons.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte der Roboter beschwichtigend.
»Und weiter?«, drängte sie.
»Deine Körperfunktionen normalisieren sich. Du hattest Glück und wirst keine bleibenden Schäden davontragen.«
»Das meinte ich nicht.« Mühsam versuchte sie, sich auf die Seite zu drehen und sich auf dem Medobett aufzusetzen. Die Schmerzen waren wieder da und ein Gefühl, als wären ihre Arme weiterhin taub. »Was ist im Ogygia-Habitat geschehen? Haben die Indoktrinatoren die RAS TSCHUBAI übernommen?«
»Das haben sie nicht«, antwortete der Medoroboter.
»Und Perry Rhodan, wo ist er? Wurde er informiert, dass ich aufgewacht bin? Schließlich hat er mich gerettet.« Farye stutzte. »Wie viel Zeit ist überhaupt vergangen?«
»Seit deiner Einlieferung? Fünf Stunden und vierundzwanzig Minuten ... Du warst sehr stark unterkühlt, als die Behandlung einsetzte ...«
»Trotzdem fühle ich mich wieder blendend«, log sie. »Ohne Perrys Eingreifen wäre ich nicht so munter; er kam gerade rechtzeitig. Wo ist er jetzt?«
»Perry Rhodan hält sich nicht an Bord auf«, antwortete der Roboter.
»Finde ich ihn in der Hauptzentrale? Oder hat er sich in sein Quartier zurückgezogen?« Zögernd wurde Farye deutlich, was der Medoroboter gesagt hatte. »Unsinn!«, fuhr sie ihn an. »Du verstehst vielleicht einiges von Medizin, aber alles andere ...«
»Perry Rhodan hält sich bei den Taumuu auf«, sagte der Roboter. »Mit ihm Sichu Dorksteiger, Mausbiber Gucky, Gholdorodyn und ...«
»Ich weiß, wer dem Einsatzkommando angehört! Ich weiß aber, dass Perry zurück ist. Er hat ... mich ...« Farye biss sich auf die Unterlippe. Sie versuchte, sich zu erinnern, was in Ogygia vorgefallen war, doch es fiel ihr zunehmend schwerer. Die Bilder, die sie bis eben vor sich gesehen hatte, verblassten vor ihrem inneren Auge.
Sie setzte sich auf die Bettkante.
»Du solltest dich ausruhen«, mahnte der Roboter. »Dein Kreislauf ist keineswegs schon wieder jeder Belastung gewachsen.«
Trotzig hob sie den Kopf. »Ich weiß selbst, was gut für mich ist! Dafür brauche ich keinen Blechkasten, der mir Vorschriften macht.«