Perry Rhodan 2885: Der Leidbringer - Robert Corvus - E-Book

Perry Rhodan 2885: Der Leidbringer E-Book

Robert Corvus

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Beschreibung

Im Jahr 1522 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) befindet sich Perry Rhodan fernab der heimatlichen Milchstraße in der Galaxis Orpleyd. Dort liegt die Ursprungswelt der Tiuphoren, eines Volkes, das unendliches Leid über viele Welten gebracht hat, ehe der ominöse "Ruf der Sammlung" sie dorthin zurückbeorderte. In Orpleyd muss Perry Rhodan erkennen, dass die Galaxis seltsamen, nicht vorhersehbaren Zeitabläufen unterliegt – manchmal vergeht die Zeit innerhalb der Sterneninsel langsamer als im restlichen Universum. Zudem herrschen dort die Gyanli, eine despotische Spezies, nicht nur über die Tiuphoren – sie arbeiten auch auf ein nebelhaftes Ziel hin. Allmählich kristallisiert sich für Rhodan die Vermutung heraus, dass aus Orpleyd eine Materiesenke entstehen soll – eine Entwicklungsstufe, von der gemeinhin angenommen wird, sie liege zwischen jener der Superintelligenzen und der der Chaotarchen. Ein Name taucht dabei auf: KOSH, das Lot. Perry Rhodan will versuchen, den Lauf der Ereignisse aufzuhalten und begibt sich nach Tiu, der Heimatwelt der Tiuphoren. Dort hofft er, mehr Informationen zu erhalten – und wird DER LEIDBRINGER ...

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Nr. 2885

Der Leidbringer

Offenbarungen des Kalyptischen Katalogs – auf der Spur der Maschinisten

Robert Corvus

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Sammlung

2. Verdichtung

3. Anziehung

4. Erweiterung

5. Vernichtung

6. Versenkung

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

Im Jahr 1522 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) befindet sich Perry Rhodan fernab der heimatlichen Milchstraße in der Galaxis Orpleyd. Dort liegt die Ursprungswelt der Tiuphoren, eines Volkes, das unendliches Leid über viele Welten gebracht hat, ehe der ominöse »Ruf der Sammlung« sie dorthin zurückbeorderte.

In Orpleyd muss Perry Rhodan erkennen, dass die Galaxis seltsamen, nicht vorhersehbaren Zeitabläufen unterliegt – manchmal vergeht die Zeit innerhalb der Sterneninsel langsamer als im restlichen Universum. Zudem herrschen dort die Gyanli, eine despotische Spezies, nicht nur über die Tiuphoren – sie arbeiten auch auf ein nebelhaftes Ziel hin.

Allmählich kristallisiert sich für Rhodan die Vermutung heraus, dass aus Orpleyd eine Materiesenke entstehen soll – eine Entwicklungsstufe, von der gemeinhin angenommen wird, sie liege zwischen jener der Superintelligenzen und der der Chaotarchen. Ein Name taucht dabei auf: KOSH, das Lot.

Perry Rhodan will versuchen, den Lauf der Ereignisse aufzuhalten und begibt sich nach Tiu, der Heimatwelt der Tiuphoren. Dort hofft er, mehr Informationen zu erhalten – und wird DER LEIDBRINGER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner will Gefangene machen.

Attilar Leccore – Der Gestaltwandler blickt auf seinen Urgrund.

Mixandrac – Der Tiuphore will seinen Bruder retten.

Lutoo

Stimmen

»Ich habe einen Mangel an Andacht gespürt, Pushaitis.«

»Ich erlitt eine Konfrontation und eine unautorisierte Entnahme von Information, Tellavely.«

»Sind Sie integer, Pushaitis?«

»Ich habe meine Integrität wiederhergestellt, Nunadai.«

»Und nun? Werden Sie den Entnehmer vernichten, Pushaitis?«

»Ich bin unschlüssig, Tellavely. Möglicherweise können wir ihn dem Pavvat zuführen. Er wäre ein funktionaler Gewinn.«

»Versuchen Sie es, Pushaitis. Aber haushalten Sie mit der Zeit. Denn die verrinnt.«

1.

Sammlung

Ich bin Mathematiker. Wenn ich mein eigenes Denken analysiere, komme ich zu dem Schluss, dass meine Leidenschaften keine Berührung zu alten Mythen haben. Mystisches Brimborium stößt mich ab. Meine Sehnsucht ist die Klarheit des Geistes, die Fähigkeit des Verstandes, mit seinem Licht auch die obskursten Geheimnisse zu erhellen.

Umso überraschter bin ich, dass die Berechnungen, die aus zwingenden Formeln entstehen, mir eines zeigen: das absolute Böse.

Payne Hamiller

*

Lutoo lehnte ihre Handwaffe an das Terminal und authentifizierte sich. Sofort erschienen die Statusholos: allgemeine Sicherheitsmeldungen der SHADRUUS, Übersicht zum Gefecht im Lichfahnesystem, Klavtauds Quartier, summarische Darstellung der GLESSTER-Kampfroboter ...

Erst seit Kurzem beinhaltete das Arrangement ein kleines Holo, das in einer schematischen Anzeige des Doppelsonnensystems die Positionen zweier Raumschiffe angab. Zumindest sprach alles dafür, dass auch der zweite Leuchtpunkt ein Raumfahrzeug markierte. Der erste gehörte zur SHADRUUS, der andere zum Peilsignal, das das spezielle Fluid aussandte, das sie einem der Eindringlinge appliziert hatten. Es näherte sich dem Planeten Tiu, der im gemeinsamen Schwerpunkt der beiden Sterne stand.

Alle Holos zeigten einen beruhigend hellblauen Status.

Lutoo streckte die Arme, spreizte die Finger und fächelte mit den Drifthäuten. Ein wenig Feuchtigkeit dampfte noch ab. Der Kollekttraum hatte ihr wieder einige Stunden fernab ihrer Pflicht geschenkt. Sie war körperlich und geistig erfrischt, auch wenn sie, wie stets, keine Erinnerung an die Träume besaß, die sie unter allem Grund durchlebt hatte. Lediglich das Gefühl der Sicherheit blieb, die Gewissheit, Teil von etwas Großem zu sein, der Kohäsion.

Sie nahm den Kombistrahler wieder auf und trug ihn zum Gestell, an dem ihre Kutane auf sie wartete, wo sie die Waffe gegen die Wand lehnte. Es waren nur vier Meter, aber die konnten den Unterschied ausmachen, wenn es galt, schnell zu reagieren.

Sie streifte die schwarze Uniform mit den türkisfarbenen Streifen über und suchte Farblagen aus, die sie auf den Kopf heftete. Diesmal wählte sie eine grüne Halbschale mit gezacktem Rand und mehrere kleine Schmuckstücke, die dazu passten. Den Abschluss bildete eine Lage über dem rechten Ohr, die den ihr vorübergehend verliehenen Rang einer Sek-Exekutorin anzeigte.

Der GLESSTER, der in der Mitte des Raums schwebte, wich ihr lautlos aus, als sie zum Getränkevorrat ging. Alle drei Arme des Kampfroboters hingen inaktiv vom eiförmigen Hauptkörper herunter, aber innerhalb von Sekundenbruchteilen hätte er sie auf jeden Gegner ausgerichtet.

Lutoo wählte Wasser mit leichtem Mineralanteil. Sie nahm einen tiefen Schluck.

Der zweite GLESSTER in ihrer Kabine schwebte einen Meter vor der Tür. Er würde jedem unautorisierten Zutritt angemessen begegnen.

Zufrieden begab sich Lutoo zurück zum Terminal. Sie genoss das Gefühl des glatten Hartplasts unter den nackten Füßen. Das industriell produzierte Material vermittelte ihr auf subtile Weise das Bewusstsein, jener Hochkultur anzugehören, deren Schlachtschiffe die gesamte Galaxis Orpleyd beherrschten. Immer wieder flackerte die eine oder andere kümmerliche Rebellion auf, aber auch das begrüßte Lutoo. Echte Gefechte boten dem gyanen Militär die beste Möglichkeit, die Unfähigen auszusortieren.

Erschrocken bemerkte Lutoo, dass das Kommunikationsholo einen entgangenen Ruf von Klavtaud anzeigte. Statt des Prioritätskanals, der ihn mit der Frau verband, die Verantwortung für seine Sicherheit trug, hatte er das Bordnetz benutzt. Deswegen gab es kein besonderes Leuchtsignal. Sie würde den Algorithmus dafür ausweiten.

Zunächst aber aktivierte sie die Rückruffunktion.

Die Statusholos schrumpften und glitten an die Ränder, im Zentrum baute sich ein großer Würfel auf. Nach wenigen Sekunden erschien dort Klavtauds Kopf. Das Gesicht lag im hellen Schatten einer weißen Kapuze. Bis vor Kurzem hatte Lutoo vermutet, dass diese spezielle Kutane seinen Körpergeruch abschirmte, aber das war nicht der Fall, wie sie wusste, seit sie ihn in Kommandantin Zallnais Quartier nackt gesehen hatte. Das Gewand war ein Zugeständnis an seine Umgebung, ein Angebot an die Gyanli, die ihm begegneten. Es bot eine Erklärung dafür, dass seine Präsenz den Drifthäuten entging. In Wirklichkeit war dieser Mann noch geheimnisvoller, als er schien.

»Ich hoffe, du hast dich im Bad gut erholt.« Er klang freundlich, als wäre es für jemanden in seiner Position von Interesse, ob sich Lutoo wohlfühlte.

Was antwortete man einem Gast, dem selbst der Kriegs-Operator der Kohäsion mit höchstem Respekt begegnete? »Ich habe mich regeneriert und bin voll einsatzfähig.«

»Dein Diensteifer ist vorbildlich.«

Lutoo straffte sich. In diesem Moment war ihr unangenehm, dass sie barfuß war, obwohl sich ihre Beine außerhalb des Aufnahmewinkels befanden. Unauffällig berührte sie ihren Strahler, die Waffe gab ihr Halt.

»Wie steht es mit den Eindringlingen?«

Wollte er überprüfen, ob sie sich auf dem Laufenden hielt? Selbstverständlich hatte er selbst Zugriff auf sämtliche Daten.

»Sie befinden sich in einer Wolke aus Schrott, den Überresten eines feindlichen Schiffs, die wir auf Absturzkurs über Tiu gebracht haben. Der Atmosphäreneintritt steht in wenigen Minuten bevor.«

»Das sehe ich«, versetzte er mit mildem Tadel. »Ich hätte gerne deine taktische Analyse.«

Sie zog das entsprechende Holo nach vorne.

»Das Feindschiff ist nicht zu orten, keine messbare Energieemission. Wobei das im Moment auch nicht zu erwarten wäre, es treibt mit dem Wrack im freien Fall. Aber es ist auch optisch unsichtbar.«

»Ihr habt also Sonden ausgeschickt?«, erkundigte er sich.

»Mikrogeräte«, bestätigte Lutoo. »Auf der Flugbahn ausgesetzt von einem Tender. Die Hälfte ist verloren gegangen, das liegt im erwarteten Bereich. Die anderen haben sich an die Trümmer geheftet und senden Bilder. Dort, wo das unbekannte Schiff sein sollte, ist nichts.«

»Ein Loch? Ein schwarzer Fleck?«

»Nein ...« Lutoo überspielte die Aufnahmen. »Leeres All. Aus jedem Winkel sieht man das, was man sehen würde, wenn sich im Zwischenraum wirklich nichts befände: andere Trümmerteile, die Sterne, den Planeten. Auch bewegte Objekte, wie unsere Schiffe.«

»Merkwürdig.« Klavtaud studierte die Bilder. »Ob sie es geschafft haben, sich des Fluids zu entledigen?«

»Selbst das müssten wir orten. Aber da ist nichts ...«

Ein Wrackteil explodierte. Die Stille des Vakuums erstickte jedes Geräusch, aber die gelbe Feuerwolke war zu sehen. Einige Kamerasonden fielen aus, andere zeigten, wie Gas abfackelte und glühende Trümmer zurückblieben. All dies war gestochen scharf.

Und gestochen scharf fokussierte die Automatik auf eine Handvoll Brocken, die sich nicht so bewegten, wie ihr Vektor es erwarten ließ. Sie prallten mitten im Nichts von einem Hindernis ab.

»Da haben wir ...«, setzte Lutoo an.

Eine weitere Explosion füllte die Übertragung. Sie waren nicht die Einzigen, denen die Unstimmigkeit auffiel, die auch ein Flackern im energetischen, wenn auch nicht im optischen Bereich beinhalten mochte. Ein Kreuzer der CINDAAR-Klasse, der über Tiu Blockade flog, feuerte seine Geschütze ab.

*

Die Gyanli haben hervorragende Kanoniere, dachte Perry Rhodan anerkennend.

Er hatte den Eindruck, im Innern einer Sonne zu schweben.

In Wirklichkeit saß er im kühlen Pilotensessel der ODYSSEUS. Das Cockpit war jedoch transparent geschaltet, Holografien überlagerten die rückwärtigen Wände mit den Aufnahmen der Außensensoren. So schien es, dass zwei Sitze – neben seinem auch der Pneumosessel, den der Tiuphore Mixandrac belegte – umgeben von Steuerungsholos im All schwebten. Und das All bestand aus dem Feuer der gyanen Geschütze.

Rhodan öffnete den Bordkanal. »Zweitmechanikerin Jurukao bitte ins Cockpit.«

»Der Angreifer ist identifiziert«, meldete die weibliche Stimme des Bordrechners emotionslos.

Das Bild einer lang gezogenen Walze, die vor dem wolkenumhüllten Planeten trieb, erschien links vor Rhodan. Die Kennzahlen wiesen eine Länge von siebenhundert Metern aus, also hatten sie es mit einer kleineren Einheit der Angriffsflotte zu tun.

»Wir müssen fliehen!«, schrie Mixandrac. »Sie haben uns entdeckt!«

Leider verfügten die Sessel über keine Vorrichtung, über die Rhodan ihm ein Beruhigungsmittel hätte injizieren können. Also musste er den Tiuphoren ablenken, während er die ODYSSEUS herumzog und aus der Umklammerung der Wrackteile löste.

»Was weißt du über diese Schiffe?«, fragte er.

Mixandrac schnaubte durch die Atemöffnungen, die sein Gesicht so aussehen ließen, als hätte ihm jemand die Nase abgeschnitten. »CINDAAR-Klasse. Genug Feuerkraft, um eine Stadt einzuäschern.«

»Sehr gut.«

»Gut?«, kreischte Mixandrac. »Was ist denn daran gut?«

»Ich hoffe, sie beweisen noch einmal ihre Zielgenauigkeit«, erklärte Rhodan. »Ich muss nur unseren Schutzschirm ein wenig drosseln ...«

»Drosseln? Ich hoffe, mein Translator hat eine Fehlfunktion.«

Rhodan schmunzelte. Er trug wieder eine Gyanli-Langzeitmaske und die entsprechende Ethofolie. Auch ohne Translator sprach er fließend Anliit.

»Sieh genau hin.« Rhodan nickte zum Abbild des Feindraumers.

Die ODYSSEUS ließ das Wrack hinter sich.

Die Gyanli feuerten Orientierungsminen.

Bei einem Schiff mit konventioneller Hülle hätte das sicher zum Erfolg geführt, das Luzidit der ODYSSEUS jedoch bog das Licht. Mit einer intensiven Analyse konnte man die verlängerte Signallaufzeit ermitteln, aber bei den raschen Manövern in einem Raumgefecht erhielt man so nur Daten, die eine unendlich weit – vielleicht sogar eine volle Sekunde – zurückliegende Vergangenheit beschrieben.

»Denkt euch etwas anderes aus«, murmelte Rhodan und schraubte das sichelförmige Raumschiff dem Planeten entgegen.

»Du ermutigst sie auch noch?«, rief Mixandrac.

»Sie hören mich ja nicht«, wiegelte Rhodan ab.

Seinen Rat befolgten sie dennoch. Materiewerfer füllten Kubikkilometer um die Sonden herum mit Staub. Zwar lag ihr Suchgebiet etwas abseits, aber Rhodan lenkte die ODYSSEUS mitten hindurch. Das Schiff erzeugte unübersehbare Verwirbelungen.

Der gegnerische Kanonier enttäuschte Rhodan auch diesmal nicht. Sofort erfassten die Energiewerfer die ODYSSEUS.

Ringsum flackerte grünes Licht. Mixandrac schrie unartikuliert.

»Nicht nervös werden!«, empfahl Rhodan.

Das Holo des Gyanlischiffs zeigte Explosionen rund um die Ausbuchtungen, in denen die Waffensysteme saßen.

Mixandrac setzte sich auf. »Kommt uns jemand zu Hilfe?«

»Ja, die Physik«, meinte Rhodan trocken. »Innerhalb des Paratrons schützt uns ein Inverter. Er wirft die auftreffenden Energien auf ihren Ursprung zurück.«

»Aber dann ...« Mixandrac scheiterte an dem Versuch, sich die Konsequenzen zu erschließen.

»Sie treffen sich selbst. Je stärker sie feuern, desto mehr schaden sie sich. Es sei denn ...«

»Was?«

Rhodan pflügte durch die obersten Atmosphärenschichten. Ionisiertes Gas zeichnete die Form der ODYSSEUS nach, einen Bogen von zweihundertzwanzig Meter Länge, an der Backbordspitze ergänzt um eine achtzig Meter messende Stange, die das Leaper-Triebwerk beherbergte. Insgesamt so etwas wie eine Sichel mit Griff.

»Es sei denn, unser Inverter überlastet.«

»Und was dann?«, schrie Mixandrac.

»Dann explodieren wir.«

»Schlecht!«, protestierte der Tiuphore. »Ganz schlecht!«

»Ich verstehe deinen Standpunkt, der Selbsterhaltungstrieb ist etwas sehr Natürliches.«

»Und was ist mit deinem?«

»Ich sagte doch«, erinnerte Rhodan, »nicht nervös werden. Eine weitere Salve warten wir ab.«

»Aber wieso?«

Rhodan war ausreichend mit tiuphorischer Mimik vertraut, um an der Art, wie Mixandrac ihn anstarrte, zu erkennen, dass er ihn für wahnsinnig hielt.

»Entschuldige«, bat er, »ich muss mich jetzt konzentrieren.«

Rhodan fuhr den Paratronschirm wieder hoch. Er flog einen maßvollen Ausweichkurs, der die Luft noch deutlicher ionisierte und ihnen einen Feuerschweif verschaffte. Gleichzeitig programmierte er den Trugwerfer. »Na los, traut euch!«

»Du ... du bist ...«, stammelte Mixandrac.

Rhodan hörte die Tür zur Kommandohemisphäre aufgleiten. Ein Geräusch wie von Schrauben, die in einem Blecheimer rasselten, erklang. Mit leichter Verzögerung übersetzte der Translator: »Gibt es Probleme?«

»Alles im Griff, Jurukao. Hast du alles vorbereitet?«

»Ich habe es dabei.«

»Gut, aber ich muss mich konzentrieren. Es geht darum, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen.«

»Wofür?«, fragte die Wuutuloxo.

»Anscheinend zum Sterben!«, rief Mixandrac.

»Unsinn!«, versetzte Rhodan. »Für die Landung.«

»Landung?« Mixandrac sprang auf. »Du willst landen?«

»Ja, das ist unser Plan«, erinnerte Rhodan.

»Aber wir sind doch aufgeflogen!«, schrie Mixandrac. »Die Gyanli orten das Peilsignal.«

»Deswegen bin ich hier.« Zweitmechanikerin Jurukao wuchtete ihren würfelförmigen Körper in ihr Blickfeld. Unter dem an einem dünnen Hals vorragenden Kopf hielt sie einen durchsichtigen Behälter mit einer grauen Substanz. »Wir haben das Neurokrill isoliert.«

»Gute Arbeit«, lobte Rhodan. »Sendet es noch?«

»Ja, das ist auf molekularer Ebene programmiert. Aber wie vermutet können wir es dämmen. Hier.« Mit einem ihrer erstaunlich flexiblen Finger zeigte sie auf ein blaues Schaltfeld am Behälter.

»Gut. Das sollten wir bei nächster Gelegenheit tun«, meinte Rhodan. »Ich denke, wir haben unsere Absicht deutlich genug gemacht.«

»Aber wir müssen doch ...« Mixandrac schrie auf und fiel in seinen Sessel zurück.

In früheren Zeiten hätte man das, was sie traf, als formidable Breitseite bezeichnet. Überall loderten Explosionen, rot, orangefarben und grün. Die dünne Atmosphäre reichte aus, um ein Grollen wie von einem Gewitter in einem engen Talkessel zu übertragen.

»Jetzt!«, rief Rhodan Jurukao zu.

Er aktivierte den Trugwerfer.

*

Den Ortungsgeräten der Gyanli bot sich das Bild eines explodierenden Schiffs von Masse und Form der ODYSSEUS. Scheinbar flogen die Trümmer in alle Richtungen davon.

In Wirklichkeit passte sich der Bewegungsvektor der Tiuphorenjacht der vorherrschenden Windströmung an. Während über ihr scheinbar das Chaos tobte, trieb sie mit minimaler Verdrängung abwärts.

»Sie ...«, stammelte Mixandrac, »... wir ...«

Rhodan beobachtete die Entfernungsmesser. Eine winzige Kurskorrektur, vorgenommen durch mechanische Klappen am Steuerbordflügel, stellte sicher, dass sie nicht mit einem aufragenden Berggipfel kollidierten.

»Wir leben, und die Gyanli feiern einen Abschuss«, stellte Rhodan fest. »Alle sind glücklich.«

Tatsächlich ortete er keinen Beschuss mehr.

Offenbar besaß Jurukaos Behälter auch eine Antigraveinheit, denn er schwebte zu Rhodan herüber.

Energetisch tot und durch die Luzidithülle optisch getarnt verlor die ODYSSEUS gemächlich an Höhe, während sie vom Ort des Geschehens forttrieb.

Der Planet Tiu war – warum auch immer – ein Brennpunkt innerhalb der Galaxis Orpleyd. Nur dort kamen die Tiucui-Kristalle vor, die auf den scheibenförmigen Sinsilii in Klavtauds Quartier geklebt hatten. Tius Doppelsternsystem war das Einzige, das neben der Heimat der Gyanli im Galaxisholo hervorgehoben gewesen war. Und Klavtaud hatte von den Sammlern gesprochen, womit nur die Tiuphoren mit ihren Bannerkampagnen gemeint sein konnten.

Auf Tiu würde Rhodan Antworten finden. Vielleicht würden sie auch Klavtaud dorthin locken können. Den Versuch war es wert; immerhin hatten die Gyanli sie sicher nicht ohne Absicht mit einem Peilsender versehen. Nur würde Rhodan diesmal ein Spielfeld wählen, auf dem die Gyanli nicht sämtliche Regeln bestimmten.

»Ist das alles, was wir noch vom Neurokrill haben?«, fragte er.

»Gut, dass du das ansprichst.« Jurukaos Arme krachten wie splitternde Äste, als sie die Hände zusammenlegte. »Zur Sicherheit haben wir alle bereits untersuchten Proben desintegriert. Deswegen wäre es sehr freundlich, wenn du diese hier baldmöglichst zurückgeben könntest. Sobald wir außer Gefahr sind.«

»Ich werde daran denken.«

»Und falls sie uns orten?«, protestierte Mixandrac.

»Sollte die Abschirmung versagen, könnt ihr die Probe vernichten. Der Behälter hat einen Selbstzerstörungsmechanismus.«

»Diesen hier?« Rhodan zeigte auf ein Sechseck am oberen Rand des Zylinders.

»Vorsicht!«, rief Jurukao und fuhr ihren Hals zehn Zentimeter weiter aus. Es wirkte, als wollte sie mit ihrem schnabelartigen Mund nach der Kostbarkeit schnappen.

»Schon gut«, beschwichtigte Rhodan.

»Du kannst das alles auch per Funkimpuls steuern«, erklärte die Zweitmechanikerin.

»Ich verstehe.« Er steckte den etwa unterarmgroßen Behälter in die Innentasche seiner Kutane. Die Tombola der ODYSSEUS hatte sie nach dem Vorbild der erbeuteten Gyanlikleidung angefertigt, aber auf seine Größe angepasst. »Wie geht es Pey-Ceyan?«

»Sie ist fast fertig«, berichtete Jurukao. »Die Ethofolie für das Kindchen liegt auch schon bereit.«

»Sehr schön«, fand Rhodan. »Dann müssen wir jetzt nur noch entscheiden, wo wir landen wollen. Ich denke, du kennst dich hier am besten aus, Mixandrac. Was hältst du von Tonhoun?«

Ungläubig schloss und öffnete der Tiuphore die Atemlöcher. »Du kennst unsere verlorenen Städte?«

»Verloren? Das klingt schlecht.«

»Tonhoun existiert schon lange nicht mehr«, sagte Mixandrac.

»Wir brauchen eine tiuphorische Stadt«, überlegte Rhodan, »am besten in der Nähe eines Municipiums. Aber weit genug entfernt, damit die Gyanli nicht über die ODYSSEUS stolpern.«

»Baxrotas«, schlug Mixandrac vor. »Es grenzt an das Municipium Gothud. Außerdem wohnt dort mein Bruder.«

Rhodan blendete ein auf der Fernortung basierendes Planetenholo ein. Die Kontinente waren ebenso zu erkennen wie die Energieabstrahlung der Siedlungszentren. »Zeig uns bitte, wo das liegt.«

*

Klavtaud bot einen seltsam unmilitärischen Anblick in der Feuerteststation der SHADRUUS, aber er hatte selbst entschieden, Lutoo an diesen Ort zu begleiten. Als Einziger zwischen den etwa ein Dutzend Gyanli, die mit der Überprüfung der Kampfroboter betraut waren, trug er keine Uniform, sondern seine weiße, mit einer Kapuze versehene Kutane, deren Falten beim richtigen Lichteinfall in allen Regenbogenfarben changierten.

»Das sind also die Maschinen, die uns auf den Planeten begleiten werden«, erkannte er.

Lutoo ging zu einem in die Wand eingelassenen Paneel und rief ein Übersichtsholo auf. »Ja, zumindest einige davon.«

Fünf ihrer Einheiten durchliefen nach der Wartung den finalen Einsatzcheck. Sie schwebten an den Feuerpositionen der Schießbahnen, die Sensorarme nach vorne gerichtet, und warteten auf die Ziele. Lutoo wählte ein Programm für planetare Bedingungen.

»Ich freue mich sehr auf unseren Ausflug«, sagte Klavtaud.

»Es ist mir eine Ehre, dich begleiten zu dürfen«, beteuerte Lutoo, auch wenn sie sich ein anderes Ziel gewünscht hätte. Nach allem, was sie gehört hatte, war Tiu eine einzige Müllhalde. »Von dieser Zusammenkunft der Primitiven haben wir aber leider noch keine Informationen.«

Die Restriktion mochte etwas wissen, zeigte sich aber unkooperativ, womöglich weil sie dem Erkenntnis-Operator der Kohäsion unterstand. Rivalitäten an höchster Stelle mochten dafür verantwortlich sein, dass sie einer Anfrage aus dem Bereich von Kriegs-Operator Yeemburc wenig Beachtung schenkte. Aber auch der militärische Geheimdienst war auf Tiu aktiv; bald würden sie wissen, was es zu wissen gab.

»Das wird sich finden, wenn wir erst einmal dort sind«, meinte Klavtaud.

Er hatte vor, nicht nur ein Municipium, sondern auch die verdreckten Seuchenpfuhle zu besuchen, in denen die Barbaren hausten. Eine Entscheidung, die Lutoo nicht zu hinterfragen wagte, die ihr aber missfiel.

Der Test begann. Die Schießbahnen simulierten atmosphärisches Hitzeflimmern und Niederschlag. Hindernisse klappten auf, auch gyane Umrisse, die nicht bekämpft werden durften.