Perry Rhodan 3101: Die Letzten der Lemurer - Robert Corvus - E-Book

Perry Rhodan 3101: Die Letzten der Lemurer E-Book

Robert Corvus

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, in der Mitte des sechsten Jahrtausends unserer Zeit: Nach einer langen Phase der Unruhe und des Wandels herrscht nun seit beinahe einem Vierteljahrhundert in der Milchstraße eine Phase des Friedens und der Stabilität. Die Zivilisationen wachsen zusammen, treiben Handel und pflegen einen intensiven Austausch. Es scheint, als könnte Perry Rhodans alter Traum von Partnerschaft und Frieden zwischen den Völkern der Galaxis Wirklichkeit werden. Die ermutigende Entwicklung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Milchstraße ihren Mentor verloren hat: die Superintelligenz ES. Seitdem ist es an den Menschen, Arkoniden, Blues und all den anderen Völkern, ihre Freiheit aus eigener Kraft zu wahren und zu verteidigen. Wachsamkeit bleibt also das Gebot der Stunde. Von daher ist die Liga Freier Galaktiker aufs Höchste alarmiert, als sie erfährt, dass in der Nachbargalaxis Andromeda ein Chaoporter gestrandet sei. Dieses Fahrzeug soll, wenn man drei Überläufern seiner Mannschaft Glauben schenkt, im Auftrag der Chaotarchen gegen die Erde entsandt worden sein. Daher erhält Perry Rhodan den Auftrag, die Informationen zu prüfen. Mit der RAS TSCHUBAI bricht er auf – und findet DIE LETZTEN DER LEMURER ...

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Nr. 3101

Die Letzten der Lemurer

Sie leben in Andromedas Licht – und im Schatten einer uralten Furcht

Robert Corvus

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Das Licht von Andromeda

2. Zentrale

3. Die Chronistin und der Mausbiber

4. Die entscheidende Waffe

5. Cassiopeia

6. Kuchen

7. Der Temart

8. Die Sänger von Bhanlamur

9. Kameraden

10. Neue Prämissen

11. Boring Island

12. Uralte Hochtechnologie

13. Diamanten

14. Mysteriöse Spuren

15. Lemurer

16. Aufklärungsbefehl

17. Klangzeugnisse

18. Fraktionen

19. Die Ruine

20. Brücken

21. Der Schock

22. Die Last des Rangs

23. Inferno

24. Fehleinschätzungen

25. Rhodans Entscheidung

26. Krise

27. Erscheinung

Fanszene

Leserkontaktseite

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, in der Mitte des sechsten Jahrtausends unserer Zeit: Nach einer langen Phase der Unruhe und des Wandels herrscht nun seit beinahe einem Vierteljahrhundert in der Milchstraße eine Phase des Friedens und der Stabilität. Die Zivilisationen wachsen zusammen, treiben Handel und pflegen einen intensiven Austausch. Es scheint, als könnte Perry Rhodans alter Traum von Partnerschaft und Frieden zwischen den Völkern der Galaxis Wirklichkeit werden.

Die ermutigende Entwicklung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Milchstraße ihren Mentor verloren hat: die Superintelligenz ES. Seitdem ist es an den Menschen, Arkoniden, Blues und all den anderen Völkern, ihre Freiheit aus eigener Kraft zu wahren und zu verteidigen. Wachsamkeit bleibt also das Gebot der Stunde.

Von daher ist die Liga Freier Galaktiker aufs Höchste alarmiert, als sie erfährt, dass in der Nachbargalaxis Andromeda ein Chaoporter gestrandet sei. Dieses Fahrzeug soll, wenn man drei Überläufern seiner Mannschaft Glauben schenkt, im Auftrag der Chaotarchen gegen die Erde entsandt worden sein. Daher erhält Perry Rhodan den Auftrag, die Informationen zu prüfen. Mit der RAS TSCHUBAI bricht er auf – und findet DIE LETZTEN DER LEMURER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Allianz-Kommissar will einen Stützpunkt.

Axelle Tschubai – Die Missionschronistin schreibt Geschichte.

Gucky – Der Ilt kümmert sich.

Bouner Haad – Der Parapassant geht auf Erkundung.

Lat-Antin

1.

Das Licht von Andromeda

Und plötzlich: Andromeda.

Das Rot des Hyperraums war fort, als wäre es ein flatternder Vorhang gewesen, den jemand von der minimal gewölbten, transparenten Außenwand des Observatoriums gezogen hatte. Die RAS TSCHUBAI hing im Nichts des Weltalls, wo es keine Atmosphäre gab, die den Blick auf die fremden Sterne verschleiert hätte.

Falls die Navigatoren gute Arbeit geleistet hatten, befanden sie sich 5000 Lichtjahre von Cassiopeia entfernt, jener Zwerggalaxis, die auch die Bezeichnung Andromeda VII trug. Zweifellos griffen die Sensoren des Fernraumschiffs in diesem Moment weit in alle Richtungen aus, um die exakte Position zu bestimmen.

Axelle Tschubai spähte aber nicht hinaus ins All, weil sie geglaubt hätte, damit einen astrogatorischen Beitrag zu leisten. Ein anderes Bedürfnis hatte die 22 Jahre junge Frau in das Observatorium gelockt, und damit war sie nicht allein. Mindestens 100 Besatzungsmitglieder schwiegen gemeinsam nahe dem Zenitpol des gut drei Kilometer durchmessenden Schiffs. Im Dienst war wohl nur der Lehrer, der seine Grundschulklasse um sich versammelt hatte.

Axelle schmunzelte. In diesem Moment waren sie alle Kinder, die staunend in den Himmel sahen.

Er bot ihnen ein ganz besonderes Wunder. Oberhalb von Cassiopeia und, wie sie wusste, über 600.000 Lichtjahre entfernt stand die gigantische Sternenansammlung, die jeder Terraner mit dem Schritt der Menschheit auf die große kosmische Bühne verband. Der Diskus aus milchigem Gelb, durchzogen von einer Spirale aus braunem Staub, die in den Randbereichen ausfranste. Dort leuchtete das Objekt rot und blau.

Es nahm dem Wunder nichts, dass Axelle um den ionisierten Wasserstoff und die chemischen Elemente wusste, die diese Färbungen erzeugten. Im Gegenteil, je mehr man verstand, umso größer wurde das Staunen. Sternenwiegen, Sternengräber, der Tanz der Materie und des Lebens ...

Dies war sie also, die riesige Sterneninsel, in der einst die Meister geherrscht hatten. Perry Rhodan hatte sich ihnen gestellt und ihre Tyrannei gebrochen, vor mehreren Tausend Jahren. Derselbe Mann, der, von seinem Zellaktivator am Leben erhalten, in diesem Moment vermutlich in der Zentrale der RAS TSCHUBAI saß. Damals wie an diesem Tag leitete er die Mission. Aber das Ziel war diesmal ein anderes. Die Menschheit befand sich nicht im Krieg. Jedenfalls hoffte Axelle das.

Ihr Blick wanderte, tastete über die dicht stehenden Sterne von Cassiopeia. Dort war Rhodan nie zuvor gewesen. Die Chancen standen gut, dass sie die ersten Terraner waren, die sich in diese Zwerggalaxis begaben. Neue Freunde, Glück, Wohlstand, Erkenntnisse wissenschaftlicher und philosophischer Natur? Ein weiteres Blinzeln in das große Licht, das die Gesetze des Kosmos offenbarte? Schreckliche Feinde, Gefahr und Zerstörung? Niemand konnte ahnen, was sie dort erwartete.

Was immer auf dieser Mission geschah: Axelle würde es festhalten. Sie hatte sich um das Amt der Missionschronistin beworben, und die 35.000 Mitglieder der Besatzung hatten sie gewählt.

Es wurde Zeit, ihre Pflicht zu beginnen. Stolz zog Axelle den stiftförmigen Chronikspeicher aus der Tasche und aktivierte ihn mit dem Daumen. Das halbtransparente Eingabe- und Anzeigeholo baute sich auf. Sie wählte die lautlose Steuerung über Sensorfelder, um die anderen nicht zu stören.

Mit dem Zeigefinger kopierte sie die Angabe des Chronometers in ihr Dokument. Der 16. Juni des Jahres 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hatte gerade begonnen. Wir haben das Einsatzgebiet erreicht,

2.

Zentrale

Perry Rhodan, der unsterbliche Terraner, saß auf dem Platz des Missionskommandanten. In den Armlehnen des Sessels erlaubten Schaltkontrollen den Zugriff auf unterschiedlichste Instrumentarien, darunter externe Schiffssensoren und Vorrangkommunikation. Er stand auf der Galerie der Zentrale, in der Spitze, wo sich die beiden Schenkel des halbelliptischen Grundrisses trafen. Eine gewinkelte Konsole erlaubte komplexere Eingaben und Darstellungen. Ein Schwarm bunter Sensorfelder wartete auf Befehle.

Für den Moment beschränkte sich Rhodan darauf, das Geschehen in der Zentrale zu beobachten. Unmittelbar hinter der Konsole endete die Empore. Die COMMAND-Ebene lag gut sieben Meter tiefer.

Für die Ankunft im Zielgebiet hatte Schiffskommandant Muntu Ninasoma volle Alarmbereitschaft befohlen. Deswegen waren alle Stationen dreifach besetzt. Einige Funktionen, wie die Abteilung für Landemanöver oder die Logistiker, waren in einem Dreiviertelkreis um den Haupt-Hologlobus angeordnet, der mit seinem Durchmesser von 17 Metern die Zentrale beherrschte.

Andere, wie die Feuerleitstation oder die Verbindung zum Schiffsrechner ANANSI, belegten ausgewiesene Areale am Rand der Halbellipse. Pilot und Kommandooffiziere hatten ihren Platz auf dem Podest des Kommandanten, das Rhodan gegenüberlag, an der geraden Wand, die die Schenkel der Halbellipse verband. Dorthin konnte Rhodan nur durch die halbtransparente Projektion im Hologlobus sehen, was den Blick trübte. Bei Bedarf würde die Konsole vor ihm eine klare Sichtverbindung herstellen.

Zufrieden bemerkte Rhodan, wie konzentriert, aber unaufgeregt die Mannschaft in der Zentrale arbeitete. Informationsabrufe erfolgten ebenso wie das Erteilen von Befehlen primär über holografisch-sensorische Projektionen, die aber in den meisten Fällen so abgeschirmt wurden, dass man sie nur innerhalb der jeweiligen Station wahrnahm. Deswegen schienen die Männer und Frauen in die leere Luft zu greifen, mit den Fingern Melodien nachzuzeichnen oder Insekten fortzuwischen. In Wirklichkeit optimierten sie die Energieströme zwischen Speichern und Aggregaten, richteten Sensoren aus, steuerten die Sonden, die standardmäßig bei jedem Auftauchen aus dem Hyperraum ausgeschleust wurden, und prüften die Struktur der RAS TSCHUBAI auf Beschädigungen, die der Flug von der Milchstraße nach Cassiopeia verursacht haben mochte.

Rhodan wusste, dass er sich auf diese Crew verlassen konnte. Sobald etwas besondere Aufmerksamkeit oder eine Entscheidung der Kommandoebene erforderte, würde man ihn informieren.

Er nutzte das Privileg, selbst keine operative Aufgabe zu haben, um einen Moment die Darstellung im Hologlobus zu betrachten. Sie ging weit über eine simple Wiedergabe optischer Kameras hinaus. Dies war ein Amalgam aus einer Vielzahl von Sensordaten und Berechnungen, die in Bereiche weit jenseits dessen vordrangen, was menschliche Sinne erfassten. Ein helles Symbol in der Mitte markierte die Position der RAS TSCHUBAI. 5000 Lichtjahre entfernt hing Cassiopeia in der Schwärze, eine Zwerggalaxis, deren Sterne sich in einem linsenförmigen Bereich gruppierten. Sie wirkten außergewöhnlich klar, weil größere Ansammlungen interstellaren Staubs fehlten.

Dies war ein exotischer Ort, zweifellos. Aber nicht so exotisch, dass die Naturgesetze des Standarduniversums ihn nicht zu beschreiben vermochten. Zumindest auf den ersten Blick deutete nichts auf einen Riss im Kosmos hin, auf das gewaltsame Eindringen von etwas Fremdem, auf einen Angriff, der auf das Gewebe der Realität selbst zielte.

Auf das Wirken der Chaosmächte, auf den geheimnisvollen Chaoporter, von dem die Deserteure bisher nur wenig mehr als den Namen berichtet hatten. Cassiopeia zeigte sich als ein weiteres Juwel in der riesigen Schatzkammer des unendlich reichen Universums.

Tüllok – der Jülziish, der den am weitesten links positionierten Sessel in der Kommandoreihe belegte – beugte sich zu dem Arkoniden neben ihm hinab. Die beiden waren für Ortung und Funk zuständig. Offensichtlich hatten sie etwas miteinander zu besprechen.

Rhodan hielt sich zurück, über die Kommunikationseinrichtung in der Armlehne nachzufragen, was sie gefunden hatten. Er sah Muntu Ninasoma an, der mit ausgestreckten Beinen neben dem Arkoniden saß, im mittleren und etwas erhöhten Sessel, dem des Schiffskommandanten. Er bekleidete diese Position noch nicht allzu lange. Zwar hatte er sich auf der TESS QUMISHA bewährt, aber in der Zentrale der RAS TSCHUBAI musste er sich den Respekt noch erarbeiten. Da wäre es schlecht gewesen, wenn Rhodan seine Autorität untergraben hätte, indem er gleich beim ersten größeren Einsatz unter Ninasomas Kommando die Befehlsgewalt an sich gerissen hätte.

Die Körperhaltung Ninasomas mit den aufgestützten Ellbogen und den aneinandergelegten Fingerkuppen wirkte nachdenklich. So kannte Rhodan ihn. Er vertraute darauf, dass Ninasoma alle Informationen aufnahm, die an seinem Kommandopult zusammenliefen.

Tüllok richtete sich auf, sodass er die anderen in der Kommandoreihe nun wieder überragte.

Der Arkonide wandte sich an Ninasoma, der nickte, die Füße unter den Sessel zog und sich vorbeugte. »Zwischenbericht von der Funkstation.« Akustikfelder verstärkten seine Ankündigung.

»Mithilfe von ANANSI konnten wir einen ersten Scan der Hyperfunkfrequenzen durchführen«, zwitscherte der Jülziish.

Die Anzeige im Hauptholo wechselte. Dort materialisierte das überlebensgroße Abbild einer Frau, die im Schneidersitz schwebte. Ihr Körper schien ebenso wie ihre schlichte Borduniform aus bläulichem Glas zu bestehen. Sie drehte sich um die eigene Achse, sodass die großen Augen nach und nach jeden anblickten. Um sie erschienen und verschwanden glitzernde Fäden, an denen blaue, grüne und rote Lichtfunken wie Saphire, Smaragde und Rubine aufleuchteten.

»Wie geht es euch?«, fragte ANANSI.

»Wir freuen uns über die von dir zur Verfügung gestellten Daten«, beteuerte Tüllok mit seiner zwitschernden Stimme. »Gemessen an der Menge von Sternen, die wir in Cassiopeia zählen, empfangen wir nur wenig.«

»Dies ist ein ruhiger Ort«, stimmte ANANSI zu. »Gegenwärtig habe ich nur einige Zehntausend Funksprüche hyperenergetischer Kommunikation ausfindig machen können.«

»Keiner sendet genau in unsere Richtung, deswegen empfangen wir lediglich Versatzstücke«, fuhr Tüllok fort. »Die inhaltliche Analyse wird noch eine Weile dauern. Wir können aber bereits festhalten, dass es in Cassiopeia nur eine geringe Dichte an technisch fortschrittlichen Zivilisationen gibt.«

»Was ist mit fremdartigen Signalen?«, fragte Ninasoma. »Solchen, die wir weder natürlichen Quellen zuordnen können noch einer Technologie, die auf den uns bekannten Prinzipien beruht?«

Rhodan beugte sich vor. Der Kommandant stellte genau die richtige Frage: Gab es im Funkverkehr etwas, das auf einen chaotarchischen Ursprung schließen ließ?

»Ich habe bisher nichts Derartiges gefunden«, sagte ANANSI.

Rhodan empfand sowohl Enttäuschung als auch Erleichterung.

»Gibt es konkrete Anzeichen für eine Bedrohung der RAS TSCHUBAI?«, wollte Ninasoma wissen.

»Derzeit kann ich keine erkennen.«

Illustration: Dirk Schulz

Der Kommandant suchte den Blickkontakt zu den Besatzungsmitgliedern in der Zentrale. Einigen war eine gewisse Anspannung anzusehen, aber niemand meldete eine Gefahr für das Schiff. »Wir bleiben eine Stunde in voller Alarmbereitschaft. Falls die Situation dann unverändert ist, gehen wir den nächsten Schritt.«

Rhodan nickte ihm zu.

3.

Die Chronistin und der Mausbiber

Herzhaft biss Gucky zu. Krachend brach die Karotte.

Ein Dutzend der im Observatorium versammelten Sternenstauner zuckte zusammen. Keine schlechte Quote, fand der Ilt und unterdrückte ein Kichern.

Er ignorierte die tuschelnden Kinder in der Schulklasse und ging leise schmatzend auf Axelle Tschubai zu.

Die junge Frau hielt unschlüssig eine stabförmige Aufzeichnungseinheit, die ein rechteckiges Hologramm mit einem Text projizierte. Sie stand ein wenig geduckt, die Schultern fielen ein bisschen nach vorn. Die Locken schwarzen Haars bildeten einen Kranz um den Kopf, die Augen zuckten, als überlegte sie, ob sie Gucky ansehen sollte oder nicht.

Der Mausbiber stellte sich so nah vor sie, dass sie ihn unmöglich ignorieren konnte, und biss noch einmal geräuschvoll ab. »So viel Feierlichkeit ist ja nicht auszuhalten.«

Er wusste, dass er seine eigene Angst übertünchte. Sicher hatten alle hier Versammelten von Andromeda gehört und von dem, was vor so langer Zeit dort geschehen war. Aber Gucky war dabei gewesen. Für ihn war der Kampf gegen die Meister der Insel viel mehr als eine Aneinanderreihung von historischen Ereignissen gewesen. Er wusste nur allzu gut, wie es sich angefühlt hatte, diesen übermächtigen Feinden gegenüberzustehen, die bedenkenlos ganze Völker für ihre Interessen geopfert hatten.

Guckys Sorge war nicht aus der Luft gegriffen. Die Nachbargalaxis der Milchstraße hatte sich abgeriegelt, die neuen Machthaber dort hatten deutlich gemacht, dass Galaktiker ihnen nicht willkommen waren.

Vetris-Molaud hatte das auf einer Expedition herausgefunden, auf der er, so sagte man, einer Frau begegnet war, die sich Ousha Rikmoon genannt hatte; wolle er sie je finden, solle er hingegen nach Soynte Abil forschen, hatte sie ihm bei ihrem Abschied geraten. Soynte Abil – wie der längst verstorbene Faktor VII, ein Meister der Insel. Waren die Tyrannen von einst also doch nicht so tot, wie man geglaubt hatte? In keinem Fall ließ die Blockade viel Hoffnung, dass man sie freundlich empfangen würde. Wenigstens hatte die RAS TSCHUBAI Cassiopeia anfliegen können, die Abriegelung war 630.000 Lichtjahre von Andromeda entfernt wohl nicht aktiv.

Gucky warf sich den Rest der Karotte in den weit geöffneten Mund. »Du trägst einen großen Namen, Axelle Tschubai.«

»Nach meinem Ahn ist dieses Schiff benannt.« Blinzelnd wich sie seinem Blick aus. »Das weißt du natürlich.«

»Ras war ein netter Kerl. Schüchtern, aber zugleich abenteuerlustig. Eine seltsame Mischung.« Der Teleporter war ebenfalls bei der ersten Erkundung Andromedas mit von der Partie gewesen. »Ich bin gespannt, wie viel du von ihm geerbt hast.«

»Sprichst du mich deswegen an?«

»Nein, wegen des Rezepts für Karottenkuchen, das du ins Bordnetzwerk eingespeist hast. Dafür möchte ich mich bedanken.«

»Das hast du gelesen?« Die Wangen in ihrem zimtfarbenen Gesicht verdunkelten sich.

»Ich habe sogar einen Kuchen gebacken.«

Überrascht sah Axelle ihn an.

»Sehr lecker«, beteuerte er. »Ich habe mir allerdings erlaubt, das Rezept zu variieren. Karottensaft darübergießen, zwei Minuten, bevor man den Kuchen aus dem Ofen holt. Das macht ihn frischer.«

»Ich ...« Ihr forschender Blick verriet, dass sie überlegte, ob er sie veralberte. »Ich probiere es demnächst aus.«

Gucky holte eine Karotte aus der Tasche. »Magst du?«

»Danke.« Axelle nahm sie, hielt sie dann aber unschlüssig in der Hand.

Leider hatte Gucky keine dritte mitgenommen.

»Solltest du nicht in der Zentrale sein?«, fragte sie. »Ich meine, du bist doch ... so erfahren, und du bist der Chef des neuen Parakorps.«

»Unter anderem deswegen, weil ich Gedanken lesen und teleportieren kann. Sobald etwas meine Aufmerksamkeit erfordert, werde ich rechtzeitig in der Zentrale sein, um das Universum zu retten.«

Auf das Parakorps war Gucky stolz. Er hoffte, es beständig erweitern zu können. Anzu Gotjian etwa wollte er gerne helfen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Leider zeigte sie bislang kein Interesse, seinem Parakorps beizutreten. Aber immerhin hatte sie sich der Mission angeschlossen.

Viele der Umstehenden betrachteten nun wieder die fremden Sterne jenseits der transparenten Wand, aber einige sahen auch zu ihnen herüber und tuschelten. Der Preis des Ruhms.

»Ich finde«, sagte Gucky »eigentlich ist die Frage eher, wieso du nicht in der Zentrale bist.«

Sie runzelte die Stirn. »Weil ich nicht zur Führungsmannschaft gehöre, schätze ich.«

Gucky zeigte auf das Aufzeichnungsgerät, das sie noch immer in der Linken hielt. »Chroniken handeln von großen Ereignissen. Von den wichtigen Entscheidungen, den epochalen Entdeckungen, von Wagemut und strategischem Kalkül. Nicht von den Alltäglichkeiten, so angenehm sie sein mögen. Oder irre ich mich?«

»Perry Rhodan hat mich nicht gerufen«, verteidigte sie sich.

»Hast du ihn denn um einen Platz gebeten? Perry weiß, dass nur derjenige gute Ergebnisse liefert, der genug Motivation für eine Aufgabe mitbringt.«

Axelle schürzte die Lippen und schaute nachdenklich.

4.

Die entscheidende Waffe

»Ich fürchte, mein Assistent wird nicht erscheinen«, sagte Professor Tammo-Tor mit dünner Stimme.

»Was soll das heißen?«, wollte Lat-Antin wissen.

Der mit Preisen überhäufte Wissenschaftler strich mit zitternden Fingern durch das graue Haar. Er wirkte, als wäre er am liebsten fortgelaufen. Ausgerechnet im Moment des Triumphs, wenn sich die Theorien seines Forscherlebens beweisen sollten!

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Lat-Antin schärfer als zuvor.

Auf den leicht geschwungenen Sitzreihen hinter ihrem Kommandosessel verstummten die letzten Gespräche. Auch der senilste Offizier musste begreifen, dass gerade etwas Schwerwiegenderes geschah als eine geringfügige Verzögerung.

Tammo-Tor stand vor dem Instrumentenpult, das sich an der gesamten zehn Meter breiten Front des Bunkers entlangzog. Diese Seite des Bauwerks, das man einzig für die Vorführung dieses Tages errichtet hatte, war vollständig transparent gehalten. Eine teure Angelegenheit, vor allem wegen der hitzebeständigen und strahlungssicheren Beschichtung, aber von hohem Symbolwert.

Die geladenen Offiziere sollten den Eindruck erhalten, dass ihnen nichts vorenthalten wurde, weil es bei dieser Sache schlicht nichts zu verbergen gab.

In der Salzwüste vor ihnen würde die gewaltigste Bombe detonieren, die man jemals auf Bhanlamur konstruiert hatte. Die Männer und Frauen in diesem Bunker sollten es mit eigenen Augen sehen, ohne zwischengeschaltete Kameras. Die Erfahrung musste so sinnlich erlebbar werden, dass man sie gerade noch überlebte.

»Er wird nicht kommen.« Tammo-Tor steckte die Hände in die Rocktaschen, nur um sie sofort wieder hervorzuholen und hinter dem Rücken zusammenzulegen. »Mein Assistent ist der Meinung, dass der Test nicht ausreichend vorbereitet wurde.«

»Unsinn!« Lat-Antin sprang auf. Sie schritt so rasch zur rechten Seite des Instrumentenpults, dass ihr Cape knatterte. »Ich werde keine Verzögerung akzeptieren. Wenn es sein muss, drücke ich den Knopf eben selbst. Begib dich auf deine Position!«

Tammo-Tor blickte sich so verloren um, als wüsste er nicht, dass sich der zweite Knopf am äußersten linken Ende befand, zehn Meter von Lat-Antin entfernt. Beide Auslöser mussten gleichzeitig betätigt und zwei Sekunden gehalten werden, damit es zur Zündung kam.

Auch das war effektvoll gestaltet, mit Leitungen, die innerhalb des transparenten Pults verliefen. Von beiden Seiten ausgehend würden sie rot aufleuchten, ihr Licht würde sich in der Mitte treffen, wo eine Leitung mit doppeltem Umfang in den Boden führte.

Lat-Antin ärgerte sich, dass sie diesen Aufbau für den Test gewählt hatte. Bei den Abschussbasen diente er dazu, der Wahnsinnsaktion eines Einzelgängers vorzubeugen. Aber bei dieser Vorführung schien sie die Einzige zu sein, die sich noch an die Befehle erinnerte.