Perry Rhodan 2973: Zirkus der Zerstörung - Uwe Anton - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2973: Zirkus der Zerstörung E-Book und Hörbuch

Uwe Anton

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Unterschwellig herrschen zwar Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Nicht immer erfolgt dieser Kontakt zur Freude aller: So versteht kaum jemand die Beweggründe der Gemeni, die angeblich den Frieden im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen: Jüngsten Erkenntnissen zufolge arbeiten sie mit den Thoogondu zusammen, die einst als Lieblingsvolk von ES galten, von diesem aber wegen eines schwerwiegenden Verrats verbannt wurden. Doch in beiden Völkern gibt es unterschiedliche Strömungen, und niemand vermag zu sagen, wer Freund und wer Feind ist. Auf der Erde hat in der Zwischenzeit der Techno-Mahdi die Macht übernommen – oder blockiert die staatliche Gewalt zumindest. In dieser Situation besuchen viele Menschen den ZIRKUS DER ZERSTÖRUNG ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 9 min

Sprecher:Tom Jacobs

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 2973

Zirkus der Zerstörung

Machtdemonstration im Solsystem – der Techno-Mahdi verspricht Heilung

Uwe Anton

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Der Aufstieg

1. Merkur

2. XANDERA

3. Terrania, Solare Residenz

4. Terrania

5. VINCENT DE GOURNAY

6. Terrania

7. GOS'TUSSAN II

8. Terrania

Epilog: Das Aggregat Etain

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen zwar Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten.

Nicht immer erfolgt dieser Kontakt zur Freude aller: So versteht kaum jemand die Beweggründe der Gemeni, die angeblich den Frieden im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen: Jüngsten Erkenntnissen zufolge arbeiten sie mit den Thoogondu zusammen, die einst als Lieblingsvolk von ES galten, von diesem aber wegen eines schwerwiegenden Verrats verbannt wurden. Doch in beiden Völkern gibt es unterschiedliche Strömungen, und niemand vermag zu sagen, wer Freund und wer Feind ist.

Auf der Erde hat in der Zwischenzeit der Techno-Mahdi die Macht übernommen – oder blockiert die staatliche Gewalt zumindest. In dieser Situation besuchen viele Menschen den ZIRKUS DER ZERSTÖRUNG ...

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Arkonide versucht, Klarheit und Kontrolle zu gewinnen.

Gucky – Der Mausbiber gerät in Stress.

Tamareil – Eine Lügnerin erwacht.

Reginald Bull

Prolog

Der Aufstieg

19. April 1552 NGZ

Der Weg schien kein Ende nehmen zu wollen. Das hatten Aufstiege so an sich, und dieser war keine Ausnahme.

Dabei war der Pfad nicht einmal besonders steil, steinig oder schmal. Die Zeit, da Steigungen die Menschen vor unvermeidbare, schwere Herausforderungen stellten, war längst vorbei. Mittlerweile boten sich solche Aufgaben den Menschen nur noch, wenn sie sie bewältigen wollten. Auch in den Alpen, dem höchsten Gebirge des Kontinents Europa. Es war weitestgehend erschlossen und allen Besuchern zugänglich.

Menschen ebenso wie Halutern.

Eigentlich sind es die Tannheimer Berge, meldete sich das Ordinärhirn. Man kann von hier aus zwar die Zugspitze sehen, aber ...

Fembor Aosher achtete nicht auf den Einwand. Das Ordinärhirn verwirrte ihn in letzter Zeit zusehends. Es gab unrichtige Auskünfte, verbesserte ihn ungefragt und spielte sich in den Vordergrund.

War das Ausdruck einer einsetzenden Schizophrenie? Das Ordinärhirn eines Haluters war kein Extrasinn, wie Arkoniden ihn hatten. Eigentlich dürfte ein innerer Dialog nicht möglich sein. Sein Bewusstsein saß im Ordinärhirn. Das Planhirn agierte wie eine zuschaltbare Positronik, die blitzartige Kalkulationen durchführte.

Aosher gab der Geißel der Haluter die Schuld daran. Ließ sie ein zweites Bewusstsein im Planhirn entstehen?

Er blieb stehen, stützte sich auf seinen drei Meter langen und gut zehn Kilo schweren Wanderstab aus Kohlenstoff-Nanofasern und sah sich um.

Nicht, weil er sich vom Ordinärhirn gestört fühlte, gar verschnaufen musste oder erschöpft war. Dafür reichte diese Anstrengung bei Weitem nicht aus, wäre eine Drangwäsche erforderlich gewesen. Sondern, weil er den Anblick der Landschaft in sich aufnehmen und genießen wollte. Nur deshalb hatte er die Wanderung angetreten.

Allerdings war jeder Alpengipfel für jemanden, der bei 3,6 Gravos aufgewachsen war, nur ein besserer Hüpfer. Daher hatte er seinen Anzug mit Absicht auf 3,6 Gravos eingestellt, um das Belastungsgefühl der Terraner bei einer Bergwanderung nachempfinden zu können. Damit wog er jedoch 7,2 Tonnen und rutschte öfter ab. Um dies wieder auszugleichen, benötigte er den Wanderstock.

Das Panorama war atemberaubend. Um ihn erhoben sich schroffe, im Licht der Sonne weiß glitzernde Felsen. Der Schnee spiegelte das Tageslicht so stark, dass es Menschen bestimmt in den Augen schmerzte. Er hatte das Plateau des Breitenbergs fast erreicht und konnte sein eigentliches Ziel erkennen, den Aggenstein, dessen schneebedeckte Doppelgipfel wie zwei gewaltige Zahnstümpfe wirkten. Nur da und dort war der Schnee geschmolzen oder ausgedünnt und enthüllte dunkle Stellen, den eigentlichen Kalkstein des Hauptdolomits.

Vor Freude schnaufend ging er weiter.

In einiger Entfernung sah er andere Wanderer. Sie bewegten sich in kleinen Gruppen und schienen sorgsam darauf bedacht, anderen Touristen nicht zu nahe zu kommen. Jeder achtete auf ausreichenden Abstand, offensichtlich ein ungeschriebenes Gesetz unter Menschen.

Aosher sah Paare, die eng nebeneinander den vom Schnee geräumten Weg bewältigten. Einige hielten Händchen, andere waren in hitzige, bestimmt nicht besonders erquickliche Gespräche vertieft. Ein Mann gestikulierte heftig und zeigte auf seine Füße – immerhin trug er Wanderschuhe und keine Halbschuhe, womöglich aus exquisitem Dendibo-Wildleder, zurzeit der letzte Schrei auf Terra –, während seine Begleiterin einen kleinen, schwarz-weiß gefleckten Hund an einer Laufleine im Zaum zu halten versuchte und den Leidenden mit wütenden Worten maßregelte.

Eine andere Menschengruppe fand sein Interesse.

Etwa einhundert Meter hinter den Streitenden arbeitete sich eine Bilderbuchfamilie den bekannten Touristen-Hotspot hinauf. Ein schlanker, drahtiger, sehr klein gewachsener Mann von etwa einhundert Jahren schritt schnell und zielstrebig aus. Ihm folgte eine Frau, die etwa ein Drittel dieser Lenze zählte, eine gut aussehende, hochgewachsene Frau, wesentlich größer als ihr Partner, mit fein geschnittenen, ebenmäßigen Gesichtszügen und langem hellblondem Haar. Zwei Kinder sprangen um sie herum. Sie erinnerten Fembor Aosher an den kleinen Hund des Paares, das er kurz zuvor beobachtet hatte. Sie liefen – allerdings ohne Laufleine – vor und zurück, nach rechts und nach links, überprüften da einen Gebirgsbach auf die Wasserqualität und dort einen kurzen, verwittert wirkenden Holzsteg auf seine Festigkeit.

Ein Mädchen von vielleicht zehn und ein Junge von etwa acht Jahren. Zwei Blondschöpfe, wie ihre Mutter, drahtig und groß für ihr Alter. Der Junge sah Fembor und blieb wie angewurzelt stehen. Er konnte offensichtlich nicht fassen, was für ein Anblick sich ihm da bot.

Haluter sind auf der Erde eine exotische Rarität!, konstatierte das Ordinärhirn. Zwar könnte ein Zehnjähriger durchaus eine Plastikfigur oder einen Haluter-Roboter haben, aber kaum ein Terraner hat jemals einen mit eigenen Augen erblickt!

Fembor Aosher ging langsam weiter. Ihm war klar, dass er Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Es war eine Sache, ihn in einem Holo zu sehen, aber eine ganz andere, ihm leibhaftig zu begegnen. Er war eine gewaltige Erscheinung, und wegen seiner Auftritte hatte er seit einiger Zeit bei den Terranern durchaus einen prominenten Status. Allzu oft begegneten die Kleinen keinem Medienstar. Die Reaktion des Jungen war mehr als nur verständlich.

Fembor Aosher blieb wieder stehen. Der Versuch, sich der Begegnung zu entziehen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt, wollte er nicht auf typisch halutische Eigenschaften zurückgreifen – wie etwa dem Lauf auf allen vieren, bei dem kein Mensch mithalten konnte, weil er mit einer Spitzengeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern unterwegs war.

Der Junge lief aufgeregt winkend auf ihn zu.

Fembor zog seinen Umhang zurecht.

»Musst du so grob sein?«, protestierte das Cape.

»Verzeih, Notnagel«, antwortete Fembor so leise, wie es ihm möglich war. Er verspürte Betroffenheit, befürchtete kurz, den Freund unabsichtlich verletzt zu haben. Doch dann hätte Notnagel anders reagiert.

Ihr Versteckspiel war abgesprochen. Niemand musste wissen, dass sein Umhang, der ihn vermeintlich vor den Witterungseinflüssen schützte, in Wirklichkeit ein Lebewesen war, ein Matten-Willy.

Offiziell galt Notnagel als sein Butler, aber er war auch Fembors engster Vertrauter.

Wesentlich behutsamer als zuvor korrigierte der Haluter letzte winzige Kleinigkeiten am Sitz des angeblichen Krish'uns. Denn genau darum handelte es sich, um die Nachahmung eines lebenden Umhangs der Tamräte der alten Lemurer. Sie hatten tausend Streitgespräche um die Präsentation des Capes geführt, doch Fembor Aosher war in dieser Hinsicht unerbittlich.

Zum einen hatte er ein Faible für das lemurische Tamanium, das für Haluter in der Tat ein wenig pikant war. Vor rund 55.000 Jahren hatten die Haluter einen langen Krieg gegen das Große Tamanium entfesselt, in dessen Verlauf sie dieses Reich nicht nur zerstörten, sondern darüber hinaus die Lemurer nahezu ausrotteten.

Notnagel konnte nicht verstehen, wieso sein Freund Aosher sich dermaßen intensiv für diese Epoche der halutischen Vergangenheit interessierte, in der die Schwarzen Riesen sich nicht mit Ruhm bekleckert hatten. Fembor antwortete darauf stets mit dem Satz, dass man sich mit der Vergangenheit beschäftigen müsse, um deren Fehler nicht erneut zu begehen. Das war gewissermaßen ein Totschlagargument, auf das der Matten-Willy nichts zu erwidern wusste.

Zum anderen hatte Fembor ein gewisses Interesse für modische und zugleich ausgefallene Kleidung, und in dieser Hinsicht war ein Krish'un ziemlich einzigartig. Notnagel hatte wohl oder übel lernen müssen, mit dieser Marotte seines großen Freundes zu leben.

Allerdings war Notnagel eine vierfach übergroße Nachahmung von 150 Kilogramm Gewicht. Ein echter Tamrat-Umhang, ein Schulter-Cape für Menschen, würde bei einem Haluter höchstens einen besseren Schal ergeben. Matten-Willys waren in ihrer eigentlichen Erscheinungsform ein bis zwei Meter große schwammige Kugeln, die zwischen 70 und 250 Kilo wogen. Notnagel hatte seinen Körper »ausgewalzt«, um den Umhang nachzuahmen.

Der Junge blieb in geraumer Entfernung von Fembor stehen.

Er ist schüchtern, dachte das Planhirn. Er möchte liebend gern mit dir sprechen, traut sich aber nicht.

Fembor Aosher winkte das Kind heran. Dabei verzichtete er geflissentlich darauf, freundlich zu lächeln. Er wusste, dass das Entblößen seines einwandfrei gepflegten Beißapparats bei dem kleinen Jungen wohl Panik, einen Schreianfall und heillose Flucht ausgelöst hätte.

Der Junge kam auf den Haluter zu und betrachtete ihn aus großen Augen. »Bist du ... bist du Fembor Aosher?«

»Ja«, bestätigte Fembor, »der bin ich!« Er sprach so leise wie möglich, um das Kind nicht zu verschrecken.

Mittlerweile hatte der Vater zu seinem Sohn und dem Haluter aufgeschlossen. Die Mutter und die Tochter näherten sich langsamer; offenbar hatte das Mädchen wesentlich mehr Angst vor dem dreieinhalb Meter hohen und zwei Tonnen schweren, pechschwarzen Giganten als der Junge.

»Maximilian-Alexander«, schimpfte der Mann, »wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht ...«

Er verstummte, als Fembor sich räusperte und die Stielaugen auf das Familienoberhaupt richtete.

»Aber Papa«, sagte der Junge, wobei er die zweite Silbe des Substantivs eigentümlich stark betonte, »weißt du denn nicht, wer das ist?«

Kopfschüttelnd sah der Mann Fembor an. »Ein Haluter?«

»Das ist nicht irgendein Haluter!«, sagte Maximilian-Alexander altklug und vorwurfsvoll zugleich. »Das ist Fembor Aosher, der größte Star im Zirkus der Zerstörung! Er ist berühmt!«

Dem Vater schien weder der Name des Zirkus noch der seines Stars etwas zu sagen. Er schaute zu Fembor hoch. »Aha. Freut mich sehr, Monsieur Aosher!«

Wenigstens weiß Maximilian-Alexanders Vater, dass wir Haluter ausgesprochenen Wert auf Höflichkeit legen und es bevorzugen, gesiezt zu werden, konstatierte das Ordinärhirn.

»Es freut mich ebenfalls, Monsieur ...«

»Napoleon«, antwortete der Mann. »Weder verwandt noch verschwägert!« Er lächelte schwach.

Mittlerweile hatten die Frau und die Tochter ebenfalls zu ihnen aufgeschlossen, hielten sich aber in respektvoller Entfernung.

Vielleicht hat die Kleine ganz einfach Angst vor dir!, vermutete das Ordinärhirn. Dein Anblick kann ein so winziges Wesen, das wahrscheinlich noch nie einen deiner Art gesehen hat, durchaus in Panik versetzen. Bedenke, wie die Lemurer vor fünfundfünfzigtausend Jahren auf deine Spezies reagiert haben!

»Hrmpf!«, machte Fembor. Die Menschen verloren beim Anblick von Halutern des Öfteren vor Entsetzen den Verstand.

Fembor ignorierte den Vater. Er hatte den Jungen bereits in sein Herz geschlossen, entwickelte sogar stärkere Eltergefühle für ihn als für die Menschen im Allgemeinen.

Der Junge stieß seinen Vater an. »Kannst du Fembor fragen, ob er mir ein Autogramm gibt?« Er streckte den Arm mit dem Multikom am Handgelenk aus.

»Es ist mir eine Freude«, sagte der Haluter.

Der Junge aktivierte die Holothek seines Multikoms.

Fembor machte mit der Hand seines rechten Greifarms sein Zeichen und schrieb damit seinen Namen in Interkosmo in die Datei.

Das Kind sah ihn strahlend an. »Vielen Dank!«

»Gerne geschehen. Jetzt muss ich aber weiter. Mir geht es nicht besonders gut, und ich muss zurück zum Zirkus. Die nächste Vorstellung soll pünktlich anfangen.«

»Aber der Zirkus der Zerstörung gastiert doch in Terrania! Wie willst du rechtzeitig dorthin kommen?«

»Mit dem Transmitter.«

Maximilian-Alexander sah ihn aus großen Augen an und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Natürlich! Dass ich darauf nicht gekommen bin! Wie dumm von mir!«

Fembor sah dem Jungen sowohl seine altkluge Art als auch den Umstand nach, dass er ihn duzte. Ein Kind, das in einer Gesellschaft aufgewachsen war, in der jeder jeden duzte, konnte es nicht besser wissen.

Die Zuneigung zu dem Kind überrollte ihn wie eine Lawine aus dem feinen Schnee, der die Berghänge bedeckt. Er beschloss spontan, sich ihm zu öffnen. »Weißt du, ich habe ein Problem.«

»Ein Problem?«, fragte der Junge.

»Seit einiger Zeit fühle ich mich merkwürdig. Ihr Menschen sagt dazu: krank. Wir Haluter kennen das eigentlich nicht. Krankheit ist für uns ein Fremdwort. Aber nüchtern betrachtet gibt es keinen Zweifel. Ich zeige die Symptome der Haluter-Pest ...«

Der Junge sah ihn fragend an.

Natürlich, dachte das Ordinärhirn. Terras Regierung hängt die Sache nicht an die große Glocke. Wahrscheinlich haben neunundneunzig Prozent der Erdbevölkerung nie von der Geißel der Haluter gehört.

»Eines meiner Gehirne, das Ordinärhirn, will es nicht wahrhaben. Es überspielt die dunkle Erkenntnis, indem es mich immer öfter mit eigenständigen Gedanken peinigt, die gleichzeitig meine eigenen sind. Aber mein logisch denkendes Gehirn, das Planhirn, lässt mir keinen Zweifel. Ich leide an der Geißel.« So nannten die Haluter die Krankheit. »Ich befinde mich in der zweiten Phase, flüchte mich vermehrt in die Strukturwandlung, bin geradezu süchtig danach.« Er hielt kurz inne. »Natürlich bekämpfe ich diese Sucht, indem ich mich ablenke.«

»Gehst du deshalb wandern?«

»Ja«, gestand Fembor. »Doch damit bekämpfe ich nur die Symptome, das ist mir klar. Ich fürchte, dass bald die dritte Phase beginnen wird, in der mein neuronales Gewebe denaturiert.«

Und ich blindwütig in Drangwäsche stürzen werde, fuhr er in Gedanken fort, sprach es aber nicht aus. Er befürchtete, dem Jungen damit Angst zu machen, ihn zu verwirren und zu überfordern.

Vielleicht hatte er bereits zu viel gesagt. Hoffentlich setzte der Drang erst ein, wenn er allein und unbeobachtet war ...

Vielleicht auch nicht. Der Junge streckte die Hand aus und legte sie auf sein rechtes Säulenbein. »Das tut mir leid. Aber wir haben gute Ärzte«, versuchte er, Fembor zu trösten. »Vielleicht können sie dich wieder gesund machen.«

Gerührt fuhr der Haluter die Stielaugen ein. Er beschloss, nichts mehr zu sagen. Zu verschweigen, dass er niemanden in Gefahr bringen wollte, wenn die nächste Phase der Krankheit begann. Deshalb hatte er sich einen Sprengsatz zwischen seine beiden Gehirne implantieren lassen, der verhindern würde, dass er jemanden gefährdete.

Wobei ihm selbstverständlich ein anderer Abgang sehr viel lieber gewesen wäre. In einer Kampfszenerie im Zirkus der Zerstörung zum Beispiel ...

Aber mit diesen Worten hätte er die Angst des Jungen womöglich nur geschürt.

Er gab sich einen Ruck. »Weißt du was? Ich lade dich, deine Eltern und deine Schwester zu einer Vorstellung im Zirkus der Zerstörung ein. Ich arrangiere für euch eine Transmitterpassage nach Terrania, und ihr werdet die besten Plätze bekommen!«

1.

Merkur

20. April 1552 NGZ

»Sind wir bald da?« Gucky ließ den Nagezahn aufblitzen und rekelte sich in seinem schwenk- und versenkbaren Vario-Sitz.

Er betrachtete mich mit einer Mischung aus Langeweile und Ungeduld. Mir war klar, dass er am liebsten umgehend etwas unternommen und eine seiner berühmten Extratouren gestartet hätte.

»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Du kommst mir vor wie ein kleines Kind, das auf Reisen ist.«

Das Lithosphärenfahrzeug, das wir den erwachten und inzwischen vernichteten HaLem-Soldaten entwendet hatten, arbeitete sich zügig voran. Es bestand aus drei Zylindern, von denen jeder einen Durchmesser von vier Metern hatte. Ich hatte eigentlich erwartet, dass ich ein lautes Kreischen oder zumindest Sirren hören würde, mit dem es sich durch das Gestein des Merkur bohrte, doch im Inneren merkte ich nichts davon. Das Gefährt arbeitete für uns völlig lautlos.

Seine einzelnen Module hatten jeweils eine Länge von ebenfalls vier Metern und waren über eine flexible, stoßgedämpfte Kopplung in der Mitte miteinander verbunden. Wohl deshalb hielt die Geräuschentwicklung sich in Grenzen. Als zusätzliche Sicherung dienten kurze, normalerweise etwas durchhängende Stahlseile aus in sich verschiebbaren Metallplastelementen, die außen an den Verbindungen zwischen den Zylindern angebracht waren, und eine flexible Verkleidung.

Jedes Modul verfügte über einen eigenen Gleiskettenantrieb. Vier Gleisketten waren an einander gegenüberliegenden Positionen miteinander verbunden: unten und oben, links und rechts. Im vorderen Modul befand sich der Fusionsreaktor für die Desintegratoraggregate, deren Abstrahlmündungen in die leicht konische Frontplatte integriert waren.

Über im Wechsel dazu positionierte Düsen wurden zurückbleibender Gesteinsstaub und Gesteinsbrocken angesaugt und durch Schlauchverbindungen bis zum Ende des Zuges transportiert. Dort wurde das Material wieder ausgespuckt und bei aktivierter Stützfüllung mit dem neu aufgebauten Material verbacken. Das hintere Modul bildete das Reservoir für Stützmaterial und die Ausstoßdüsen.

Die Inneneinrichtung der Fahrerkabine im mittleren Modul war variabel gestaltbar. Normalerweise bestand sie aus sechs Stühlen. Man konnte sie zu vier Sitzen und einem Tisch oder zu drei Betten umbauen. Das hatten wir zumindest im Ansatz auch getan. Vier Sessel hatten wir zu zwei Betten für uns umgewandelt.

»Ich halte ja schon die Klappe.« Beleidigt schloss der Mausbiber die Augen und tat so, als würde er schlafen.

»War nicht so gemeint, Gucky.«

»Setzt dir Tamareil zu?«

Ich lauschte in mich hinein. Nach der immateriellen Reise ins Solsystem trug ich das Bewusstsein der Olkonorin in mir, allerdings nach wie vor in einem ohnmachtsähnlichen Zustand.

Allmählich machte ich mir Sorgen um die hingebungsvolle Lügnerin, aber das gab ich nicht zu.

Stattdessen zuckte ich mit den Achseln.

Wir waren unterwegs nach Asalluc City, der Hauptstadt des Merkur im Krater Myron. Wir wollten eine Weile unerkannt bleiben, hatten vor, uns etwas abseits des Stadtrands an die Oberfläche zu bohren, und konnten nur hoffen, dass unsere Emissionen zu schwach für die seismografische Überwachung der Kuppelstadt waren.

Das war ein Gebot der Stunde. Wir hatten oberflächliche Informationen über die Lage im Solsystem gewonnen. Der Techno-Mahdi hatte die Macht ergriffen, ein Wohlfahrtsrat regierte. Und an der Spitze stand offenbar Adam von Aures.

Die genauen Machtverhältnisse waren allerdings unklar. Mit Sicherheit wussten wir nur, dass das Solsystem Opfer einer vorgetäuschten Invasion geworden war und sich am Ende der TERRANOVA-Schirm geschlossen hatte.