Perry Rhodan 3182: Die Engel der Pallas - Leo Lukas - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3182: Die Engel der Pallas E-Book und Hörbuch

Leo Lukas

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Rhodan versucht indes, mehr über den Chaoporter herauszufinden. Eine wertvolle Gelegenheit dazu bietet sich im Solsystem, das Besuch eines »Roten Sterns« erhalten hat: Reginald Bull tritt ebenfalls in Erscheinung und reklamiert das Kommando über dieses mächtige Raumschiff als designierter Quintarch FENERIKS. Wie sich herausstellt, geht es ihm nicht zuletzt auch um DIE ENGEL DER PALLAS ...

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Seitenzahl: 174

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Zeit:3 Std. 49 min

Sprecher:Renier Baaken
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Nr. 3182

Die Engel der Pallas

Sie haben den Tod überlistet – nun sollen sie FENERIK retten

Leo Lukas

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Die Verankerung

1. Eine Art Mitgift

2. Das namenlose Institut

3. Schatten der Vergangenheit

4. Das Fenster

5. Der Kammerherr der Kosmokratin

6. Der Einbruch

7. Kurze und lange Geschichten

8. Woher die Engel kommen

9. Erstkontakte beim Leuchtturm

10. Das Betagte Tor

11. Das Angebot der Vesta

Epilog: Die Bitte des Zeitnomaden

Stellaris 88

Vorwort

»Die Welt der Shookaari« von Michael G. Rosenberg

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu.

Rhodan versucht indes, mehr über den Chaoporter herauszufinden. Eine wertvolle Gelegenheit dazu bietet sich im Solsystem, das Besuch eines »Roten Sterns« erhalten hat: Reginald Bull tritt ebenfalls in Erscheinung und reklamiert das Kommando über dieses mächtige Raumschiff als designierter Quintarch FENERIKS. Wie sich herausstellt, geht es ihm nicht zuletzt auch um DIE ENGEL DER PALLAS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Eric der Erste – Der Altvater will seine Schöpfung um jeden Preis erhalten.

Sichu Dorksteiger – Die Terranische Residentin will drohendes Unheil vom Solsystem abwenden.

Günay Thomsipe – Der Zinnfühlige will sich nicht ruhigstellen lassen.

Reginald Bull – Der künftige Quintarch will dem Chaoporter FENERIK eine Morgengabe stiften.

Mieke Meideina

Jede intelligente Lebensform auf unserer Entwicklungsstufe des kosmischen Zwiebelschalenmodells befasst sich unweigerlich mit der Frage, ob ein Weiterleben nach dem Tod möglich ist.

Unzählige Religionen in den bekannten Universen versuchen, darauf eine positive Antwort zu geben. Häufig erwerben die jeweiligen Würdenträger erhebliche persönliche Vorteile. Nicht selten missbrauchen sie ihre Machtposition.

In der Geschichte der Menschheit, seit sie, angeführt von Perry Rhodan, zu den Sternen aufgebrochen ist, finden sich etliche Beispiele dafür, dass es nicht völlig zu Ende sein muss, wenn der Körper verfällt. Siehe die Stichwörter → ES, → Konzepte, → PEW et cetera.

(Enzyklopädia Terranica)

Wer beklagt, dass jemand gestorben ist,

klagt darüber,

dass dieser ein Mensch gewesen ist.

(Lucius Annaeus Seneca, ca. 30 AZ)

Prolog

Die Verankerung

Zu einer unbestimmten Zeit

Im Anfang war ... der Klang.

»---«

Dann wieder nichts, wie zuvor.

Stille. Schweigen. Schwärze, Finsternis.

Der, der den Klang vernommen hatte, horchte. Ob lange oder kurz, einen Moment oder eine Ewigkeit, wusste er nicht. Woher auch.

»---«

Da war es wieder!

Ein ... Geräusch? Ein Ton? Gar ein ... Ruf?

Er hatte kein Wort dafür, keine Bezeichnung. Er kannte nicht einmal seinen eigenen Namen.

»---«

Vielleicht war es ein Klopfen. Oder ein Pochen? Nein, zu diffus, zu sanft und undefiniert.

»---«

»---«

»---«

Tropfen?

Nein, auch nicht. Zu schwer dafür, zu massiv.

Überhaupt, was waren Tropfen? Winzige Ballungen von Flüssigkeiten, fiel ihm ein.

Manchmal schwebten sie in der Luft, schwerelos. Meist fielen sie zu Boden, von oben nach unten.

Immer in derselben Richtung. Stetig, verlässlich.

Das nannte man ... Regen.

Sich regen bringt Segen.

Äh...

Aber er konnte sich nicht rühren, nicht regen, nicht bewegen. Nicht ohne etwas, das sich bewegen ließe.

»---«

Pause. Dann, nachschwappend, nachhallend wie ein Echo: »---«

Keine einzelnen Tropfen. Mehr.

Wasser.

Er erinnerte sich an Wasser.

*

Wasser war wichtig. Lebenswichtig.

Er hatte Durst gehabt. Und getrunken. Gespürt, genossen, als sein ... Gaumen benetzt wurde. Welche Erleichterung, welches Glück!

Wie hieß das Gegenteil von Durst? Analog zu Hunger und Sattheit?

»---«?

Etwas traf auf eine große Menge Wasser. Platschte auf die Oberfläche eines Meeres, versank darin, schmatzend, blubbernd.

»----«

»--«

»-«

Immer leiser wurde der Klang. Zugleich entstanden Bilder. Sie vergingen sogleich, ehe er sie zu fassen, zu identifizieren vermochte. Nur Schatten blieben, Schemen.

Eine Weite. Ein wogender, schäumender, gewellter Spiegel aus Wasser, endlos in alle Richtungen, von Horizont zu Horizont.

Dazwischen, winzig, ein ... Schiff.

Jemand brüllte: »Sturmwarnung. Anker setzen!«

Auf einmal erkannte er den Klang. Er selbst war es, der den schweren, eisernen Anker ausgeworfen hatte, mit Schwung und aller Kraft.

Ein wenig davon kehrte in ihn zurück.

*

Aber es stimmte nicht.

Bloß annähernd.

»---« war das Geräusch, der sirrende, schwirrende, schwingende, fast singende Ton, wenn etwas Schweres in eine Flüssigkeit plumpste. Jedoch bestand diese nicht aus Wasser.

Sondern aus ... Blei. Quecksilber. Oder ... Zinn?

Silben, Wörter. Vokabeln, die ihm nichts sagten.

Vielmehr erhaschte er eine gespenstisch ruckelnde, flackernd beschleunigte Abfolge früherer Szenen. Schwarz-weiß, nein: grau in grau.

Monochrom. Schlieren, Schnee, verschwommen schwarz-grau-weißes Rauschen.

Getöse. Gewitter.

Das Meer. Der plötzlich aufgekommene Sturm. Das Segelboot, das zu kentern drohte.

Die überbordende, salzige Gischt. Der sintflutartige Regen.

Gegen Wind und Wetter brüllte der Skipper Befehle: »Mastbaum arretieren! Festschnallen!« Und gleich darauf: »Mann über Bord!«

Wie man damals so sagte, traditionell. Obwohl es sich nicht um ein männliches Wesen handelte, sondern um eine Frau.

Seine Frau.

Er dachte nicht nach. Sprang hinterher, über die Reling, in das prasselnde, dröhnende, dunkle, von Blitzen zerfetzte Chaos.

»---«

Das Wasser war kalt und nass und brannte in seinen Augen. Er sah kaum etwas, nur schlierige Formen. Tastete herum, tauchte, schnappte nach Luft, tauchte erneut.

Irgendwie bekam er die Liebste zu fassen. Strampelte, zerrte sie mit sich nach oben ...

Zu spät.

Man warf ihnen Schwimmreifen zu, verbunden mit Seilen, und ein Sauerstoffgerät. Er drückte ihr, während sie beide von einem Traktorstrahl erfasst und eingeholt wurden, die Maske auf den Mund, den er so oft geküsst hatte.

Jedoch zu spät. Sie war ertrunken. Zurück an Bord kam er mit einer Leiche in den Armen.

Tragisch.

Auf seltsame Weise freute ihn dieser Gedächtnisschub. Das Leid, so bitter es sich anfühlte, hatte eine klärende Wirkung.

Er roch Kaffee. Oder bildete es sich zumindest ein.

*

Damals, erinnerte er sich, war er übrig geblieben. Allein, voller Trauer.

Wie ... jetzt.

Erica war zwölf Jahre vor ihm gestorben. Ja, so hatte seine Frau geheißen: Erica.

Und er ganz ähnlich – Eric!

Deshalb hatten sie sich kennengelernt. Ein falsch zugestelltes, weil schludrig adressiertes Paket. Aber derselbe Wohnblock, bloß ein anderes Stockwerk, ein paar Dutzend Etagen höher.

Sie fanden das lustig und einander sympathisch. So kamen Eric und Erica zusammen und verbrachten eine schöne Zeit.

Bis zu jenem fatalen Segeltörn.

Bald danach hatte er die Erde verlassen. Er ertrug den Ozean nicht mehr, auch keine Flüsse und Seen. Das viele verfluchte Wasser, das ihm die Liebe seines Lebens genommen hatte.

Eric floh an einen entlegenen Ort, wo er sich gut abkapseln konnte. Er grub sich förmlich ein, in immer noch tiefere Stollen und Kavernen.

Zwölf Jahre lang.

Dann verunglückte auch er.

Er erinnerte sich an das Beben, den Einsturz, die Gesteinsmassen, die ihn erdrückten. An den Moment, als er begriff, dass es keinen Weg zurück gab. An das Sterben in der Dunkelheit.

Jedoch erinnerte er sich nicht, dass sein Leben wie ein Film im Zeitraffer an ihm vorübergezogen wäre. Da war auch kein Licht, auf das er zugeschwebt wäre.

Keine Sphärenklänge. Nur Schmerzen, unerträgliche Qual und sein röchelnder, stockender Atem.

Sein letzter Gedanke war gewesen, wann ihn endlich die Ohnmacht erlösen würde.

*

Aber.

Aber nun.

Aber nun, dachte er, dachte er wieder.

Wie konnte das sein? Wo war er? Was war er?

»---«

Ein sanftes Aufklatschen, Platschen, fast Schmatzen. Eintauchen in etwas Weiches, Viskoses, metallisch warm Umfließendes.

Eric fühlte sich geborgen. Angekommen, angenommen.

Festgehalten.

Arretiert, aber im positiven Sinn. Nicht verhaftet, gar eingesperrt, sondern ... verankert.

Zugleich, oder ewig später, spürte er, dass langsam, sehr langsam, jedoch stetig ein Austausch stattfand. Eine Interaktion.

Das Medium, das ihn aufgenommen hatte, kommunizierte mit ihm. Zaghaft, zögerlich, sanft. Es erlaubte Eric, sich etwas zu wünschen.

Er wünschte sich Kaffee.

*

Gleich darauf musste er lachen.

Kaffee? Im Ernst? Das war ihm als Erstes eingefallen?

»---«

Aber der Geschmack kam, war da. Schwarz, heiß, herrlich bitter. Eric badete darin.

So begann es.

Was folgte, war harte Arbeit. Extrem hart und anstrengend. Immer wieder bis zur beinahe völligen Erschöpfung. Jedoch aller Mühen wert.

Wenn es Kaffee gab, dachte er, musste es noch mehr geben. Nicht nur ein bisschen Geschmack und Geruch und Gehör.

Eric wurde kühner.

Das graue Meer aus träge, sehr träge fließendem, sich ab und zu abrupt beschleunigendem Metall reagierte. Nonverbal, auf keine ihm zuvor bekannte Weise. Er verstand nicht, was es von ihm wollte. Und doch fühlte er sich allmählich mehr und mehr verstanden.

Er schmeckte und roch und hörte:

»---«

Schließlich wünschte sich Eric, auch sehen zu können.

1.

Eine Art Mitgift

5. Februar 2072 NGZ, mittags

»Was missfällt dir an deinem Essen?«, fragte Sichu Dorksteiger.

Der Mann, der ihr am Tisch gegenübersaß, hob die Gabel, mit der er auf dem Teller herumgestochert, aber noch keinen einzigen Bissen zum Mund geführt hatte. »Es ist asymmetrisch«, sagte er halblaut, in entschuldigendem Tonfall.

»Inwiefern?«

»Siebzehn Raukenblätter, elf Pastinottenschnitze. Beides Primzahlen. Aber die zweiundzwanzig Marsmaisbohnen passen nicht dazu. Genauso wenig wie die Grünrot-Anteile der venusianischen Paprurken. Vier zu sieben. Und das ist nur das Missverhältnis im Beilagensalat. Was die Hauptspeise betrifft ...«

»Verstehe«, kürzte Sichu ab. »Unter diesen Gesichtspunkten – wovon ernährst du dich normalerweise?«

»Reis oder vergleichbares Getreide, möglichst ungewürzt.«

»Lass mich raten. Du zählst die Körner ab?«

»Ich zähle alles.«

»Die nötigen Zusatzstoffe ...?«

»Habe ich am liebsten sauber arrangiert, in klar getrennten Randsektoren. Nicht so wie hier«, er tippte auf die hübsch geschichtete Pyramide aus verschiedenen, mit Käse überbackenen Süß- und Sauerkartoffelchips in der Tellermitte, »wo man überhaupt nicht mehr weiß, woraus ein Bissen besteht. Ganz abgesehen davon, dass das Halo der unnötigen Konstruktion in einer schleimigen, viel zu fetten Soße absäuft.«

»Dieses Restaurant«, sagte Sichu, »wird von sämtlichen Gastronomiekritikern Terras als neuester Hotspot der zeitgenössischen Fusion-Küche gerühmt. Gerade wegen der, ich zitiere: ›kulinarisch fein ziselierten Ausgewogenheit der Gerichte.‹«

»Fein ziseliert ist da gar nichts«, sagte Antanas Lato.

»Du hast nicht mal gekostet.«

»Ich sehe, was ich vor mir habe. Die optische Wahrnehmungseinrichtung unserer Spezies delektiert sich mindestens ebenfalls am zur Verdauung Angebotenen wie die Schleimhautknospen.«

Das Auge isst mit, übersetzte Sichu Dorksteiger in Gedanken, während sie einen Bissen nahm und sich die raffiniert abgestimmten Aromen langsam auf der Zunge zergehen ließ.

Der Mann, den sie zu einer inoffiziellen Besprechung in das derzeit angesagteste Lokal von Terrania City eingeladen hatte, neigte zu umständlichen Formulierungen. Auch sonst erfüllte er manches Klischee, das man sich von genialen Wissenschaftlern machte: weltfremd, egozentrisch, nahezu manisch fixiert auf sein Forschungsgebiet.

Lato war 27 Jahre jung, hochgewachsen für einen Normalterraner, nicht viel kleiner als Sichu. Schmal, fast dürr, mit einem ovalen, am Kinn etwas spitzen Gesicht. Schwarze Augen, pechschwarze, sehr dichte, krause Haare.

Oft wirkte er ein wenig linkisch, introvertiert, fast menschenscheu. Manchmal hatte er Schwierigkeiten, einfache Dinge oder Sätze zu formulieren, und umschrieb sie dann malerisch.

Gleichwohl galt der auf Ferrol geborene Sohn terranischer Eltern als herausragendes Talent. Sämtliche führenden Experten der galaktischen Wissenschaftsgemeinde prophezeiten dem Absolventen der Payne-Hamiller-Akademie für Hyperphysik und Dimensiologie eine große Zukunft.

Nicht zuletzt hatte Perry Rhodan, Sichus Ehemann, ihr diesen Antanas Lato empfohlen. »Ein interessanter Mann«, waren Perrys Worte gewesen.

Interessant war er, oh ja, zweifellos hochbegabt, und mindestens ebenso nervig.

Sichu Dorksteiger hatte Lato damit beauftragt, die Passage des Roten Sterns, den neuerdings Reginald Bull kommandierte, durch den für herkömmliche Raumschiffe undurchdringlichen TERRANOVA-Schirm zu analysieren. Davon versprach sie sich Erkenntnisse über die von der Chaos-Bake eingesetzte Technologie.

Das zinnoberrote Schiff bestand aus einem Ikositetraeder, dessen 24 Flächen je eine Spitzpyramide aufsaß, deren viereckige Grundflächen keine Quadrate bildeten. Von der jeweiligen Basis bis zur Spitze waren die Pyramiden zwischen 650 und 1130 Meter hoch. Die Seitenlänge der Basisfläche betrug zwischen 90 und 130 Meter. Keine zwei Pyramidenkörper waren von ihren Maßen her identisch. Insgesamt erreichte der Rote Stern einen Maximaldurchmesser von 2100 Metern.

So viel zur Datensammlung, die diesem Raumschiff ebenso wenig gerecht wurde wie Latos Statistik der Essensbestandteile ...

Nachdem sie genüsslich gekaut und hinuntergeschluckt hatte, sagte Sichu: »Ich weiß, dass der erste Zwischenbericht deiner Forschungsgruppe in frühestens einer Woche zu erwarten ist. Kannst du mir trotzdem schon mal einen Einblick geben, wie ihr vorankommt?«

»Sämtliche Detailergebnisse wurden dokumentiert«, sagte Antanas Lato indigniert, fast mürrisch, den Blick weiterhin auf seinen Teller gerichtet. »Dank deiner Hochrangcodes hast du jederzeit Zugriff darauf.«

Sie unterdrückte den Impuls, ihm das Besteck wegzunehmen, mit dem der Dimensiologe seine Speise sezierte. »Selbstverständlich lese ich ab und an mit. Die einzelnen bisher eruierten Daten sagen jedoch wenig aus. Mir ginge es um deine persönliche Einschätzung ... Oh.«

Ihr Armband summte. Sichu betätigte eine Taste. Ein Miniholo entstand.

»Weitergeleiteter Funkanruf«, las sie. »Absender: Reginald Bull.«

*

Ein anderes Gegenüber hätte Sichu Dorksteiger um Entschuldigung gebeten, dass sie um sich ein enges optisch-akustisches Abschirmfeld aufbaute. Da Antanas Lato jedoch damit beschäftigt war, systematisch die Kreation eines Meisterkochs zu zerstören, verzichtete sie auf diese Höflichkeit.

Die Hyperfunkverbindung lief über die THORA, das Flaggschiff des Verbands, die etwa 2,7 Lichtjahre von Sol entfernt Position bezogen hatte. 500 terranische Raumschiffe, ergänzt um 50 Fragmentraumer der Posbis, standen dort einer ähnlich großen Flotte gegenüber. Trikuben der Munuam, gharsische Ornamentraumer und Scherbenschiffe der Arynnen waren aus einer geöffneten Kluft aufgestiegen; ganz offensichtlich, um den Roten Stern zu beschützen.

Im automatisch vergrößerten Holo erschien Cascard Holonder, der Kommandant der Liga-Einheiten.

»Reginald Bull möchte dich sprechen«, sagte der glatzköpfige Riese. »Nimmst du an?«

Sie bejahte.

Das Bild wechselte. Nun zeigte es einen deutlich kleineren, eher untersetzt, beinahe korpulent wirkenden Terraner in einer saloppen Jacke, die vor kaum fünf Jahren en vogue gewesen war. Er hatte feuerrote, bürstenkurz geschnittene Haare und wasserblaue Augen. Das breite Gesicht sprenkelten Pigmentschäden, die man in diesem Kulturkreis Sommersprossen nannte.

Etliche Narben und tief gefurchte Falten verliehen dem Zellaktivatorträger, dessen biologische Alterung bei 37 Standardjahren angehalten worden war, die Anmutung eines hartgesottenen Haudegens. Und das war er zweifellos; vor allem war er einer von Perry Rhodans engsten, trotz mancher Konflikte in all den Jahrtausenden bewährtesten, verlässlichsten Freunden.

*

»Bull. Bully. Ich grüße dich. Schön, dich zu sehen.«

»Ganz meinerseits, Residentin.«

Nicht der geringste bedauernde oder gar abschätzige Unterton schwang mit. Obwohl Sichu aktuell dasselbe Amt innehatte, das er selbst so viele Jahrhunderte länger bekleidet hatte, in mindestens ebenso schwierigen Zeiten.

Er sah schmaler aus, als Sichu ihn in Erinnerung hatte, jedoch nicht kränklich. »Geht es dir gut?«, fragte sie.

»Ich kann nicht klagen.«

»Wie fühlt es sich an, eine Chaos-Bake zu befehligen?«

»Ungewohnt. Aber ich komme zurecht.«

»Jemand wie du kommt überall zurecht.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Je nun, sagen wir: Ich lerne.«

»Du hast dich also dazu entschlossen, ein Quintarch des Chaoporters FENERIK zu werden?«

»Nicht endgültig. Aber unter uns: Ja, ich spiele mit dem Gedanken.«

»Du spielst?«

»Ist denn nicht das ganze Leben ein Spiel? Das sich auf ein einziges Ziel ausrichtet, einen würdevollen Abgang?«

»Wohin auch immer ... Willst du dich in FENERIK verewigen, Reginald Bull, sozusagen doppelt unsterblich werden?«

Er runzelte die Stirn. »Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, zu welchem Endresultat mich diese Sache führen wird. Aber ja, es erscheint mir lohnenswert, das Risiko einzugehen.«

»Du folgst dem Sternenruf.«

»Ich bin ihm bereits mehrmals gefolgt. Damals, Anno Domini 1971. Mit Perry, Eric und Clark an Bord der STARDUST, einer simplen Mondrakete, die nur mit viel Glück nicht unter unseren Hintern explodiert ist. Und später immer wieder. Warum sollte ich jetzt haltmachen? Mich einbremsen angesichts einer Herausforderung, die mir endlich wieder Grenzen aufreißt und dadurch neue Ufer in Aussicht stellt? Meinen Werdegang stoppen, auf einmal? Auf was hinauf?«

»Weil du dadurch zur anderen, dunkleren Seite überläufst?«

»Von Gut zu Böse, meinst du das? Glaub mir, so einfach bipolar ist das Multiversum nicht gestrickt.«

»Nein, natürlich nicht. Ich wäre die Letzte, derlei zu behaupten.« Sichu selbst hatte in ihrer Jugend der Frequenz-Monarchie gedient, gegen die Bull und Rhodan damals hatten antreten müssen. »Scharf abgegrenzte Dualität ist ein Konstrukt für simple Gemüter, ebenso wie Identität.«

»Eben. Allein in den mir bereits zugänglichen Speicherbereichen der Chaos-Bake sind zu allen Himmeln schreiende Untaten als Verursacher Hilfskräfte der Kosmokraten verzeichnet. Kriege, unter denen meist die jeweilige Zivilbevölkerung am ärgsten und übelsten zu leiden hatte. Großräumige sogenannte Säuberungen, bis hin zu multigalaktischen Genoziden. Massaker, die jeder Beschreibung spotten.«

Sichu hob den Arm, um Einwand gegen Bulls hitzige Anklage zu erheben. Vergeblich, er ignorierte die Geste.

»Leichenberge auf Planeten«, setzte er fort. »Ehe diese Welten, beiläufig aus der Bahn geschubst, in der Gluthitze ihrer durch Fremdeinwirkung zur Supernova pervertierten Sonne verbrannten. Verbrechen kosmischen Ausmaßes, die geeignet waren und sind, jeden Glauben an die Friedfertigkeit der Ordnungskräfte fundamental zu erschüttern, wenn nicht auszulöschen.«

»Und dieser Propaganda glaubst du?«, fragte Sichu.

Bull lachte leise. »Ach was. Ich bin längst nicht mehr so blauäugig. Außerdem weiß ich längst, dass sowohl die Kosmokraten als auch die Chaotarchen bereit sind, über Leichen zu gehen und selbst zu verdienten Helfern zickig werden können, wenn man ihnen nicht gehorcht.«

»Ihr anderen habt euch schon vor langer Zeit von den Kosmokraten gelöst«, sagte Sichu. »Und jetzt willst du in den Sold ihrer Gegner treten, die kein bisschen besser sind? Was erhoffst du dir davon?«

»Ich gebe zu, noch nicht zu wissen, wo ich stehe, wo ich in Zukunft stehen werde und wofür. Aber so, wie es einmal war, kann es nicht weitergehen. Nicht für mich. Entweder gebe ich mein Leben auf, indem ich mir den chaotarchisch geprägten Aktivatorchip aus der Schulter operieren lasse, und trete nach maximal zweiundsechzig Stunden ab, oder ...«

»Oder du fügst dich in ein ungewisses Schicksal.«

»Ja. Und nein. Was mir FENERIK anbietet, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Schritt auf eine höhere Existenzebene. Verstehst du das?«

»Ja«, echote Sichu. »Und nein. – Wo hoffst du zu landen, zu enden? Als Quintarch, einer von fünf Herrschern des Chaoporters? Was würdest du dann tun?«

»Nichts. Und alles. Zugleich. Darin besteht die Struktur des chaotarchischen Denkens: Es gibt keine Struktur, keine Regeln. Nichts ist verboten, alles erlaubt.«

»Keine Macht des Schicksals ...?«

»Genau. Bloße Eigenheit, Individualität. Nur ich, und das fröhliche, bunte Chaos um mich. Freunde oder Feinde, völlig egal. Lachen ohne Ende. Unsereins sucht nicht. Wir finden. Unterwegs. Denn wir sind immer unterwegs, und das werden wir sein bis zum Ende aller Tage.«

»Du hörst dich komisch an.«

»Füg einen Buchstaben hinzu, dann wird daraus kosmisch.«

»FENERIK zieht eine Spur der Zerstörung nach sich. Verwüstete Planeten. Versklavte oder entvölkerte Systeme.«

»Ach. Und was haben wir Terraner oder diverse Verbündete im Lauf unserer Geschichte nach lokalen Gefechten und regionalen Scharmützeln hinterlassen? Umgehend wieder aufblühende Welten?«

»Nicht immer«, gab Sichu Dorksteiger zu.

»Oder nicht doch eher Ruinen, kontinentweite Ödnis, von den Nachwirkungen hyperphysikalischer Waffensysteme noch auf Jahrtausende verseuchte Regionen? Ohne Rücksicht auf die unschuldigen Ureinwohner, die im Nachhinein kaum betreut, sondern mit ein bisschen Technologietransfer abgespeist wurden? Und nimm jetzt bitte nicht das billige Wort ›Kollateralschäden‹ in den Mund!«

Sichu Dorksteiger nickte. »Akzeptiert«, sagte sie.

*

In Wahrheit wusste sie nicht, was sie von Reginald Bulls so vehementem Auftreten halten sollte.

Eine Möglichkeit war, dass er im Begriff stand, der gegnerischen Seite endgültig zu verfallen. Zellaktivatoren, die biologische Unsterblichkeit verliehen, beeinflussten ihre Träger, unterschwellig, meist nicht bewusst wahrgenommen, so wie einzelne Atemzüge, aber ebenso permanent. Eine chaotarchische Prägung konnte daher über kurz oder lang zur Kehrtwendung der gesamten rationalen, bewussten Weltanschauung führen.

Andererseits funkte Bull aus dem Roten Stern. Den er erst vor Kurzem als Kommandant übernommen hatte und wohl noch nicht bis in den letzten Winkel durchschaute, geschweige denn vollständig dominierte. Er musste damit rechnen, dass seine Funksendungen von der Besatzung abgehört und aufgezeichnet wurden.

Reginald Bull hatte betont, dass er spielte. Eine Rolle? Gewiss.

Aber welche? Die des Doppelagenten?

Möglich. Freilich musste Sichu in Betracht ziehen, dass Perry Rhodans bester Freund vielleicht gekippt und den Verlockungen der Chaoskräfte erlegen sein konnte.

»Was ist der Grund deines Anrufs?«, fragte sie.

*

Bull kniff die Augen zusammen und räusperte sich.

»Ich bitte«, sagte er dann, »dich, Residentin, und die galaktische Menschheit, die du vertrittst, um ein Geschenk.«

»Welcher Art?«

»Es handelt sich um eine Art Morgengabe von mir an FENERIK. Eine Spende. Eine Mitgift, die ich dem Chaoporter aushändigen möchte, als Zeichen meiner Loyalität, aber auch des prinzipiell guten Willens der Terraner und der Liga insgesamt.«

»Prinzipiell gut?«

»Wie gesagt, ich erlebe umgekehrt die Vertreter der Chaoskräfte nicht als prinzipiell böse. Bloß anders. Jedenfalls könnten durch diese Gabe manche Konflikte beigelegt, wenn nicht sogar im Ansatz vermieden werden.«

»Was natürlich in meinem Sinne ist. Worum genau geht es dir?«

»Um einen Himmelskörper im Solsystem. Pallas.«

»Die Pallas.«

»Ja.«