Perry Rhodan 3207: Transmitter-Ballett - Hubert Haensel - E-Book

Perry Rhodan 3207: Transmitter-Ballett E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Eines soll sich in der Kleingalaxis Morschaztas befinden. Doch ihre Herrscher reagieren feindselig auf die Besucher aus der Milchstraße. Um die Besatzung der MAGELLAN zu retten, braucht es ein TRANSMITTER-BALLETT ...

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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Nr. 3207

Transmitter-Ballett

Sie sieht sich als Erbin einer alten Dynastie – ihre Vorstellung ist beispiellos

Hubert Haensel

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Lachen und Weinen

2. Begegnungen

3. Morgenstund

4. Auf nach Schudmasch

5. Ein neuer Plan

6. Entdeckungen

7. Eine geheimnisvolle Quelle

8. Vor der Show

9. Showdown

Risszeichnung Sextadim-Kapsel RA

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.

Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Eines soll sich in der Kleingalaxis Morschaztas befinden. Doch ihre Herrscher reagieren feindselig auf die Besucher aus der Milchstraße.

Um die Besatzung der MAGELLAN zu retten, braucht es ein TRANSMITTER-BALLETT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Vaschnaur – Der Baschganjo glaubt an das Potenzial der Terraner.

Muvaron – Der Obrist glaubt an das Schlechte in den Terranern.

Perry Rhodan – Der Aktivatorträger glaubt an das Beste der Menschen.

Orina Schnittke-Barnum

1.

Lachen und Weinen

22. Juli 2096 NGZ

Ein hässliches Etwas, lang und sich windend wie ein Wurm, zugleich massig wie einer der tückischen Raub-Aale in den Ufergewässern der Inseln ... Das war Muvarons erster Eindruck beim Blick auf das soeben vor ihm entstandene Holo.

Ein Affront, die Beleidigung der Vollkommenheit. Unverkennbar eine gezielte Provokation.

»Sie verhöhnen unsere Werte!« Muvaron, der Leiter der Panjasischen Garden des Planeten Ghyzarasch, versteifte sich. »Diese Terraner sind den Einsatz und die Bemühungen unserer Mentoren nicht wert.«

Die Bildwiedergabe war extrem unruhig. Das unrhythmische Auf und Ab verlangte geradezu von jedem Betrachter, dass er sich angewidert abwandte. Muvaron widerstand diesem Drang.

Die Überwachungssonde zeigte einen von Schuppen und flatternden Hautfetzen übersäten, zuckenden Leib ... Vom Rücken dieses Etwas standen unterarmlange gebogene Stacheln ab ... Das alles wirkte wie ein Meer ineinanderfließender greller Farben, die jeder Harmonie entbehrten. Pure Hässlichkeit.

Die Sonde sendete erst wenige Sekunden, sie war sofort ins Detail gegangen.

»Wo und was ist das?«, fragte einer der Gardisten, die in respektvollem Abstand hinter Muvaron standen. Die beiden waren erst vor wenigen Minuten zum Appell erschienen. Unüberhörbare Erschütterung schwang in der Stimme mit. Die Schwäche so vieler Cappins, die nicht das Glück hatten, als Panjasen geboren worden zu sein.

Die Sonde erfasste den wuchtigen Schädel des Ungetüms. Zwei üppige Fadenbüschel, zweifellos Sinnesorgane, wehten nach allen Seiten.

Auch die Schuppenhaut des Schädels war mit undefinierbaren Mustern bedeckt. Weit hervorquellende Augen und ein mächtiges Maul unterstrichen das Widerliche.

Was immer es sein mochte, das sich da zuckend aufbäumte, Muvaron hatte nie eine ähnlich abstoßende Gestalt gesehen. Damit wollte die Terranerin Schnittke-Barnum Eindruck schinden?

Der weit aufgerissene Rachen, blutig rot, war mit zwei Reihen kräftiger Reißzähne besetzt. Muvaron meinte, einen mächtigen Dorn zu sehen, der aus dem Unterkiefer der Kreatur nach unten ragte, gleichzeitig erkannte er, dass es sich um einen langen Stab handelte. Die Überwachungssonde ging mit ihrer optischen Erfassung in die Totale.

Acht Sekunden bislang, zeigte die im Holo eingeblendete Zeitkontrolle. Und nach wie vor gab es keine akustische Übertragung. Die Sonde unterdrückte den Ton: selektive Auswahl, um ein zu schlechtes Niveau zurückzuhalten.

»Verrückte!«, ächzte Muvaron. Ihn wunderte nichts. Die im Paradies von Ghyzarasch angesiedelten Terraner erwiesen sich als unbelehrbar. Diese zur Schau gestellte Hässlichkeit war unbegreiflich, zudem ein vernichtendes Zeugnis für die Bemühungen der panjasischen Mentoren.

Was bedeutete diese Kreatur? War sie eine Ausgeburt kreatürlicher terranischer Ängste? Ein Albtraum, wie ihn nur rückständiges Leben hervorbringen konnte?

Was sich dem forschenden Blick mit bizarrer Unvollkommenheit aufdrängte, war eine hohle, nicht einmal gut gemachte Puppe. Muvaron sah, dass vier Terraner das Ding mit langen Stäben dirigierten – in absolut unkontrolliert wirkenden Bewegungen.

Die vier folgten einem fünften, der in geringem Abstand vor dem viele Meter langen hässlichen Konstrukt einherging.

Muvaron kniff die Brauen zusammen. Dieser fünfte Terraner gab sich, als wüsste er nichts von dem Geschehen hinter sich.

»Akustik!«, verlangte Muvaron.

Eine Kakofonie schräger Klänge schlug über ihm zusammen. Trommelgeräusche, vermischt mit schrillem Wimmern. Alles laut und unmelodisch, wie befürchtet.

»Akustik aus!«

Muvaron fragte sich, was die Frau beabsichtigte. Sie bezeichnete sich selbst als Kulturpräsentatorin und probte ihre Zirkusvorstellung – in Wahrheit eine neue Form des Widerstands?

Der vorangehende Terraner war schrecklich gekleidet. Von seinen Schultern hing ein weiter, bis zu den Knien reichender Mantel. Ein Sack von einem Kleidungsstück, nicht mehr. Der Umhang machte den Eindruck, als wären alle Einzelteile gerade noch vor der Desintegration aus dem Müll hervorgewühlt worden. Flicken und Flecke waren wirr aneinandergesetzt.

Muvaron verzog keine Miene. Die Provokation war eindeutig. Soweit die Beine des Terraners unter dem Umhang überhaupt sichtbar waren, steckte eines in schillernden, über der Wade abgerissenen Lumpen, am anderen baumelten verschiedenfarbige Fetzen eines der Länge nach aufgeschlitzten Hosenbeins. Und die Schuhe? Übergroß und so breit, dass der Mann darin kaum gehen konnte, vorne zudem noch mit roten Stoffkugeln besetzt.

Rot wie ...

Muvaron stockte der Atem.

... wie die Nase, die ebenfalls kugelförmig im Gesicht des Mannes prangte.

Der Terraner hielt inne und wandte sich mit einem Ruck um. Er stand schwankend da und starrte die Puppe an.

Im nächsten Moment redete er gestikulierend auf das nachgebildete Etwas ein, das den Schädel senkte und mit weit aufgerissenem Rachen nach ihm schnappte, taumelte zurück und hob in einer flehenden Geste die Arme.

Die Kreatur schnappte erneut zu. Gleichzeitig hielt der Terraner, woher auch immer, einen Blumenstrauß in der Hand.

Als das zuckende Tier seine Zähne in die Blumen schlug und die Pracht zerfetzte, schrie der Mann auf. Das war deutlich zu sehen, wegen der fehlenden Tonerfassung aber nicht zu hören.

Das ganze Zirkustheater, das die Terranerin Orina Schnittke-Barnum seit Wochen proben ließ, war irrsinnig. Schlimmer als alles, was Muvaron aus der Historie über dieses Volk wusste.

Der in den armseligen Flickenmantel gekleidete Terraner starrte auf die in seiner Hand verbliebenen Blumenstiele. Seine rote Kugelnase glühte und blinkte und aus beiden Augen schossen ...

Tränen?

Zwei kräftige Wasserstrahlen trafen den wuchtigen Schädel des Tieres, der mit einer ruckartigen Bewegung zur Seite auswich. Das geschah so heftig, dass unmittelbar am Kopfansatz der Schuppenkörper aufriss.

Muvaron wandte sich zu den wartenden Gardisten um. »Welches Prädikat soll ich dieser hässlichen Vorstellung und ihren Teilnehmern geben?«, fragte er bedrohlich leise.

Was er sah, regte ihn auf. Es war seine Pflicht, die Vollkommenheit zu fördern und zu schützen – und wenn es sein musste, Strafen zu verhängen.

Es musste sein! Eindeutig!

»Folgt mir!«, befahl er seinen Untergebenen.

*

Orina Schnittke-Barnum hielt die Hände im Nacken verschränkt und schaute nahezu senkrecht in die Höhe. Bei einer der letzten Proben hatte sie sich, im Übereifer alles perfekt und gleichzeitig haben zu wollen, den Nacken verrenkt. Geblieben war ein Schmerz, zumal sie nicht daran dachte, sich wegen dieser Lappalie in medizinische Behandlung zu begeben. Sicher, Nova Terra bot eine perfekte medizinische Versorgung, und das galt nicht nur für die Terraner, sondern ebenso für alle Galaktiker, die der MAGELLAN-Besatzung angehörten.

... die der Besatzung angehört hatten. Der Ultratender existierte nicht mehr. Die Hiobsbotschaft hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, kaum dass die letzten Besatzungsmitglieder auf Ghyzarasch eingetroffen waren.

Orina taxierte routinemäßig die Halterungen der Seile und Trapeze unter der Hallenkuppel, vor allem die Wirbel zwischen Decke und den Befestigungen.

Keiner war freiwillig auf diesem Planeten. Mehr als 23.000 Personen – die Schiffsführung, Wissenschaftler und Techniker, die Angehörigen der Raumlandebataillone und die Familienangehörigen. Sie waren von den Cappins deportiert worden. Angeblich zu ihrem eigenen Wohl.

Die Meinungen darüber gingen weit auseinander. Für Orina Schnittke-Barnum war Ghyzarasch ein Gefängnis – ein Umerziehungslager, in dem alle »Gefangenen« zur Kultur und der Weltanschauung der Panjasen bekehrt werden sollten.

Der Planet war in der Tat ein Paradies, das schöner und verführerischer kaum sein konnte. Das musste sie ihrer neuen »aufgezwungenen« Heimat zugestehen. Es hinderte sie aber nicht daran, sich als Opfer zu fühlen.

Kein Paradies war ohne Ecken und Kanten. Schon die christliche Bibel kündete davon. Orina sah es als irreführend an, von einem Apfel zu berichten, den zu pflücken die böse Schlange Eva überredet hatte. Vielmehr war bereits der Griff nach dem Baum der Erkenntnis der Sündenfall. Nur Naturvölker konnten in einem Paradies leben. Sobald die Zivilisation begann, entstanden Neid und Missgunst – und Machtgier. Der Drang, Macht über andere auszuüben und ihnen die eigene Überzeugung aufzuzwingen.

Das Paradies der Panjasen war die Vollkommenheit. Egal welcher Mittel es bedurfte, sie zu erreichen. Die Vollkommenheit nicht nur des Individuums, sondern aller Dinge – eine unendliche, umfassende Schönheit.

Für Orina lag Schönheit hingegen allein im Auge des jeweiligen Betrachters. Sogar das vermeintlich Hässliche konnte demnach schön sein.

Die Panjasen, fand sie, waren ihrem Drang nach Vollkommenheit längst zum Opfer gefallen. Am Ziel ihres Weges würde eine homogene, gleichgeschaltete Masse stehen. Und dann? Eine solche Art von Vollkommenheit brachte letztlich Lethargie und geistige Windstille.

Dieser Preis war Orina zu hoch.

Zugegeben, auf Ghyzarasch herrschte Friede. Angehörige vieler Cappinvölker lebten Seite an Seite mit den Galaktikern. Es gab zwar Einschränkungen, aber keine Gettos. Und die Einschränkungen wurden lockerer, je mehr der Einzelne oder auch Gruppen den Idealen der Panjasen nacheiferten.

Eine Droge, die schnell süchtig und abhängig machte.

Und ein Friede, der in Wahrheit keiner war, der vielmehr stank wie ein fauliger Fisch.

Die Inselwelt war nur ein goldener Käfig. Orina suchte nach einer Möglichkeit, den Planeten wieder zu verlassen. Gemeinsam mit möglichst vielen der Gefangenen. Die Nachricht vom Ende der MAGELLAN hatte sie zu noch größerer Eile gezwungen.

Orina war Psychologin. Schon an Bord des Tenders hatte sie viel dafür getan, den mitreisenden Familienangehörigen eine Aufgabe zu verschaffen. Nichts konnte unerträglicher werden als ein jahrelanger ereignisloser Flug durch den intergalaktischen Raum. Folglich hatte sie dafür gesorgt, dass funktionale Gruppen wuchsen, die in der Lage waren, sich große Aufgaben zu stellen und diese zu realisieren.

Aufgeben war ein Fremdwort für Orina.

Illustration: Dirk Schulz

Das hatte sie während ihrer Ausbildung gelernt, nicht zuletzt aus Zitaten des Aktivatorträgers Reginald Bull. Besonders ein Ausspruch des potenziell Unsterblichen war für sie in den Vordergrund getreten, seit sie auf der Insel Gaschdeneer lebte: »Ein fauler Fisch stinkt immer vom Kopf her!«

*

Die Artisten erschienen im Rund der Hallendecke. Es gab in knapp zehn Metern Höhe eine umlaufende schmale Galerie. Zu erreichen war sie über eine Treppe neben dem Hintereingang des Theaters. Nicht ideal, fand Orina schon seit Wochen, aber für die Proben vollauf genug. Während der Vorstellung würden ihre Schützlinge unmittelbar von der Bühne in die Kuppel gelangen müssen. Entsprechende Vorrichtungen für Seilzüge, die als solche nicht erkennbar sein durften, hatte sie längst skizziert; sie feilte noch an der Umsetzung. Das für ihre Pläne benötigte höherwertige Material würde bald eintreffen. Vor allem war es sehr viel mehr als für eine normale Manege benötigt wurde. Der Rest ...

Thomas Montego winkte ihr von weiter oben zu. Obwohl die Scheinwerfer noch nicht eingeschaltet waren, schimmerte der Fänger schon wie in flüssiges Silber gebadet. Sein Kostüm saß hauteng, jeder Muskelstrang zeichnete sich ab.

Das Handwerkskollektiv auf der Nachbarinsel Hordoquai hatte die benötigten Stoffe gewebt und den Artisten die Kostüme nur anhand der Maße auf den Leib geschneidert. Orina hätte gerne persönlich mit der Epsalerin LeFanu gesprochen, die ihre Ansprechpartnerin gewesen war, aber die war seit Kurzem spurlos verschwunden. Deshalb hatte Joschar Spinetti das Paket in Empfang genommen.

Joschar ...

Orina Schnittke-Barnum sah sich suchend um. Mindestens 50 Akrobaten, Jongleure, Zauberer und Artisten probten, bauten auf oder standen einfach nur diskutierend beieinander. Das eine oder andere Utensil wirkte provisorisch, doch über allem hing die Zirkusatmosphäre, die Orina haben wollte.

Von Joschar Spinetti war nach wie vor nichts zu sehen. Er hatte seinen Auftritt schlicht versäumt, die bedeutungsvolle Geburt des prächtigen Schmetterlings ...

Was wiederum kein Beinbruch war. Orina kannte das professionelle Niveau des Impresarios, seinen glockenreinen Tenor. Joschar musste die Panjasen mit seiner Stimme begeistern – und sie in den richtigen Momenten ablenken.

Lediglich Wilhelm Borne hatte es wegen Spinettis Fehlen völlig vermasselt, den zweiten Blumenstrauß hervorzuzaubern. Borne war eigentlich ein Spezialist für Linearkonverter, dem Orina einen Kindheitstraum erfüllt hatte, indem sie ihn in das Clownskostüm steckte.

Es musste um gewichtige Dinge gehen, wenn Spinetti der Probe einfach fernblieb. Aber gewichtig war eigentlich nur die Frage, wie möglichst viele der auf Ghyzarasch gestrandeten Terraner den Planeten wieder verlassen konnten.

Was war vorgefallen?

Orina Schnittke-Barnum schob ihre beginnende Unruhe mit einem Lächeln beiseite.

Eher zufällig wurde sie auf zwei Uniformträger aufmerksam. Etwa 30 Meter von ihr entfernt, im Hintergrund und nahe bei einem eigentlich verschlossenen Nebeneingang, standen die beiden Gardisten. Die Cappins beobachteten das Geschehen in der Halle. Ob sie sich für die Proben interessierten oder eher Informationen für das panjasische Bewertungssystem, das Prädiktum, sammelten, blieb dahingestellt.

Ihr Blick huschte weiter. Sie hatte es beinahe erwartet: Fast ein Viertel des Manegenrunds von den Gardisten entfernt, hinter den Elementen eines abgestellten mehrgliedrigen Cyr-Rads, entdeckte sie den Leiter der Panjasischen Garden. Es war tatsächlich Muvaron.

Er trug ein graublaues Muskelshirt, das ihn wie einen der Artisten oder Jongleure erscheinen ließ. Seine durchtrainierte, drahtige Gestalt stand den Akteuren im Rund in nichts nach. Muvarons Alter war schwer zu schätzen. Um die 70, Orina konnte das nur vermuten. Sie hatte es bislang nicht in Erfahrung gebracht. Ebenso wenig, welchen genetischen oder operativ-technischen Eingriffen der Panjase sich unterzogen hatte. Sein Gesicht erschien ihr zu ebenmäßig, unnatürlich gleichförmig. Ebenso die Art, wie er ausdruckslos in die Höhe blickte.

Zwei Helfer verankerten soeben das Fangnetz. Antigravabsicherungen waren nur an Bord der MAGELLAN eingesetzt worden. Und die Trapezkünstler hatten schon dort stets perfekte Leistungen erbracht. Allerdings stand von der ursprünglichen Gruppe nur noch Montego, der Fänger, zur Verfügung. Wohin die anderen verschleppt worden waren, wusste keiner.

Orina hatte alles darangesetzt, die neue Gruppe aufzubauen. Es war mittlerweile wieder eine Freude, den »Flying Stars« beim Training zuzuschauen. Das Netz als Absicherung war seit Wochen überflüssig, blieb aber bis zur Vorstellung Bestandteil der Performance.

Die Anspannung wurde greifbar. Montego nahm Schwung. Noch hatte er sich mit den Armen an beiden Trapezseilen eingehängt, aber er löste den Griff, stand freihändig ...

... und ließ sich fallen.

Präzise bekam er die Stange unter beide Kniekehlen, das sicherte ihm den Halt, und kippte mit dem Oberkörper rückwärts. Kopfüber schwingend, streckte Montego die Arme aus zum Zeichen für die Frauen, dass sie beginnen sollten.

Im Scheinwerferlicht gleißte ein wahres Feuerwerk. Die Kostüme der durch die Luft wirbelnden Artisten schienen aufzuglühen und Funken zu sprühen.

Die ersten Übergänge. Passgenau. Kein im letzten Moment abgebrochener Versuch.

Ireen Baske, mit 50 die Älteste der vier, sank an einem Vertikaltuch ab. Der Stoff war nur leicht um ihren rechten Unterarm geschlungen. Mit der linken Hand fasste sie nach dem Luftring, den ihre Partnerin gelöst hatte, und wechselte hinüber. Sie versetzte den Ring in Rotation und ließ sich, als die Drehung unerträglich schnell zu werden drohte, hindurchrutschen.

Montego war zur Stelle und streckte ihr beide Arme entgegen. Gemeinsam pendelten sie zurück. Erst da wurde erkennbar, dass Ireen lediglich mit einer Hand sein linkes Handgelenk umfasst hatte. Mit der anderen Hand winkte sie in die Tiefe. Dann ließ sie den Fänger los, überschlug sich in der Luft, griff nach einem heranschwingenden leeren Trapez – und stand Sekunden danach wieder auf dem Absprungplateau.

Orina Schnittke-Barnum warf einen schnellen Blick zu dem Panjasen hinüber. Seine ausdruckslose Reaktion war schwer einzuschätzen, allerdings fiel der Psychologin auf, dass sich seine Haltung leicht verändert hatte. Kein Zweifel, Muvaron wusste die Leistung am Trapez richtig einzuordnen, denn sie war in der Tat etwas Besonderes.

Will Starbrushs Auftritt kam. Der Flieger stieß sich ab und holte Schwung. Es wirkte spielerisch leicht, wie er an der Trapezstange einen Klimmzug machte und Körper und Beine in die Horizontale streckte, als handelte es sich nur um eine Übung am Reck.

Ein jäher Ruck, die Kraftanstrengung war deutlich, dann pendelte Starbrush im Handstand.

Das war vollkommene Körperbeherrschung. Der folgende Abgang benötigte perfektes Timing auf wenige Hundertstelsekunden.

Orina schielte erneut zu dem Panjasen hinüber. In dem Moment war ihr Muvarons Anwesenheit sogar recht. Der Obrist musste erkennen, welche Schönheiten die Größte Show von Morschaztas zu bieten hatte.

Etwas an der Performance passte nicht. Orina erkannte, dass Montego nicht synchron war. Der Fänger schwang eine Nuance zu langsam.

Starbrush hielt den Handstand, und es kostete ihn enorme Kraft, die nötigen Sekunden zu gewinnen.

Orina schätzte die Fähigkeiten des Logistikingenieurs. Sie hatte Starbrush schon nach den ersten sportlichen Tests als Naturtalent erkannt. Ihn als Flieger zu gewinnen, war ihr jedoch nicht leichtgefallen. Starbrush hatte als Jugendlicher extremen Leistungssport betrieben. Ein durch eigenes Verschulden verlorener Wettbewerb hatte ihm verletzend böse Kommentare eingetragen, woraufhin er sich geschworen hatte, nie wieder vor Zuschauern aufzutreten.

Aber was konnte er schon gegen eine geschickte Psychologin ausrichten, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Terra und das Solsystem wiederzusehen?

Beide Männer waren wieder synchron.

Starbrush ließ los. Er hatte ausreichend Schwung für zwei Salti rückwärts, der zweite schon mit halb gestreckten Armen.

Montego schwang heran. Ihre Hände berührten einander und packten mit aller Kraft zu. Das Trapez schwang mit ihnen zurück ...

Es gab einen kaum merklichen Ruck. Orina war in dem Sekundenbruchteil nicht sicher, ob sie sich das einbildete.

Die Trapezstange verrutschte unter Montegos Kniekehlen und neigte sich zur Seite. Der Fänger versuchte vergeblich, die veränderte Fliehkraft auszugleichen, das Trapez schob sich bereits über seine Wade ...

Die Schwerkraft wirkte unerbittlich – beide Männer stürzten.

Starbrush fiel ins Netz und federte den Aufprall ab. Es gab jedoch ein reißendes Geräusch.

Orina Schnittke-Barnum begriff, dass das Netz nicht standhielt. Montego, der unmittelbar nach dem Gefährten fiel, federte nicht zurück, sondern rutschte seitlich weg und schlug am Boden auf.

Schreie hallten von allen Seiten. Orina hetzte los. Während Starbrush sich mühsam aufrichtete, kniete sie schon neben Montego.