Perry Rhodan 3304: Die Wyconder - Hubert Haensel - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3304: Die Wyconder E-Book und Hörbuch

Hubert Haensel

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Beschreibung

4000 Jahre in der Zukunft ... Wir befinden uns in der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Handelsbeziehungen und Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst. Perry Rhodan – der Mann, der die Menschheit zu den Sternen geführt hat – wird noch immer von der Vision angetrieben, die ihn seit seiner ersten Begegnung mit Außerirdischen erfüllt: ein partnerschaftliches Miteinander aller Völker der Milchstraße zu erreichen. Aber seit geraumer Zeit hat er diesen Plan erweitert: Das »Projekt von San« soll auch die freundschaftlichen Kontakte zu anderen Sterneninseln und ihren Bewohnern intensivieren. Ein wichtiges Hilfsmittel dazu ist der PHOENIX. Doch dann attackiert eine Schurkin namens Shrell, die dem Volk der Leun entstammt, die Erde: Sie zündet drei verheerende Vernichtungsregionen, zwei auf der Erde, eine auf dem Erdmond. Stoppt sie diese nicht binnen vier Jahren, sind Erde und Mond verloren. Ihre Bedingung: Perry Rhodan soll in ihre Heimat fliegen, die Agolei, und dort den Tyrannen Reginald Bull töten. Perry Rhodan bleibt nichts anderes übrig, als ihrer Erpressung nachzugeben: Mit dem neu entwickelten Fernraumschiff PHOENIX, das Shrell technisch zusätzlich aufrüstet, bricht er auf. Sein erster Kontakt in der Weltraumferne sind DIE WYCONDER ...

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Seitenzahl: 180

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Zeit:4 Std. 12 min

Veröffentlichungsjahr: 2024

Sprecher:Martin Bross

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Nr. 3304

Die Wyconder

Sie werden im Leerraum gestoppt – keine Chance für den PHOENIX

Hubert Haensel

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Tankstopp

2. Unheilvolle Erinnerung

3. Fehlersuche

4. Blackout

5. Die Wyconder

6. Terrybor

7. Heimat der Wyconder

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

4000 Jahre in der Zukunft ...

Wir befinden uns in der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung.

Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Handelsbeziehungen und Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst.

Perry Rhodan – der Mann, der die Menschheit zu den Sternen geführt hat – wird noch immer von der Vision angetrieben, die ihn seit seiner ersten Begegnung mit Außerirdischen erfüllt: ein partnerschaftliches Miteinander aller Völker der Milchstraße zu erreichen. Aber seit geraumer Zeit hat er diesen Plan erweitert: Das »Projekt von San« soll auch die freundschaftlichen Kontakte zu anderen Sterneninseln und ihren Bewohnern intensivieren. Ein wichtiges Hilfsmittel dazu ist der PHOENIX.

Doch dann attackiert eine Schurkin namens Shrell, die dem Volk der Leun entstammt, die Erde: Sie zündet drei verheerende Vernichtungsregionen, zwei auf der Erde, eine auf dem Erdmond. Stoppt sie diese nicht binnen vier Jahren, sind Erde und Mond verloren. Ihre Bedingung: Perry Rhodan soll in ihre Heimat fliegen, die Agolei, und dort den Tyrannen Reginald Bull töten. Perry Rhodan bleibt nichts anderes übrig, als ihrer Erpressung nachzugeben: Mit dem neu entwickelten Fernraumschiff PHOENIX, das Shrell technisch zusätzlich aufrüstet, bricht er auf. Sein erster Kontakt in der Weltraumferne sind DIE WYCONDER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan und Atlan – Der Terraner und der Arkonide sind manchmal unterschiedlicher Ansicht.

Liam Barstow und Zhobotter – Die Eltern des PHOENIX spüren einer Sabotage nach.

Meg Ontares – Die Medikerin behält ihre gute Laune.

Terrybor

1.

Tankstopp

28. Mai 2250 NGZ

Privates Log, Perry Rhodan

Vor gut elf Monaten haben wir das Solsystem verlassen. Mittlerweile befinden wir uns in einem Bereich des Weltraums, über den uns nur astronomische Auswertungen vorliegen. Und die lassen stark zu wünschen übrig.

Eigentlich sollte ich die Verlockung des Fremden und Unbekannten wie Ameisen unter der Haut spüren. So war es früher. Aber davon kann weiß Gott nicht mehr die Rede sein, denn diesmal steht die Existenz Terras auf dem Spiel.

Ich ertappe mich bei vielen Wenn und Aber. Vor allem fürchte ich, dass uns die Zeit davonläuft. Weil das Brennende Nichts unsere Heimat verschlingt. Unaufhaltsam. Bis ... ja, bis ich Shrells mörderisches Ultimatum erfüllt haben werde – oder ihr das schreckliche Handwerk legen konnte.

Mit jedem Tag kommen wir dem Ziel um über eine Million Lichtjahre näher. Es scheint in einem Sternenstrom zu liegen, einem extragalaktischen, geradlinig verlaufenden Band aus Sternen. Allein seine Länge ist atemberaubend, sie übertrifft den Durchmesser unserer Milchstraße um annähernd das Vierzehnfache. Die Agolei. Mehr als den Namen kennen wir nicht. Wir sind nur fünf Galaktiker an Bord eines kleinen Fernraumschiffs.

Was werden wir ausrichten können?

Die Antwort auf diese Frage muss ich mir schuldig bleiben. Trotzdem blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Wenn mich eines immer entscheidend weitergebracht hat, dann der Vorsatz, niemals aufzugeben.

Und manchmal werde sogar ich überrascht: Phoenix hat mir einen Vorschlag unterbreitet, den ich als bizarr einstufe.

»Was bringt dich auf diese Idee?«, frage ich. »Und warum erst jetzt?«

»Das Thema wird bald akut.«

Wenn das keine geschickte Umschreibung ist. Zhobotters Psyche schwingt in dieser Antwort mit. Das Positronik-Genie ist nicht nur geistiger Vater der PHOENIX-Intelligenz, der Ara war zudem für die Sicherung ihres psychischen Wohlergehens verantwortlich. Zhobotter hat zwei Gesichter, genau das glaube ich soeben wieder deutlich zu spüren.

»Akut ist das Thema, seit Shrell das Brennende Nichts auf Terra und Luna gezündet und von mir verlangt hat, ihr den Kopf meines besten Freundes zu bringen«, entgegne ich. »Dass ich keinesfalls vorhabe, Reginald Bull ans Messer zu liefern, sollte dir klar sein. Also ...? Was steckt hinter deinem Vorschlag? Sag nicht, dass du dich langweilst. Ein perfektes Fernraumschiff wie du, das gewaltige Entfernungen überwinden ...«

»Leider nicht nur aus eigener Kraft!«, fällt mir Phoenix ins Wort. »Wie würdest du dich fühlen, hätte jemand in deinen Körper ein fremdes Organ implantiert, über das du so gut wie nichts weißt? Weder, wer es gebaut hat. Noch, wie es funktioniert. Nicht einmal, was es tun wird, sobald deine Aufgabe erfüllt ist. Kannst du nachvollziehen, was ich empfinde?«

»Du fürchtest ein unrühmliches Ende?«

»Ich fürchte die Unwissenheit. Sie scheint mir unerträglicher zu sein als der Tod.«

Ich frage mich, wer von uns beiden geschickter taktiert. Phoenix hat mich jedenfalls an einem Punkt, an dem ich seinen Vorschlag gar nicht ablehnen kann.

»Also gut, obwohl ich mir nicht viel davon verspreche«, stimme ich zu. »Wenn der Versuch nicht hilft, wird er jedenfalls nicht schaden.«

»Das ist eine zweckmäßige Entscheidung«, lobt das Schiffsbewusstsein.

Gleichzeitig materialisiert Reginald Bull. Ihm ist die Überraschung deutlich anzumerken. Mit einem schnellen Blick sieht er sich in meiner Kabine um. Und – was mich keineswegs verwundert – er zögert und wartet darauf, dass ich ihn anspreche.

Was will er hören?

»Wir waren immer Freunde, Reginald ...«, sage ich.

Es liegt über 120 Jahre zurück, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Dass ich ihn »Reginald« nenne, nicht wie gewohnt »Bully«, quittiert er mit leicht zusammengekniffenen Brauen. Es irritiert ihn.

»Wir waren nicht nur während der guten Jahre Freunde, sondern ebenso in den schweren Zeiten«, fahre ich fort. »Jeder konnte sich auf den anderen verlassen. Allein die Aphilie wurde uns als Ausnahme aufgezwungen; aber das war nicht deine Schuld, sondern die deines Zellaktivators.«

Mit einer einladenden Geste fordere ich ihn auf, sich zu setzen. Er reagiert nicht darauf.

Meine Kabine im Oberdeck des PHOENIX ist alles andere als geräumig; das Fernraumschiff verfügt nicht über das großzügige Platzangebot eines terranischen Flaggschiffs. Technischer Fortschritt ist eben nicht gleichzusetzen mit Immer-größer-und-mächtiger. Aller Enge zum Trotz weist die Sitzecke zwei bequeme Schwebesessel auf.

»Hier an Bord steht wenig Luxus zur Verfügung. Allerdings genügt das Vorhandene, den langen Flug ohne Blessuren zu überstehen. In der guten alten STARDUST hatten wir beide es seinerzeit wesentlich beengter.«

Small Talk, um die Anspannung zu lösen. Bully wirkt auf mich zu steif. Aber was habe ich erwartet? Dass er mir in herzlicher Wiedersehensfreude um den Hals fallen werde?

»Vier Astronauten gehörten zur ersten Mondlandung, nicht nur wir beide«, berichtigt er. »Du vergisst Manoli und Flipper zu erwähnen. Außerdem halte ich den Vergleich für unpassend, Perry. Von der Erde zum Mond war und ist es nur ein Katzensprung. Die Agolei liegt im Gegensatz dazu sehr tief im Sternenmeer ...«

Mein Nasenflügel juckt. Wie so oft, wenn ich darauf warte, Neues zu erfahren oder ins Grübeln versinke. Ich reibe mit dem Daumen über die kleine Narbe.

»Ich habe den langen Weg nicht auf mich genommen, um mit dir uralte Erinnerungen zu diskutieren«, sage ich.

»Sondern?«

Bully steht breitbeinig da. Demonstrativ gleichgültig hat er die Hände in den Hosentaschen versenkt und schaut an mir vorbei, als gäbe es an der rückwärtigen Kabinenwand sehr viel Wichtigeres zu sehen.

Das ist schlecht gespielte Unschuld, die ich ihm nicht abkaufe. Gibt es einen Grund dafür?

Reginald Bull, der Usurpator. So hat Shrell ihn genannt.

Unser beider Schweigen hat etwas Bedrückendes. Ich frage mich, was Phoenix mit dieser Konfrontation tatsächlich beabsichtigt.

Bully räuspert sich endlich.

»Wir waren immer Freunde ...« Nachdenklich wiederholt er meinen Satz. »Willst du damit andeuten, dass wir es nicht mehr sind? Hast du die gewaltige Entfernung von der Milchstraße aus nur überwunden, um mit deiner geflügelten Nussschale und ihrer Kriegsbemalung zu protzen? Perry, wo ist das Mutterschiff verborgen? Es muss größer sein, als die gute alte BASIS war, und zweifellos schwer bewaffnet. Über eure Flugzeit will ich gar nicht erst nachdenken.«

»Wenig mehr als ein Jahr ...«

»Beachtlich«, ringt er sich ab, doch das klingt keineswegs überzeugt. »Noch einmal: Im Schutz welcher nahen Sonne hast du das Mutterschiff zurückgelassen? Vor allem, mit welcher Absicht? Wie hast du mich überhaupt gefunden?«

Etwas wie eine unsichtbare Mauer steht zwischen uns. Das alles erscheint mir zu statisch. Ich kann dieser eigenwilligen Begegnung nichts abgewinnen. Andererseits will ich mir später nicht vorwerfen müssen, ich hätte leichtfertig einen möglichen Erkenntnisgewinn verschenkt.

»Es gibt kein Trägerschiff«, antworte ich. »Der PHOENIX ist klein und fein – der leistungsfähigste Fernraumer, der je von Menschen konstruiert wurde.«

Ich bin gespannt auf seine Reaktion. Tatsächlich huscht ein Hauch von Zufriedenheit über Bullys Gesicht, als hätte er genau das zu hören gehofft. Es ist nur eine Nuance, eine sich glättende Falte auf der Stirn, eine leichte Erweiterung seiner Pupillen – mir bleibt beides nicht verborgen, weil ich ihn sehr gut kenne.

Der PHOENIX hat vorgeschlagen, den Charakter Reginald Bull in bestmöglicher Präzision zu simulieren und aus seinen sich verselbstständigenden Reaktionen Rückschlüsse zu extrapolieren. Doch offenbar sucht die Bordintelligenz vorrangig Lob für ihre eigene Perfektion.

Eine gewisse Eitelkeit? Von Zhobotter als unterschwellige Prägung eingebracht? Der Ara ist ein begnadeter Positroniker und Robot-Psychologe, zugleich ein körperlich und mental gespaltenes Genie, das Gefühle und Emotionen verloren hat.

»Erde und Mond werden bald nicht mehr existieren!« Ich sage das betont frostig. »Jemand verlangt deinen Kopf, Bully! Nur wenn ich diese Forderung erfülle, kann Terras Untergang abgewendet werden.«

Er hält den Atem an. In der nächsten Sekunde lacht er verhalten – und unsicher zugleich.

»Du bist also gekommen, um mich zu töten, Perry? Du? Ausgerechnet du? Das ist der verrückteste Witz, den ich je ...«

Er hat recht, verdammt recht sogar. So wird das nichts.

Beide Hände auf die Armlehnen meines Sessels gestützt, halb im Aufspringen, verharre ich.

»Unsere Heimat stirbt als Folge einer kosmischen Auseinandersetzung. Mir ist nur bekannt, dass du entscheidend daran beteiligt bist, Bully. Du hast dir eine unversöhnliche Feindin geschaffen; ihr Name ist Shrell.«

Er verzieht die Mundwinkel. Verachtung drückt sich darin aus.

»Für ein paar Sekunden habe ich auf deine Unterstützung gehofft.« Das kommt zögernd. »Ich weiß, dass du bedenkenlos dein Leben für Terra opfern würdest. Aber gilt das nicht ebenso für deinen ältesten Freund und Weggefährten?«

Er schiebt das Kinn vor. Die Bartstoppeln lassen seine Mundpartie kantig erscheinen. Das rote Haar hängt ihm in Strähnen in die Stirn und unter den Augen liegen dunkle Schatten. Reginald Bull wirkt gealtert – eigentlich unmöglich für ihn als Aktivatorträger – und außerdem ungewohnt hager. Als hätte er große Entbehrungen hinter sich.

Ich ignoriere seine Frage dennoch.

»Eines muss ich dir lassen, Bully: So weit hinaus wie du hat es noch keiner von uns geschafft. Knapp zweihundertundvierzig Millionen Lichtjahre. Damit hast du unsere gemeinsame Sehnsucht neu belebt und greifst nach den Sternen. Sag mir trotzdem, was ich davon halten soll! Shrells Anklage lautet, du hättest den Sternwürfel an dich gerissen. Was immer das sein mag.«

Er hebt abwehrend die Hände. »Atlan war jenseits der Materiequellen. Jene Distanz dürfte weitaus größer gewesen sein ... Entfernungen allein nach Lichtjahren zu bemessen ist ein dem menschlichen Unverständnis geschuldeter Selbstbetrug.«

»Was ist der Sternwürfel?«, dränge ich.

Provokant bedächtig führt Bully seine Hände so aneinander, dass die angewinkelten Finger die Umrisse eines Quaders andeuten. Er grinst herausfordernd ...

Aus dem Grinsen wird eine Grimasse.

Reginald Bull will weiter reden, er bringt aber nur ein Stöhnen über die Lippen. Sein Blick frisst sich an mir fest. Ich lese ungläubiges Erstaunen darin.

Fahrig wühlt er mit den gespreizten Fingern durch sein Haar. Da sind keine roten Strähnen mehr, da ist plötzlich orangefarbenes Gefieder. Ein kräftiger Vogelkopf überlagert Bullys Gesicht, den kantigen Schnabel zum warnenden Schrei aufgerissen.

Illustration: Swen Papenbrock

Ein Schrei, der nicht erklingt, denn Sekunden später ist der Spuk vorbei.

»Absurd ...«, sagt Reginald Bull, nun mit der markanten Stimme der Schiffsintelligenz.

»Absurd ...«, wiederholt er.

»Was ist los?«

Ich bekomme keine Antwort. Wo eben Bullys Abbild stand, sehe ich nun die Außenansicht des PHOENIX im Widerschein mächtiger Protuberanzen. Die Aufnahme stammt von einer unserer ausgeschleusten Sonden.

Ein Strom glühender Materie brandet heran.

Der HÜ-Schirm des Schiffs lodert unter dem Ansturm. Brodelndes Plasma flutet um uns herum, als wäre die sehr nahe Sonne im Begriff, ihre Hülle abzustoßen. Der Schirm leuchtet in kräftigem Grün. Erste schwarze Strukturrisse zeichnen sich ab. Ich fürchte bereits, dass die ausgefahrenen Projektorsegel wie Zunder aufflammen, da verschwimmt die optische Wiedergabe in alles verzerrenden Schlieren.

Ein entsetzter Aufschrei hallt durch meine Kabine. Ich erkenne Liam Barstows Stimme. Wollte sie Verbindung zu mir aufnehmen?

Die Projektion ist erloschen – zweifellos existieren die Sonden nicht mehr. Außerhalb des HÜ-Schirms und ohne eigenen Schutz sind sie verglüht.

»Phoenix! Was ist mit Dr. Barstow?«

Keine Reaktion.

»Phoenix ...?«

Die Antwort des künstlichen Bewusstseins kommt stockend und unverständlich. Ich höre nur ein Krächzen, als hätte das Schiff verlernt, sich zu artikulieren.

*

Der PHOENIX mutete an wie ein von Meisterhand geschliffener Edelstein. Düster rot funkelnder Widerschein huschte über den flachen, an eine Pfeilspitze erinnernden Rumpf. Auslöser der Lichtreflexe waren mächtige Bogenprotuberanzen der sehr nahen Sonne. Die Hypertronzapfung versetzte den Energiehaushalt des altersschwachen Sterns in immer heftigeren Aufruhr.

Weit im Hintergrund schimmerte der fahle Nebelschleier einer irregulären Kleingalaxis. Sie hatte nur wenige Millionen Sonnenmassen. Eine sterbende Population. Bereiche, in denen noch Sterne geboren wurden, gab es längst nicht mehr, und vorgelagerte Staubwolken dämpften die ohnehin schon schwachen Emissionen. Kein Wunder, dass diese Sterneninsel nie von der Milchstraße oder überhaupt aus der Lokalen Galaxiengruppe heraus aufgespürt worden war.

Hidden Place. Den Namen hatte der PHOENIX vergeben, bevor eines der übrigen Besatzungsmitglieder an eine Benennung dachte.

Es war nach ein Uhr nachts Terrania-Standard.

Liam Barstow genoss das Alleinsein und die Ruhe um diese Zeit. Die Chefingenieurin suchte die Lounge hin und wieder nach Mitternacht auf. In den frühen Morgenstunden traf sie, wenn überhaupt, nur auf Perry Rhodan oder Atlan da Gonozal. Als Aktivatorträger kamen beide mit wenig Schlaf aus.

In dieser Nacht hatte sich noch keiner der Unsterblichen blicken lassen.

Der Tankstopp im Halo von Hidden Place währte bereits ungewöhnlich lange, denn die ausgewählte Sonne war nur ein schwacher Hyperstrahler. Alle anderen Sterne in erreichbarer Nähe wiesen eher schlechtere Werte auf. Und tiefer in die Kleingalaxis einzufliegen, war ohnehin keine Option.

»Selbst wenn wir eine Woche oder mehr verlieren, der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach!« Bei dem Gedanken an Perry Rhodans Entscheidung, die sie genau so und nicht anders erwartet hatte, lächelte Barstow leicht in sich hinein. Der PHOENIX sollte das Ziel schnellstmöglich anfliegen – wichtiger war indes, dass er die Agolei überhaupt erreichte.

Drei große Flugetappen und einige Orientierungsstopps waren bereits bewältigt. Mit jeder Etappe hatte das Schiff mehr als 60 Millionen Lichtjahre überwunden. Außerhalb der Lokalen Galaxiengruppe, zu der die Milchstraße gehörte, sogar mit unerwartet hoher Geschwindigkeit. Der Überlichtfaktor lag bei 400 Millionen.

Die Reichweite des weiterentwickelten San-Hypertrans-Progressors war bei maximal an die 70 Millionen Lichtjahre ausgereizt. Danach ermöglichte eine Neuaufladung bestenfalls weitere zehn bis 14 Millionen Lichtjahre. Eine vollständige Reaktivierung des Überlichtantriebs war für die galaktische Technik bislang noch Zukunftsmusik.

Dass bereits der erste Fernflug gewaltige 240 Millionen Lichtjahre überwinden musste, hätte ohnehin niemand im Projekt PHOENIX je erwartet. Es wäre ohne Shrells »aufgezwungenes Geschenk« völlig unmöglich gewesen, derart tief in den Kosmos vorzudringen. Erst das undurchschaubare Zusatzaggregat der Leun erlaubte die mehrmalige Wiederaufladung des Progressors bis zum vollen Wirkungsgrad.

Liam Barstow rief die Messwerte der ausgeschleusten Sonden ab. Sie überwachte die für die Wiederaufladung erforderliche Hypertronzapfung. Nach jeder der großen Flugetappen galt es, für das Tankmanöver eine geeignete fünfdimensional aktive Sonne zu finden, ohne ins Sternenmeer einer Galaxis einfliegen zu müssen. Der PHOENIX war primär für den Flug zwischen Galaxien konzipiert, schon im Halo sank seine Geschwindigkeit deutlich.

Wie ein prächtiger Vogel schwebte das Schiff im nahen Sonnenorbit. Es hatte aus reiner Eitelkeit die Projektorsegel an den Rumpfseiten und am Heck ausgefahren.

»Wir sind bald wieder unterwegs«, raunte Liam Barstow im Selbstgespräch.

In Gedanken sah die Chefingenieurin längst die nächste Schiffsgeneration auf intergalaktischen Routen verkehren. Sie hatte es nie angesprochen, war aber davon überzeugt, dass sie diese Vision mit Perry Rhodan teilte.

Vielleicht sogar mit Atlan?

Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln wischte Barstow die Überlegung beiseite. Ihr behagten die zwiespältigen Empfindungen nicht, die der Arkonide in ihr auslöste. Da Gonozal war ... nun ja, sie fand ihn interessant. Wer außer ihm verfügte schon über eine derart lange Lebenserfahrung? Allein darüber nachzudenken, weckte Ideen in ihr, die sich nur über Generationen hinweg würden realisieren lassen.

Auf den ersten Schritt folgt der zweite, danach erst der dritte und alle weiteren – das hatte Ivonne Barstow ihren Kindern von klein auf beigebracht. Ebenso, dass jeder ins Straucheln geraten konnte, der aus Ungeduld oder Selbstüberschätzung Schritte übersprang. Liam, als jüngstes von sieben Geschwistern stets dem Zwang ausgesetzt, sich gegen ihre Brüder zu behaupten, hatte nach dem Unfalltod ihres Vaters und ihres Bruders Lloyd diese Warnungen in den Wind geschlagen und sich dabei übel zugerichtet. Mehrere Knochenbrüche und ausgeschlagene Zähne – zum Glück nichts, was die Medizin nicht in den Griff bekommen hätte. Danach war ihr nie wieder in den Sinn gekommen, sich aus Frust oder Unzufriedenheit beweisen zu müssen.

Ihre Stärke lag seitdem in Ruhe und Selbstsicherheit, mit denen sie ihre Ziele konsequent, aber keinesfalls überstürzt oder um jeden Preis verfolgte.

Liam Barstow aktivierte die optische Wiedergabe des im Holo ausgeblendeten Zapfstrahls. Der fünfdimensionale Energiefluss war noch indifferenter als schon während der frühen Nachmittagsstunden; das pulsierende matte Glimmen verriet die weiter sinkende Qualität des Sonnen-Hyperspektrums.

Die Messwerte schwankten stark.

Barstow schürzte abschätzend die Lippen.

»Ende des Tankvorgangs in sieben bis zehn Stunden«, meldete das Schiffsbewusstsein. Wer die Stimme hörte, hatte sofort das Bild eines sportlichen jungen Mannes Ende zwanzig vor Augen.

Wenn weiterhin alles gut verlief, blieb diese dritte Tankpause die letzte auf dem Weg zur Agolei.

Ein verhaltenes Räuspern ließ die Chefingenieurin aufmerken. Sie war nicht mehr allein in der Lounge.

*

»Guten Morgen, Dr. Barstow!«

Atlan kam gemessenen Schrittes auf sie zu. Liam hob nur kurz den Kopf und sah ihm entgegen.

»Störe ich?«, fragte er. »Habe ich dich aus tiefschürfenden Überlegungen aufgeschreckt?«

Seine Haltung, fand Liam Barstow, hatte etwas Provozierendes. Atlan mochte es »wohlwollend« nennen, doch das war lediglich seine Interpretation. Sie wich seinem forschenden Blick aus und wandte sich wieder dem Holo zu.

»Die strenge Miene steht dir nicht«, bemerkte der Arkonide. »So unnahbar, wie du dich mittlerweile gibst, bist du eigentlich nicht. Oder?«

Sie ging nicht auf die Aussage ein. »Bis zum Mittag werden wir den Flug mit voller Leistung des San-Hypertrans-Progressors fortsetzen können«, sagte sie stattdessen.

Atlan nickte zögernd, als müsste er darüber erst nachdenken.

Liam Barstow schwieg.

»Der Tag ist noch sehr jung«, sagte Atlan schließlich. »Umso mehr frage ich mich, was dich schon in der ersten Morgenstunde bedrückt.«

Manchmal fiel es der Chefingenieurin schwer, die gute Erziehung nicht zu vergessen, die sie von zu Hause mitbekommen hatte. Ihre Mutter hatte großen Wert darauf gelegt. Trotzdem: Liam Barstow war schon nahe daran gewesen, Atlan auf den Kopf zuzusagen, dass sein Charme bei ihr nicht verfing. Dass sie ihn für ein aufgeblasenes Alphatier hielt. Sie hatte das nur nicht ausgesprochen, weil sie an Bord des PHOENIX auf engem Raum miteinander auskommen mussten und aufeinander angewiesen waren.

Ahnte der Arkonide überhaupt, wie sehr sie ihn vor langer Zeit bewundert hatte? Aber kindliche Schwärmereien lebten zu oft von trügerischem Schein. Sobald jemand an der Oberfläche kratzte ...

»Alles in Ordnung«, sagte Barstow hastig. »Ich konzentriere mich auf die Durchlaufwerte der Sonnenzapfung. Die Reaktivierung der Salkrit-Beschichtung für künftige Weiterentwicklungen des Projekts ...«

»Ganz klar.« Der Arkonide ließ sie den Satz nicht zu Ende bringen. »Ich bin überzeugt, dass der PHOENIX jedes noch so unbedeutende Infobit sichert. Und falls er das nicht tut, sollte ein Wort von dir genügen, das zu ändern. Niemand zwingt dich, dass du dir allein alle Arbeit aufbürdest.«

Barstow presste die Lippen aufeinander. Sie bürdete sich nichts auf, im Gegenteil. Der PHOENIX war ihr Leben, angefangen bei der ersten Skizze bis zum letzten Aggregat, das sie mit ihrer Unterschrift abgezeichnet hatte. Sie hatte keine leiblichen Kinder, hatte früher zwar darüber nachgedacht, wie es sein könnte ... aber sie vermisste nichts. Sie lebte ihr Leben wie der Arkonide das seine.

Atlan war der Typ, nach dem sich Frauen umdrehten: groß, athletisch, von beneidenswerter Lässigkeit. Sein langes weißblondes Haar und die sonnengebräunte Haut hatten zeitweise den Status eines Schönheitsideals Jugendlicher erlangt ... oh ja, sie wusste das.

Dabei waren durchaus unterschiedlichste Gerüchte über ihn im Umlauf. Atlan, der Stammvater aller weißhaarigen Terraner? Nur weil er 10.000 Jahre in seiner Tiefseekuppel bei den Azoren verschlafen hatte? Abgesehen von einigen Wachperioden, in denen er das Schicksal der heranwachsenden Menschheit förderte.

Atlan da Gonozal war eine Legende – und darauf fußte seine Attraktivität.

»Du wirkst angespannt«, stellte er fest. »Fast schon verkrampft. Aber das hast du mit vielen Müttern gemeinsam.«

Worauf wollte er hinaus? Liam Barstow fasste sich mit beiden Händen um den Hals. Mit den Fingerspitzen dehnte sie ihre Nackenmuskulatur.

»Nicht einmal, wenn du mir den Rücken zuwendest, kannst du deine Sorgen verbergen«, redete der Arkonide weiter. »Meinetwegen musst du dich nicht krampfhaft verstellen. Ich wäre der Letzte, der kein Verständnis für Gefühle hat.«

»Sagt das dein Extrasinn?«

Sie spürte Atlans Arroganz. Auch wenn andere ihn als integer, ruhig und einfühlsam schilderten, sah Liam das differenzierter. Der Arkonide tat, als gehörte ihm die Welt.

»Ich fürchte, dass du leidest, Dr. Barstow.« Er betonte jedes Wort. »Ich sehe dir die Freude einer Mutter an, die ihr Kind beim Spielen beobachtet. Die sich glücklich fühlt, weil ihr Sprössling gesund und unbeschwert heranwächst und mit jedem Tag die Welt intensiver kennenlernt. Aber zugleich quält dich die Sorge, dass dein Kind bald erwachsen sein und eigene Wege gehen wird, und das sehr viel schneller, als du bislang dachtest.«

»Ach?« Liam Barstow eine Braue hoch. Das war ihre Art, Unwillen zu zeigen.