Perry Rhodan 3332: Das Haus im Methanmeer - Hubert Haensel - E-Book

Perry Rhodan 3332: Das Haus im Methanmeer E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von besiedelten Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den Sternenreichen der Milchstraße ­besteht ein freundschaftlicher Austausch. Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Das kleine Raumschiff PHOENIX soll dabei als Kurierschiff dienen. Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er seinen ältesten Freund töten: Reginald Bull. Um diese Forderung zu unterstreichen, zündet sie das Brennende Nichts auf der Erde und dem Mond – wenn man das Verhängnis nicht stoppen kann, droht beiden Himmelskörpern die Vernichtung. Während Rhodan in die Agolei reist, bahnen sich in der Milchstraße einige Veränderungen an. Unter anderem sucht der Haluter Icho Tolot nach neuen technischen Möglichkeiten. Einen Hinweis liefert womöglich DAS HAUS IM METHANMEER …

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 3332

Das Haus im Methanmeer

Das Ziel ist eine Zelldusche – sie finden unerwartete Unterstützung

Hubert Haensel

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Kurs Eastside

2. Eingewöhnung an Bord

3. Patrouille der Gataser

4. Sperrgebiet

5. Kontaktaufnahme

6. Flugziel Trishquom

7. Die konstituierende Versammlung

8. Der Speicherkristall

9. Das Forschungsprojekt

Leseprobe PR NEO 360 – Jacqueline Mayerhofer – In Velas Schatten

Vorwort

1. Die Höllenfahrt der IRONCLAD – Teil 1

2. Das Wüten des Golems

Gespannt darauf, wie es weitergeht?

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von besiedelten Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaftlicher Austausch.

Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Das kleine Raumschiff PHOENIX soll dabei als Kurierschiff dienen.

Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er seinen ältesten Freund töten: Reginald Bull. Um diese Forderung zu unterstreichen, zündet sie das Brennende Nichts auf der Erde und dem Mond – wenn man das Verhängnis nicht stoppen kann, droht beiden Himmelskörpern die Vernichtung.

Während Rhodan in die Agolei reist, bahnen sich in der Milchstraße einige Veränderungen an. Unter anderem sucht der Haluter Icho Tolot nach neuen technischen Möglichkeiten. Einen Hinweis liefert womöglich DAS HAUS IM METHANMEER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Icho Tolot – Der Haluter versucht, nicht nur zwei jungen Terranern zu helfen.

Cameron Rioz – Der Träger der Schattenhand sucht nach einer besonderen Dusche.

Jasper Cole – Der junge Mann zeigt besonderen Ehrgeiz an Bord der HALUTA VII.

Dale Fortune – Der USO-Novize erledigt seinen inoffiziellen Kurierauftrag.

George

1.

Kurs Eastside

Cameron Rioz schlug mit der flachen Hand auf die Schaltfläche der Außenbeobachtung. Er argwöhnte, dass er keine Reaktion erzielen würde, trotzdem wollte er mehr sehen als die wenigen Sonnen, die das Holo zeigte.

Im Hintergrund dröhnte Tolots Stimme. Jasper Cole antwortete hastig. Cameron hörte genauer hin: Nein, Jasper antwortete nicht, er hantierte an den Flugkontrollen und bestürmte den Haluter mit Fragen.

Cameron war das egal; er hatte Tolots Angebot ignoriert, ihn ebenfalls in die Führung des Kugelraumers einzuweisen. Mochten der Haluter und Jasper die Zeit während der Flugetappen auf ihre Weise bewältigen, Cameron selbst hatte andere ...

... Träume?

Albträume, die immer wieder aufbrachen, obwohl er sie bewältigt geglaubt hatte. Aber als Student der Kosmopsychologie wusste er genau, dass es sehr lange dauern konnte, bis die Wunden seiner Seele verheilt sein würden.

Vieles war ihm abverlangt wurden: der Tod seiner Eltern, das abrupte Ende seiner Trividder-Karriere, der Tod seiner Freundin, der Sirenengesang des Brennenden Nichts, die Verfolgung durch Shrell, sein freiwilliger Opfergang, die Schattenhand, die er anfangs nicht beherrschte, und die ihn, als er sie endlich beherrschte, zum Mörder an Aurelia Bima gemacht hatte, das Ränkespiel der Geheimdienste und Wirtschaftsmächte ... dann der Wahnsinn, in dem sich seine Freundin im Inneren des Brennenden Nichts verlor, auflöste und schließlich final starb ... Wie viel musste er ertragen?

Er hatte mehrmals versucht, die Schuld bei anderen zu suchen – bei Shrell, bei Bonnifer, bei Icho Tolot, bei Monkey, bei Wylon Hypertech, bei Reginald Bull ... seine Gedanken zerfaserten. Schuld war, das wusste er eigentlich längst in der Theorie, kein hilfreicher Begriff, um ein konstruktives Leben zu führen. Aber er war so verdammt bequem.

Wieso musste das Leben nur so verdammt unfair sein?

Nein: Auch das war nicht sinnvoll. Das Leben war, und er musste die Möglichkeiten erkennen, die sich ihm boten. Ja, mochte sein, dass er nur zufällig von Bull als Träger der Schattenhand auserkoren worden war. Aber nun musste er damit umgehen: Nur eine Schattenhand und eine bestimmte Menge Vitalenergie – genauer: eine Aufladung durch eine Zelldusche – ermöglichten es, ein Brennendes Nichts zu schließen.

Nur ihm stand diese Möglichkeit gegenwärtig überhaupt offen.

Nach dem Tief, in das ihn sein Mord an Aurelia und die Auflösung aller Bindungen gestürzt hatte, wäre es leicht gewesen, sein Schicksal nun als vorherbestimmt anzusehen. Stattdessen legte Cameron Rioz immer wieder bewusst Pausen ein, in denen er sich selbst Rede und Antwort stand. Das war schmerzvoll, mühsam ... und heilsam.

Er entschied, was er tun würde. Nicht die Schattenhand, nicht Bull, nicht Tolot, nicht eine namenlose Schicksalsmacht. Er selbst.

Gegenwärtig hatte er entschieden, alles daranzusetzen, das durch Shrell begonnene Zerstörungswerk zu beenden. Falls seine Überlebenschancen hoch genug waren. Er würde kein Opfer sein, keine Schachfigur. Er war er selbst, aber seine Verantwortung ging darüber hinaus.

Und um diese Selbstbestimmtheit musste er immer wieder kämpfen. Gegen seine seelischen Schmerzen und gegen alle, die glaubten, ihm sagen zu können, was er zu tun hatte.

Cameron fröstelte bei dem Gedanken daran, wie zornig er anfangs auf Icho Tolot gewesen war – ausgerechnet auf den Haluter, der ihm ebenso vorurteilslos zur Seite stand wie Jasper mit seinem Honiglächeln. Diese beiden respektierten ihn. Und deswegen vertraute er ihnen.

Tolots letztes Flugziel war eine namenlose Welt im Grenzbereich zwischen galaktischer East- und Southside gewesen.

Cameron starrte auf das Holo. Er dachte an Bonnifer.

Ihm hatte er auch vertraut und zu spät erkannt, dass der Wyconder von seinen eigenen Dämonen und Traumata getrieben gewesen war. Hätte er ihn retten können?

Nein, das war die falsche Frage. Retten konnte jeder nur sich selbst.

Dieser Gedanke sollte Hoffnung machen, aber er weckte auch eine tiefe, kreatürliche Angst: Falls er versagte, falls er seine eigenen Dämonen nicht überwinden konnte ...

Nein.

Das würde nicht geschehen. Er würde sich ihnen stellen, wieder und wieder, und er würde sie nicht siegen lassen.

Ich bin der Meister meines Schicksals, wiederholte er ein ziemlich abgedroschenes Mantra, das er in den letzten Wochen für sich neu entdeckt hatte. Ich entscheide, was ich mit meiner Lebenszeit anfange. Und ich übernehme dafür die Verantwortung – zunächst vor mir selbst und dann auch vor allen anderen.

In einem Seitenbereich der Zentrale hockte er in dem für ihn überdimensionierten Sessel. Tolot hatte an dieser Stelle noch keine Größenanpassung vorgenommen. Cam lehnte mit angezogenen Beinen auf einer Seite der Sitzfläche und musste sich weit nach vorn beugen, um die Schaltflächen überhaupt zu erreichen.

Dieses Schiff ist nicht für dich gemacht, raunte es wie ein fernes Echo in seinen Gedanken.

Er kniff die Augen zusammen. Das muss es auch nicht sein. Aber es wird mich nicht einschüchtern.

Camerons Linke fiel um einiges fester als zuvor auf den Sensor.

Es ist alles gut!, mahnte er sich. Die Schattenhand ist ein Werkzeug. Mein Werkzeug. Ich beherrsche sie, nicht sie mich.

Und dann wieder das höhnische Gedankenecho eines Cameron, den er hinter sich zu lassen geglaubt hatte:

Hoffentlich.

*

Hoffentlich.

Hoffnung.

Wirre Erinnerungsfetzen wirbelten durch seine Gedanken: seine ureigenen Gespenster, in einer Endlosschleife immer wieder verschlungen vom Brennenden Nichts:

Aufgelöst.

Zurückgekehrt.

Gestürzt.

Verschlungen.

Aufgelöst.

Cameron atmete tief durch.

Es war geschehen, und er hatte keinen Einfluss darauf gehabt.

Aber nun hatte er ihn.

Er würde ihn nutzen – nicht unüberlegt, zornig, hilflos, panisch, sondern durchdacht und durchfühlt.

Er musste eins werden mit dem Geschehen, mit seinen Möglichkeiten und Grenzen.

Nicht nur das. Ich muss meine Grenzen erweitern. Wachsen.

Er ließ sich in das übergroße Polster zurückfallen und starrte in das Holo vor ihm:

Es zeigte nun endlich das weite Sternenmeer der galaktischen Eastside. Irgendwo dort lag seine Chance.

Icho Tolot suchte für ihn nach einer Zelldusche. In dem Gebiet, das die HALUTA VII anflog, erwartete er wohl, ein Physiotron zu finden. Einzelheiten hatte der Haluter bislang nicht preisgegeben, aber womöglich redete er mit Jasper darüber.

Ich hätte ihm besser zuhören sollen.

Cameron schüttelte den Kopf.

Ich muss auf mich selbst hören. Ich bin nicht einfach nur ein Zuhörer oder Werkzeug.

Ein funktionsfähiges Physiotron würde ihm eine zweite Zelldusche ermöglichen: exakt jene Aufladung mit Vitalenergie, die nötig war, um ein Brennendes Nichts zu löschen und eine Überlebenschance zu haben.

»Warum sollte ich überleben?«, fragte er sich. Um zurückzukehren in ... ein zerfallenes Lebenskonzept? Um als abgehalfterter Retter den Rest seines Daseins einer zweifelhaften Pseudopopularität hinterherzuhecheln?

Nein, es geht nicht ums Überleben. Es geht um mein

»Leben.« Das letzte Wort sprach er laut aus.

»Cam, wovon redest du?« Ein zweifellos freundschaftlich gemeinter Boxhieb Jaspers traf seine Seite »Selbstverständlich wirst du leben. Wir beide werden das. Und mit ein bisschen Glück schaffen wir es sogar, vorher noch unsere Heimat zu retten, Cam!«

»Jasper ...« In Camerons Schläfen rauschte das Blut, die Stimme des Freundes verlor sich im Nichts.

»Cam!« Jaspers Stimme klang plötzlich panisch. »Tolotos! Komm schnell!«

Dass er in sich zusammensackte, nahm Cameron Rioz nur noch kurz wahr.

*

»Probleme, die man hartnäckig ignoriert, verschwinden nur, um geraume Zeit später mit Verstärkung zurückzukehren!«

Die Stimme ist nicht laut, doch sie verschafft sich mühelos Gehör. Die Unruhe im Auditorium ist mit einem Mal wie weggewischt.

Meine Anspannung wächst. Ich bin mir sicher, dass wir beobachtet werden. Und ich gehe davon aus, dass wir alle in diesen Minuten in ein Schema einsortiert werden. Da gibt es Aufmerksame und Träumer, Skeptiker, Macher ...

Wie würde ich mich selbst einschätzen?

Ich denke, ich habe von allem etwas. Auf jeden Fall bin ich sehr flexibel. Weltoffen.

Warum so genügsam? Ich ertappe mich dabei, dass ich mir mit den Fingern die Augenbrauen glatt streiche. Ist das ein leichter Anflug von Unruhe? Das habe ich nicht nötig. Mir wird eines Tages die Milchstraße offenstehen. Weshalb sonst hätte ich mich als Student der Kosmopsychologie an der Universität in Terrania eingeschrieben.

Nur die Milchstraße?

Cameron Theodore Rioz, mahne ich mich leicht amüsiert, du darfst nicht kleinmütig sein. Du weißt, wie viele Galaxien allein im Bereich der Lokalen Gruppe auf dich warten. Für einen eloquenten Kosmopsychologen bedeutet das ein endloses Betätigungsfeld.

Terrania ist dagegen Kleinstadtmief.

Ich darf mich nur nicht unterkriegen lassen.

»Keine Schwäche zeigen, und wenn es noch so schwer sein mag!«, hat Dad mir mitgegeben. Klar, er weiß das: Er ist ja auch mein Vater.

Ich kann mir ein herausforderndes Lächeln nicht verkneifen, verschränke die Arme und lehne mich zurück. Joviale Gelassenheit. So und nicht anders interpretiere ich meine Körpersprache. Die Biopositronik, die mich soeben einstuft, wird das hoffentlich ebenso sehen.

Ich kaue auf meiner Unterlippe, nicke vorsichtshalber zustimmend und versuche meinerseits, den Mann einzuschätzen, der wie aus dem Nichts im Auditorium erschienen ist.

Prof. Dr. Phil Cavendish, verrät das Infoholo, das sich mit leichter zeitlicher Verzögerung an meinem Platz aufbaut.

Cavendish ist Dekan der Medizinischen Fakultät. Hinter der akademischen Viertelstunde, die er auf sich warten ließ, steckt zweifellos Absicht. Psychologie eben. Die Fakultät will unsere Reaktionen kennenlernen.

Illustration: Dominic Beyeler

Ich weiß in dem Moment nicht zu sagen, was ich erwartet habe. Eine Begrüßung? Zweifellos. Eine Vorstellung? Die wird sicher gleich folgen. Aber Cavendishs Äußerung, diese eigenartige Feststellung, hat etwas ... Sie hat sogar sehr viel, denn sie zwingt, darüber nachzudenken.

Die Stille hält an. Man könnte eine Nadel fallen hören.

Unvermittelt redet der Dekan weiter: »Habt ihr Probleme? – Wer mit Nein antworten möchte, unterliegt gefährlichem Selbstbetrug. Denn Probleme sind allgegenwärtig, vor allem kommen sie stets ungelegen.«

Verhaltenes Lachen klingt auf. Die Marsianerin in der Reihe vor mir wendet sich um; sie mustert mich fragend ...

*

Etwas war plötzlich anders.

Cameron Rioz glaubte das zu spüren; ein Gefühl beschlich ihn, als wäre all das weit weg. Irgendwann und irgendwo.

Ein Leben, da es nicht gab.

Er achtete ohnehin kaum auf die Marsianerin, sondern konzentrierte sich auf den Dekan. Linna a Hainu war nicht sein Typ. Er hatte bereits mehrere Kommilitoninnen kennengelernt und sich mit jeder gut unterhalten, Linna hatte dabei am schlechtesten abgeschnitten. Sie war knochig dürr. Zudem glaubte sie, mit ihrem historischen Familiennamen punkten zu müssen – a Hainu, Nachfahre der frühen Marssiedler. Vor allem das missfiel Cam. Ein Mensch sollte mit eigenen Werten überzeugen, keinesfalls einen verschrobenen Ur-ur-ur-Onkel bemühen müssen, um sich in den Vordergrund zu schieben.

Linna beugte sich näher zu ihm. Er ignorierte sie und blickte starr zu Cavendish.

»... es kommt vor allem darauf an, was man aus einem Problem macht.«

Die Stimme des Dekans hatte ein unwiderstehliches Timbre. Cameron empfand es als fordernd und mitreißend zugleich. Jede Geste des Professors ließ zudem befürchten, Wichtiges zu verpassen, falls man sich nicht permanent auf ihn konzentrierte.

»Darf ich nur ein einziges kleines Problem ignorieren? Zumal, wenn der Zeitpunkt denkbar ungünstig ist, mich damit zu befassen? Oder wenn es gerade um nichts in der Welt lösbar scheint?«

Cavendish streckte die Arme aus, mit den nach oben gedrehten Handflächen eine auffordernde Geste. »Ich sehe ratlose Gesichter. Ausgerechnet bei künftigen Kosmopsychologen? Dabei will ich eure Meinungen hören, heute und erst recht in den kommenden Jahren, in denen wir einige Zeit gemeinsam verbringen werden. Atemloses Schweigen verrät mir nichts über euch. Schlimmstenfalls, dass ihr euch in der Wahl des Studienplatzes vergriffen habt.

Es ist unerlässlich, selbst mit dem kleinsten Problem souverän umzugehen. Vergesst nicht: Ihr werdet keineswegs immer mit euresgleichen arbeiten, ebenso wenig in einem vertrauten Umfeld. Kosmopsychologie – die Betonung sollte unmissverständlich sein – wird euch sehr oft mit völlig anderen Fragen konfrontieren als ihr gemeinhin von der Humanpsychologie erwartet.

Wer das unterschätzt, hat hier und jetzt Gelegenheit, aufzustehen und zu gehen. Ach ja, ehe ich es vergesse ...« Ein vieldeutiges Lächeln umspielte Cavendishs Mundwinkel. »Glaubt nicht unreflektiert das Vordergründige! Ich will niemanden zu Zweifeln anregen, sehr wohl aber dazu, die Dinge zu hinterfragen. Je weiter wir Menschen in den Kosmos vordringen: Die Wahrheit liegt nicht selten dort, wo wir sie am wenigsten vermuten.«

Prof. Dr. Phil Cavendish fasste sich an die Schläfen. Doch schon zog er die Hände wieder zurück und hielt sein modisch mit Fluoreszenzfäden durchwirktes Haar zwischen den Fingern. Grell farbiges Gefieder kam darunter zum Vorschein. Zwei faustgroße gelbe Augen, von wulstigen Nickhäuten überwölbt, standen weit auseinander. Zwischen ihnen reckte sich ein kantiger Schnabel.

Jemand lachte. »Eine billige holografische Spielerei! Sollen wir uns davon beeinflussen lassen?«

»Das hat wenig mit Psychologie zu tun!«, rief Linna a Hainu. »Jedes technische Gimmick kann mit entsprechender Ausrüstung durchschaut werden. Der Liga stehen perfekte Hilfsmittel zur Verfügung.«

Mehrstimmiges Lachen folgte.

»Mit viel gutgläubigem Optimismus könnte man das annehmen.« Cavendish ließ den Blick durchs Auditorium schweifen ...

... und veränderte sein Äußeres weiter.

Alle trampelten mit den Füßen oder klopften mit den Fäusten auf ihre Sensorpulte. Cameron Rioz klopfte ebenfalls.

Offenbar hatte der Dekan wirklich mit einem Holo gearbeitet. Sein Konterfei löste sich jedenfalls in flackernden Schlieren auf. Danach stand im Rund des Auditoriums kein ornithoides Wesen mehr, sondern ...

... ein gläserner Mensch!

Durchschaubar, war das Erste, was Cameron dazu einfiel, das ihm in dem Zusammenhang sinnvoll erschien.

Ruhe heischend, hob die Gestalt beide Arme.

Das war Cavendish, kein Zweifel. Nur war alles an ihm transparent, und jede Bewegung zeigte das Spiel seiner Muskeln deutlich. Muskeln, Sehnen und Knochen wirkten wie aus spiegelndem Metall gearbeitet.

»Bei allen Staubgeistern des alten Mars, ein Roboter!«, trumpfte Linna auf.

Widerspruch kam von mehreren Seiten. Andere Studenten sahen aus ihrer Perspektive Organe zwischen den technischen Bauteilen. Da war ein Herz, das gleichmäßig schlug und Flüssigkeit durch ein verzweigtes Adernnetz pumpte.

»Ihr seid euch nicht einig«, stellte Cavendish sachlich fest. »Weil jeder etwas anderes sieht oder zu sehen glaubt.«

»Wird uns das als Problem verkauft?«, erklang es von der gegenüberliegenden Seite des Saales. »Läuft die Show darauf hinaus?«

»Keine Show, sondern ein Test«, berichtigte a Hainu.

»Beides nicht«, sagte der Gläserne. »Lediglich ein dezentes Einführungsbeispiel, das zum Nachdenken anregen soll.«

»Dass wir alle – jeder von uns – zu sehr auf die gewohnte Wahrnehmung vertrauen?« Linna a Hainu sprang auf. Mit beiden Händen stützte sie sich auf ihrem Sensorpult ab. »Und dass wir uns damit nur Probleme schaffen?«

»Wenn du eingefahrene Denkschemata so bezeichnen willst, ja. Es geht um einen fundamentalen Baustein der Kosmopsychologie überhaupt. Wir Humanoide lassen uns von unbewussten Prägungen leiten, von epigenetischen und frühkindlichen Erfahrungen. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir sind voreingenommen und vertrauen zunächst nur unseren Erfahrungen. Weil sie eine verlässliche Basis bieten. So scheint es jedenfalls. Das ist, laienhaft gesagt, unser angeborener Schutzmechanismus.«

Die gläserne Gestalt ging auf die vordere Reihe der Studenten zu ...

... und verschwand.

Von Erfahrungen hatte Cavendish gesprochen. Cameron zuckte mit den Achseln. Erfahrungen einzusetzen, hielt er ohnehin für trügerisch. Er vertraute weit mehr seinem Instinkt und traf Entscheidungen aus dem Bauch heraus.

Obwohl die meisten Kommilitonen unverändert dorthin schauten, wo der Gläserne zu sehen gewesen war – als müsste Cavendish genau da wieder sichtbar werden –, hob Cam den Blick zur umlaufenden oberen Galerie.

Das Unerwartete denken ... Als Grundlage der Kosmopsychologie klang das für ihn plausibel.

Der Professor stand tatsächlich auf der Galerie, möglicherweise von Anfang an. Keiner hatte ihn dort bemerkt, weil alle von der Projektion abgelenkt worden waren. Der Rest war technische Taschenspielerei.

Cameron wollte die Kommilitonen aufmerksam machen, doch eine jähe Hitzewelle durchflutete ihn. Schweiß brach ihm aus allen Poren, er bekam kaum mehr Luft, rang keuchend nach Atem.

*

Jemand umfasste sein Kinn mit hartem Griff. Es war nicht Linna a Hainu, die ihn zwang aufzusehen, sondern Jasper Cole. Und hinter dem Freund ragte die massige Gestalt des Haluters auf.

Ein Schlag traf sein Gesicht. Gleich darauf auch die andere Wange.

»Cam, komm zu dir!«, herrschte Jasper Cole ihn an. »Was immer dir durch den Kopf gehen mag, lass es hinter dir. Du bist an Bord der HALUTA – bei deinen Freunden.«

»Ich ... bin einfach umgekippt?« Cameron blähte die eingefallenen Wangen. »War ich länger weggetreten?«

Jasper machte sich Sorgen, das war ihm anzusehen.

»So was passiert schon mal. Überleg nur, was du alles hinter dir hast, Cam! Dein Akku ist im wahrsten Sinn ausgebrannt und lädt eben nicht binnen weniger Tage neu auf.«

»Geht schon wieder«, behauptete Cameron. »Ein kleiner Schwächeanfall. Kein Wunder, mir hängt der Magen sonst wo. Also, lass endlich hören: Wie lange war ich weggetreten? Fünf Minuten, zehn?«

»Eineinhalb Tage.« Jasper klang besorgt. »Aber was soll ich sagen: Unkraut vergeht nicht.«

Cameron runzelte die Stirn.

»Der Ausspruch stammt von dir selbst, aus deiner Fiktiv-Reportage Menschheit ohne ES«, fügte Jasper Cole hastig hinzu. »Schon vergessen?«

»Meine kosmopolitische Glosse.« Cam versuchte ein Grinsen, doch es misslang ihm. »Egal was ich damals gesagt habe, ich verwünsche längst einen anderen Tag. Hätten Lyta und ich nicht über den Jungfernflug des PHOENIX berichtet ...«

»Das ist Vergangenheit. Entsetzlich, ja, aber trotzdem Vergangenheit. Du stehst jedoch vor der Zukunft.«

»Ach? Ich habe eher den Eindruck, dass ich liege und die Zukunft über mich hinwegbrettert. Passt ja irgendwie, offiziell gelte ich schließlich als tot.« Cameron spreizte die Finger der rechten Hand. »Verfluchte Schattenhand!«

Jasper schluckte, dann tropfte sein Honiglächeln zurück auf seine Züge. »Komm schon! Sie ist ein Geschenk – keins, das du gewollt hast, aber eins, das Bull dir zugetraut hat. Und ein Reginald Bull täuscht sich nicht.«

Cameron verzog die Mundwinkel. »Hörst du dir eigentlich selbst manchmal zu?«

»Wozu? Ich weiß ja, was ich sage.« Jasper Cole hielt ihm die Hand entgegen. »Und jetzt komm!«

»Wer dich zum Freund hat .... Also schön. Worauf wartest du? Zieh schon!« Cameron griff mit der Linken nach der hilfreich ausgestreckten Hand.

2.

Eingewöhnung an Bord

»Unkraut vergeht nicht ...«, sinnierte Cameron Rioz, während er einen der vor ihm liegenden Konzentratriegel auspackte. »Du hast das vorhin ernst gemeint, Jasper? Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, was du andeuten wolltest. Bin ich Unkraut für dich?«

Er vermied es, den Freund anzusehen. Jasper Cole hatte ihn in sein Quartier begleitet und saß ihm nun am Tisch gegenüber. Die Schwebeplatte zwischen ihnen sorgte für eine gewisse Distanz.

»Ob du .,..?« Jasper starrte ihn entsetzt an. »Wie kommst du darauf?«

Cameron schlug die Augen nieder. »Ich habe so furchtbare Dinge getan oder zumindest zugelassen ... Wie solltest du mir das vergeben können?«

»Krieg jetzt keinen Moralischen! Du weißt schließlich, dass du gerade absoluten Unsinn redest?«

Cameron ließ sich gegen die Rückenlehne seines Stuhls fallen. »Gib dir keine Mühe, Jazz. Ich bin und bleibe ein Monster. Ein Mörder.«

»Ja, klar, wenn dir das weiterhilft, sieh dich nur so. Aber ich verrate dir was: Das war ein Teil von dir, aber das bist nicht du, Cam! Und weder Icho noch ich sehen dich so. Ich hatte nie viel mit Psychologie am Hut, trotzdem ist mir klar, dass du dich gerade in Selbstmitleid vergräbst.«

Cameron hob die Schultern – und ließ sie wieder sinken. Er setzte zu einer Erwiderung an, schob sich dann aber nur den Rest des Konzentratriegels in den Mund und kaute darauf herum.

»Du hast immer nur helfen wollen. Und schlussendlich hast du das Brennende Nichts in Terrania unter Einsatz deines eigenen Lebens gelöscht«, erinnerte Jasper. »Vergiss das nicht! Macht so was ein Monster?«

Cameron blickte starr vor sich hin. »Seitdem ist mir, als hätte mich eine startende Space-Jet gerammt. Ich frage mich, ob ich das ein zweites Mal überhaupt durchstehen kann.«

»Interessante Frage. Aber die stellt sich momentan nicht. Ruh dich aus! Und verlass dich auf uns. Du triffst die Entscheidung, und als deine Freunde stehen wir dir zur Seite.«

Cameron spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Hatte er diese Freundlichkeit denn überhaupt verdient? Brüsk wandte er den Kopf ab. »Lass mich allein!«

»Ich will dir helfen, Cam. Wir müssen reden, sonst ...«

»Geh einfach, Jazz! Bitte. Ohne weiteren Kommentar.«

*

Jasper Cole hatte nicht widersprochen. Ebenso wenig versucht, ihn umzustimmen, zu beeinflussen. Was auch immer.

Cameron Rioz saß nachdenklich da, beide Ellenbogen auf der Tischplatte abgestützt, und starrte auf das Türschott, das sich hinter Jasper geschlossen hatte. Er fühlte sich elender, als er jemals zugegeben hätte.

Auch ohne die Augen zu schließen, sah er Lyta vor sich. Er hörte ihr Lachen, spürte ihre Nähe. Vor allem glaubte er, ihr Parfüm zu riechen – Stardust Nr. 5 –, das sie stets kombinierte mit einem Hauch venusischer ... Er wusste nicht, mit was. Ein pflanzliches Aroma, mehr hatte Lyta ihm nie verraten.

Hörte er tatsächlich Schritte? Sie kamen näher, verharrten draußen auf dem Korridor.

Ich habe noch keinen Namen für meine Duftkomposition, Cam, aber Vorschläge. Was gefällt dir am besten? Paradies der Sterne. Friedvolle Zeit. Geborgenheit. Da war Lytas Flüstern wieder.

Es weckte diesmal wohlige Erinnerungen an den Abend im GOOD OLD STARDUST. Auf einer Wolkeninsel des Hotels, zwei Kilometer hoch über dem gleißenden Juwel des nächtlichen Terrania. Nicht billig, aber das Highlight für Lytas Geburtstag und sein Geschenk. Ringsum spannte sich das gigantische Lichtermeer von Horizont zu Horizont. Darin eingebettet die Raumhäfen der Metropole. In Minutenabständen landende und startende Raumschiffe ...

Sie sind wie Sternschnuppen. Ihr Flüstern klang verheißungsvoll. Heißt es nicht, man darf sich bei ihrem Anblick etwas wünschen?

Bei realen Sternschnuppen, Lyta. Aber das sind nur Kugelraumer. Der letzte fallende Stern eben könnte sogar ein Frachtdiskus der Jülziish gewesen sein.

Lytas Lachen verwehte im lauen Nachtwind. Als hätte NATHAN es mit der Wetterkontrolle kurz vor Mitternacht besonders gut gemeint.

Ich will mir etwas wünschen, Cam, also sind es Sternschnuppen. Wo bleibt dein Sinn für Romantik? Als Trividder zeigst du dich phantasievoller.