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Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den anderen Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaftlicher Austausch. Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Der PHOENIX steht als neuartiges Raumschiff zur Verfügung und soll als Kurierschiff dienen. Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er Reginald Bull töten, seinen ältesten Freund. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft sie das Brennende Nichts – diese Anomalie wird die Erde und den Mond vernichten, falls Rhodan ihr nicht gehorcht. Während Perry Rhodan mit dem PHOENIX in der Agolei nach einer Hilfe für die Erde sucht, entwickelt sich in der Milchstraße ein Macht- und Intrigenspiel. Ein junger Mann wird offenbar zur entscheidenden »Waffe«. Ein Hinweis lockt ihn nun zum PHYSIOTRON DES TODES ...
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Seitenzahl: 168
Veröffentlichungsjahr: 2025
Nr. 3342
Physiotron des Todes
Eine Falle für einen Terraner – die Unsterblichkeit lockt
Uwe Anton
Heinrich Bauer Verlag KG, Hamburg
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: In der Forschungsstation
1. Ein neues Versteck
2. In der Forschungsstation
3. HALUTA VII
4. In der Forschungsstation
5. HALUTA VII
6. In der Forschungsstation
7. Koppnersystem
8. In der Forschungsstation
9. HALUTA VII
10. In der Forschungsstation
Epilog: In der Forschungsstation
Journal
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den anderen Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaftlicher Austausch.
Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Der PHOENIX steht als neuartiges Raumschiff zur Verfügung und soll als Kurierschiff dienen.
Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er Reginald Bull töten, seinen ältesten Freund. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft sie das Brennende Nichts – diese Anomalie wird die Erde und den Mond vernichten, falls Rhodan ihr nicht gehorcht.
Während Perry Rhodan mit dem PHOENIX in der Agolei nach einer Hilfe für die Erde sucht, entwickelt sich in der Milchstraße ein Macht- und Intrigenspiel.
Ein junger Mann wird offenbar zur entscheidenden »Waffe«.
Ein Hinweis lockt ihn nun zum PHYSIOTRON DES TODES ...
Celina Bogarde – Die ehemalige Sicherheitschefin von Wylon Hypertech hat immer einen Plan.
Andrew Gee – Der Wissenschaftler will mehr, als der Verstand eines Menschen bisher leisten konnte.
Cameron Rioz – Der Träger einer Schattenhand geht auf volles Risiko.
Icho Tolot – Der Haluter ist eine wichtige Stütze.
Prolog
In der Forschungsstation
2244 NGZ
Verzagt biss Ellen Gee sich auf die Unterlippe. Andrew liebt mich, dachte sie nervös. Er ist mein Ehemann. Er würde nie etwas tun, das mir schadet. Ich vertraue ihm.
Warum wurde sie dann diesen nagenden Zweifel nicht los, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war? Ein Gefühl, das einfach nicht weichen wollte, beharrlich dicht unter der Oberfläche ausharrte und nur darauf zu warten schien, hinaufzupreschen und sie mit sich zu reißen, an einen dunklen Ort, von dem es keine Rückkehr gab.
Nun ja, wir hatten unsere Probleme ... Während ihr Unbehagen unaufhaltsam größer wurde, sah sie sich um. Fast widerwillig, sie wusste genau, wo sie sich befand.
In einem Raum im Inneren der Station. In einem Raum mit vielen Maschinen, deren Funktion sie nicht verstand. Sie säumten die Wände, da grobe Klötze, die wie aus Stein gemeißelt wirkten, dort filigrane Gebilde, die dem Albtraum eines wahnsinnigen Bildhauers entsprungen zu sein schienen.
Aber waren diese Probleme ein Grund, ihr Übles zu wollen? Ihr vielleicht sogar etwas anzutun?
Lächerlich!, dachte sie. Meine Phantasie geht mit mir durch. Andrew würde mir nie bewusst Schaden zufügen ...
Oder doch?
Ellen versuchte, diese leise Stimme wegzuschieben. Ich sollte mich in medizinische Behandlung begeben!
Aber er hatte seine Geheimnisse. Und er hatte sich in jüngster Zeit wirklich seltsam benommen, anders konnte man es nicht ausdrücken. Bislang hatte Ellen das auf seine Arbeit zurückgeführt.
Die zu den Geheimnissen zählte. Sie wusste nicht genau, woran ihr Mann arbeitete, und zwar mit einer Intensität, die von außen betrachtet schon an Besessenheit grenzte. Seine Arbeit war extrem geheim. Er war ein hohes Tier bei Wylon Hypertech, einer der führenden Wissenschaftler des Konzerns.
Doch einmal hatte er sich vergessen, unabsichtlich eine Bemerkung fallen gelassen. Mit ihm, hatte er gesagt, stünde oder fiele dieses Projekt.
Mehr nicht. Und er hatte versucht, diesen Fauxpas mit einem Schulterzucken abzutun, ihn zu überspielen, als bedeutungslos darzustellen. Ellen hatte damals nicht großartig darüber nachgedacht, den Vorfall als unwichtig eingestuft. Gockelgehabe eben.
Wieso stieg die Erinnerung daran ausgerechnet in diesen Momenten wieder in ihr empor?
Aber der Zweifel blieb, wurde sogar noch größer.
Andererseits ... Andrew hätte sie nie gebeten, an diesem Experiment teilzunehmen, wenn es nicht sicher wäre. Schließlich liebte er sie, genau wie sie ihn.
Oder?
Die letzten Monate, in denen Andrew einzig und allein an seine Arbeit zu denken schien, sprachen eigentlich nicht dafür. Er ignorierte sie die meiste Zeit, schien ihr auszuweichen, ihre Gegenwart zu meiden. Sie hatte das bislang achselzuckend abgetan, tröstete sich mit dem Gedanken, dass seine Arbeit eben sehr anspruchsvoll und fordernd war.
Erneut sah sie sich um. Sie war allein in dem Raum mit den vielen Maschinen, deren Funktion sie nicht verstand. Was genau ging an diesem Ort wohl vor? Andrew hatte versprochen, dass er bald kommen und es ihr erklären würde.
Sie schluckte heftig, versuchte, ihr Unbehagen zu unterdrücken.
Aber es ließ sich nicht vertreiben.
Um sie arbeiteten die Maschinen, surrten Energieerzeuger, brummten gewaltige Aggregate.
Ich bin doch kein kleines Dummchen, dachte sie. Also sollte ich aufhören, mich wie eins zu benehmen. Doch so sehr sie sich bemühte, die Situation machte ihr Angst.
Warum hatte Andrew sie allein gelassen?
Ein Geräusch schreckte sie auf, ein lautes Poltern und Knirschen, wie von Metall gegen Metall. Endlich kam jemand!
Aber es war nicht Andrew. Es war nur ein Roboter.
Die Station verfügte über eine Reihe Servos, Medo- und Sicherheitsroboter zur Verteidigung, Sicherung und Unterstützung bei Unfällen. Sie mochte sie nicht, nicht einmal die Medos. Sie kamen ihr kalt vor, unbeteiligt, nur auf ihren Zweck bedacht.
Wie Andrew in letzter Zeit ...
Der Roboter hatte das Geräusch wahrscheinlich absichtlich erzeugt, um sie nicht zu erschrecken.
Wie rücksichtsvoll von ihm!, dachte sie sarkastisch. Aber dann kam ihr in den Sinn, dass es tatsächlich rücksichtsvoll von ihm gewesen sein dürfte.
Es handelte sich um einen typischen Servo, einen pyramidenförmigen Blechkumpel von etwa einem Meter Höhe. Zielsicher schwebte er auf sie zu.
»Andrew Gee schickt mich«, sagte er mit wohlmodulierter Stimme. »Er wird so bald wie möglich selbst kommen. Du musst dir keine Sorgen machen. Das Experiment kann beginnen.«
Was hat das zu bedeuten? Warum verspätet Andrew sich? Er hat doch immer wieder betont, wie wichtig dieses Experiment ist!
Trotz ihres Unbehagens wagte sie, eine Frage an den Servo zu richten. »Was genau wird nun passieren?«
»Darüber liegen mir keine Informationen vor«, antwortete der Roboter sachlich.
»Aber ...« Ellen verstummte, dachte kurz nach. »Was ist das Ziel des Experiments?«
Darüber konnte der Roboter Auskunft geben. »Unsterblichkeit natürlich«, sagte er ohne Umschweife. »Was denn sonst?«
1.
Ein neues Versteck
20. November 2250 NGZ
Verdrossen rief Celina Bogarde ein Holo auf und betrachtete es eingehend. Es zeigte die unmittelbare Umgebung ihres neuen Verstecks, in das sie sich zurückgezogen hatte, eine weitläufige Sumpflandschaft.
»Erfassungsbereich erweitern!«, befahl sie, »und nach Lebenszeichen untersuchen.«
»Es sind zu viele Lebenszeichen vorhanden«, meldete die Positronik, »als dass sie aufgeführt werden könnten.«
»Nach nicht einheimischen Lebenszeichen untersuchen!«, korrigierte sich Bogarde.
»Keine nicht einheimischen Lebenszeichen entdeckt.«
Sie nickte zufrieden. Sie hatte nichts anderes erwartet, wollte sich nach dem Fiasko mit ihrem vorherigen Versteck jedoch vergewissern.
Wobei ... Fiasko war vielleicht ein zu starker Begriff.
Aber es war wirklich nicht besonders gut gelaufen. Ihr Safe House, ein kleines GALCOM-Relais, war aufgeflogen. Sie hatte sich in dieses Geheimversteck zurückgezogen, wobei sie in ihrer Zeit als Wylon-Sicherheitschefin für genau solch eine Situation überall in der Milchstraße mehrere angelegt hatte: Nachdem ihre Geheimidentität als die Killerin Cassandra aufgedeckt worden war, war sie bei ihrem Boss in Ungnade gefallen und auf die Fahndungsliste der galaktischen Geheimdienste geraten. Sie hatte untertauchen müssen. Sie war die Person, die die Positionen sämtlicher Schutzverstecke kannte. Nicht einmal John Wylon hatte sie sie verraten.
So weit ging ihre Hingabe dann doch nicht, da war ihr Sicherheitsbedürfnis größer gewesen.
Genutzt hatte es ihr allerdings nicht viel. Daher auch ihre gewaltige Frustration.
Aber nach einigen Sekunden hellte ihre Miene sich etwas auf.
Eine Sache tröstete sie über den herben Rückschlag hinweg. Sie hatte einen atemberaubenden Hinweis erhalten, der geradezu einen elektrischen Funkenregen über sie zu versprühen schien, wenn sie daran dachte. Sie konnte es kaum fassen, aber ...
Cameron Rioz lebte noch!
Cassandra hatte ihn mit absoluter Sicherheit für tot gehalten, aber diese überraschende Wendung eröffnete ihr völlig neue Möglichkeiten. Sie hatte nicht lange überlegen müssen und umgehend einen Entschluss gefasst.
Sie würde – nein, sie musste – versuchen, Cameron in ihre Gewalt zu bekommen, um endlich in den Besitz seiner Schattenhand zu gelangen. Endlich. Sie hatte es schon einige Male zuvor versucht. Doch diesmal trieb sie etwas anderes dazu.
Sie hatte John Wylons Zorn auf sich gezogen, als es ihr nicht gelungen war, in seinem Auftrag Cameron in ihre Gewalt zu bekommen und sie anschließend eigenmächtig einen neuen Versuch unternommen hatte. Er hatte sie eiskalt fallen gelassen.
Aber als ehemalige TLD-Agentin hatte sie damit längst nicht ausgespielt ...
Wenn sie John Wylon diese Hand anbieten könnte, würde er sie wieder aufnehmen. Die Schattenhand würde ihr Zugang zu ihm bringen.
Sie konnte ihm damit einen ungeheuren Dienst erweisen! Und sie war völlig überzeugt davon, dass es sich bei dem Firmengründer von Wylon Hypertech um eine extrem wichtige Person handelte. Sie gab ihm den richtigen Weg vor, damit er sie in ihren Zielen unterstützte.
Es gab lediglich ein klitzekleines Problem, für das sie bislang keine Lösung gefunden hatte: Wie sollte sie an Cameron herankommen? Sie hatte sich darüber den Kopf zerbrochen, aber es war alles andere als einfach. Für die Öffentlichkeit galt er nach wie vor als tot. Und er war eine extrem wichtige Figur im aktuellen Spiel, denn nur er war – dank der Schattenhand – dazu in der Lage, die beiden anderen Anomalien im Solsystem zu löschen, also das Brennende Nichts in Neu-Atlantis und das auf Luna. Vermutlich wurde daran mit Hochdruck gearbeitet.
Und vermutlich scheiterte die Löschung der Anomalien bislang an einer einfachen Tatsache. Offenbar war Cameron auf eine Zelldusche angewiesen, um ein weiteres Brennendes Nichts zu löschen. Warum sonst hätte Cameron Rioz gemeinsam mit Jasper Cole und Icho Tolot versuchen sollen, Zugriff auf ein Physiotron zu erhalten? Was ihm natürlich nicht gelingen konnte, weil solche Geräte rar gesät und das entsprechende Wylon-Projekt auf Tertia III gescheitert war.
Illustration: Dominic Beyeler
Rioz und Tolot würden zweifellos weiterhin versuchen, eine Quelle von Vitalenergie aufzutun. Und wahrscheinlich auch Jasper Cole, der Sohn von Flint Cole, dem ebenfalls geschassten Vizepräsidenten von Wylon Hypertech.
Aber das war alles andere als einfach. Mehr noch: Es war schlicht und einfach unmöglich. Die Zelldusche basierte auf einer Technologie, die nur ES zur Verfügung hatte stellen können. Und ES stand nicht zur Verfügung. Vermutlich hatten sie deswegen das Wylon-Projekt auf Tertia III als ihre einzige Chance angesehen.
Bogarde lächelte schwach. Sie hatte noch einen Trumpf in der Hinterhand, denn die beiden wussten nicht, was sie wusste. Als ehemalige Sicherheitschefin von Wylon Hypertech waren ihr eine Menge der Öffentlichkeit nicht zugängliche Interna bekannt. Darunter auch der Umstand, dass Tertia III zwar ein Fehlschlag gewesen war, aber dass die Firma das Projekt Methusalem danach keineswegs zu den Akten gelegt hatte.
Ihr Lächeln wurde breiter. Allmählich entwickelte sie so etwas wie einen Plan, der ihr immer besser gefiel, je länger sie daran arbeitete.
Sie würde eine Funknachricht senden. Einen Köder auslegen, dem Cameron Rioz nicht widerstehen konnte. Sie würde ihm Vitalenergie anbieten. Und dann, schon bald, würde sie die Schattenhand im Triumph John Wylon überreichen, und er würde Celina Bogarde wieder huldvoll aufnehmen!
2.
In der Forschungsstation
2244 NGZ
»Verflucht!«, stieß Andrew Gee hervor.
Er beobachtete, wie der ertrusische Klammeraffe hinter der Glassitscheibe ein klagendes Seufzen ausstieß und den Kletterbaum losließ, an dem er sich hochzuziehen versucht hatte. Das gut einen Meter große Tier sackte auf den Boden, machte ein paar unsichere Schritte, geriet ins Torkeln und ließ sich auf alle viere fallen.
Doch das half ihm nicht mehr. Es kam auf diese Weise zwar noch ein paar Meter voran, torkelte jedoch nur noch stärker und brach schließlich zusammen.
Mit letzter Kraft rollte der Klammeraffe sich auf den Rücken und schaute zu Gee hoch. Er richtete die Augen in dem beinahe menschlich wirkenden, aber mit schneeweißem Fell besetzten Gesicht auf den Hypertechniker und warf ihm einen fast vorwurfsvollen Blick zu, als wolle er sagen: Du hast mir das angetan! Du bist schuld, dass ich jetzt sterben muss!
Die Augen des Tiers blieben geöffnet, auch als es längst nicht mehr atmete.
»Das verstehe ich nicht!«, murmelte Andrew Gee.
Müsste das Tier nicht eine unglaubliche innere Energie und Kraft spüren, wenn es mit Vitalenergie – also purem Leben – gesättigt wurde? Müsste die Prozedur nicht so eine Art Jungbrunnen für es sein?
Eigentlich mochte er die Klammeraffen. Sie eigneten sich besonders gut als Versuchstiere, da sie über eine hohe Widerstandsfähigkeit verfügten. Die war allen ertrusischen Lebensformen zu eigen. Nichts anderes war zu erwarten von Geschöpfen, die eine Extremwelt mit der dreißigfachen Oberfläche der Erde hervorgebracht hatte, der auch nach Jahrtausenden der Besiedlung mühsam weiteres nutzbares Gebiet abgerungen werden musste. Ihre Atmosphäre bestand aus einem im Vergleich zur Erde achtfach dichteren Stickstoff-Sauerstoff-Argon-Kohlendioxidgemisch, und es gab auf Ertrus sogar Zonen mit rasch wechselnden Schwerkraftverhältnissen.
Im Zusammenhang mit Ertrus konnte man durchaus von einer Höllenwelt sprechen.
Die Klammeraffen waren ursprünglich auf dem großen Äquatorialkontinent Baedhro beheimatet, auf dem auch die Hauptstadt Baretus lag. Sie waren für ertrusische Verhältnisse eine extrem kleine und wendige Lebensform. Flora und Fauna des Planeten waren von der hohen Schwerkraft geprägt und hatten in der Regel besonders große Spezies hervorgebracht, darunter die Kratzdistel mit einer Höhe von fünf Metern und das Laubmoos, das ebenfalls fünf Meter durchmessende Kissen formte. Verholzte Flora wurde auf Ertrus wegen ihrer charakteristischen, gedrungenen Form als Kriechbäume bezeichnet. Deren knorrige Äste wurden tief zum Boden hinuntergezogen, und in und auf ihnen tummelten sich die Klammeraffen.
Von der Größe her konnten sie es nicht mit dem vier Meter großen und vier Tonnen schweren Ertrusischen Bär aufnehmen, nicht einmal mit der zwei Meter langen Riesenspitzmaus oder dem Hundertfüßler. Ihre Spezies hatte sich behauptet, weil sie so klein und wendig war – und über diese hohe Widerstandsfähigkeit verfügte.
Eins mochte Andrew Gee am Ertrusischen Klammeraffen allerdings überhaupt nicht – dieses menschlich wirkende, ausdrucksvolle Gesicht mit Augen, die so vorwurfsvoll blicken konnten.
Doch er ließ sich das Ende des Versuchstiers keinesfalls nahegehen. »Bordrechner!«, befahl er ungerührt, »entnimm den Kadaver dem Gehege und starte eine Sektion!«
»Verstanden«, bestätigte die Positronik der Raumstation im All in der Nähe des Koppnersystems. »Anweisung wird umgehend ausgeführt.«
Gee schnaubte höhnisch. Er wusste schon im Voraus, was die Untersuchung ergeben würde. Plötzlich einsetzender explosiver Zellverfall. Damit wurde die rapide Überalterung von Körperzellen bezeichnet, die innerhalb kurzer Zeit zum Tod führte.
Aber es gab Unterschiede zu dem Prozess, wie man ihn von Zellgeduschten und Zellaktivatorträgern kannte, denen die lebensverlängernde Aufladung verweigert wurde. Nach einer gewissen Toleranzfrist setzte auch bei ihnen der explosive Zellverfall ein.
Das Versuchstier war blitzschnell und wahrscheinlich unter Qualen verendet.
In den dokumentierten Fällen der Milchstraße begann die ehemals unsterbliche Person nach spätestens 62 Stunden schnell zu altern. Sie fühlte sich immer schlechter und älter, und ihre körperliche Leistungsfähigkeit ließ rapide nach. Die Körperzellen verloren ihre Integrität. Die Haut wurde faltig und transparent, und die Haare ergrauten.
Schließlich glich die Person einer Mumie. Mit Eintritt des Todes zerfiel sie zu einem Häufchen Asche. Die Dauer des finalen Zerfalls hing dabei von der bisherigen Lebensdauer ab. Je länger die Person dem natürlichen Lebensende zuvor entronnen war, desto rascher zerfiel der Körper.
Bei den Versuchstieren lag der Fall jedoch etwas anders. Nach der Flutung mit Vitalenergie in Gees Physiotron setzte der Verfall der Körperzellen sofort ein und nicht erst nach 62 Stunden. Dabei waren, wie die Sektionen ergeben hatten, hauptsächlich die Innenorgane betroffen, in erster Linie Herz, Lungen und Nieren. Die Versuchsobjekte starben binnen weniger Minuten.
Gee wandte sich zum Ausgang des Trakts, der sich im weiter innen liegenden Bereich der Station befand und sich in Labors und Wohnbereiche mit der jeweils benötigten Infrastruktur aufteilte. Dort waren auch die Klonlabore untergebracht, die einen schier endlosen Strom an Klammeraffen für seine Versuche erzeugten. Echte, von Ertrus importierte Tiere gab es vor Ort nur wenige, dafür war die Station einfach zu klein.
Die Ertruser wären wohl Sturm gelaufen, hätten sie gewusst, was Wylon Hypertech mit einer auf ihrer Welt einheimischen Spezies anstellte. Und wer wollte sich schon mit diesen Umweltangepassten anlegen?
Vor ihm öffnete sich geräuschlos das Schott, und er trat durch die Öffnung. Während das Schott sich wieder schloss, zog er den weißen Kittel aus, den er trug.
Er würde die Nachbesprechung des Versuchs mit seinen Mitarbeitern erst für die nächste Schicht einplanen. Zum einen stand ihm im Augenblick nicht der Sinn danach – ein Fehlschlag nach dem anderen! –, zum anderen musste er sich seelisch auf das vorbereiten, was ihn zu Hause erwartete. Das Verhältnis zu seiner Frau war in letzter Zeit sehr angespannt.
Wie konnte es auch anders sein? Er konnte kaum ein Wort mit ihr wechseln und schon gar nicht über seine Arbeit sprechen.
Gee stand einem Geheimprojekt vor – der Fortführung des Forschungsprojekts Methusalem. Die Arbeiten auf Tertia III waren in einer Sackgasse verlaufen; das Projekt war eingestellt worden. Diesen Anschein hatte es zumindest für nahezu alle gehabt, die daran beteiligt gewesen waren. Nicht jedoch für eine Handvoll Auserwählte und einige wenige Mitarbeiter, von denen die Mehrzahl neu eingestellt worden war. Sie waren die Einzigen, die außerhalb der Konzernspitze wussten, dass diese Forschungen weitergingen. Es war das wohl geheimste Projekt von Wylon Hypertech ...
Zumindest vermutete Andrew das. Er traute John Wylon durchaus zu, dass er weitere Unternehmungen initiiert hatte, die ebenso geheim – aber ihm und seinem Team unbekannt – waren.
Die Zahl meiner Kollegen und Mitarbeiter ist in der Tat sehr überschaubar, dachte Gee, während er durch die Gänge der Wylon-Forschungsstation schlenderte. Insgesamt lediglich etwa ein Dutzend Personen führten die Forschungen fort. Es gab mehrere Abteilungen, die völlig unterschiedliche Ansätze und Teilbereiche des Projekts bearbeiteten, wobei etwa die Hälfte sich gar nicht mit dem eigentlichen Physiotron beschäftigte.
Diese Kollegen arbeiteten zum Beispiel an der Bereitstellung der optimierten Energiemischung aus verschiedenen normal- und hyperenergetischen Quellen, um den Bedarf an Energieerzeugern und -speichern zu minimieren. Oder an der Schaltungsintegration und Komponentenminiaturisierung. Oder der Anamnesetechnologie zur optimalen Anpassung der Vorgehensweisen im Rahmen der Physiotron-Versuche an die Physiologie des Versuchsobjektes.
Labors gab es in verschiedensten Größenordnungen, von relativ kleinen Versuchsstationen für Genexperimente an einfachen Zellkulturen über größere Gemeinschaftslabors mit Anschluss an den Lebensbereich der Versuchstiere bis hin zu einem mehrere Stockwerke hohen Strahlungslabor mit einer Vielzahl an Projektoren.
Dem eigentlichen Forschungsobjekt näherten sie sich ebenfalls auf verschiedene Arten an. Der ursprüngliche Ansatz hatte sich vorrangig auf hyperphysikalische Aspekte gestützt. Mittlerweile untersuchten die Wissenschaftler auch, wie man die Zellen mittels nanotechnologisch zellintern angewendeter biochemischer, biophysikalischer oder genmanipulierender Methoden vorab präparieren konnte. Das Ziel war es, sie widerstandsfähiger gegen die schädlichen Effekte der entwickelten Physiotronstrahlung zu machen oder sogar einander begünstigende Wechselwirkungseffekte zu erzielen.
Deshalb schätzte er die ertrusischen Klammeraffen so sehr, die allerdings bei Weitem nicht die einzigen Versuchsobjekte waren. Ihre natürliche Widerstandsfähigkeit war jedoch sehr hilfreich. Oder sollte es zumindest sein. Leider starben sie nach den Versuchen innerhalb weniger Minuten, wenn nicht sogar Sekunden, an dem unweigerlich einsetzenden explosiven Zellverfall.
Gee hatte es nicht sehr weit. Zum einen war die Geheimstation eine kugelförmige Konstruktion mit einem Durchmesser von lediglich 150 Metern, zum anderen hatte er als verantwortlicher Projektleiter eine Wohnung in unmittelbarer Nähe des Labortrakts bezogen.
Er wappnete sich innerlich gegen das, was nun kommen würde. Ellen würde ihm – wieder einmal – vorwerfen, dass er kaum von seiner Arbeit wegkam, er fast besessen davon war.
Aber war das ein Wunder? Natürlich forderte die Arbeit ihn sehr; er forschte daran, Unsterblichkeit zu verleihen!
Und – natürlich – selbst ebenfalls Unsterblichkeit zu bekommen. Wer konnte schon von sich behaupten, an dem ältesten Traum der Menschheit zu arbeiten?
Das Schott zum Wohntrakt öffnete sich geräuschlos.
Ellen schien seine Anwesenheit trotzdem wahrzunehmen und drehte sich zu ihm um. Unter dem Blick, den sie ihm zuwarf, befürchtete Andrew, förmlich zu schrumpfen.
»Schön, dich mal wieder zu sehen«, sagte sie spöttisch.
Er seufzte leise. »Es tut mir leid«, sagte er, obwohl er keinerlei derartigen Gefühle hegte.
»Warum denn? Zum Glück haben wir ja kein Privatleben mehr. Stell dir mal vor, wir hätten Freunde zum Abendessen eingeladen! Weißt du, wie spät es ist?«
»Ja, ich weiß. Ich hoffe, du hast nicht mit dem Essen auf mich gewartet.«