Perry Rhodan 796: Der Kristallträger - Ernst Vlcek - E-Book

Perry Rhodan 796: Der Kristallträger E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Er ist Leibgardist der Kaiserin - und er erstrebt die Vollkommenheit Nach den Geschehnissen in der Heimatgalaxis der Menschheit, wo im Herbst des Jahres 3583 ein teuflischer Plan der Laren zunichte gemacht werden konnte, blenden wir um und zurück zu Perry Rhodan und der Reise des Generationenschiffs SOL. An Bord des gigantischen Raumers schreibt man gegenwärtig den Beginn des Jahres 3583. Und für Perry Rhodan und seine Gefährten gilt noch immer das Ziel, das sie sich setzten, als sie in den Mahlstrom der Sterne zurückkehrten und den Planeten Terra dort nicht mehr vorfanden - das Ziel nämlich, die Ursprungswelt der Menschen schnellstmöglich wiederzuentdecken. Die Reise der SOL geht zuerst ins Ungewisse - bis mehrere Begegnungen mit verschiedenen Dienervölkern der mysteriösen Kaiserin von Therm, einer Superintelligenz, die eine Mächtigkeitsballung beherrscht, vage Hinweise auf den neuen Standort der verschwundenen Erde erbringen. Schließlich beginnen die Solaner um des Versprechens willen, die genauen Positionsdaten der Erde zu erhalten, schwierige Missionen im Auftrag der Kaiserin durchzuführen. Im weiteren Verlauf des Fluges der SOL kommt es dabei zu einer unvermuteten Begegnung, denn es meldet sich DER KRISTALLTRÄGER ...

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Veröffentlichungsjahr: 2011

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Nr. 796

Der Kristallträger

Er ist Leibgardist der Kaiserin – und er erstrebt die Vollkommenheit

von ERNST VLCEK

Nach den Geschehnissen in der Heimatgalaxis der Menschheit, wo im Herbst des Jahres 3583 ein teuflischer Plan der Laren zunichte gemacht werden konnte, blenden wir um und zurück zu Perry Rhodan und der Reise des Generationenschiffs SOL.

An Bord des gigantischen Raumers schreibt man gegenwärtig den Beginn des Jahres 3583. Und für Perry Rhodan und seine Gefährten gilt noch immer das Ziel, das sie sich setzten, als sie in den Mahlstrom der Sterne zurückkehrten und den Planeten Terra dort nicht mehr vorfanden – das Ziel nämlich, die Ursprungswelt der Menschen schnellstmöglich wiederzuentdecken.

Die Reise der SOL geht zuerst ins Ungewisse – bis mehrere Begegnungen mit verschiedenen Dienervölkern der mysteriösen Kaiserin von Therm, einer Superintelligenz, die eine Mächtigkeitsballung beherrscht, vage Hinweise auf den neuen Standort der verschwundenen Erde erbringen.

Schließlich beginnen die Solaner um des Versprechens willen, die genauen Positionsdaten der Erde zu erhalten, schwierige Missionen im Auftrag der Kaiserin durchzuführen.

Die Hauptpersonen des Romans

Irmina Kotschistowa – Die Mutantin entdeckt einen Eremiten.

Antapex – Ein Einsiedler – seltsam an Geist und Gestalt.

Perry Rhodan – Der Terraner gerät in Schwierigkeiten.

Choolk – Leibgardist der Kaiserin von Therm.

COMP

1.

Das Wimmern wurde gelegentlich von trockenem Schluchzen unterbrochen. Es war immer deutlicher zu hören, je näher ich dem offenen Schott kam.

Es klang wie das Wehklagen eines Kindes.

Zweifellos stand hier jemand große Schmerzen aus, und er brauchte Hilfe. Und nur ich konnte helfen, weil sonst niemand in der Nähe war.

Hier, auf den unteren Decks der SZ-1, gab es viele Depots, in die kaum jemand kam. In ihnen lagerten Geräte, die zwar von der aphilischen Erde als unerlässliche Gebrauchsgüter mitgenommen worden waren, die aber tatsächlich kein Mensch an Bord der SOL benötigte.

Ich wusste selbst nicht recht, was mich in diese verlassene Zone getrieben hatte – vielleicht suchte ich nur die Einsamkeit. Deshalb kam es für mich völlig unerwartet, hier auf ein Wesen in Not zu treffen.

Ohne lange zu überlegen, eilte ich in den Lagerraum und näherte mich zwischen Türmen von Containern der Richtung, aus der die Schmerzenslaute kamen.

»Ich bin gleich da und helfe dir«, rief ich. »Halte noch etwas aus!«

Ich hatte die Vorstellung von einem Kind, das sich verlaufen hatte und sich nun zu Tode ängstigte. Um so überraschender war der Anblick, der sich mir bot.

Darauf war ich nicht gefasst!

Eingekeilt zwischen Container-Türmen kauerte eine grobschlächtige Gestalt. Es war ein humanoides Wesen und zweifellos auch ein Mensch, aber sein Aussehen schockierte mich im ersten Augenblick.

Was für ein seltsames Geschöpf hier auf der SOL!

Obwohl der Körper des Mannes gekrümmt war, schätzte ich ihn auf eine Größe von über zwei Metern. Seine Schultern waren breit und fleischig, der Oberkörper massig. Er trug undefinierbare Kleider, Lumpen eigentlich.

Er wimmerte noch immer vor sich hin. Dabei machte er mit der Linken rudernde Bewegungen durch die Luft, während die andere Hand unter einem tonnenschweren Container eingeklemmt war.

Er hatte einen riesigen, runden Kopf, von dem ich zuerst nur die Mähne langen, schmutzigbraunen, verfilzten Haares sah. Dann hob er den Kopf und zeigte mir sein abstoßend hässliches Gesicht. In diesem Gesicht stimmten die Proportionen überhaupt nicht. Augen, Nase und Mund waren so groß wie bei anderen Menschen auch, doch das Ungewöhnliche daran war, dass sie auf einer großen Gesichtsfläche verteilt waren.

Die Augen standen so weit auseinander, dass zwei Männerfäuste dazwischen passten. Die tief darunterliegende kleine Nase wirkte in dem weiten Gesichtsfeld irgendwie verloren, und die Haut um den winzig scheinenden, knapp über dem ausladenden Kinn sitzenden Mund war ungewöhnlich großporig.

Der winzige Mund zuckte, aus den kleinen aufgerissenen Augen sprach unsäglicher Schmerz. Als ich in diese Augen blickte, da hatte ich sein Aussehen sofort vergessen. Ich wollte nur helfen.

Als ich mich jedoch näherte, zuckte der unglaubliche Mann zurück und stieß einen winselnden Laut aus.

»Hab keine Angst«, redete ich auf ihn ein. »Ich will dir helfen. Bald tut es nicht mehr weh. Wir werden deine eingeklemmte Hand schon irgendwie freibekommen.«

Ich hielt erneut inne, als er mit der freien Linken wieder rudernde Bewegungen machte. Dabei riss er den winzigen Mund ungewöhnlich weit auf und zeigte mir knurrend die Zähne.

Bevor ich mich wieder in Bewegung setzen konnte, grub er plötzlich seine Zähne in das Gelenk der eingeklemmten Hand.

Ich erstarrte vor Entsetzen, als ich die kauende Bewegung seiner ausladenden Kiefer sah. Es gab schmatzende Geräusche – und dann hörte ich das Krachen von Knochen. Plötzlich riss er den Arm los. Ich sah einen blutigen Stummel. Mit einem Aufschrei stürzte er nach hinten und taumelte gegen einen Stapel.

Fassungslos stand ich da. Er hatte sich die Hand einfach abgebissen. Als er das Entsetzen in meinen Augen sah, schrie er gequält auf. Er verbarg den blutenden Armstummel unter den Fetzen seines Gewands, wirbelte herum und versuchte, den Container-Turm hinaufzuklettern. Er gebärdete sich wie ein in die Enge getriebenes Tier. Nach einigen vergeblichen Versuchen sah er schließlich ein, dass es ihm unmöglich war, mit nur einer Hand das Hindernis zu überwinden, und ließ sich erschöpft zu Boden fallen. Er rollte sich zusammen, dabei sorgsam darauf bedacht, den Armstummel unter seinem Gewand zu verstecken.

»Du brauchst vor mir keine Angst zu haben«, redete ich ihm zu. »Ich will dir nichts Böses. Ich kann dir immer noch helfen. Du musst mir nur vertrauen, dann werde ich deine abgetrennte Hand wieder anwachsen lassen. Fürchte dich nicht.«

Er schüttelte den Kopf so heftig, dass sein langes Haar durcheinanderwirbelte. Und dann sprach er zum ersten Mal, mit hoher, kindlicher Stimme.

»Fürchte mich gar nicht«, sagte er, und es klang ein wenig trotzig. Er hielt den Kopf gesenkt; seltsamerweise war sein großflächiges Gesicht nicht mehr von Schmerz gezeichnet.

»Warum versuchtest du dann zu fliehen?«, fragte ich und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu: »Zeig mir deine Wunde.«

Wieder schüttelte er den Kopf.

Ich seufzte. Obwohl in diesem Fall schnelle Hilfe nötig wäre, würde ich zuerst einmal sein Vertrauen gewinnen müssen. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander, Fragen über Fragen stürmten auf mich ein.

»Wie heißt du?«, fragte ich.

Nach einer Pause antwortete er: »Antapex.«

Das war wenigstens etwas.

»Ich heiße Irmina Kotschistowa. Aber du darfst mich Irmina nennen. Einverstanden?«

»Ja – Irmina.« Dabei hielt er den Kopf gesenkt.

»Wie kommt es, dass ich dich bisher noch nie gesehen habe, Antapex?« Was für ein seltsamer Name – aber irgendwie kam er mir vertraut vor. Ich hatte ihn bestimmt schon gehört – nur wusste ich nicht, in welchem Zusammenhang. »Ich kenne viele Leute auf der SOL, eigentlich ist mir niemand an Bord fremd, und wenn ich dir irgendeinmal begegnet wäre, würde ich mich bestimmt daran erinnern.«

»Ich bin hässlich, ich weiß«, stieß er hervor.

»Das finde ich gar nicht«, sagte ich, und das war nicht einmal gelogen, denn sein Aussehen hatte mich nur im ersten Moment der Überraschung abgestoßen. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt. »Außerdem kommt es auf andere Dinge als auf das Aussehen an. Darum ist es unsinnig, wenn du dich hier unten vor den Menschen versteckst. Du kannst Vertrauen zu mir haben, ich möchte dein Freund sein. Komm, gib mir deine Hand.«

Wenn ich behauptete, dass ich seine Hand wieder anwachsen lassen konnte, so war das kein leeres Versprechen. Als Metabio-Gruppiererin fühlte ich mich dazu durchaus in der Lage.

Früher hatte ich meine Fähigkeiten im Dienst des Mutantenkorps hauptsächlich destruktiv eingesetzt, hatte Leben im Kampf zerstört. Das war einfach – es kostete mich nur einige Gedanken, lebenswichtige Zellkomplexe durch entsprechende Umgruppierungen regelrecht zur Explosion zu bringen.

Nun beschäftigte ich mich jedoch immer mehr damit, meine Gabe für die Erhaltung und Rettung von Leben zu verwenden. Das war weit schwieriger, weil es eine viel intensivere Beschäftigung mit dem Lebensorganismus verlangte. Ich hatte völlig umdenken müssen, aber der Erfolg lohnte die Mühe.

»Komm, gib mir deine Hand, Antapex«, wiederholte ich.

Und er gehorchte. Mit einer ungelenken Bewegung nahm er die Rechte aus dem Gewand und streckte sie mir entgegen.

Ich traute meinen Augen nicht. Da war kein blutiger Stummel, sondern eine unverletzte Hand. Ich starrte fassungslos darauf.

Antapex aber kicherte.

»Hab' ich fein gemacht, nicht? Aber ich kann noch mehr.«

»Was denn, zum Beispiel?«, fragte ich mit rauer Stimme.

»Das verrate ich dir ein andermal«, sagte er ausweichend. »Kommst du wieder?«

Er machte Anstalten, sich in die Tiefe des Lagerraums zurückzuziehen. Ich war noch immer wie benommen, nicht in der Lage, ihn zurückzuhalten.

»Ich werde sehr bald an diesen Ort zurückkehren«, versprach ich. Kaum hatte ich ausgesprochen, da war er bereits verschwunden.

Ich sah noch sein großes Gesicht mit den viel zu kleinen Sinnesorganen darin vor mir, wie sein winziger Mund schüchtern lächelte und die verloren wirkenden Augen in die Ferne starrten.

Ich stand noch immer da, als er längst schon fort war.

Was für ein unglaublicher Mann!

Was für eine phantastische Begebenheit. Ein Eremit auf der SOL! Dazu noch ein Mutant, der ähnliche Fähigkeiten wie ich besaß, die jedoch viel ausgeprägter waren.

Und niemand an Bord wusste von seiner Existenz.

Letzteres erwies sich später jedoch als Trugschluss.

*

Der Dienst auf der Krankenstation füllte mich völlig aus, ich ging darin auf. Aber an diesem Tag war ich nicht bei der Sache. Meine Gedanken kreisten ständig um Antapex.

Ich musste immer wieder an die Hand denken, die er sich abgebissen hatte – ähnlich wie ein Tier, das in eine Falle geraten war – und die ihm dann nachgewachsen war. Das war vollkommene Regeneration, und er hatte sie allein mit der Kraft seines Geistes gesteuert. Soweit hatte ich es in den rund 140 Jahren noch nicht gebracht, in denen ich meine Metabio-Fähigkeit kontrollieren konnte.

Ich musste Antapex wiedersehen. Es ärgerte mich, dass ich unser Treffen nicht genauer fixiert hatte. Aber wer weiß, ob es etwas genützt hätte, einen genauen Zeitpunkt zu nennen; wahrscheinlich existierte in Antapex' archaischer Welt der Begriff Zeit überhaupt nicht. Er hatte tatsächlich etwas Archaisches, Unbändiges – etwas Ursprüngliches – an sich.

Ein Wilder inmitten des technisierten Universums der SOL!

»Antapex – woran erinnert mich dieser seltsame Name?«

Ich musste es laut ausgesprochen haben, denn mein Patient sagte erstaunt: »Wieso seltsam?« Es handelte sich um einen alten Raumfahrer, einen Alt-Galaktiker, der in der Astronomischen Abteilung Dienst tat. »Sie wollen doch nicht behaupten, noch nie etwas von Apex und Antapex gehört zu haben.«

Manchmal ist man wie vernagelt. Ich assoziierte diese beiden Begriffe mit Romulus und Remus; ich weiß nicht, wieso.

»Apex ist in der Astronomie ein unendlich ferner Zielpunkt eines Objekts, etwa der SOL, auf den dieses in seiner Bewegung gerade zusteuert«, klärte mich der Raumfahrer auf. »Antapex ist der Gegenpunkt des Apex und bezeichnet sozusagen die Sterne, die hinter uns liegen ...«

»Kennen Sie jemand, der so heißt?«, fragte ich wie nebenbei.

Der Alt-Galaktiker lachte.

»Schon möglich, aber dann muss es ein Solgeborener sein. Die geben sich nämlich mit Vorliebe Namen aus allen Wissenschaftsbereichen – und vornehmlich der Astronomie und ihren Randgebieten. Von Albedo über Filament bis Zodiak missbrauchen sie alle Begriffe. Ich kenne einen Assistenten, der sich Gegißter nennt. Das wird Ihnen auf Anhieb nichts sagen. Aber wenn ich Ihnen erkläre ...«

Ich hörte nicht zu, sondern konzentrierte mich auf jene Stelle seines Körpers, wo er Schmerzen verspürte. Bei einer vorangegangenen Sitzung hatte ich den Krankheitsherd in der Magengegend – ein Geschwür – lokalisiert. Ein Medorobot hatte meine Diagnose bestätigt, worauf ich nicht wenig stolz war.

Jetzt eliminierte ich es. Ich gruppierte die Zellenwucherung des Geschwürs um, baute frische und gesunde Zellverbände auf, so lange, bis sie die entartete Zellkolonie abgelöst hatten.

»Sie sind fertig«, sagte ich schließlich. »Kommen Sie in den nächsten Tagen zur Nachbehandlung vorbei.«

Der Raumfahrer sagte abschließend: »Das Magengeschwür habe ich nur dem Schlangenfraß zu verdanken, den man uns eine Zeitlang statt der üblichen Nahrung vorgesetzt hat. Wenn man wieder irgendwelche Versuche mit Konzentratnahrung anstellt, trete ich in den Hungerstreik ...«

Mir war klar, worauf er anspielte. Es war noch nicht lange her, dass der COMP versucht hatte, die SOL in seine Gewalt zu bekommen. Dabei war es, neben einigen anderen, drastischeren Übergriffen zu einer Fehlprogrammierung der Essensrationen gekommen.

Inzwischen war die Krise beigelegt worden. Perry hatte mit dem COMP ein Abkommen getroffen. Demnach hatte sich der COMP bereiterklärt, die Kontrolle über die SOL aufzugeben und die Schiffsführung Perry und seiner Mannschaft zu überlassen. Wir mussten uns nur verpflichten, den COMP zuerst bei der Kaiserin von Therm abzuliefern.

Trotz der offiziellen Machtübergabe an uns konnte sich niemand des unbehaglichen Gefühls erwehren, dass der COMP die SOL nach wie vor beherrschte ...

Mein nächster Patient war kein geringerer als Geoffry Abel Waringer. Wir kannten uns schon von Last Hope her, wo ich seinem Forschungsteam angehört hatte. Damals war als positive Auswirkung der Verdummungsstrahlung meine latente Mutantenfähigkeit erweckt worden.

»Was kann ich für dich tun, Geoff?«, fragte ich ihn.

»Du könntest wieder meinem Team beitreten, anstatt hier harmlose Wehwehchen zu kurieren, für die die Medoroboter da sind«, antwortete er. Er wirkte abgespannt und war überaus nervös; ich überlegte mir gerade eine ablehnende Antwort, falls er mich um Aufputschmittel bitten würde. Aber er fuhr fort: »Der COMP bereitet mir schlaflose Nächte. Wir haben alles versucht, ihm einige seiner Geheimnisse zu entreißen, aber es war vergebliche Mühe. Bis jetzt wissen wir nur, dass der COMP als Rechner SENECA und das Shetanmargt zusammen in die Tasche steckt. Durch die Geschehnisse der letzten Tage wurde das zur Genüge bewiesen – und diese Geschehnisse können sich jederzeit wiederholen. Wir hängen mit unserer Forschungsarbeit förmlich in der Luft. Nicht einmal Dobrak und seine Kelosker wissen weiter.«

»Du solltest für eine Weile ausspannen, um wieder zu Kräften zu kommen, Geoff«, riet ich ihm. »Es hat keinen Sinn, sich den Kopf über eventuelle Zwischenfälle zu zerbrechen, die wahrscheinlich nie eintreten.«

»Wir müssen auf alles gefasst sein. Der COMP kann jederzeit wieder zuschlagen.«

»Gibt es Anzeichen dafür?«

»Der COMP ist aktiviert – das ist Grund genug zur Besorgnis.«

»Mach dich nicht selbst verrückt, Geoff«, redete ich ihm zu. »Der COMP hat versprochen, die SOL zur Kaiserin von Therm zu geleiten. Er wird gegen diese Abmachung nicht verstoßen. Oder gibt es doch Grund zur Besorgnis?«

Er sah mich ernst an.

»Ich möchte dich um einen Gefallen bitten – eigentlich um zwei –, deshalb bin ich gekommen, Irmina. Der COMP strahlt ständig im Hyperbereich. Bisher ist es uns noch nicht gelungen, die Art der Strahlung exakt zu analysieren. Abgesehen von allem anderen wissen wir nicht, wie sich diese Strahlung auf den menschlichen Organismus auswirkt.«

»Die Leute, die in der Nähe des COMPS zu tun haben, stehen ständig unter ärztlicher Kontrolle«, erwiderte ich. »Eine negative Auswirkung der Strahlung wäre sofort registriert worden. Oder hast du kein Vertrauen mehr in die menschliche Technik?«

»Was für eine Suggestivfrage«, meinte er mit schwachem Lächeln und steckte sich die kalte Pfeife in den Mund. Das tat er meist nur dann, wenn er besonders angespannt und nervös war. »Ich möchte jede Möglichkeit in Betracht ziehen, deshalb bitte ich dich, mich zu untersuchen. Wer weiß, vielleicht entdeckst du mit den Augen einer Metabio-Gruppiererin etwas, was die Geräte nicht herausfanden.«

Ich nickte, wies ihm einen Platz auf dem Diagnosebett zu und konzentrierte mich.

Durch die langjährige Schulung auf der Krankenstation wusste ich meine Fähigkeiten zu dosieren und – was entscheidender war – zu kontrollieren, so dass ich sie in die von mir gewünschten Bahnen lenken konnte.

Wenn ich mich auf den Zellkomplex eines Wesens konzentriere, so erfasse ich ihn sowohl als Ganzes und kann ihn gleichzeitig in seine Millionen und Abermillionen Einzelzellen zerlegen ...

Es ist immer wieder ein atemberaubendes Erlebnis für mich, mit meinem Geist in einen solchen gewaltigen Mikrokosmos vorzudringen, die Quelle des Lebens selbst aufzuspüren und pulsieren zu sehen.

Früher war es so gewesen, dass ich mit dem Durchleuchten der Bausteine des Lebens auch gleichzeitig dem Drang nachgab, diese Bausteine zu verändern. Eines führte fast automatisch zum anderen, es war ein geradezu motorischer Ablauf.

Durch jahrzehntelanges Training hatte ich meine Geisteskräfte jedoch so in die Gewalt bekommen, dass ich instinktmäßiges Handeln ausschalten konnte. Ich konnte meine Kräfte gezielter einsetzen, war in der Lage, geduldig zu beobachten, ohne dem Drang nach Zellverformung nachgeben zu müssen. Dazu hatte neben Geduld auch einige Selbstbeherrschung gehört. Doch als ich mich solchermaßen selbst überwunden hatte, war dies der erste Schritt gewesen, aus einer vornehmlich destruktiven Fähigkeit eine konstruktive zu machen.

Nur widerwillig zog ich mich aus Geoffrys Innenleben zurück, nachdem ich meine stichprobenartigen Beobachtungen abgeschlossen hatte.