Perry Rhodan 84: Eine Galaxis stirbt (Silberband) - H. G. Ewers - E-Book

Perry Rhodan 84: Eine Galaxis stirbt (Silberband) E-Book

H.G. Ewers

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Beschreibung

Im Jahr 3578 haben Perry Rhodan und seine Getreuen nach langer Odyssee endlich den Weg zurück in die Milchstraße gefunden. Aber die SOL, das größte Raumschiff der Menschheit, kann die sterbende Galaxis Balayndagar nicht mehr verlassen. Sie wird in den Strudel des Untergangs hineingezogen. Es bleibt nur der Hauch einer Überlebenschance: der Sturz in das gewaltige Black Hole, das die Kleingalaxis verschlingt. Auch andernorts kämpfen Menschen ums Überleben, denn noch immer ächzt ihre Heimatgalaxis unter dem Joch der Laren. Lordadmiral Atlan leitet ein geradezu selbstmörderisches Unternehmen ein, um im Kampf gegen die Unterdrücker Freunde zu Hilfe zu rufen. Und Ronald Tekener, der "Smiler", startet eine Expedition nach Andromeda, zu den Wasserstoff und Methan atmenden Maahks ...

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Nr. 84

Eine Galaxis stirbt

Im Jahr 3578 haben Perry Rhodan und seine Getreuen nach langer Odyssee endlich den Weg zurück in die Milchstraße gefunden. Aber die SOL, das größte Raumschiff der Menschheit, kann die sterbende Galaxis Balayndagar nicht mehr verlassen. Sie wird in den Strudel des Untergangs hineingezogen. Es bleibt nur der Hauch einer Überlebenschance: der Sturz in das gewaltige Black Hole, das die Kleingalaxis verschlingt. Auch andernorts kämpfen Menschen ums Überleben, denn noch immer ächzt ihre Heimatgalaxis unter dem Joch der Laren. Lordadmiral Atlan leitet ein geradezu selbstmörderisches Unternehmen ein, um im Kampf gegen die Unterdrücker Freunde zu Hilfe zu rufen. Und Ronald Tekener, der »Smiler«, startet eine Expedition nach Andromeda, zu den Wasserstoff und Methan atmenden Maahks ...

Vorwort

Manches von dem, was in PERRY RHODAN geschieht, offenbart erst viel später ungeahnte Zusammenhänge und einen tieferen Sinn. Es gäbe viele Beispiele anzuführen, die so genannte Aha-Erlebnisse und Überraschungen nach sich ziehen, doch das würde den Rahmen dieser Seite bei weitem sprengen.

Eines wird Ihnen vielleicht beim Lesen der letzten Bücher jedoch aufgefallen sein: Die Handlungsebenen in der Milchstraße und auch im Mahlstrom spielen im Jahr 3580 n. Chr., die Abenteuer des Fernraumschiffs SOL mit Perry Rhodan und seinen Getreuen an Bord im Jahr 3578 n. Chr. Warum das so ist, offenbart sich in diesem Buch, denn hier werden die Zeitebenen einander angeglichen.

Vor Ihnen liegt ein Roman mit vielen Facetten, die kleine Abenteuer ebenso schildern, wie sie einen großen kosmischen Zusammenhang plausibel werden lassen. Ich wünsche viel Spaß und Kurzweil beim Lesen.

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Das Ende von Balayndagar (717) und In der Dakkarzone (726) von William Voltz; Todeskommando Last Hope (720) und Eine Botschaft für Ovaron (722) von H. G. Ewers; Die Stimmen der Toten (721) von Ernst Vlcek sowie Spezialisten der Nacht (727) und Jahrtausendschläfer (728) von H. G. Francis.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Der Untergang der Kleingalaxis kündigt sich an. (HC 82–83)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. (HC 82)

Prolog

Im 36. Jahrhundert durchlebt die Menschheit die bislang schwerste Krise ihrer Geschichte. Das Solare Imperium existiert nicht mehr, seit die Erde und ihr Mond mit unbekanntem Ziel durch den Soltransmitter gingen.

In der Milchstraße herrschen die Laren im Namen des Konzils der Sieben Galaxien. Die Reste der freien Menschheit haben unter Atlans Führung in der Dunkelwolke Provcon-Faust eine sichere Zuflucht gefunden. Nach Jahrzehnten des Aufbaus im Verborgenen suchen sie endlich den Weg zurück zu den Sternen. Es gilt, alte Freunde wiederzufinden, von denen Atlan sich Beistand im Kampf gegen die Laren und ihre Helfer erhofft.

Fernraumschiff SOL

3578 n. Chr.

1.

Das sind die Namen der Angst: Tod, Dunkelheit, Krankheit, Einsamkeit, Krieg, Alter, Albträume. Und viele hundert andere Namen. Gib mir deine Hand, ich führe dich hinaus in die unendliche Weite des Universums, irgendwohin, weiter, als du denken kannst. Dort hört ein Stern auf zu leuchten, eine Galaxis existiert nicht mehr. Mit ihr sterben fühlende Wesen. Das Universum stört sich nicht daran, es nimmt diesen Vorgang nicht einmal zur Kenntnis.

Gib mir deine Hand. Ich zeige dir, dass Angst nur einen Namen haben darf: Winzigkeit!

Versuche zu begreifen, wie unermesslich winzig du in einem Universum bist, in dem das Ende einer Galaxis keine Bedeutung hat.

Du bist so schrecklich klein. Würdest du das wirklich begreifen, müsstest du aufhören zu atmen.

Das ist deine Angst: dass du begreifen könntest, was du bist, wo du bist und wann du bist.

Gib mir deine Hand! Ich führe dich hinaus, immer weiter, bis dich der Atem der Angst streifen wird.

Aus den Ahnungen des keloskischen Rechners Dobrak

Für einen Mann, der 217 der insgesamt 8694 Hauptgravitationslinien seiner Galaxis errechnet hatte, wirkte Dobrak unauffällig. Sein Wissen hatte ihn schweigsam und demütig werden lassen; er stand vor der Erkenntnis, dass seine eigene Existenz nur eine mathematische Illusion war.

Sorgh war ein leerer Planet, auf dem nur der Rechner und seine Assistenten lebten. Seine Helfer wurden regelmäßig ausgetauscht, denn keiner hielt es lange bei Dobrak aus. Jene, die es dennoch versuchten, wurden wahnsinnig oder starben unter mysteriösen Umständen. Dobrak trauerte um die Toten, offiziell jedenfalls, doch sein Verstand sah den Tod nur als eine mathematische Konstante an.

Kein Kelosker wusste genau, wie alt Dobrak eigentlich war.

Vielleicht war der Dobrak, den die heutige Generation kannte, ein anderer Mann als der erste Dobrak. Womöglich war der Rechner nur eine Institution, die in jeder Generation von einem anderen übernommen wurde.

Seit er die Nachricht von der Vernichtung des Altrakulfths erhalten hatte, wusste er, dass Balayndagar untergehen würde. Eine unbekannte, selbst von ihm nicht kalkulierbare Größe hatte die Ereignisse dramatisch beeinflusst.

Dobrak hatte keine Vorkehrungen für seine Rettung getroffen, ihm war das grandiose Erlebnis des Untergangs wichtiger als die eigene Sicherheit.

Auf Sorgh gab es einen Mondberg, die Überreste eines vor langer Zeit auf den Planeten gestürzten Satelliten. Dobrak lebte am Fuß des Mondbergs in einer aus Pfählen und Bastmatten errichteten Hütte. Dieses primitive Gebäude war während der Regenzeiten schon öfters weggeschwemmt worden, dreimal war es über ihm zusammengebrochen und zweimal abgebrannt. Manchmal stand der Rechner nachts vor dieser Hütte, dann spürte er den rauen Wind, und das ferne Grollen des Kastorghvulkans dröhnte in seinen Ohren. Nur in solchen Momenten konnte er die Natur als ein Zusammenwirken von Elementen begreifen – zu jeder anderen Zeit sah er sie wie eine große Zahlentabelle vor sich ausgebreitet.

Nachdem das Altrakulfth zerstört worden war, hatte die Große Schwarze Null wieder mit ihrer verheerenden Tätigkeit begonnen. Die ersten Dimensionsbeben kündigten die Apokalypse an.

Dobrak saß am Ufer des Groolander und ließ seine untere Körperhälfte vom klaren Wasser umspülen. Er fragte sich, ob die Vernichtung von Balayndagar nicht die beste Lösung war, um aus dem Konzil auszubrechen. Nie hatte er den Laren wohlwollend gegenübergestanden. Trotz seiner abstrakten Denkweise empfand er die Fremden vom Konzil als Belastung.

Auf Sorgh stand die Regenzeit bevor, der Groolander würde dann zu sechsfacher Breite anschwellen und ein Baden am Ufer unmöglich machen. Vielleicht würde es auch keine Regenzeit mehr geben, denn die Große Schwarze Null wuchs mit ungeahnter Schnelligkeit.

Dobrak wusste von der Rettungsaktion seiner Artgenossen für das Shetanmargt und überlegte, wie weit diese Arbeit schon fortgeschritten sein mochte.

Der Fluss trug einen morschen Ast vorbei. Dieses Dahingleiten im Wasser löste angenehme Assoziationen aus; Dobrak fühlte sich selbst als eine Anhäufung bewegter Atome, die den Eindruck entstehen ließen, als trieben sie durch die Zeit. Dabei war »Zeit« ein sehr subjektiver Begriff, ausgelöst durch die ständige Abgabe von Energie überall in der Schöpfung.

Ein Boot wurde sichtbar. Zwei Kelosker saßen darin und ruderten. Sie kamen vom kleinen Rechenzentrum flussaufwärts, und ihr Ziel war zweifellos Dobraks Badeplatz.

Das Boot war eine Zahl, die beiden Männer darin waren zwei Zahlen und der Groolander sehr viele Zahlen und das Land, durch das der Fluss seinen Weg gebahnt hatte, noch viel mehr Zahlen. Ein wunderbar geordnetes Mosaik, dachte Dobrak.

Mit jedem Ruderschlag, mit jeder Bewegung, mit dem Dahinfließen des Wassers ordneten sich die Zahlen dieses Mosaiks neu. Aber es entstand nie ein chaotisches Muster, wie es der bevorstehende Untergang von Balayndagar auslösen würde.

Die Männer zogen das Boot aus dem Wasser und wateten auf Dobrak zu. Sie hinterließen Spuren im weichen Ufersand, die schnell wieder zugeschwemmt wurden.

»Ich werde nicht mitkommen«, erklärte der Rechner, bevor sie etwas sagen konnten. »Wozu auch? Wir werden kein Ziel erreichen, und schließlich ist jede andere Welt ebenso gefährdet wie Sorgh.«

Sie standen nebeneinander, atemlos vom schnellen Rudern. »Wir müssen zum Shetanmargt«, sagte einer von ihnen.

»Wir können es nicht mehr erreichen«, erwiderte Dobrak. »Nicht mit einem der beiden Schiffe, die uns auf Sorgh zur Verfügung stehen. Die Dimensionsbeben sind zu stark geworden und beeinflussen schon die Gravitationslinien. Wir würden bald nach dem Start die Kontrolle über die Schiffe verlieren und in die Sonne stürzen.«

Sie traten näher an ihn heran. Dobrak sah, was sie vorhatten. Doch die Anwendung von Gewalt erschien ihm unter den gegebenen Umständen als so absurd, dass er nur lächelte.

Sie ergriffen ihn an den Armen und zogen ihn hoch. Das Wasser tropfte von seinem Körper. Sie schleiften ihn auf das Boot zu, zwei junge und starke Männer, für die sein hagerer Körper keine schwere Last war.

»Sie werden versuchen, uns zu retten«, sagte Dobrak, als die beiden ihn mit sanfter Gewalt ins Boot schoben. »Sie haben bessere Raumschiffe als wir. Vielleicht schaffen sie es, Sorgh zu erreichen und uns an Bord zu nehmen. Aber ich glaube nicht, dass sie noch aus Balayndagar entkommen können.«

Die jungen Männer stießen das Boot ins Wasser und wateten hinterher.

Dobrak wälzte sich auf eine Seite, das Boot schlug um, und das Wasser umschloss ihn warm und fordernd zugleich. Er tauchte tief in die Strömung ein und ließ sich davontragen. Als er wieder auftauchte, sah er die Männer ratlos neben dem Boot stehen. Einer von ihnen entdeckte ihn, aber er tauchte erneut, ließ sich zum jenseitigen Ufer treiben und stieg im Schutz des Schilfs an Land.

In diesem Augenblick erreichte eine neue Welle des Dimensionsbebens Sorgh. Das Land bebte und erschien für kurze Zeit wie ein zerbrechender Spiegel. Die Zahlen wirbelten durcheinander, als hätte jemand ein riesiges Glas mit Steinen ausgeschüttet, aber sie ordneten sich rasch zu einem neuen verständlichen Muster, denn das Beben hielt nicht an.

Kastorgh spie Asche und Lava über das Land.

Dobrak stieg mühselig auf einen Hügel, von dem aus er den Fluss beobachten konnte. Die beiden jungen Männer hatten das Boot wieder flottgemacht und saßen mit den Rudern in den Greiflappen da.

»Die Laren haben genug mit sich selbst zu tun!«, rief einer von ihnen. »Sie haben bereits viele Kelosker und Instrumente gerettet, aber nun werden sie sich zurückziehen. Sie werden niemals hierher nach Sorgh kommen, um uns zu retten.«

Die Laren!, dachte Dobrak erstaunt. Wie kamen sie nur auf die Idee, dass er die Laren gemeint haben könnte? Es war doch offensichtlich, dass die Initiative von den Fremden ausgehen musste. Sie hatten auch die Zerstörung des Altrakulfths ausgelöst.

Die Unfähigkeit seiner Assistenten, bevorstehende Entwicklungen zu erkennen, bedrückte Dobrak. Sie bewies ihm, wie wenig diese Männer im Grunde genommen bei ihm gelernt hatten.

Er kletterte bis auf die Hügelkuppe. Es war ein beschwerlicher Weg. »Ich bin hier!«, rief er.

Die Männer ruderten in seine Richtung. Dobrak sah das verwirrende Muster der sich unaufhörlich neu ordnenden Zahlen und erkannte, dass der Vulkanausbruch eine Flutwelle auslöste, die bald eintreffen würde. Die beiden auf dem Fluss schienen nichts davon zu bemerken.

»Verschwindet!«, rief Dobrak. »Ihr werdet kentern!«

Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, ihn zu retten. Sie ruderten verbissen.

Ein merkwürdiges Geräusch erklang, als würden Tausende von Steinen gleichzeitig aufeinander prallen. Wie eine Mauer aus Wasser, ausgerissenen Bäumen, Uferpflanzen, Steinen und Sand kam die Flutwelle um die Flussbiegung. Die Männer waren starr vor Überraschung und Schreck.

»Zu spät«, sagte der Rechner müde.

Sie ruderten wieder, es sah grotesk und geradezu unwürdig aus, wie sie alle ihre Kraft in diesen sinnlosen Versuch legten.

Sie erreichten das Ufer – das ehemalige Ufer, denn die Flutwelle machte den Groolander dreimal breiter – und richteten sich auf. Die Mauer walzte sie nieder, riss sie von den Beinen und begrub sie unter sich. Sie wurden davongespült, zerschlagen, betäubt, erstickt – getötet.

Auf dem Hügel stand der Rechner wenige Schritte über der Flutwelle.

Kurze Zeit später näherte sich aus der Richtung des Mondbergs ein keloskischer Fluggleiter und kreiste über den Hügeln.

Dobrak verbarg sich im Gestrüpp.

Obwohl Perry Rhodan noch weitgehend paralysiert war, konnte er von seinem Platz aus einen unglaublichen Vorgang beobachten. Er lag in einer Halle, die Schnittpunkt von zwei Hauptkorridoren im Mittelstück der SOL war, so dass er einen Teil des äußeren Bereichs der Hyperinpotronik SENECA sehen konnte.

Einzelteile eines keloskischen Großgeräts, zweifellos des Shetanmargts, verbanden sich mit SENECA. Die Integration verlief mit unglaublicher Schnelligkeit. Das alles schien von langer Hand vorbereitet worden zu sein.

Es ist Wahnsinn!, dachte Perry Rhodan. Er gewann den Eindruck, dass SENECA durch das Eintreffen des Shetanmargts keinen Augenblick in Schwierigkeiten geriet, sondern lediglich einen lang gehegten Plan ausführte.

Die hereinschwebenden Gebilde verwandelten sich in Hunderte fluoreszierende Energieklumpen, die präzise in die freien Plätze der Bordpositronik hineinkrochen. Von einzelnen Energieballungen streckten sich hochenergetische Arme und Finger aus und verbanden sich miteinander. Ein leuchtendes Netz entstand über der Bordpositronik.

Rhodan zweifelte nicht daran, dass es in allen Bereichen der SOL genauso aussah.

Er spürte, dass die Paralyse an Wirkung verlor; zurück blieb nur dieses taube Gefühl in Armen und Beinen, das noch nach Stunden Bewegungsschwächen auslösen konnte. Trotzdem richtete sich der Terraner mühselig auf. Er wandte sich an Gucky, der wenige Schritte von ihm entfernt am Boden lag und ebenfalls erste Anstrengungen unternahm, um wieder auf die Beine zu kommen. »Hast du das beobachtet, Kleiner?«, fragte er grimmig.

»Natürlich«, gab der Ilt zurück.

»Dafür sind die Kelosker verantwortlich«, fuhr Rhodan fort. »Sie versuchen, ihr Heiligtum an Bord zu bringen.«

»Ich glaube«, der Mausbiber seufzte, »sie haben es bereits an Bord gebracht.«

Rhodan stand schwankend da. »Ich spiele nicht mit!«, rief er entschlossen. »Wir müssen dieses Projekt verhindern. Ich wage nicht daran zu denken, was aus SENECA werden soll.«

Der Ilt schwieg, machte aber eine vielsagende Geste. Sie drückte aus, dass er von Maßnahmen zum momentanen Zeitpunkt nicht viel hielt.

Rhodan machte mehrere unsichere Schritte. In diesem Augenblick erschienen Romeo und Julia in der Halle. Er beobachtete die Ankunft des Roboterpärchens mit gemischten Gefühlen. Nach den letzten Ereignissen glaubte er nicht mehr daran, dass auf die Ableger SENECAS Verlass war.

Beide Roboter kamen zu ihm. »Sie werden mit SENECA reden wollen«, vermutete Romeo.

»Darauf könnt ihr euch verlassen!«, grollte der Terraner. »Ich habe etwas dagegen, dass die Hyperinpotronik unmögliche Entscheidungen trifft und den richtigen Befehlshaber zum Statisten verurteilt.«

»Sie denken hoffentlich nicht daran, SENECA zu neutralisieren?«, erkundigte sich Julia.

»Ich hätte gute Lust dazu!«

Natürlich war das nicht möglich. Ohne SENECA hatte diese Expedition keine Chance, die SOL würde ihr Ziel ohne die Bordpositronik niemals erreichen. Die Frage war nur, was SENECA in seiner neuen Form noch wert war.

»Du solltest dir anhören, was SENECA zu sagen hat«, schlug Gucky vor.

Auf Romeo und Julia gestützt, humpelte Perry Rhodan in einen Korridor hinein. Aus unmittelbarer Nähe sahen die Energiegebilde, die aus dem Shetanmargt entstanden waren, noch beeindruckender aus.

Rhodan löste sich von den Robotern. »Das genügt«, sagte er. »Ich kann ebenso von hier aus mit ihm reden.«

»Ich bin froh, dass Sie wieder auf den Beinen sind, Sir«, sagte SENECA.

Rhodan fluchte. »Das ist eine Floskel! Selbst wenn du froh sein könntest, hättest du keinen Grund dazu, weil ich dir nur unschöne Dinge zu sagen habe.« Er fügte hinzu: »Normalerweise müsste eine zentrale Kurzschließung erfolgen.«

»Werden Sie mir zuhören, Sir?«

»Du weißt, dass du verrückt bist?«, antwortete Perry Rhodan mit einer Gegenfrage. »Für die Besatzung dieses Schiffs ist ein verrückter Roboter lebensgefährlich. Ich bezweifle, dass wir die Fehlerquelle finden und reparieren können, denn du würdest das verhindern.«

Gucky war herangekommen. »Hör ihn an!«, bat er.

»Wie Sie sehen können, habe ich mich mit dem keloskischen 7-D-Rechner, dem Shetanmargt, vereinigt«, teilte SENECA mit. »Diese ungewöhnliche Verbindung ergibt eine Positronik von bisher nie gekannter Intelligenz und Kapazität. Ich möchte behaupten, dass selbst NATHAN vor mir kapitulieren müsste.«

Rhodans Augen weiteten sich. »Das hört sich an, als hättest du die Invasion des Shetanmargts bewusst zugelassen.«

»Selbstverständlich«, sagte SENECA. »Es war keine Invasion, sondern eine Vereinigung, wie ich bereits erwähnte.«

Rhodan nagte an seiner Unterlippe. Es erschien ihm unmöglich, alle Eindrücke und Informationen zu verarbeiten, doch sein Verdacht, dass SENECA endgültig unter keloskischem Einfluss stand, verdichtete sich.

»Was geschehen ist, musste im Interesse der Menschheit gefördert werden«, verkündete die Inpotronik.

»Und die Toten im Verlauf des SENECA-Donners? Geschah das auch im Interesse der Menschheit? Wie hast du dich über das Erste Robotergesetz hinwegsetzen können?«

»Das Erste Gesetz wurde stets beachtet«, beharrte SENECA. »Natürlich gab es Tote, aber das waren Unfälle, die auf die Uneinsichtigkeit der Opfer zurückzuführen sind. Ich bestehe auf der Aussage, dass ich mein Programm im Interesse der Menschheit zu Ende führte. Es ist sicher, dass wir nun Millionen Menschen das Leben retten können.«

»Wie schön«, brachte Rhodan hervor, obwohl Sarkasmus unangebracht war. »Darf ich Einzelheiten dieses Programms erfahren?«

»Ich wollte soeben damit beginnen, Sie über Einzelheiten zu informieren.«

»Also los!«

»Schon nach unserem ersten Kontakt mit den Keloskern hatte ich die Absicht, das Shetanmargt für unsere Zwecke zu gewinnen«, behauptete SENECA. »Nur in Zusammenarbeit kann die SOL gerettet und ans Ziel gebracht werden. Joscan Hellmut hat das erkannt und sich auf meine Seite geschlagen. Das habe ich erwartet, denn Hellmut hat sich seit seiner Kindheit nur mit mir befasst. Denken Sie daran, dass die strategischen Operationen des Konzils in Balayndagar erdacht werden. Die Kelosker arbeiten alle wichtigen Pläne aus.«

Rhodans Augen verengten sich. Er musste sich eingestehen, dass er die Entwicklung noch nicht unter diesem Gesichtspunkte betrachtet hatte. »... das würde bedeuten ...«

»... dass wir mit dem Shetanmargt in der Lage wären, strategische Pläne des Konzils in Zukunft zu durchkreuzen«, vollendete Gucky Rhodans Satz. »Wenn es uns gelingt, das Shetanmargt in die Milchstraße zu bringen, können wir dem Konzil gewaltigen Ärger bereiten. Laren und Hyptons verlassen sich wahrscheinlich völlig auf die von den Keloskern ausgearbeiteten Pläne.«

»Es ist, wie der Ilt sagt«, bestätigte SENECA. Doch Perry Rhodan war nicht so leicht zu überzeugen. Vielleicht stimmte SENECAS Argumentation, aber selbst dann erhob sich die Frage, ob die Positronik erst unter dem Einfluss des Shetanmargts auf solche Ideen kam.

»Wie hattest du wissen können, dass die Kelosker dieses Shetanmargt besitzen?«, wollte Rhodan wissen.

»Aufgrund meiner Programmierung«, lautete die Antwort.

»Keiner der Kybernetiker, die dich programmiert haben, wusste von den Keloskern.«

»Ich wurde nicht ausschließlich von Menschen programmiert!«

Rhodan blickte mit geweiteten Augen auf die leuchtende Fläche auf der anderen Seite des Korridors. Eine Ahnung, die sich tagelang in seinem Bewusstsein verborgen hatte, drängte nun an die Oberfläche. »Das ist eine lächerliche Behauptung«, stieß er hervor.

»Ganz bestimmt nicht«, widersprach SENECA.

»Niemand konnte an dich herankommen«, erinnerte Rhodan. »Es ist ausgeschlossen, dass du Zusatzprogrammierungen erhalten hast, von denen wir nichts wissen.«

SENECA antwortete nicht. Die Stille löste Unbehagen aus. Schließlich ertrug Rhodan das Schweigen nicht länger. »Wer hat die Zusatzprogrammierungen durchgeführt?«, schrie er heraus.

»ES!«, sagte SENECA lakonisch.

Obwohl die verblüffende Behauptung mit einem Schlag alle Zwischenfälle erklärte, erschien Perry Rhodan die angebotene Lösung zu einfach. Wieder wurde er von Zweifeln gequält. Vielleicht war das Shetanmargt im Zusammenspiel mit SENECA auf diesen Einfall gekommen.

»Die Besatzung kann an Bord zurückkehren«, hörte er SENECA sagen. »Es ist jedoch wichtig, dass einige Dutzend mit dem Shetanmargt vertraute Kelosker die bevorstehende Reise mitmachen.«

Rhodans Zweifel erhielten durch dieses Verlangen neue Nahrung. »Wie kann ich sicher sein, dass dies keine heimliche Invasion ist?«, fragte er.

Gucky schüttelte den Kopf. »Ich begreife deine Hartnäckigkeit nicht«, warf er seinem Freund vor. »Wie kannst du immer noch an den Erklärungen zweifeln?«

Rhodan glaubte, die Gründe für sein Zögern zu kennen. SENECA war ihm unheimlich, die Hyperinpotronik hatte ihr eigenes Spiel gespielt und offenbar das angestrebte Ziel erreicht. Während er noch darüber nachdachte, durchlief eine Erschütterung die SOL.

»Dimensionsbeben, die von der Großen Schwarzen Null ausgehen!«, meldete SENECA. »Es wird Zeit, dass wir die Besatzung an Bord nehmen und diese Kleingalaxis verlassen. Sie wird vernichtet werden.«

Rhodan gab sich einen Ruck. Er durfte SENECA nicht länger die Initiative überlassen. Sobald er das Kommando übernahm, konnte er am ehesten feststellen, ob die Positronik ihre Eigenmächtigkeiten nach Erreichen ihrer Ziele wieder aufgegeben hatte.

»Ich erteile jetzt die Befehle!«, sagte er zu SENECA. »Ich werde mich nur an dich wenden, wenn ich dich brauche.«

»Ja, Sir!«, sagte SENECA prompt. »Der Paratronschirm um die SOL wurde soeben ausgeschaltet.«

»Was ist mit dem SENECA-Donner?«, fragte Gucky argwöhnisch.

»Mit Hilfe des Shetanmargts konnte ich alle Folgen dieser Maßnahme beseitigen.«

»Wir können also starten?«

»Ja, Sir!«

Rhodan ergriff Gucky an einer Hand. »Teleportiere mit mir nach draußen!«, befahl er. »Ich rede mit der Besatzung.«

Nach dem ersten Dimensionsbeben hatte das Cappinfragment im Gesicht des Transmittergeschädigten Alaska Saedelaere zu zucken begonnen. Nun, nach der zweiten Welle, strahlte der Organklumpen so heftig, dass aus Mund- und Augenschlitzen der Maske feurige Speere hervorstachen.

Alaska hatte sich nicht der Besatzung angeschlossen, die sich vor den Hauptschleusen der SOL drängte. Er stand auf einem abseits gelegenen Hügel und wurde Zeuge der Auswirkungen, die das Dimensionsbeben auf die Schiffe der Kelosker hatte.

Die Raumer, die das Shetanmargt nach Last Stop gebracht hatten, kreisten zum Teil noch über dem Landeplatz der SOL. Die keloskischen Raumfahrer verloren offenbar die Kontrolle, denn sie änderten ihre Flugbahnen ohne ersichtlichen Grund.

Alaska sah zwei Schiffe an Höhe verlieren und Kilometer entfernt abstürzen. Heftige Explosionen besiegelten ihr Ende. Rauchwolken stiegen in den Himmel.

Die anderen Schiffe versuchten, Höhe zu gewinnen. Vielleicht glaubten die Besatzungen, dass der Aufenthalt im freien Weltraum sicherer war. Das hielt Saedelaere jedoch für einen Trugschluss. Vor den Dimensionsbeben gab es kein Entkommen.

Der Paratronschirm über der SOL erlosch. Damit erfüllte sich die Prophezeiung Joscan Hellmuts, der angekündigt hatte, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, das Schiff wieder zu übernehmen.

Wenig später materialisierten Perry Rhodan und Gucky vor der Hauptschleuse. Alaska atmete auf. Erst nach der Freilassung der beiden konnte er von einem Ende der Krise sprechen. Allerdings wurde das Ende der einen Krise vom Beginn einer weitaus schwereren begleitet. Das Schicksal der keloskischen Schiffe war eine unübersehbare Warnung. Natürlich durfte man ein keloskisches Schiff nicht mit der SOL vergleichen, aber sobald die Dimensionsbeben stärker wurden, gefährdeten sie auch das Fernraumschiff der Terraner.

Alaska verließ seinen Beobachtungsplatz auf dem Hügel und näherte sich der SOL.

Nach den Ereignissen der letzten Tage machte sich unter den Raumfahrern Erleichterung breit. Rhodan wurde jubelnd begrüßt, als er in der Schleuse stand und beide Arme hob, um sich Gehör zu verschaffen.

»Das Schiff ist wieder in unserer Hand! Der SENECA-Donner gehört der Vergangenheit an, aber wir müssen Veränderungen akzeptieren. So werden einige Dutzend Kelosker unseren weiteren Flug mitmachen. SENECA hat sich mit dem Shetanmargt vereinigt, das ist ein Problem, mit dem sich in den nächsten Tagen unsere Wissenschaftler auseinander setzen müssen.«

Saedelaere fragte sich, wie es zu dieser Entwicklung gekommen sein mochte. Redete Rhodan unter Zwang? Was hatte sich an Bord ereignet? Natürlich machten sich die anderen Besatzungsmitglieder ebenfalls Sorgen. Ihr Jubel war schnell wieder verstummt, und die nächsten Worte Rhodans waren keineswegs geeignet, gute Stimmung zu verbreiten.

»Wir befinden uns in einer brisanten Lage«, sagte der Terraner. »Ich habe von SENECA erfahren, dass der Untergang dieser Galaxis bevorsteht. Es ist nicht sicher, ob wir aus Balayndagar entkommen können. Ohne SENECA und das Shetanmargt hätten wir keine Chance. Es ist notwendig, dass wir alle wichtigen Gegenstände, die in den letzten Tagen von Bord geschafft wurden, jetzt wieder zurückholen. Wer nicht mit dieser Aufgabe betraut wird, kommt sofort an Bord und nimmt seine Position ein. Das ist vorläufig alles.«

Rhodan drehte sich abrupt um und verschwand in der Schleuse.

Er lässt uns mit unseren Fragen allein!, dachte Alaska Saedelaere bedrückt.

Die Startvorbereitungen wurden mit fieberhafter Eile vorangetrieben. Eine Abordnung von 46 Keloskern befand sich an Bord. Sie schienen unter den gegebenen Umständen froh zu sein, dass sie wenigstens das Shetanmargt retten konnten. Von einer Übernahme der SOL war nicht mehr die Rede. Die Kelosker erhoben auch keine Einwände, als die auf ihr Betreiben entfernten Einrichtungsgegenstände zum größten Teil zurückgeholt wurden.

Alaska Saedelaere betrat die Zentrale, als Rhodan soeben mit den Eltern von Ulturpf und Kjidder Emraddin redete. SENECA hatte die mutierten Kinder noch nicht wieder aus der Scheintodstarre erweckt. Offensichtlich befürchtete die Hyperinpotronik, dass beide ungewollt den Start verzögern konnten.

Rhodan gelang es nur schwer, die besorgten Eltern zu beruhigen. Danach war er sofort wieder hochkonzentriert. »Wir brechen die Beladeaktion ab! Was noch draußen ist, lassen wir zurück. Die Beben werden stärker.«

Saedelaere fragte sich, wie es im Zentrum von Balayndagar aussehen mochte, wenn schon in der Peripherie derart heftige Auswirkungen spürbar wurden.

Während die letzten Gleittransporter in die Hangars einflogen, liefen die Startvorbereitungen an. Die Erschütterungen des Schiffs wurden aber nicht von den Triebwerken ausgelöst, sondern durch die Beben, die Last Stop erfasst hatten.

»Also los!«, rief Rhodan. »Bringt die SOL hoch!«

Auf dem Panoramaschirm wurde ein keloskisches Schiff sichtbar, das vergeblich versuchte, in den Weltraum zu entkommen. Die Besatzung verlor die Kontrolle völlig, das Raumschiff prallte gegen einen Berg. Explosionswolken verdunkelten die Unglücksstelle.

Saedelaere warf einen Blick zu den Keloskern hinüber, die sich als Sprecher ihrer Gruppe in der Zentrale aufhielten. Reglos standen sie neben einer Säule. Er fragte sich, wie ihnen zumute sein mochte. Immerhin erlebten sie den Beginn des Untergangs ihrer Heimatgalaxis.

Mit eingeschalteten Antigravprojektoren und der tosenden Schubkraft ihrer Impulstriebwerke hob die SOL ab. Die Luft über dem Landeplatz flimmerte, seltsame Leuchterscheinungen traten auf.

Saedelaere hatte niemals zuvor derartige Effekte beobachtet. Er nahm an, dass sie eine Folge der Dimensionsbeben waren. Wolken ionisierter Moleküle trieben vorbei. Die Außenhülle des Schiffs erhitzte sich aberwitzig schnell.

»Schutzschirme einschalten!«, befahl Rhodan.

»Wollen wir wirklich manuell fliegen?«, erkundigte sich Galbraith Deighton. »Wäre es nicht besser, SENECA alle Manöver zu überlassen?«

»Du hast das Vertrauen in ihn schnell zurückgewonnen«, erwiderte Rhodan ironisch.

»Das ist keine Frage des Vertrauens, sondern der Notwendigkeit. Ich fürchte, dass wir unter den herrschenden Umständen keinen exakten Kurs fliegen können. Zudem werden wir es schwer haben, auf Überlichtflug zu gehen.«

Das mächtige Schiff schwankte. Energieentladungen huschten über die Planetenoberfläche und ließen die Atmosphäre in einem durchdringenden blauen Licht aufglühen. Unheilvolle Geräusche durchliefen die SOL, ein Stöhnen und Ächzen, das aus dem Nichts zu erklingen schien.

»Die Schwierigkeiten nehmen ab, sobald wir das Gravitationsfeld von Last Stop überwunden haben«, sagte Balton Wyt beschwörend. »Die Beben wirken vor allem auf planetare Schwerkraftfelder ein.«

Die ersten Ergebnisse der Fernortungen wurden eingeblendet.

»Die Große Schwarze Null dehnt sich aus«, sagte Lord Zwiebus. »Sie wird diese Galaxis unweigerlich verschlingen.«

Langsam gewann die SOL an Höhe. In den obersten Schichten der Atmosphäre hörten die Geräusche schlagartig auf. Die Stille erschien Saedelaere jedoch nicht weniger unheimlich als der vorausgegangene Lärm.

»Es wird schwer werden, aus Balayndagar zu entkommen«, teilte SENECA mit.

»Offensichtlich«, sagte Rhodan. »Was schlägst du vor?«

»Das Schiff muss vollständig der Kontrolle des neuen Verbunds unterstellt werden!«

»Also sollen wir uns dem Shetanmargt ausliefern?«

»Das ist die beste Wahl.«

Von einer Kraft, die stärker war als die Triebwerke, wurde die SOL wieder in Richtung des Planeten gedrückt. Die übergeordneten Energien, die hier wirksam wurden, konnten nicht neutralisiert werden.

»SENECA hat Recht«, sagte Deighton. »Uns bleibt keine andere Wahl.«

Stöhnend zerrte sich Mentro Kosum in dem Moment die SERT-Haube vom Kopf. Der Emotionaut presste beide Hände auf die Schläfen. »Tut mir Leid!«, sagte er gequält. »Es schlagen Impulse durch, die ich nicht ertragen kann.«

»SENECA, du musst übernehmen!«, befahl Rhodan.

»Wir gehen auf Warteposition!«, kam die Antwort.

»Wieso Warteposition? Ich verlange eine Erklärung!«

»Die Beben werden vorübergehend wieder nachlassen«, antwortete SENECA. »Nach den Berechnungen in etwa zwölf Stunden. Dann öffnet sich für uns ein kurzes Zeitfenster, und das wird unsere Chance sein.«

Kosum kratzte sich am Kinn. »Wenn ... wenn Sie wollen, Sir, mache ich noch einen Versuch«, sagte er schwerfällig.

Rhodan schüttelte den Kopf.

SENECA fuhr fort: »Wir müssen nicht untätig abwarten, sondern können eine Rettungsaktion starten.«

»Wen willst du retten lassen?«

»Einen Kelosker.«

Rhodan hob die Augenbrauen. »Es sind bereits sechsundvierzig von ihnen an Bord – das sollte genügen!«

»Wir brauchen Dobrak«, sagte SENECA. »Dobrak, den Rechner.«

Rhodan wandte sich an die drei Kelosker, die sich in der Zentrale aufhielten. »Sagt Ihnen der Name Dobrak etwas?«

»Er ist unser Rechner«, erklärte der Sprecher der kleinen Gruppe.

»Ihr Anführer?«

»Nur der Rechner. Er ist der Einzige, der unsere Mathematik vollständig beherrscht. Er allein wäre in der Lage, das Shetanmargt in seiner aktuellen Zustandsform voll auszunutzen.«

Rhodan wurde nachdenklich. »Mit anderen Worten heißt das, wir hätten mit Dobrak an Bord eine größere Chance, von hier wegzukommen.«

Die Kelosker bestätigten das.

»Aber die SOL sitzt fest«, erinnerte Deighton. »Wie können wir an den Mann herankommen?«

Darauf wusste niemand eine Antwort.

Rhodan wandte sich wieder an SENECA: »Gibt es eine Möglichkeit, diesen Dobrak zu retten?«

»Ein Beiboot hat eine Chance, nach Sorgh durchzukommen. Dank seiner weit geringeren Masse kann es das Ziel noch erreichen, Dobrak an Bord nehmen und zur SOL zurückkehren.«

Rhodans Gesicht spiegelte seine Skepsis. Niemand sagte etwas. »Die Koordinaten ...?«, fragte er schließlich.

»Sind bekannt und werden in eine startbereite Space-Jet überspielt«, antwortete SENECA. »Ich schlage vor, dass Alaska Saedelaere und Icho Tolot die Besatzung bilden.«

Alaska, der dem Gespräch fast unbeteiligt zugehört hatte, war mit einem Schlag hellwach. Wie kam SENECA auf die Idee, ausgerechnet ihn zu benennen? Dass man den Haluter losschickte, war unter den gegenwärtigen Umständen verständlich, aber er, Alaska, hatte schon genug Schwierigkeiten mit dem Cappinfragment.

Rhodan ließ ähnliche Bedenken erkennen. »Weshalb gerade die beiden?«, fragte er.

»Die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg ist besonders hoch. Natürlich«, fuhr SENECA fort, »wird Alaska Saedelaere den Anzug der Vernichtung tragen müssen.«

»Was weißt du darüber?«, entfuhr es dem Transmittergeschädigten.

»Gemeinsam mit dem Shetanmargt habe ich alle vorliegenden Daten über den Anzug durchgerechnet. Es handelt sich um eine Konstruktion, die bestens auf das Zusammentreffen mit mehrdimensionalen Kräften eingestellt ist.«

Alaska forderte erregt: »Ich muss mehr darüber wissen!« Doch SENECA ging nicht darauf ein.

»Ich überlasse die Entscheidung Ihnen, Alaska«, sagte Rhodan. »Falls Sie Tolot nicht begleiten wollen, werde ich einen der Mutanten auswählen.«

»Davon würde ich abraten«, schaltete sich die Hyperinpotronik abermals ein. »Die von der Großen Schwarzen Null ausgehenden Beben werden früher oder später eine Stärke erreichen, dass sie alle Psi-Fähigkeiten negativ beeinflussen.«

»Ich werde gehen!«, hörte Alaska sich sagen.

»Und das Cappinfragment?«, fragte Deighton bestürzt.

»Es stellt in dieser Situation keine Gefahr dar«, behauptete SENECA.

2.

Nachdem die Beben abgeklungen und die Auswirkungen der ersten Gefügeerschütterungen überschaubar waren, näherten sich zwei weitere Gleiter. Dobrak verwünschte die Hartnäckigkeit, mit der seine Assistenten ihn zu retten versuchten. Er war sicher, dass die Kelosker auf Sorgh fest damit rechneten, er würde ein Wunder vollbringen.

Doch was hätte er ohne das Altrakulfth tun können?

Dobrak zog sich tiefer zwischen die Büsche zurück. Aber das zögerte seine Entdeckung nur hinaus. Den Scannern der Fluggleiter konnte er sich nicht entziehen.

Die Flut war sichtlich zurückgegangen, die Gleiter setzten zwischen Dobrak und dem Fluss auf.

Der Kelosker sah seine Assistenten aus den Luken springen und bis zu den Stummelansätzen im Schlamm versinken. Greskor war bei ihnen, der Mann, dem Dobrak noch am ehesten zugetraut hätte, länger als zwei Perioden auf Sorgh zu überstehen.

»Was wollt ihr?«, rief Dobrak ärgerlich. Seine Frage war eine Floskel, denn er wusste nur zu genau, was sie vorhatten. »Kümmert euch um die Rechenstation am Mondberg, die Beben werden bald verstärkt auftreten.«

»Wir müssen etwas tun«, sagte Greskor verzweifelt.

Er glaubt daran, dass wir etwas tun können!, stellte Dobrak überrascht fest. Es war ungewöhnlich, dass ausgerechnet Greskor zu dieser Form des Selbstbetrugs griff. »Ohne das Altrakulfth können wir nichts tun.« Dobrak zwang sich, die letzten Spuren von Sympathie für Greskor in seiner Stimme mitschwingen zu lassen. »Wir haben das Ende einer Zahlenreihe erreicht, es gibt keine Rettung mehr für unsere Galaxis.«

In Greskors Gesicht ging eine Veränderung vor.

»O nein«, sagte Dobrak. »Du wirst dich nicht dazu hinreißen lassen, irgendetwas mit Gewalt erreichen zu wollen. Ich warte hier darauf, dass vielleicht diese Fremden kommen, um mich abzuholen.«

»Du scheinst verwirrt zu sein«, sagte Greskor grimmig. Die anderen standen hinter ihm und warteten. Sie würden tun, was der Mann, den sie als Anführer akzeptierten, ihnen befahl. Dobrak hätte sie beeinflussen können, doch er war zu müde, um sich darauf einzulassen. Außerdem wollte er herausfinden, wie weit sein Assistent das Spiel treiben würde.

»Ergreift ihn!«, rief Greskor.

Dobrak breitete die Arme aus, um seine Wehrlosigkeit zu demonstrieren. Er hätte die Ankömmlinge durch einige Tricks in Verwirrung stürzen können, aber das hätte ihm kein Vergnügen bereitet. Die Männer und Frauen, die sich schon in Bewegung gesetzt hatten, blieben zögernd stehen.

»Du wirst es selbst tun müssen, Greskor«, sagte der Rechner spöttisch.

»Ich tue es nicht für mich!«, gab Greskor trotzig zurück, packte Dobrak am Arm und zog ihn auf einen der Gleiter zu. Der Rechner sträubte sich nicht, sondern kletterte freiwillig in die Maschine. Greskor folgte hinter ihm, sein Gesichtsausdruck war finster.

»Wir werden gemeinsam einen Plan ausarbeiten, was wir zur Rettung unseres Volkes tun können«, kündigte er an. »Es muss schnell geschehen, denn die Große Schwarze Null breitet sich beängstigend rasch aus.«

Dobrak genoss den geordneten Zahlenstrom der Luftturbulenzen, die beim Start des Gleiters entstanden. Er hörte kaum auf das, was Greskor von sich gab.

»Nötigenfalls«, sagte sein Assistent, »werden wir ohne dich anfangen.«

»Und wie wollt ihr vorgehen? Das Shetanmargt befindet sich an Bord eines fremden Raumschiffs, das Altrakulfth ist vernichtet. Was bleibt euch noch?«

»Die Rechenstation hier auf Sorgh! Sie ist klein, aber von der Kapazität her rangiert sie hinter dem Shetanmargt und dem Altrakulfth an dritter Stelle.«

»Das ist nicht genug!«

»Wir versuchen es trotzdem.«

Sie flogen den Fluss entlang bis zum hügeligen Land am Mondberg. Vergeblich hielt Dobrak nach seiner Hütte Ausschau. Sie existierte nicht mehr. An ihrer Stelle türmte sich jetzt eine Geröllhalde. Der Berg war aufgerissen, die dunklen Furchen und Spalten sahen wie blutgefüllte Flüsse aus.

»Die Rechenstation blieb unbeschädigt«, sagte Greskor, als hätte er Dobraks Gedanken erraten. »Sie wird auch schlimmere Beben überstehen.«

»Sorgh wird in die Große Schwarze Null stürzen!«, prophezeite Dobrak.

Sie landeten vor der Station. Seine Assistenten halfen Dobrak aus dem Gleiter. Greskor ging voraus. Dobrak hatte den Eindruck, dass der Mann sich auf diese Weise von der Aktion distanzieren wollte. Schon früher hatte Greskor eine Veranlagung zur Schizophrenie erkennen lassen, nun schien sie endgültig zum Durchbruch zu kommen.

Das Areal vor der Station war mit Geröll von den Hängen des Mondbergs bedeckt. Das Gebäude klebte zwischen zwei Felsen, der Eingang konnte nur über eine in die Steine gehauene Treppe erreicht werden. Mehrere Stufen waren zerplatzt, eine Folge der Spannungen, die nach den Beben aufgetreten waren.

In der Station stank es nach Rauch und verschmorten Isolationen.

»Wir hatten eine Reihe von Kurzschlüssen«, sagte jemand.

Dobrak sah weitere Anzeichen des unaufhaltsamen Endes, aber er schwieg sich darüber aus.

»Wenn es uns gelingt, eine Gegenbewegung auszulösen, können wir die Große Schwarze Null vielleicht stabilisieren«, sagte Greskor.

Dobrak begriff sofort, worauf der andere hinauswollte. Die Idee war originell, aber undurchführbar.

»Wir schaffen eine zweite Öffnung ins Nichts«, fuhr Greskor fort. »Beide Nullen werden sich gegenseitig neutralisieren.«

»Warum fängst du nicht an?«, erkundigte sich Dobrak matt.

»Du weißt, dass wir es ohne dich nicht schaffen können. Wir brauchen deine Hilfe.«

»Um eine Theorie aufzustellen? Was soll das – noch zudem jetzt?«

»Du weigerst dich?«

Dobrak schlang die Arme um seinen mageren Körper und hakte die Greiffinger beider Handlappen ineinander. »Wenn du darauf bestehst, helfe ich«, sage er. »Ich werde jedoch diese sterbende Welt verlassen, sobald die Fremden kommen, um mich zu retten.«

Greskor sah ihn mitleidig an. »Warum sollten sie nach Sorgh kommen?«

»Weil sie das Shetanmargt haben«, erklärte der Rechner gleichmütig.

Während sie ihre Berechnungen durchführten, stürzten Sonne um Sonne, Planet um Planet in die größer werdende Schwarze Null von Balayndagar.

Die SJ-S 67, eine 35 Meter durchmessende Space-Jet, verließ den Hangar.

»Worauf haben wir uns da bloß eingelassen?«, sagte Perry Rhodan.

»Es ist eine Frage des Vertrauens«, erwiderte Deighton. »Nach den Vorfällen auf Last Stop werden wir einige Zeit brauchen, bis wir uns wieder an eine vernünftige Zusammenarbeit mit SENECA gewöhnt haben.«

»Ich befürchte, dass ich mich an diesen neuen SENECA niemals gewöhnen werde!«

»Du misstraust dem Shetanmargt?«

»Wir wissen nichts über seine Funktionen und Möglichkeiten. Stattdessen können wir nur hoffen, dass es sich nicht eines Tages zum Trojanischen Pferd entwickelt.«

Deighton massierte seinen Nasenrücken. »Meine Beziehungen zur griechischen Mythologie sind nicht so eng«, sagte er seufzend.

Die Funkverbindung stand. In einem Holo wurde Alaska Saedelaere an Bord der Space-Jet sichtbar. Er trug den Anzug der Vernichtung. Das Cappinfragment unter der Plastikmaske schien sich beruhigt zu haben, denn es leuchtete kaum noch.

»Können Sie mich hören, Alaska?«, fragte Kosum, der nach wie vor das Kommando hatte.

»Ja«, bestätigte der Maskenträger. »Aber es gibt Störungen. Ich befürchte, wir werden nicht lange in Funkkontakt bleiben können.«

»Die energetischen Ausbrüche des Black Hole werden den Hyperfunk überlagern«, sagte der Emotionaut.

Rhodan schaltete sich ein. »Alaska, ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass Tolot und Sie sofort umkehren müssen, wenn es Schwierigkeiten geben sollte. Riskieren Sie nichts!«

»Das ist klar«, erwiderte der Transmittergeschädigte, der seit dem Aufbruch der SOL von Terra ebenfalls zu den Trägern eines Zellaktivators gehörte.

»Wir haben die Koordinaten«, fuhr Rhodan fort. »Die Kelosker nennen die Welt, auf der ihr Rechner Dobrak lebt, Sorgh. Der Planet liegt rund achtzig Lichtjahre entfernt. Das bedeutet, dass Tolot und Sie die doppelte Entfernung zurücklegen müssen – und das unter noch völlig unbekannten Bedingungen.«

Alaska nickte. »Tolot und ich sind uns darüber im Klaren, dass wir bei diesem Flug nahe an das Schwarze Loch herankommen.«

»Gut«, sagte Rhodan. »Dann holen Sie uns diesen unersetzlichen Rechenkünstler!«

Die Space-Jet beschleunigte und verschwand im Weltraum.

Als Rhodan sich umwandte, sah er, dass sich fast alle Kelosker in der Zentrale versammelt hatten. »Was wollen die hier?«, erkundigte er sich.

»Es ist ihre Art, sich zu bedanken«, erklärte Fellmer Lloyd, der mit den Keloskern gesprochen hatte. »Sie sind froh, dass wir einen Versuch zur Rettung Dobraks unternehmen.«

Rhodan fühlte sich seltsam berührt. Er hatte keine besondere Beziehung zu diesen Intelligenzen. Immerhin waren sie Mitglied des Konzils und lieferten perfekte strategische Pläne für die Unterwerfung anderer Galaxien. Bis vor zwei Tagen hatten die Kelosker zudem versucht, die SOL zu erobern.

Perry Rhodan dachte an ES. Welche Rolle spielte das Geistwesen bei diesen Ereignissen? SENECAS Behauptung, dass ES bei der Programmierung der Bordpositronik mitgewirkt hatte, war sicher keine Erfindung. ES hatte also massiv in die Entwicklung eingegriffen.

Die Besatzung der SOL wollte die heimatliche Milchstraße erreichen – aber war das auch das Ziel von ES?

Der Terraner erschauerte, als er daran dachte, dass die SOL vielleicht nur ein Spielball im Zusammenwirken universeller Mächte war. War die zerrissene Menschheit dazu verurteilt, sich weiter auseinander zu leben?

Rhodan fragte sich, ob es besser gewesen wäre, auf der Erde im Mahlstrom zu bleiben und gegen die Aphiliker zu kämpfen. Sein Sohn hatte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Wie mochte es Michael inzwischen ergangen sein? Ihm und Bully und allen anderen? Und wie sah es in der Heimatgalaxis aus? Lebten Atlan und Julian Tifflor noch? Hatte die Menschheit in der Provcon-Faust überleben können?

Perry Rhodan verscheuchte alle melancholischen Gedanken. Sein Platz war hier. Er musste hier für das Überleben kämpfen.

Die massige Gestalt des Haluters ließ die Zentrale der SJ-S 67 klein erscheinen.

»Suchen Sie sich einen Platz!«, verlangte Alaska Saedelaere.

»Ich kann stehen«, erwiderte Tolot dröhnend. »Das macht mir nichts aus.«

Alaska schaute ihn aufmerksam an. Ausgerechnet jetzt überfiel ihn der Gedanke, dass der vierarmige Koloss allmählich alt wurde. Irgendwann wird er von uns gehen!, dachte Alaska. Dann wird die Menschheit einen ihrer zuverlässigsten Freunde verlieren.

»Worüber denken Sie nach?« Tolot grollte missbilligend.

»Über Ihr Alter«, erwiderte der Transmittergeschädigte wahrheitsgemäß. »Ich habe überlegt, wie alt Sie sind.«

Der Riese lachte leise. »Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«

»Ich glaube, Sie sind sehr alt!«

Tolot wurde augenblicklich ernst. Vielleicht griff etwas von Alaskas bedrückter Stimmung auf ihn über, möglicherweise war ihm auch nur das Thema unangenehm. »Das hört sich an, als wollten Sie mir Ihren Zellaktivator vererben«, sagte er schließlich.

»Würden Sie ihn denn nehmen?«

Tolot antwortete nicht gleich. Und als er es tat, stellte er eine Gegenfrage. »Wollen Sie ihn hergeben?«

Saedelaere war keine Regung anzumerken. »Nein!«, erklärte er. »Ich lebe noch nicht lange genug mit diesem Gerät, um seiner überdrüssig zu sein.«

»Na also!«, sagte Tolot lakonisch.

Der vierarmige Riese trug einen roten halutischen Kampfanzug. Alaska stellte Vergleiche mit seinem eigenen, besonderen Anzug an. Der Anzug der Vernichtung hatte ihn zum letzten Mal im Mahlstrom vor dem Tod bewahrt, als er zwei Terraner aus der Flotte der alten Lemurerschiffe gerettet hatte.

Das Rätsel des seltsamen Kleidungsstücks war nach wie vor ungelöst. Alaska empfand es zunehmend als Belastung, denn eine Ahnung sagte ihm, dass der rechtmäßige Besitzer noch am Leben war. Eigentlich hätte er das fragwürdige Geschenk des Cynos Schmitt niemals annehmen dürfen. Und jetzt war der Anzug der Grund, dass er zusammen mit Tolot in den Einsatz ging. SENECA hatte am Anlass seiner Wahl keine Zweifel gelassen.

Ob SENECA mehr über das merkwürdige Kleidungsstück wusste?

»Ich schlage vor, dass Sie Ihre grüblerische Phase vorerst verschieben«, sagte Icho Tolot. »Unsere ganze Aufmerksamkeit muss der Umgebung gelten.«

Alaska nahm die Rüge wortlos hin, denn sie war berechtigt. Die Space-Jet geriet unter den Einfluss fremder Energien. Ihr Flug war unruhig, die Kontrollen zeigten einander widersprechende Werte. Auf das völlige Versagen war Alaska vorbereitet, SENECA hatte ihn gewarnt. Die positronische Steuerung würde sich indes nicht irritieren lassen, sondern den Diskus ans Ziel bringen, vorausgesetzt, dass Sorgh überhaupt erreichbar war.

Durch die Kuppel sah Saedelaere ein Abbild der Jet durch den Raum huschen.

»Unser energetischer Schatten«, erklärte Tolot, der seinen Blicken gefolgt war. »Sicher ein Phänomen, das auf die äußeren Umstände zurückzuführen ist.«

Eine Zeit lang beobachtete der Maskenträger ihren »Begleiter«, dann wandte er sich wieder den Kontrollen zu. Die Jet hatte die nötige Anfangsgeschwindigkeit erreicht und glitt in den Linearraum. Aber auch der Überlichtflug verlief nicht störungsfrei. In der Raumortung erschienen merkwürdige Gebilde – larische SVE-Raumer, die durch unerklärliche Effekte seltsam verzerrt aussahen.

»Die Evakuierungsschiffe unserer Freunde«, bemerkte Tolot. »Die Kelosker, die jetzt noch nicht an Bord der SVE-Raumer sind, haben kaum mehr Chancen. Die Laren werden bald mit ihrer eigenen Rettung zu tun haben. – Sehen Sie!« Der Ausruf galt einer Leuchterscheinung nahe dem Black Hole. Ein kleinerer kosmischer Körper war verglüht, noch bevor ihn der rätselhafte Schlund verschlungen hatte.

»Die Pforte zur Hölle kann nicht gefährlicher sein«, sagte Alaska. »Ob dieses Gebilde überhaupt zum Stillstand kommt, sobald es Balayndagar zerstört hat?« Er erwartete keine Antwort auf die Frage.

Außerhalb des Schiffs wurde es sekundenlang strahlend hell, danach herrschte wieder die normale Umgebung. Alaskas Pulsschlag beschleunigte sich. Die Kontrollen waren während der Erscheinung auf null zurückgefallen. Sekundenlang schien die Space-Jet ihren Flug unterbrochen zu haben.

»Was ... war das?«, brachte der Aktivatorträger hervor. Das Cappinfragment pulsierte heftig, es hatte also ebenfalls auf diesen Effekt reagiert.

»Schwer zu sagen«, antwortete der Haluter. »Ich tippe auf einen Dimensionseinbruch. Falls es schlimmer wird, laufen wir Gefahr, zwischen den Dimensionen auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.«

Alaska gelang es schon nicht mehr, Funkkontakt mit der SOL zu bekommen. »Ich hoffe, dass wir Dobrak retten können«, sagte er. »Vor allem bin ich gespannt, was er uns zu sagen haben wird.«

»Wahrscheinlich werden wir ihn nicht verstehen!«

Alaska spürte den unwiderstehlichen Drang, sich die Maske vom Gesicht zu reißen und die Finger in das zuckende Fragment zu krallen. Tolot deutete seine Handbewegung richtig und stieß ihn zur Seite.

»Was soll ich denn tun?«, schrie Saedelaere.

»Kämpfen Sie dagegen an!«, drängte der Haluter. »Sie müssen die Maske aufbehalten. Glauben Sie, ich sei gegen Ihr Fragment immun?«

Alaska biss sich auf die Unterlippe. »Tut mir Leid! Manchmal verliere ich die Beherrschung. Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist.«

Tolot schaute ihn nachdenklich an. »Ihr Anzug hilft uns nicht besonders«, stellte er fest.

»Vielleicht sehen wir das nur nicht. Wissen Sie, ob wir ohne den Anzug überhaupt noch am Leben wären?«

»Machen Sie sich nicht verrückt!«, riet der Haluter. »Es kommt darauf an, dass Sie einen kühlen Kopf behalten.«

Alaska rief den Ortungsverlauf ab. Nach wie vor lag die Space-Jet auf Kurs. Die Sensoren zeigten nur noch wenige larische Schiffe.

Eine Weile kamen sie gut voran. Durch die Kuppel konnte Alaska Saedelaere strahlenförmige Leuchterscheinungen sehen, die Balayndagar wie Energiebahnen durchkreuzten. Er machte Tolot darauf aufmerksam, doch da waren die zuckenden Entladungen bereits wieder verschwunden.

»Betrachten Sie solche Vorgänge als Anzeichen der Apokalypse«, sagte der Haluter lakonisch.

Alaska fror. Er konnte sich nicht dagegen wehren, sondern sank zitternd im Sitz zusammen. Tolot gab ihm eine Injektion, aber sein Körper blieb kalt und schweißbedeckt. Das Cappinfragment war jetzt reglos, wie abgestorben. Der Gedanke, dass er trotz seines Zellaktivators sterben könnte, fraß sich in Saedelaeres Bewusstsein fest.

»Wie geht es Ihnen?«, wollte Tolot wissen. Er beantwortete die Frage fast im gleichen Atemzug selbst: »Schlecht!«

Saedelaere versuchte zu grinsen. Aber er verkrampfte sich nur. Die belebenden Impulse des Aktivators waren nicht mehr wahrzunehmen.

»Vielleicht stehen Sie kurz vor einer Drangwäsche!« Der Haluter versuchte einen Scherz.

»Wenn ... mir etwas zustößt, soll ... Fellmer Lloyd ... den Anzug bekommen«, brachte Alaska mühsam hervor.

»Nicht Rhodan?«, fragte Tolot erstaunt.

»Viel zu gefährlich«, erwiderte Alaska gepresst. »Verstehen Sie, Tolot?«

Der Haluter gab ihm eine zweite Injektion. »Es wird gleich vorüber sein!«, behauptete Icho Tolot.

Mit einiger Anstrengung schaffte es der Transmittergeschädigte, sich wieder aufzurichten. »Wir sollten nicht nach Sorgh fliegen!«, sagte er schwer.

»Warum nicht?«

»Es ist ein sicheres Gefühl, das mich warnt.« Alaska wandte sich wieder den Kontrollen zu. »Lassen Sie uns umkehren, Tolot!«

»Aber wir können es schaffen.«

»Ich will nicht!«, rief Saedelaere.

Tolot packte ihn und zerrte ihm den Anzug vom Körper. Danach schien es Alaska etwas besser zu gehen. Er kroch über den Boden, um zu sehen, ob der Haluter den Anzug beschädigt hatte. Zu seiner Erleichterung konnte er nichts feststellen.

»Die Injektionen wirken allmählich«, sagte er erleichtert.

»Sie hatten einen Kollaps«, erklärte der Riese. »Wahrscheinlich infolge von Einwirkungen der anderen Dimension.«

»Der Aktivator setzte aus«, entgegnete der Terraner. »Ich glaube das jedenfalls.«

Die nächste Stunde verlief ohne Zwischenfälle, und Alaska erholte sich zusehends. Icho Tolot sah schweigend zu, als der Transmittergeschädigte den Anzug der Vernichtung wieder anlegte.

»Nicht, dass ich mich darin besonders wohl fühle«, sagte Alaska verlegen. »Aber ich fürchte mehr als zuvor, dass uns auf Sorgh Schlimmes erwartet.«

Die Berechnungen brachten keine aufregenden Neuigkeiten. Es stellte sich heraus, dass die Anlage viel zu schwach war, als dass mit ihrer Hilfe komplizierte Zusammenhänge erkennbar geworden wären. Greskor sah bald ein, dass sie zwar interessante Nebenergebnisse erzielten, aber vom eigentlichen Ziel genauso weit entfernt waren wie zu Beginn ihrer Arbeit.

Dobrak registrierte die zunehmende Verzweiflung seines Assistenten, schwieg aber dazu. Schließlich machte Greskor eine Geste, die seine Resignation ausdrückte, und trat von der Rechenanlage zurück. »Wir schaffen es nicht!«

»Gib auf!«, empfahl Dobrak.

Greskor sagte heftig: »Ich will nicht sterben.«

»Sterben«, erwiderte Dobrak gelassen, »das ist wie geboren werden.«

Sie sahen sich an, und aus den vielen Dingen, die sie trennten, erwuchs Greskors Hass auf den Rechner. »Du hast dich nicht voll eingesetzt!«, warf er dem Alten vor. »Ich habe festgestellt, dass du ohne Interesse an die Arbeit herangegangen bist.«

Zahlengruppen zogen durch den düsteren Raum; die Wände und die davor aufgestellten Instrumente bildeten ein einfaches, aber geordnetes Mosaik. Dobrak drehte sich seitwärts und veränderte die Gruppierungen ein wenig. Er konzentrierte sich, ohne Greskor zu beachten. Seine Blicke blieben an einem jungen Assistenten hängen, der neben den Kontrollen kauerte. Der Mann schien mit der Anlage verschmolzen zu sein.

Auch Greskor bewegte sich jetzt, seine drohend erhobenen Arme fluteten als Zahlenbündel auf Dobrak zu. Der Rechner zwang sich zu einer einfacheren Betrachtung der Umgebung und sah, dass Greskor sich auf ihn stürzen wollte.

Jemand stieß einen erschrockenen Ruf aus.

Dobrak hätte sich nicht gewehrt, wenn nicht immer noch die Aussicht auf die Landung eines fremden Schiffs bestanden hätte.

Eine Bewegung im Mondberg, die den Boden der Station aufwölbte, ließ Greskor straucheln. Der Untergrund spaltete sich – eine Entwicklung, die auch für Dobrak überraschend kam und seine Abwehrbewegung sinnlos machte.

Von der Decke polterten Steine herab. Eine Maschine wurde aus ihrer Fassung gedrückt und krachte auf den Boden. Das Geräusch wirkte wie eine Explosion. Die Assistenten stürmten aus der Station ins Freie, um nicht von herabstürzenden Felsen oder der Decke erschlagen zu werden.

Greskor blieb. Er stand wie angewurzelt vor Dobrak. »Es geht wieder los!«, brachte er heiser hervor.

Der Rechner wusste es besser. Diesmal waren keine Beben vorausgegangen, im Mondberg hatten sich lediglich weitere Verspannungen gelöst. Dobrak hatte stets gewusst, dass der durch den Absturz eines Mondes entstandene Berg aus einem besonderen Material bestand. Er brauchte ihn nur mit seinem mathematischen Bewusstsein anzusehen, um die fremdartigen Zahlengruppen zu erkennen. Aber das konnte Greskor trotz seines unbestrittenen Talents nicht sehen.

Es war erstaunlich, wie heftig der Mondberg sich bewegte und bewies, dass dieser Teil der Landschaft nach wie vor ein Eigenleben führte. Normalerweise hätte die Station hier nicht errichtet werden dürfen – doch hatte er das nicht selbst veranlasst, irgendwann einmal? Dobraks persönliche Erinnerung reichte nicht weit zurück, er besaß nur ein sehr gutes Gedächtnis für mathematische Erkenntnisse. Irgendwann hatte er sogar aufgehört, sich selbst als Person zu sehen. Er fühlte sich als mathematische Einheit, integriert in unzählige andere Einheiten, die das Universum ausmachten.

Greskor schlich aus der Station, als könnte jedes noch so leise Geräusch eine neue Katastrophe heraufbeschwören.

Der Rechner blieb allein. Die Stille tat ihm gut. Er sah die in sanften Zahlenmustern sichtbar werdenden Bewegungen des Mondbergs und genoss die Ästhetik dieser Schwingungen. Auch sie würden aufhören, sobald Sorgh in die Große Schwarze Null stürzte. Eigentlich schade, dass niemand den Mondberg retten konnte.

Dobrak hob ein Stück des seltsamen Materials auf und beschloss, es mitzunehmen, falls er tatsächlich eine Chance zur Flucht erhielt. Er verließ den Raum und gelangte über die von Trümmern bedeckte Treppe ins Freie.

Die Assistenten standen vor den Gleitern und debattierten mit Greskor. Einige schienen vorzuhaben, Sorgh mittels einer der bedingt raumtüchtigen Maschinen zu verlassen. Greskor wirkte unschlüssig.

Ein junger Kelosker kam auf den Rechner zu. »Wir müssen versuchen, einen der äußeren Planeten zu erreichen«, sagte er.

Dobrak blickte in den rotgoldenen Himmel. Die Sonne war vor wenigen Augenblicken unter dem Horizont verschwunden, die Nacht dämmerte herauf. »Ihr würdet nicht weit kommen«, prophezeite er. »Die oberen Schichten der Atmosphäre sind von fremdartiger Energie durchsetzt.«

Der Mann wandte sich mutlos ab, er setzte sich auf einen Stein und schaute zu den anderen hinüber. Am Ufer des Groolander krächzten Vögel, zweifellos hatten sie eine Vorahnung des kommenden Untergangs.

Während Dobrak die abendliche Szenerie beobachtete, wuchsen seine Zweifel. Niemand würde jetzt noch kommen, um ihn abzuholen. Er argwöhnte, dass seine Berechnungen auf Wunschvorstellungen beruhten, aber er war zu müde, um den Verdacht einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen.

Trotz seiner Sonderstellung war Dobrak wie alle Kelosker von dem Wunsch beseelt, die siebendimensionale Mathematik seines Volkes weiterzuverbreiten und anderen Völkern zugänglich zu machen. Sein missionarischer Eifer blieb jedoch differenzierter, und manche seiner Artgenossen waren ihm in ihren Bemühungen oft geradezu vulgär erschienen.

Niemand konnte eine Erkenntnis verteilen wie reife Früchte, sondern sie nur behutsam in eine bestehende Ordnung einfließen lassen, sie bestenfalls aufpfropfen und warten, was geschah.

Am Himmel zuckten dunkle Wolken wie die Ausschläge eines Oszillografen auf und nieder. Eine Gravitationslinie hatte ihre Bahn verlassen und beeinflusste die Atmosphäre von Sorgh. Die Sauerstoffhülle konnte mit einem Schlag in den Weltraum gerissen werden. Eine Serie von Blitzen sprang zwischen den Wolken hervor, die Luft schien plötzlich mit unerträglicher Spannung geladen zu sein.

Die Kelosker beobachteten das Schauspiel mit schreckerstarrten Gesichtern.

Es ist gut, dass sie nicht alles sehen können, dachte Dobrak.

Wind kam auf, riss Sandwirbel in die Höhe und trieb sie zum Groolander hinab. Von allen Seiten kommend, heulte, toste und zerrte er an den Gleitern und den davor stehenden Personen. Dobrak sah, dass drei Assistenten in eine Maschine kletterten. Die anderen wirkten wie gelähmt und doch voller Hoffnung, dass der Versuch gelingen und sich als wiederholbar erweisen würde.

Das Triebwerk des Gleiters brüllte unter Höchstbelastung mit dem stärker werdenden Sturm um die Wette.

»Diese Verrückten!«, schrie Greskor, aber er tat nichts, um den Start zu verhindern.

Die Maschine hob vom Boden ab. Sie schwankte und konnte keine klare Flugbahn einhalten, doch sie gewann an Höhe. Dobrak glaubte, im ungewissen Licht die verzerrten Gesichter der drei Besatzungsmitglieder durch die Luken erkennen zu können.

Jäh setzten die Triebwerke aus. Der Gleiter fiel wie ein Stein vom Himmel und stürzte mit ohrenbetäubendem Krachen auf den Mondberg. Dabei platzte er auf und rutschte den Hang hinab, bis er oberhalb der Rechenstation zur Ruhe kam. In dem Wirbel von Wrackteilen und Gesteinstrümmern wurden auch die drei Kelosker in die Tiefe gerissen. Nun lagen sie zerschmettert zwischen den Überresten des Gleiters. Einer von ihnen bewegte sich noch.

»Kommt!«, rief Greskor den anderen zu. »Wir müssen ihnen helfen.« Sie kämpften sich gegen den Sturm den Hang hinauf.

Dobrak beteiligte sich nicht. Er sah, dass zwei Kelosker tot waren und der dritte im Sterben lag. Greskor wusste das wahrscheinlich auch, aber er suchte wohl nach einer Möglichkeit, sich zu betätigen.

Dobrak fand einen windgeschützten Platz zwischen den Felsen und erwartete die Nacht. So oder so – es würde seine letzte Nacht auf Sorgh werden.

Von der Großen Schwarzen Null ging eine zunehmende Gravitation aus, die auch nach der Space-Jet griff. »Ich nehme an, dass sich dieser Effekt verstärken wird«, sagte Icho Tolot. »Noch ist es möglich, ihm zu widerstehen. Unser Erfolg wird aber nicht zuletzt davon abhängen, mit welcher Geschwindigkeit die Anziehungskraft zunimmt.«

»Wodurch wird das ausgelöst?«, fragte Alaska beunruhigt.

»Schwer zu sagen. Ich kann es nur vermuten und glaube, dass das Black Hole allmählich die Gravitationsströme in Balayndagar beeinflusst.«

»Dadurch würde der Untergang der Galaxis beschleunigt!«

»Die Katastrophe wird viel früher eintreten, als wir angenommen haben.« Tolot ließ sich auf seine Laufarme sinken und zog sich in den hinteren Teil der Zentrale zurück. »Aber es hat keinen Sinn, sich deswegen den Kopf zu zerbrechen. Wir tun, was wir können.«

Fast hätte Alaska seinen Vorschlag wiederholt und versucht, den Haluter zur Umkehr zu überreden. Er biss sich jedoch auf die Lippen und schwieg.

Das Shetanmargt hatte ihnen genaue Daten über den Planeten Sorgh gegeben. Es schien sich um einen ungefährlichen Sauerstoffplaneten zu handeln. Die Frage war nur, wie die Bedingungen jetzt aussahen.

Alaskas Gedanken wurden vom Knistern im Empfangsteil der Hyperfunkanlage unterbrochen. Er warf dem Haluter einen bedeutungsvollen Blick zu. »Jemand versucht, mit uns in Verbindung zu treten! Glauben Sie, dass die SOL plötzlich bis zu uns durchdringen kann?«

»Möglich wäre es«, antwortete Tolot in seiner bedächtigen Art. »Ich bezweifle es jedoch.«

Das Knistern wurde zu einem Rauschen, dann erklangen fremdartige Wortfetzen. Die Sprache blieb unverständlich, aber wer immer da redete, befand sich in höchster Not.

»Ich versuche, den Standort des Senders zu lokalisieren«, sagte Alaska.

»Das brauchen Sie nicht«, erwiderte Tolot. »Der Sender kann nur auf einem Planeten der Sonnensysteme in unserer unmittelbaren Nähe stehen.«

Alaska ließ sich nicht beirren, obwohl eine Peilung unter den gegenwärtigen Bedingungen äußerst schwer war. Er konnte nur einen mutmaßlichen Standort bestimmen, und der lag – wie Tolot gesagt hatte – in einem System, das sie gerade passierten.

»Der oder die Unbekannte spricht nicht Keloskisch«, stellte Alaska fest. »Aber er ruft um Hilfe.«

»Wir fliegen nach Sorgh!«, erinnerte Tolot.

»Da ist jemand in großer Not!«

»Wahrscheinlich die Bevölkerung eines ganzen Planeten. Dann kommen wir mit einer Space-Jet und beginnen mit der Evakuierung?«

Alaska schluckte. Er hatte Tolots sarkastische Bemerkung richtig verstanden. Natürlich hatte der Haluter Recht. Wo hätten sie mit einer Rettungsaktion beginnen sollen? Außerdem blieb ihnen keine Zeit. Sie befanden sich selbst in immer größerer Gefahr.

Die Stimme wurde schwächer und verstummte schließlich.

»Es ist schrecklich, so etwas hören zu müssen und nicht helfen zu können«, sagte Alaska traurig.

»Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen.« Tolot richtete sich auf. »Oder quält Sie Ihr Gewissen?«

Alaska zuckte mit den Schultern. »Ich weiß überhaupt nicht, was mit mir los ist«, gestand er.

Die Space-Jet raste weiter durch den Linearraum, dem Planeten Sorgh entgegen.

Seit er den Funkspruch empfangen hatte, verschlechterte sich Saedelaeres Stimmung weiter. Er wunderte sich über das Cappinfragment, das nahezu völlig zur Ruhe gekommen war. Vielleicht war es erschöpft. In dem Zusammenhang erhob sich die Frage, ob der Organklumpen ebenfalls von den Leben spendenden Impulsen des Aktivators profitierte. Wenn nicht, dachte Alaska voll grimmiger Selbstironie, konnte er hoffen, dass der ungebetene Gast vielleicht in einigen hundert Jahren aus Altersschwäche abfiel. Andererseits trug der Aktivator dazu bei, dass Alaska das Fragment besser ertragen konnte.

Es war kalt geworden. Ein Blick auf die Kontrollen bewies ihm, dass die Temperatur nur noch sechzehn Grad Celsius betrug.

»Es kühlt ab«, informierte er Tolot. »Haben Sie eine Erklärung dafür?«

»Mein Metabolismus erlaubt solche Feststellungen nicht«, erklärte der Haluter entschuldigend. »Bis auf den geringfügigen Temperatursturz scheint aber alles in Ordnung zu sein.«