Perry Rhodan Neo 34: Die Ehre der Naats - Gerry Haynaly - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 34: Die Ehre der Naats E-Book und Hörbuch

Gerry Haynaly

3,5

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Das Jahr 2037: Seit die Menschen ins All vorgestoßen sind, trafen sie auf die unterschiedlichsten Fremdwesen. Sie kamen mit den menschenähnlichen Arkoniden in Kontakt, sie stießen auf die echsenähnlichen Topsider oder das seltsame Wesen namens ES. Doch als die bisher gefährlichsten Aliens erweisen sich die riesigen Naats mit ihrem furchterregenden Aussehen. Perry Rhodan selbst ist mit Hunderten anderer Menschen in Gefangenschaft der Naats geraten. An Bord eines ihrer Raumschiffe wartet er auf sein weiteres Schicksal - er steuert gegen seinen Willen auf eine große Raumschlacht zu. Zwischen den Welten und zerbrochenen Monden der Sonne Rayold beginnt der Krieg interstellarer Mächte: Die Naats treffen mit ihren Raumschiffe auf die Topsider. Und die gefangenen Menschen scheinen nicht mehr zu sein als hilfloses Kanonenfutter ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:6 Std. 7 min

Sprecher:Axel Gottschick

Bewertungen
3,5 (2 Bewertungen)
0
1
1
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 34

Die Ehre der Naats

von Gerry Haynaly

Das Jahr 2037: Seit die Menschen ins All vorgestoßen sind, trafen sie auf die unterschiedlichsten Fremdwesen. Sie kamen mit den menschenähnlichen Arkoniden in Kontakt, sie stießen auf die echsenähnlichen Topsider oder das seltsame Wesen namens ES. Doch als die bisher gefährlichsten Aliens erweisen sich die riesigen Naats mit ihrem furchterregenden Aussehen.

Perry Rhodan selbst ist mit Hunderten anderer Menschen in Gefangenschaft der Naats geraten. An Bord eines ihrer Raumschiffe wartet er auf sein weiteres Schicksal – er steuert gegen seinen Willen auf eine große Raumschlacht zu.

1.

Der Garten der Nham

Novaal

»Hiermit erkläre ich die Großen Kampfspiele für eröffnet! Möge der Stärkere gewinnen!«

Novaal schlug sich mit der linken Faust auf die Brust, dort, wo seine Auszeichnungen und Dienstgradabzeichen untrennbar mit seiner Uniform verbunden waren. Die Orden der Großmacht Arkon, die ihn und seine Leute in den Krieg schickte ...

Dutzende virtuelle Novaals starrten ihn an. Seine fahlen Ebenbilder, übermannsgroß auf ihren Holoprojektionen, schienen sich über seine Schwäche lustig zu machen. Dabei ahmten sie nur seine Bewegungen nach. Sein Muskelmagen verkrampfte.

Innere Stärke, das ist es, was du vermitteln musst!, dachte er. Dabei fühlte er sich so schwach wie nie zuvor in seinem Leben.

Wie ein Donner hallte das Echo seines Schlages aus den Akustikfeldern, die über die gesamte Fläche des »Gartens der Nham« verteilt waren. Er wusste, dass weit über zwanzigtausend Soldaten seine Rede verfolgten. Selbst den Notbesatzungen, die an Bord der Raumschiffe geblieben waren, hatte er genehmigt, sich in die Livestreams einzuklinken. Die Naats, die erst später in die Kämpfe eingriffen, ließen es sich nicht nehmen, ihren Kollegen vorab auf die schwarzen Finger zu sehen.

Und wie ein Orkan brandete die Antwort seiner Soldaten von den Plattformen und provisorisch aufgebauten Tribünen zu seinem eigenen Podest in der Mitte der »Sektion der tausend Gärten« herauf.

Novaal spürte es. Sie gierten so wie er nach dem Wettstreit, dem Kräftemessen Mann gegen Mann.

Eines hatten alle Kämpfe gemeinsam: Sie waren auf Schnelligkeit, Ausdauer oder Kraft ausgerichtet. Ein Teil seiner Soldaten hatte sich bei den Schwertkämpfen angemeldet oder beim Zielwerfen mit dem Thark, einer sternförmigen Wurfscheibe. Aber die Mehrheit seiner Männer hatte das traditionelle Ringen ausgesucht, mit dem Streitigkeiten beigelegt wurden. Aber während die meisten Kämpfe im richtigen Leben durch den Tod des Unterlegenen endeten, hatte er diese letzte Konsequenz bei den Spielen auf KE-MATLON ausdrücklich bei Strafe verboten, also kein Kal'zhochras und erst recht kein Shalaz. Der Tod wartete ohnehin auf sie alle in der Schlacht ...

Trotzdem hatte er alle verfügbaren Medoroboter zu den Arenen beordert und auch die auf dem Gespinst anwesenden Aras von Belinkhar angefordert. Im Eifer des Gefechts verlor ein Kämpfer allzu schnell einen Finger oder ein Auge, und mancher Streit hatte sich schon zu lange aufgestaut, als dass die Kontrahenten den Kampf abbrachen, ehe der andere mit ausgerenkten Gliedern auf dem Boden lag.

Die Spiele waren eine Demonstration der Stärke sowohl nach außen als auch für jeden Einzelnen von ihnen, der aus dem Erleben seiner physischen Stärke psychische Stärke schöpfte. Außerdem sollten sie die Furcht seiner Männer zerstreuen – und wenn er sich eingestand, auch ein wenig seine eigene.

Aus den Informationen der SHYDAR wusste er, dass die Topsider auf Rayold in der Überzahl waren. Und das meiste, was er erfahren hatte, hatte er an seine Leute weitergegeben. Jedem von ihnen war klar, was das bedeutete. Dafür brauchte er nur in ihre ernsten Gesichter zu blicken. Selbst wenn sie über die stärkeren Schiffe verfügten, hatten sie nur eine geringe Überlebenschance.

Die Kämpfe sollten deshalb eine rituelle Vorbereitung auf einen möglichen ehrenhaften Tod im Krieg sein. Sie strebten nach diesem letzten Glänzen, nach dieser Versöhnung mit Feinden. Für die todgeweihten Soldaten bedeutete es eine Bestätigung ihrer Ehre, da die Videos der Spiele an ihre Angehörigen geschickt wurden, um ihr Andenken zu bewahren.

Einige Bewohner der Mehandor-Raumstation waren gekommen, um sich dieses Schauspiel nicht entgehen zu lassen, aber sie blieben auf Distanz. Novaal konnte sie zwar nicht verstehen, aber zumindest akzeptieren, dass sie sich vor seinen Soldaten fürchteten. Neben Unithern, Aras und Xisrapen hatten sich Hunderte von Mehandor auf den Dächern der Restaurants am Rand der Zone niedergelassen, um nur ja nicht mit den Naats in Berührung zu kommen. Viele waren ohnehin in anderen Teilen der riesigen Station geblieben und sahen sich, wenn überhaupt, die Machtdemonstrationen der Naats auf ihren Monitoren an.

Novaal wusste, dass er und seine Leute auf dem Gespinst nicht willkommen waren, aber die Matriarchin Belinkhar hatte seine Chronners nur zu gern genommen, als er ihr den Handel angeboten hatte. Freilich hätte er jedes Recht gehabt, die Station für eine Weile als arkonidisches Protektorat zu bezeichnen, allein schon um dieser Belinkhar zu zeigen, dass mit dem Imperium nicht zu spaßen war. Die Mehandor hatten den beiden Hochverrätern Thora und Crest da Zoltral Asyl gewährt und obendrein deren Raumschiff TOSOMA repariert.

Aber warum Sergh da Teffron so scharf auf die beiden war, konnte sich Novaal nicht erklären. Der Arkonide wollte die Arkoniden um jeden Preis in seine Hand bekommen. Warum waren die zwei so wichtig?

Wenn es nach da Teffron gegangen wäre, hätte sein Diener Novaal die Mehandor-Station ruhig aus dem Universum bomben können. Angeklagt wegen Kollaboration ... Das allein hätte schon jedes Vorgehen gerechtfertigt. Doch wegen zwei arkonidischen Oppositionellen einen unnötigen Krieg gegen die Mehandor beginnen? So töricht konnte nicht einmal da Teffron sein.

Da Teffron! Novaal würgte, schluckte den Faserballen wieder hinunter. Zum Glück ging es nicht immer nach dem Willen des Arkoniden, und mochte er noch so mächtig sein. Auch wenn er Sayoaard ...

Seine Finger zuckten. Die Angst vor dem eigenen Tod trat zurück hinter die um seinen Sohn. Novaal presste die Hand gegen die Beintasche des Kampfanzugs, damit keiner ihr Zittern bemerkte.

Stärke!, ermahnte er sich. Mit Verzweiflung hilfst du Sayoaard auch nicht

Die Ehrenbezeugungen der Soldaten ebbten ab und wichen dem rhythmischen Sprechgesang einer Gruppe von Kanonieren, der den ersten Wettkampf einleitete. Nahe dem Übergang in das nächste Segment machten sich zwei Dutzend Soldaten bereit, einen Felsen ungesichert und ohne Hilfsmittel zu erklimmen. Da der ursprüngliche Felsen von den Soldaten allzu leicht überwunden werden konnte, hatte er Kendeel, den Kommandanten der ENIAOS, mit der Aufgabe betraut, die Herausforderung zu vergrößern. Zusammen mit einem von Belinkhars Untergebenen hatte Kendeel den Felsen auf die dreifache Höhe erweitert, sodass er nun die Ausmaße einer Korvette hatte und ähnlich schwer erklettert werden konnte.

Novaal spürte, wie ihn die Gedanken an den Wettkampf von seiner Mutlosigkeit ablenkten. Er freute sich schon auf die Reaktion der anderen Kletterer, wenn ihnen ihr Kommandant die Ehre erwies, sich mit ihnen zu messen. Er verließ sein Podest und nahm einen der goldenen Gehwege, die den Felsen in schwungvollen Bögen umgaben. Dabei hatte er Mühe, den Wasser sprühenden Fontänen und Springbrunnen auszuweichen.

»Belinkhar«, zischte er. Der Kommunikator baute umgehend eine Verbindung zur Matriarchin auf, der die Verwunderung ins Gesicht geschrieben stand.

»Reekha«, sagte sie übertrieben freundlich, »ich dachte, Sie wären bei den Spielen unabkömmlich? Kann ich etwas für Sie tun?«

»In der Tat können Sie das. Lassen Sie die Wasserspeier abschalten! Oder haben Sie keine Ahnung von den Bedürfnissen meiner Art?«

Die Matriarchin fuhr sich mit der Hand durch die roten Haare und riss ihre Augen noch weiter auf.

»Oh, das tut mir leid«, sagte sie, und ihre Stimme klang wie die robotische Pflegeeinheit, die seinen Sohn Sayoaard betreute. »Ich werde sofort die entsprechenden Befehle geben.«

»Tun Sie das!«, sagte er. »Und wenn Sie schon beim Kommandieren sind, lassen Sie auch die Prallfelder am Kletterfelsen abschalten.« Mit einem Wink unterbrach er die Verbindung.

Neben den Bänken, wo die Kletterer ihre Utensilien abgelegt hatten, blieb Novaal stehen. Er wartete, bis alle auf ihn aufmerksam wurden, ehe er über blaugrünes Moos zur Startlinie schritt. Lieber hätte er Sand unter den Füßen gehabt, aber er wollte Belinkhar nicht noch weiter demütigen. Die Mehandor hatten es nicht verdient, dass ihr Garten von seinen Leuten verwüstet wurde. Deshalb hatte er von Belinkhar keinen Wüstensand gewünscht, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, diese Forderung bei ihr durchzudrücken. Aber auch ohne Sand war der Rahmen auf KE-MATLON um einiges eindrucksvoller als ein Hangar der KEAT'ARK, der die Alternative für die Austragung der Spiele gewesen wäre.

Novaal blinzelte mit allen drei Augen, als er Tirkassul unter den Soldaten sah. Jeder Naat versuchte in den Spielen, seine offenen Rechnungen zu begleichen. Aber der Kommandant der ITAK'TYLAM ...?

»Vere'athor!« Tirkassul schlug sich zur Ehrbezeugung mit der Faust auf das blaue Planetensymbol auf der linken Brustseite der Uniform.

»Sek'athor!«, antwortete Novaal. »Möge der Schlechtere verenden!«

Ta-moas schlägt Nert-moas, oder Hochedler schlägt Erhabenen, wie die arkonidischen Adeligen zu sagen pflegten – oder wie bei Tirkassul und ihm ein paar Hierarchieebenen tiefer, Dreiplanetenträger gegen Einplanetenträger. Was versprach sich Tirkassul von diesem Kampf? Dabei hatte Novaal selbst den Kommandanten der ITAK'TYLAM zu seinem Stellvertreter ernannt, nachdem er dem toten Krineerk die letzte Ehre erwiesen hatte. In einem Torpedo der KEAT'ARK hatte sein ehemaliger Stellvertreter seine letzte Reise in die orangefarbene Sonne angetreten.

Hatte er Tirkassul jemals schlecht behandelt? Novaal konnte sich an keine Gelegenheit erinnern. Aber welche persönlichen Animositäten Tirkassul auch gegen ihn hatte – Novaal hatte nicht vor, ihn im Freiklettern gewinnen zu lassen.

Tirkassul hatte seine Uniform gegen ein elastisches Sportoutfit getauscht, doch Novaal widerstrebte es, für diese harmlose Sportart die schwarzsilberne Uniform auszuziehen. Auch die gewöhnlichen Stiefel reichten für die lächerliche Gravitation völlig aus, da benötigte man keine Spezial-Adhäsionsschuhe, wie sie sein Stellvertreter und die Arbtanen trugen.

Ein riesiger Scheinwerfer, der hoch über dem Felsen an den Streben der Außenhaut befestigt war, beleuchtete das Starterfeld. Das Flimmern rund um den Felsen verschwand und zeigte an, dass die Prallfelder, die zuvor kletternde Mehandor vor dem Absturz bewahrt hatten, abgeschaltet waren. Der umprogrammierte Kampfroboter an der Startlinie hatte es ebenfalls bemerkt, denn er aktivierte seine rot leuchtenden Sensoraugen.

»Auf die Plätze!«, kommandierte der Roboter, der im Kampfeinsatz von den Soldaten die Befehle erhielt.

Immer nur Krieg, dachte Novaal. War das die Quintessenz seiner Existenz?

Er stellte sich am äußersten rechten Rand direkt neben dem Robotschiedsrichter auf. Damit erreichte er, dass nur zu seiner Linken ein Gegner Richtung Felsen lief und er selbst freie Bahn hatte. Er spannte die Bauchmuskeln an und atmete mehrmals tief ein, spürte dem Atem nach, wie er die Bronchien durchströmte und durch den Mund wieder austrat. Normalerweise reichten ihm fünf Atemzüge, um jenen Zustand der Ruhe zu erreichen, den er benötigte, um Körper und Geist auf die bevorstehende Aufgabe vorzubereiten. Aber diesmal wollte es nicht so recht klappen. Zu sehr hatte ihn Sergh da Teffrons Erpressung erschüttert. Der Arkonide hatte seinen Sohn Sayoaard in seiner Gewalt und zwang ihn, die topsidische Festung im Tatlira-System binnen einer Woche dem Erdboden gleichzumachen, sonst ...

Der Arkonide plante etwas Großes, wenn er sich so versicherte, dass er das besetzte System auch wirklich überrannte.

Novaal verzog den Mund. Er wollte nicht mehr an den hageren Alten denken, nein, er durfte nicht. Er musste seine Fassung wiedergewinnen, und das möglichst rasch, am besten noch, bevor die Flotte vom Gespinst ablegte.

Konzentriere dich!

Er atmete tief aus und suchte in seiner Erinnerung nach Gelassenheit, nach dem schmalen Grat zwischen Ruhe und Erregung, der Sieger ausmachte ...

»Los!«

Das Kommando des Roboters störte Novaals Konzentration, doch die Einheit von Körper und Geist, wie jeder Kampfsport es lehrte, war bereits erfolgt. Seine Beine bewegten sich wie von selbst, schoben ihn über das Moos vorwärts, das die Sohlen seiner Stiefel wie eine Sprungfeder abstieß.

Tirkassul und Faluuan, ein Frischling, den ihm ein Rekrutierungsbüro beim letzten Zwischenhalt in einer Werft als Funkanwärter umgehängt hatte, hatten den besten Start hingelegt. Die geringe Schwerkraft ließ die Naats in einer Geschwindigkeit über den Boden gleiten, die sie in ihrer Heimat nie erreicht hätten. Der Kletterfelsen flog förmlich auf Novaal zu. Trotzdem hatte Tirkassul einen leichten Vorsprung herausgelaufen: Er sprang bereits auf den ersten Felsvorsprung hoch, der in Kopfhöhe aus dem Gestein ragte.

Faluuan war noch immer auf gleicher Höhe mit ihm, während Tirkassul die Finger schon in den handbreiten Spalt zwängte, der bis zu einem Felsüberhang weit über ihnen reichte. Novaal konzentrierte sich auf seine eigene Route, aber es gelang ihm nur bedingt. Viel zu oft schielte er zu seinen beiden Gegnern hinüber, die weitaus leichtfüßiger als er die Wand hochkletterten. Zumindest kam es ihm so vor, als hätte er Trainingsgewichte an den Füßen.

Seine Gedanken schweiften von der Wand ab und hin zu Sayoaard. Er kletterte nicht länger einen Kunstfelsen auf KE-MATLON empor, sondern den abgeschalteten Antigravschacht einer Spezialklinik auf Aralon hoch, wo sein Sohn auf ihn wartete.

Verdammt! Um ein Haar hätte er die brüchige Stelle im Gestein nicht bemerkt und wäre abgestürzt. Aber die Routine und die langen Jahre der Schulung ließen ihn mit einer Schnelligkeit reagieren, die er seinem angespannten Zustand gar nicht zugetraut hätte. Trotzdem musste er vorsichtiger sein!

Den überhängenden Felsen nutzte er, um für einen Moment innezuhalten. Sein Körper mochte noch so durchtrainiert sein, wenn der Geist nicht mit ihm harmonierte, brachte das rein gar nichts. Die Regeln des Dagor, übergegangen in Fleisch und Blut, übernahmen die Kontrolle und stießen ihn brutal auf die Ursachen für seinen Stress. Er musste den Schwerpunkt seiner Gedanken verschieben, weg von Sayoaard und da Teffron, hin zum Hier und Heute und zu der Aufgabe, die auf ihn wartete.

Er wusste, dass er dem Todeskommando nicht entrinnen konnte, aber tief in seinem Innern ahnte er, dass er eine winzige Chance besaß. Den Befehl von da Teffron zu missachten hieße Meuterei – und auf Meuterei stand im Imperium die Todesstrafe für ihn und all seine Männer. Aber wenn er die Schlacht überlebte, konnte er – er ganz allein und ohne seine Leute zu gefährden – sich an dem überheblichen Arkoniden rächen. Er würde ihn finden!

Im selben Moment änderten sich seine Wahrnehmung und seine Einstellung. Er sah den Pfad zum Gipfel in klarer Deutlichkeit, genauso wie er seine persönliche Motivation erkannte. Es ging nicht mehr darum, in diesem Wettkampf seine Gegner zu besiegen. Nein, er musste seine eigenen Schreckgespenster verjagen, seine eigenen inneren Blockaden auflösen. Nur so konnte er gestärkt in die härteste Schlacht seines Lebens ziehen. Mit einem bewussten Atemzug aktivierte er die letzten Reserven seines Körpers – und sprang.

Novaals Arme schienen sich auf das Doppelte zu verlängern, während er auf den einzigen Griff am äußeren Rand des Überhangs zuflog. Den Aufschrei der Zuschauer nahm er nur am Rand wahr und auch nur seltsam gedehnt, als liefe die Zeit langsamer ab. Er krallte sich an dem winzigen Vorsprung fest, während der Schwung seine Beine über den Rand hinwegkatapultierte.

Bevor sich sein Körper überschlug, fasste er mit der Linken hastig nach einer Erhöhung im Gestein. Die Rechte folgte, und Novaal klappte zusammen wie ein Taschenmesser aus dem Notfallpack für gestrandete Raumfahrer. Als er mit den Zehen auf der Abbruchkante landete, brandete hinter ihm der Applaus auf. Er hörte ihn kaum. Er musste weiter.

Die Griffe im nächsten, senkrechten Abschnitt bestanden aus kleinen Löchern, in denen nur die Kuppen von zwei Fingern Platz fanden. Novaal zog sich an ihnen hoch, während er die Beine gegen den Felsen drückte. Für Mehandor mit ihren zierlichen Händen mochte dieser Teil der Route einfach sein, doch für ihn wäre er bei normaler Schwerkraft unmöglich gewesen.

Von weit links kam ein unterdrückter Schrei. Ein Naat ruderte mit den Füßen und einer Hand in der Luft. Nur die andere Hand hielt ihn am Felsen fest. Der Farbe seines Anzugs nach konnte es nur Tirkassul sein, der da in schwindelnder Höhe um sein Gleichgewicht rang. Langsam gingen die unkontrollierten Bewegungen in ein gesteuertes Pendeln über, und Tirkassul schaffte es, sich mit der anderen Hand festzuhalten.

Novaal kletterte weiter und überholte den Kommandanten der ITAK'TYLAM, den der Ausrutscher die Führung gekostet hatte. Das Ziel am Gipfel vor Augen gab ihm neue Kraft. Er registrierte, dass Faluuan inzwischen seine Route verlassen hatte und unter ihm kletterte. Das löste einen Endorphinschub aus, der Novaal die letzten Schwierigkeiten meistern ließ. Der lediglich fingerbreite Riss im Gestein war eine Erleichterung, denn dort hielten seine Finger fast wie von selbst. Eine letzte Kante noch, über die er sich mithilfe der Beine hochziehen musste, dann hatte er es geschafft.

Heftig atmend blieb er liegen. Wie durch Watte drangen die Jubelschreie der Soldaten an sein Ohr. Er musste aufstehen, durfte keine Schwäche zeigen.

Schwerfällig zog er die Arme an den Körper und schob sie unter den Bauch. Sein Atem pfiff wie ein Sandläufer, aber das ungewohnte Geräusch gab ihm Kraft. Er stützte sich auf, erst auf die Knie, dann wuchtete er seinen Körper hoch.

Auf den Plattformen rings um den Felsendom im »Garten der Nham« erhoben sich seine Männer und applaudierten. Diese Soldaten würden mit ihm durchs Feuer gehen, und wenn es sein musste, auch durch das Feuer der Topsiderfestung ...

Novaal drehte sich im Kreis, um die Szenerie in sich aufzunehmen. Die Arkonitstreben zwischen den Sitzreihen glitzerten in rotgoldenem Licht. Über den Köpfen der Soldaten hingen die beiden fernen Sonnen vor dem Dunkel des Weltalls. Novaal fühlte sich beinahe wie auf dem Trainingsplaneten, nur dass er kein Rekrut war wie damals, sondern der Kommandant all dieser Naats, die ihm nun ihre Ehre bezeugten.

Auch Tirkassul kam über die Felsenklippe herauf. Er schwankte, aber nur für einen Moment. Dann kam er näher und blieb vor Novaal stehen.

»Möge ich verenden«, sagte Tirkassul im Brustton der Überzeugung und schlug sich mit der Faust auf die Brust.

»Ohne Ihr Missgeschick hätte ich keine Chance gehabt«, antwortete Novaal.

Tirkassul machte eine verneinende Handbewegung und half dem sichtlich gezeichneten Faluuan, der als Dritter den Gipfel erreichte, nicht umzukippen.

Ehe die Zuschauer zu den Ringkämpfen weiterzogen und die Scheinwerfer über dem Felsen abgeschaltet wurden, verneigte sich Novaal noch einmal. Dann beorderte er über Funk seinen eigenen Schweber zum Gipfel.

Novaal wechselte von Wettkampf zu Wettkampf, und die Spiele entfalteten ihre segensreiche Wirkung. Die Panik, die da Teffrons Erpressung in ihm ausgelöst hatte, ebbte ab. Die Sorge um seinen behinderten Sohn blieb, aber sie machte ihn nicht länger handlungsunfähig. So konnte er sich gestatten, an Sayoaard zu denken.

Außerdem galten seine Gedanken Perry Rhodan und den Menschen. Sie waren wie Arkoniden und waren es doch nicht. Novaal respektierte sie – und er spürte, dass Rhodan ihn seinerseits respektierte. Aber er fragte sich, was Rhodan mit Crest da Zoltral und Thora da Zoltral verband.

Warum wollte Sergh da Teffron die beiden Arkoniden unbedingt in seine Hand bekommen? Gegner des Regenten gab es im Imperium mehr als genug ...

Und was wurde wohl aus den zweihundert Menschen, die er auf da Teffrons Befehl bereits tiefer in das Gebiet des Imperiums hatte bringen lassen? Nichts Gutes, ahnte er – und in ihm reifte eine Entscheidung heran.

Schließlich gab er einen Befehl und ließ Toreead, den er zu seinem persönlichen Diener gemacht hatte, zu sich kommen.

Danach beobachtete er die Ringkämpfe, die parallel auf Dutzenden von kreisrunden Arenen stattfanden, ohne jedoch selbst einzugreifen. Dafür hatten sich viele Naats angemeldet, die sich auf ihre Weise seelisch reinigen wollten. Selbst die Positronik der KEAT'ARK hatte sich außerstande gesehen, ein Turniersystem zu planen, nach dessen Ende ein einziger Sieger als Gewinner der 247. Grenzpatrouille feststand. Dafür gab es unzählige Sieger in Zweierpartien oder den Meisterschaften von Raumschiffsebenen oder Beibootbesatzungen.

Besonders interessant fand er es, dass gleich eine ganze Liga von Unteroffizieren ihren Kommandanten zum Duell im Ringen herausgefordert hatte. Was immer der Vorgesetzte angestellt haben mochte, spätestens bei der zehnten Kampfpaarung bereute dieser, was er seinen Leuten angetan hatte.

Die Medoroboter hatten einiges zu tun. Aber meist handelte es sich um Verletzungen, die innerhalb der nächsten Tage kaum mehr sichtbar sein würden: Soldaten humpelten an ihm vorbei oder trugen Kameraden zurück aufs Schiff.

Das Ringen stammte aus den archaischen Zeiten der naatischen Zivilisation. Versteckt in einem abgelegenen Felsental hatten arkonidische Archäologen Wandzeichnungen von Zweikämpfen gefunden. Alle Standardgriffe waren vertreten, vom Spaltgriff bis zum Armzug, mit klobigen Kohlestiften auf den hellgelben Felsen gekritzelt. Aus dieser Periode stammte also das gewöhnliche Ringen im klassischen Naat-Naator-Stil, den spätere Generationen nach den ersten beiden Wiegen ihrer Kultur benannt hatten. Novaal jedoch interessierten die Freistil-Varianten viel mehr, die ausschließlich den Offizieren vorbehalten blieben.

Während beim Ringen der Gegner mit beiden Schultern auf den Boden gezwungen werden musste, endete ein Kampf im Freistil erst, wenn einer der beiden Gegner durch Abklopfen aufgab, ohnmächtig wurde und k.o. ging, oder der Robotschiedsrichter den Kampf wegen Gefährdung des Lebens eines der Kontrahenten abbrach. Die Fixierung der Schultern bedeutete hier nicht den Sieg, denn selbst aus der Rückenlage heraus hatte Novaal schon einige Gegner besiegt. Und Freistil bedeutete Kampfsport pur, denn dabei war fast alles erlaubt. Schläge und Tritte, Hebel und Würgen, ja sogar Hiebe mit Knie und Ellenbogen oder Rammstöße mit dem Kopf machten den Kampf erst richtig spannend. Nur Angriffe gegen die Augen und das Töten des Gegners selbst waren in der Sportversion klarerweise verboten.

Der legendäre Großmeister Muaal hatte den Freistil aus Selbstverteidigungstechniken im Straßenkampf entwickelt. Zu Tausenden waren die Zuschauer in die Arenen gepilgert, um Muaal und seine Gladiatoren kämpfen zu sehen. Erst später hatten die Militärs erkannt, dass man diesen Kampfstil auch in der Praxis einsetzen konnte. Er wurde auf aufwieglerischen Planeten eingesetzt, wo Waffengewalt allein keine Aufrührer beeindruckte. Aber geschickt gestreute Aufzeichnungen, in denen ein riesiger Naat einen Arkonidenabkömmling fertigmachte, konnte die Moral der Aufständischen schnell brechen, besonders wenn es sich bei dem Toten um einen ihrer Anführer handelte.

Inzwischen war es längst Nacht auf dem Gespinst geworden. Nicht, weil die Station in den Schatten des Planeten eingetreten war, nein, das passierte auf dieser Umlaufbahn viel zu oft, sondern weil die Nanobeschichtung auf dem Glassit der Kuppel auf lichtundurchlässig geschaltet worden war. Die Mehandor simulierten damit den Tag-Nacht-Rhythmus eines echten Planeten, obwohl Novaal nicht wusste, auf welchen sie sich bezogen. Er kannte die Händler hauptsächlich von ihren Raumstationen und fliegenden Verkaufshallen ähnelnden Schiffen.

Novaal sah auf seinen Kommunikator. Ein neuer Tag war angebrochen, und ein allerletzter Kampf stand noch auf dem Programm – sein Kampf.

Er schritt auf den Käfig zu, der extra für die Kämpfe unter den Offizieren errichtet worden war. Für die gewöhnlichen Ringkämpfer reichte eine kreisrunde Fläche aus, die sie nicht verlassen durften. Beim Freistil gab es zusätzlich eine martialisch aussehende Absperrung aus Maschendrahtzaun, die überdies seitlich und oben durch ein energetisches Prallfeld gesichert wurde – deshalb der Name. Ein kreisrunder Käfig stellte andere taktische Anforderungen als ein eckiger Boxring, wo der Gegner leichter in eine Ecke gedrängt werden konnte. Zudem sollte er verhindern, dass einer der Kämpfer aus dem Ring geworfen wurde.

Novaal überkam trotzdem ein Schauer. Der Maschendrahtkäfig suggerierte Gefahr – das beklemmende Gefühl des Eingesperrtseins, dem Gegner ausgeliefert zu sein. Dazu kam der mehr psychologische Effekt: Es gab keine Möglichkeit zur Flucht.

Rund um den Käfig waren Tribünen aufgebaut worden, deren Sitzreihen von Holos gesäumt waren, damit jeder Besucher seine eigenen Zeitlupenstudien betrachten konnte. Bestimmt hatten sie auch ihre Virto-Schiedsrichter aktiviert, damit ihnen kein einziger Regelverstoß entging.

Er konnte im Rund neben Tirkassul auch die anderen Kommandanten seiner Flotte sehen. Kendeel, der Kommandant der ENIAOS, war trotz seiner drei verschwollenen Augen, die ihm Novaal in einer der Vorrunden verpasst hatte, gekommen. Selbst Belinkhar, die Matriarchin der Station, hatte sich eingefunden, um dem letzten Kampf beizuwohnen.

Täuschte er sich, oder sah die Mehandor ihn voll Mitleid an? Oder durchschaute sie den Sinn der Kämpfe zwischen seinen Leuten?

Von den anderen Wettkampfarenen strömten die Zuschauer herbei. Novaal erkannte die Besatzung der KEAT'ARK III, die stumm grüßend an ihm vorbei zu den letzten freien Plätzen marschierte.

Unvermittelt ging ein Dutzend Scheinwerfer an, die den goldenen Weg vor ihm aus der Dunkelheit rissen. Mammutwedel schienen sich vor ihm und seinem Gegner, Waffenoffizier Hardiim vom Schweren Kreuzer KATMAR, zu verneigen. Der Schiedsrichter, ein klobiger Robot mit spindeldürren Armen und Beinen, öffnete die Tür zum Käfig. Er musterte Hardiim und Novaal aus roten Sensoraugen und ließ sie eintreten.

Novaal überschritt die Schwelle. Die beiden Plastiktonnen am Eingang ignorierte er, denn sie enthielten nur Handtücher – die eine frische, die andere blutige.

Etwas zerrte an seinem linken Knie. Schon der erste Schritt im Inneren des Käfigs kostete ungewohnt viel Kraft.

Das kann nur ein künstliches Gravitationsfeld sein, dachte er. Kendeel hatte ganze Arbeit geleistet und für heimatliche Verhältnisse gesorgt. Novaal war ihm dafür dankbar, denn bei seinem Training auf der KEAT'ARK benutzte er stets einen Mikrogravitator. Alles andere wäre ihm nur schwächlich vorgekommen.

Novaal blieb stehen und atmete tief ein. In der Arena roch es nach Schweiß und Blut – viel Blut.

Aber dies war nicht das Blut der Niederlage, sondern jenes der Ehre. Allein im Kampf Mann gegen Mann bei den Spielen anzutreten mehrte die Achtung des Gegners.

Hardiim stürmte an ihm vorbei ins Zentrum des Kreises und wirbelte herum. Ehe Novaal reagieren konnte, sprang der Feuerleitoffizier auf ihn zu. Breitbeinig landete er eine Armlänge vor Novaal. Sand spritzte zur Seite. Aufgewirbelte Steine gellten vom Prallfeld ab und klatschten Novaal gegen die Beinschienen.

Ein spöttischer Ausdruck lag in Hardiims Gesicht. Sein runder Mund und die zusammengekniffenen Augen stellten eine einzige Drohung dar ...

... die Novaal zu ignorieren gedachte. Auge in Auge starrte er seinen Gegner an. Er wusste, sie beide spielten das Mienenspiel von Dominanz und Unterwerfung.

»Den Kampf gewinnst du nur im Kopf.« Muaals Worte schienen aus der fernen Vergangenheit an sein Ohr zu dringen. »Physische Stärke allein vermag das nicht.«

Novaal kniff die beiden seitlichen Augen zusammen. Selbst die schwarzen Äderchen in Hardiims Augäpfeln erkannte er auf diese kurze Entfernung. Die ölig glänzende Haut sollte es wohl Novaal schwer machen, ihn zu packen.

Aber Novaal hatte gar nicht vor, ein Stellungsspiel Schulter an Schulter zu versuchen, bis er mit einem langweiligen Beinfeger seinen Gegner von den Füßen reißen konnte.

Stattdessen unterlief er dessen Arme und umarmte ihn in der Mitte. Er bekam die eigenen Finger zu fassen und hebelte Hardiim hoch, während er sich gleichzeitig nach hinten fallen ließ. Dabei spürte er, wie schwer sein Gegner war – viel schwerer als angenommen, aber nicht so schwer wie die Naatpuppe, die sein Trainer damals mit Bleikugeln anstelle des Kunststoffgranulats gefüllt hatte.

Ein Ruck, und Hardiim, der mit dem Wurf über die Brust nicht gerechnet hatte, flog über ihn hinweg und knallte in zwei Metern Höhe gegen den Maschendrahtzaun.

Novaal hechtete ihm nach. Seine Faust traf Hardiims Oberarm, bevor er selbst knapp über ihm gegen den Zaun prallte. Blitzschnell krallte er sich in die Maschen, zog beide Beine an und trat nach dem fallenden Gegner.

Hardiim stieß sich von der Barriere ab, doch Novaals Tritte sorgten dafür, dass er mit dem Rücken auf dem Boden landete. Novaal ließ sich fallen, doch bevor er Hardiim festpinnen konnte, war dieser aus der Reichweite seiner Arme gerollt.

Novaal sprang hoch, aber Hardiim war einen Tick schneller. Der Offizier deckte ihn mit einer Serie von Faustschlägen gegen den Kopf ein. Als Konter brachte Novaal zwei Fußtritte gegen das Becken des Gegners an.

Hardiim wich einen Schritt zurück. Er presste die Hand auf die Hüfte und schüttelte einen Fuß aus, bevor er wieder vorwärtsstürmte. Sein Kniestoß traf Novaals Deckung.

Dafür fanden Novaals Schläge gegen den kurzen Hals des Gegners ihr Ziel. Hardiim keuchte vor Anstrengung. Nur unter Aufbietung aller Kräfte schlug er in einer Viererkombination mit beiden Händen und Füßen gegen Novaals Bauch.

Verdammt!

Zu langsam.