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Mitten in Terrania, der Hauptstadt der Erde, wächst eine gigantische Stele aus dem Nichts. Sie spukt einen geheimnisvollen Mann aus, der sich Peregrin nennt. Er weist der Menschheit den Weg zu einer neuen Bedrohung – Perry Rhodan muss zu den Magellanschen Wolken aufbrechen, den rund 200.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Zwerggalaxien. Rhodan reist mit der SOL, dem mächtigsten Raumschiff der Menschheit. Am Rand der Galaxis stoßen die Menschen auf den Chronopuls-Wall, eine Barriere aus Sternen und Zeit. Sie soll die Milchstraße vor einer bislang unbekannten Gefahr beschützen. Der mysteriöse Peregrin erweist sich als Gesandter einer fremden Macht. Im Zentrum der Großen Magellanschen Wolke wartet seine scheinbar unüberwindliche BURG. Wird sie von den falschen Kräften aktiviert, ist alles verloren ...
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Seitenzahl: 2185
Veröffentlichungsjahr: 2023
Mitten in Terrania, der Hauptstadt der Erde, wächst eine gigantische Stele aus dem Nichts. Sie spukt einen geheimnisvollen Mann aus, der sich Peregrin nennt. Er weist der Menschheit den Weg zu einer neuen Bedrohung – Perry Rhodan muss zu den Magellanschen Wolken aufbrechen, den rund 200.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Zwerggalaxien.
Rhodan reist mit der SOL, dem mächtigsten Raumschiff der Menschheit. Am Rand der Galaxis stoßen die Menschen auf den Chronopuls-Wall, eine Barriere aus Sternen und Zeit. Sie soll die Milchstraße vor einer bislang unbekannten Gefahr beschützen.
Der mysteriöse Peregrin erweist sich als Gesandter einer fremden Macht. Im Zentrum der Großen Magellanschen Wolke wartet seine scheinbar unüberwindliche BURG. Wird sie von den falschen Kräften aktiviert, ist alles verloren ...
Cover
Vorspann
Band 300 – Sektor Morgenrot
Vorspann
Teil I
Vorspiel: Noyans Fahrtenbuch, 16. Mai 2112
1. Perry Rhodan: Zyklon
2. Perry Rhodan: Die Stele
3. Noyans Fahrtenbuch: Schwund
4. Perry Rhodan: Krankenstand
5. Noyans Fahrtenbuch: Krankenbesuch
6. Perry Rhodan: Amoklauf
7. Noyans Fahrtenbuch: Entführt
8. Perry Rhodan: Das neue Atlantis
9. Perry Rhodan: Unter dem Meer
10. Perry Rhodan: Ein neues, fernes Ziel
11. Noyans Fahrtenbuch: Gute Fahrt
Teil II
1. 20. Mai 2112 – Perry Rhodan: Ein neuer Chefingenieur
2. Perry Rhodan: Thora mal zwei
3. Perry Rhodan: Beta Doradus
4. Perry Rhodan: Zeitinseln
5. Perry Rhodan: Lagebesprechung
6. Perry Rhodan: Die Reise geht weiter
7. Perry Rhodan: Herzschlag der Zeit
8. Perry Rhodan: Peregrin
9. Perry Rhodan: Jede Menge Zuckerwatte
10. Perry Rhodan: Und am Ende die Dunkelheit
Leseprobe Atlantis 2 – 1 – Ben Calvin Hary – Das neue Utopia
Vorwort
Prolog: Perry Rhodan
1. Tyler
Gespannt darauf, wie es weitergeht?
Band 301 – Welt der Cenoten
Vorspann
1. In der Dunkelheit
2. Eiseskälte
3. Sammelfieber
4. Schüttelfrost
5. Unterversorgung
6. Im Fuchsbau
7. Nervosität
8. Angriff
9. Die Posbis kommen
10. Prisenkommando
11. Verdacht
12. Pläne
13. Cenoten
14. Ein gescheiterter Versuch
15. Das Kollegium
16. Zuckerwatte
17. Katzer und Mausbiber
18. Flucht
19. Technik und Tod
20. In die Tiefe
21. Ein Ort, unendlich weit entfernt
22. Psi
23. Todesschrei
24. Gesprengte Fesseln
Band 302 – Labyrinth des Wassers
Vorspann
1. Ein Würfel Rache
2. Sternenstaub
3. Okals Biervulkan
4. Versteckspiele
5. Zisternenzimmerbrunnen
6. Gut durchgegart
7. Besucher
8. Fremdartige Fremde
9. Freiheit!
10. Kundschafter
11. Der Lockvogel
12. Helden in Mülltonnen
13. Im Wasserlabyrinth
14. Geistererscheinungen
15. Erschöpfung
16. PERLENTAUCHER auf Schleichfahrt
17. Die Schneeball-Expedition
18. Flucht und Verderben
Band 303 – Zeit und Zorn
Vorspann
1. Tajá.L596
2. Perry Rhodan
3. Hehyk
4. Perry Rhodan
5. Tajá.L596
6. Perry Rhodan
7. Hehyk
8. Tajá.L596
9. Perry Rhodan
10. Kollel Erk
11. Hehyk
12. Tajá.L596
13. Perry Rhodan
14. Hehyk
15. Perry Rhodan
16. Kollel Erk
17. Tajá.L596
18. Perry Rhodan
19. Gucky
20. Perry Rhodan
21. Perry Rhodan
22. Tajá.L596
23. Perry Rhodan
Band 304 –Amtraniks Zorn
Vorspann
Prolog
1. Reginald Bull
2. Stella Michelsen
3. Reginald Bull
4. Stella Michelsen
5. Reginald Bull
6. Stella Michelsen
7. Reginald Bull
8. Stella Michelsen
9. Reginald Bull
10. Stella Michelsen
11. Reginald Bull
12. Stella Michelsen
13. Reginald Bull
14. Stella Michelsen
15. Reginald Bull
16. Stella Michelsen
17. Reginald Bull
18. Stella Michelsen
Epilog
Band 305 – Die Wasserwelt
Vorspann
1. Ras Tschubai
2. Perry Rhodan
3. Ras Tschubai
4. Sün
5. Perry Rhodan
6. Gucky
7. Sün
8. Perry Rhodan
9. Sün
10. Ras Tschubai
11. Gucky
12. Perry Rhodan
13. Ras Tschubai
14. Perry Rhodan
15. Sün
16. Perry Rhodan
17. Sün
18. Ras Tschubai
19. Sün
20. Perry Rhodan
21. Sün
22. Santo Okal
23. Gucky
24. Ras Tschubai
25. Santo Okal
26. Perry Rhodan
27. Perry Rhodan
28. Santo Okal
29. Perry Rhodan
30. Ras Tschubai
31. Perry Rhodan
32. Ras Tschubai
33. Perry Rhodan
Band 306 – Facetten der Gewalt
Vorspann
1. PERLENTAUCHER
2. Einige Tage zuvor
3.
4.
5. Stunden später
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12. Akkosyrrsystem
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23. PERLENTAUCHER
24. Kuyir
25. PERLENTAUCHER
26.
27.
28.
29. Peregrin
30. Perry Rhodan
31.
32.
33.
34.
35. Onni Tykylainnen
36. Stunden später
Band 307 – Tanz der Magnetare
Vorspann
1. Das Magnetar-Antiprisma
2. Der Tod aus dem Nichts
3. Die Stettaks
4. Das Aroma der Möhren
5. Doppelgänger
6. Der Liktor erwacht
7. Schutz oder Falle
8. Zwiegespräche
9. Im Eis
10. Schwere Verluste
11. Der Grimmouron
12. Flucht
13. Kriechende Kälte
14. Die Intima
15. Atempause
16. Eingesponnen
17. Der Tanz der Magnetare
18. Das Schwarze Loch
Band 308 – Gegen den Wall
Vorspann
Vorspiel: Circulus vitiosus
1. Perry Rhodan
2. Perry Rhodan
3. Sud
4. Perry Rhodan
5. Ras Tschubai
6. Perry Rhodan
7. Ras Tschubai
8. Perry Rhodan
9. Sud
10. Ras Tschubai
11. Perry Rhodan
12. Ras Tschubai
13. Perry Rhodan
14. Sud
15. Perry Rhodan
16. Perry Rhodan
17. Perry Rhodan
18. Perry Rhodan
19. Perry Rhodan
20. Perry Rhodan
Band 309 – Hundert Millionen Jahre
Vorspann
1. Chart Deccon
2. Mentro Kosum
3. Mai Tai Tanaka
4. Chart Deccon
5. Mentro Kosum
6. Chart Deccon
7. Hage Nockemann
8. Nauja Taqtu
9. Amena El Mokhtar
10. Chart Deccon
11. Breckcrown Hayes
12. Chart Deccon
13. Geoffry Abel Waringer
14. Chart Deccon
15. Eric Leyden
16. Corun Han Buhrlo
17. Chart Deccon
18. Geoffry Abel Waringer
19. Donna Stetson
20. Breckcrown Hayes
21. Donna Stetson
22. Breckcrown Hayes
23. Waylon Javier
24. Geoffry Abel Waringer
25. Breckcrown Hayes
26. Hage Nockemann
27. Mentro Kosum
28. Breckcrown Hayes
29. Corun Han Buhrlo
30. Breckcrown Hayes
31. Mentro Kosum
32. Mai Tai Tanaka
33. Breckcrown Hayes
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Band 300
Sektor Morgenrot
Rainer Schorm
Rüdiger Schäfer
Anfang des 22. Jahrhunderts scheint für die Menschheit endlich eine Ruhepause anzubrechen. Die Erde und der Mond sind zurück im Solsystem, es gibt keine Konflikte mit feindlichen Mächten, und die Menschen arbeiten engagiert an der Zukunft ihres kleinen Sternenreichs.
Aber dann wächst Mitte des Jahres 2112 in Terrania, der Hauptstadt der Erde, eine gigantische Stele aus dem Boden. Sie spuckt einen geheimnisvollen Mann aus. Rätselhafte Hypersignale deuten auf eine mögliche neue Bedrohung für die Menschheit hin – Perry Rhodan muss zu den Magellanschen Wolken reisen.
Mit dem mächtigen Raumschiff SOL bricht der Terraner zu den zwei Zwerggalaxien auf, die weit jenseits der Milchstraßengrenze liegen. Doch unterwegs stößt die Expedition auf den Chronopuls-Wall, eine Barriere aus Sternen und Zeit – sie verwehrt den Zugang in den SEKTOR MORGENROT ...
Teil I
Vorspiel
Noyans Fahrtenbuch, 16. Mai 2112
Die große Tour
Noyan flog langsamer.
Die Fehleranzeige seines Busses flackerte immer wieder auf, ohne dass klar wurde, wo der Defekt lag. Noyan war erleichtert, dass diese Probleme erst am Ende seiner Tour durch Terrania auftraten. Der Großgleiter, den er steuerte, war ein hochmoderner Trans 400. Er war doppelt so lang – wenngleich weitaus massiger – wie die historischen Greyhound-Busse, die durch die alten Hollywood-Filme rasten, die Noyan sich gern anschaute. Man nannte Noyan zwar wie die Lenker jener archaischen Fahrzeuge profan »Busfahrer«, in Wahrheit hatte er aber einen Pilotenschein der Klasse 5A. Denn da er Individualrouten bediente, musste er die Verkehrsleitnetze verlassen können.
Er warf einen Blick auf das Hologramm, das ihm den Innenraum des Schwebebusses zeigte. Die dominierende Farbe des Fahrzeugs war Gelb, außen wie innen, bis auf die anthrazitfarbenen Sitzbänke.
Ersteres galt leider auch für seine Dienstuniform der Terrania-Tours. Mit seiner untersetzten, kräftigen Statur sah er deshalb aus wie eine Wespe auf zwei Beinen. Die Farbe war eindeutig nicht nach Noyans Geschmack. Er war schließlich ein stolzer Mongole aus Charchorin, das in der Nähe der berühmten Ruinen von Karakorum lag.
Auf den breiten, bequemen Pneumosesseln hinter ihm saßen derzeit nur wenige Menschen. Die Ausstattung seines Busses war hochwertig, die Beleuchtung dezent. Der Fahrgastraum hätte jeder Wartelounge eines Luxushotels Ehre gemacht. Für die Gäste nur das Beste.
Vor ihnen lag bereits Terranias Stadtzentrum.
»Wir haben den Stardust Tower erreicht«, teilte Noyan seinen Passagieren mittels der überall im Bus verteilten Akustikfelder mit. Dann schob er einige touristische Informationen über das Wahrzeichen der terranischen Hauptstadt hinterher.
»Als ob jemand das nicht wüsste!« Der Kommentar stammte von einem jungen Kerl mit eigenartiger Frisur, die Noyan an eins der essbaren Vogelnester aus der chinesischen Küche erinnerte.
Einer ist immer dabei, dachte er ärgerlich. Ein Das-Letzte-Wort-habe-ich-Fetischist. Na klasse!
Noyan sprach die Erklärpassagen gern selbst, statt dies der Fahrzeugpositronik zu überlassen. Er genoss es, einen gewissen Kontakt zu seinen Fahrgästen zu pflegen – obwohl er üblicherweise nicht allzu gesprächig war.
Die weit mehr als zwei Kilometer hohe Nadel des Stardust Towers ragte in den Nachmittagshimmel über der Gobi. Das Vertikalkabel des alten Orbitallifts teilte das Firmament, als habe es jemand entzweigeschnitten. Zwei Gondeln klebten derzeit unten am Tragseil wie zylindrische Insektenkokons an einem langen Grashalm.
Die Oberfläche des als Bodenanker für den Himmelsfahrstuhl dienenden Gebäudes schimmerte in einem seidenmatten, metallischen Grau; die beliebte Aussichtsplattform saß weit oben. Die Sonne stand bereits recht tief und brachte die Kanten des Wahrzeichens zum Glühen. Es war ein beeindruckendes Bild. Mit dem Stardust Tower konnten die vielen anderen Türme und Hochhäuser ringsum nicht mithalten.
Hinter Noyan war das leise Surren zu hören, das moderne Aufnahmesysteme als Aktivitätssignal von sich gaben. Noyan grinste. Das war typisch: Es hielt die Leute nicht mehr auf den breiten Sitzen. Zwei der verbliebenen zehn Passagiere traten an die kleine Fahrersektion vor, in der Noyan hockte wie ein Greifvogel in seinem Horst. Für einen kurzen Augenblick verspürte er ein Ruckeln, das ihn irritierte.
Sie wollen Perry Rhodan sehen, so klein die Chance auch ist, dachte er amüsiert. Und dank Terrania-Tours werden sie das auch. Es ist seine Stadt, das wird immer so bleiben.
Vor dem Stardust Tower baute sich ein riesiges Hologramm auf, das Perry Rhodan zeigte: einen groß gewachsenen, schlanken Mann mit dunkelblondem Haar und graublauen Augen, der nach oben blickte. Er trug einen recht altmodischen Raumanzug, wie damals, als er mit der STARDUST zum Mond geflogen war.
Dort war er auf die humanoiden Arkoniden getroffen, und danach war die Welt der Menschen nie mehr dieselbe gewesen. Er hatte Terrania gegründet, am 28. Juni 2036, vor 76 Jahren. Trotzdem sah er noch immer so aus wie damals, denn er gehörte zu den relativ Unsterblichen. Allein das war bereits unglaublich.
Die Position des Holos vor der Fassade des Stardust Towers war gut gewählt. Genau dort hatte Rhodan sein Büro. Bei einigen Gelegenheiten hatte Noyan ihn sogar schon persönlich gesehen. Nicht aus der Nähe allerdings. Das lag nicht etwa daran, dass Rhodan Begegnungen mit normalen Menschen aus dem Weg gegangen wäre. Es hatte sich jedoch einfach nicht anders ergeben.
Die zwei Fahrgäste schoben sich noch näher an Noyan heran. Er wusste, was nun kommen würde.
»Können Sie ein wenig zur Seite gehen?«, bat die Frau, die rechts neben ihm stand, eine dürre Asiatin von besonders nervösem Temperament. »Dann haben wir Rhodan und Gucky gemeinsam im Bild.«
Noyan folgte der Aufforderung sofort. Er hatte die kleine Holostatue des berühmten Mausbibers nicht umsonst auf der Frontkonsole des Großgleiters angebracht. Gucky war der wohl bekannteste Außerirdische auf allen von Menschen besiedelten Welten und einer der engsten und ältesten Freunde Rhodans.
Er sah aus wie eine Kreuzung aus Maus und Biber, die großen, runden Ohren und der dichte, braune Pelz verstärkten die Ähnlichkeit. Wenn er die Schnauze öffnete, erschien ein einziger, großer Nagezahn. Der Ilt war hochintelligent und parapsychisch begabt. Noyan hatte sich zwischen einer Plüsch- und einer Holofigur entscheiden müssen. Weil er die Holofigur stärker verändern konnte, war ihm die Wahl nicht schwergefallen.
Drei andere Passagiere gesellten sich hinzu. Im Pilotenbereich des Busses wurde es eng.
»Ist das Ding kaputt?«, fragte die Frau verärgert.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Noyan begriff, dass sie nicht den Holo-Gucky meinte. Nein, die dreidimensionale Wiedergabe von Perry Rhodan flackerte ... und war unscharf.
Noyan kniff die Augen zusammen. Die Hochhäuser der berühmten Skyline von Terrania schienen im Nebel zu verschwinden. Als lege jemand einen starken Weichzeichner über das Panorama da draußen.
Nebel? Verdammt, hab ich Sehstörungen?, dachte er.
Seine letzte Gesundheitskontrolle war gerade mal drei Wochen her. Aber die Frau und die anderen nahmen es ebenfalls wahr. Es lag also nicht an ihm.
Der Bus erhielt einen schweren Schlag – von unten. Anscheinend hatte die Abstandskontrolle versagt, und der Bauch des Gleiters hatte kurz den Straßenboden berührt. Die Passagiere schrien.
»Zurück auf die Plätze!«, befahl Noyan energisch. Die Pneumositze waren mit Prallfeldern ausgestattet, um die Fahrgäste bei Unfällen zu schützen.
Alarmiert registrierte er, dass Teile seiner Positronikkonsole so gut wie tot waren. Ein übles Zeichen. Offenbar hatte er die ersten Warnsignale unterschätzt. Die automatischen Korrektursysteme des Großgleiters reagierten nicht.
»Ist das ... Sand?«, murmelte er verblüfft.
Unter dem Bus quoll eine Wolke hervor. Noyan sah, dass der Straßenbelag Risse zeigte, aus denen etwas rauchartig emporstieg. Dann stob eine dünne Schwade auch aus der Steuerkonsole und den Verschalungen, hinter denen die Technik des Busses saß. Draußen verdüsterte sich das Licht. Alles ging rasend schnell.
»Ein Sandsturm!«, rief eine der Passagierinnen, eine beleibte, ältere Dame mit roten, gekräuselten Haaren.
Sandstürme kamen vor, immerhin lag Terrania in der Wüste Gobi, allerdings nicht im Stadtzentrum, und nicht, ohne dass der Wetterdienst sie frühzeitig ankündigte.
Diese Warnung habe ich wohl nicht empfangen, dachte Noyan. Die Kommunikation ist ausgefallen.
Er spähte prüfend durch die Front- und Seitenscheiben. Der bodennahe Verkehr ringsum war zum Erliegen gekommen. Leute hasteten über den Platz vor dem Stardust Tower, die Köpfe zwischen die Schultern gezogen. Bald würde das Stadtzentrum wie ausgestorben sein. Es war gespenstisch, zudem änderte das Licht seine Farbe. Unter normalen Umständen bekam in einem Sandsturm alles einen gelben Ton.
Noyan traute seinen Augen nicht. Diesmal wurde der Himmel stattdessen rot: eine Mischung aus Kupfer und Scharlachrot. So als drohe die Welt der Stadt mit einem apokalyptischen Untergang. Bald würde der Stardust Tower kaum noch zu sehen sein.
In diesem Moment schwappte eine neue Welle aus Wüstenstaub, oder was auch immer die Partikel waren, gegen den lang gestreckten Gleiter und versetzten ihm einen weiteren wuchtigen Schlag. Es prasselte laut und unangenehm. Die Außenmikrofone übertrugen ein schleifendes Geräusch, das Noyan an einen Sandstrahler erinnerte, mit dem die Techniker die Großgleiter vor einer neuen Lackierung säuberten. Die internen Sicherheitsprallfelder fielen aus, die Passagiere wurden umhergeschleudert und gerieten in Panik.
Die Lagekontrolle des Flugfahrzeugs arbeitete nicht mehr korrekt. Noyan selbst hatte zum Glück rechtzeitig den mechanischen Notfallsicherheitsgurt angelegt. Ohne zu zögern, lenkte er das Gefährt auf eine Parkbucht am Straßenrand ganz in der Nähe zu. Etwas drückte von außen gegen die linke Seite. Er bemühte sich vergeblich, die Richtung zu halten. Er streifte die niedrige Begrenzungsmauer der Parkbucht, als die Landeplatten des Busses ausfuhren. Die letzten Meter rutschte der Gleiter wie auf Schlittschuhen in die Bucht hinein, dann blieb er stehen.
Noyan lehnte sich zurück und wischte den Schweiß von der Stirn. Seine Uniform fühlte sich klamm an.
Er beugte sich nach vorn. Was er sah, war kaum zu glauben. Etwa auf halber Strecke zum Stardust Tower schien sich ein Hügel zu bilden.
Eine Düne? Mitten in der Stadt? Ich werd verrückt!
Wie in einer vulkanischen Eruptionswolke zuckten Blitze durch das Chaos und daraus hervor. Einer davon traf den gelandeten Schwebebus. Übergangslos war alles weiß, und der Donnerlärm machte Noyan beinahe taub.
Gerade noch geschafft!, dachte er. Der Blitz selbst war keine Gefahr. Der Gleiter war ein Faradayscher Käfig.
»Bleiben Sie ruhig!«, sagte Noyan in ein Mikrofonfeld. Erleichtert registrierte er, dass die bordinterne Komanlage noch funktionierte. »Wir sind nicht in Gefahr und können abwarten, bis das Chaos sich legt.«
Kurz darauf tauchten zwei Schemen vor dem Gleiter auf. Der eine war hochgewachsen, der zweite klein, hatte große, runde Ohren und einen biberähnlichen Schwanz.
»Gucky!«, hörte er die dürre Frau rufen. »Das ist der Mausbiber!«
Noyan sagte nichts, ihm blieb die Stimme weg. Der zweite Schemen war ebenfalls nicht irgendwer. In seinem Kopf drehte sich alles.
1.
Perry Rhodan
Zyklon
Perry Rhodan drehte irritiert den Kopf.
Jeder Mensch kannte das Gefühl, wenn man eine Bewegung eher ahnte, als sie wirklich zu sehen; etwas, das knapp außerhalb des Blickfelds geschah. Aber da war nichts!
»Ist alles in Ordnung?« Cameron Haffertys Stimme klang so deutlich, als stünde er direkt vor Rhodan. Tatsächlich aber war der Technische Direktor der Ortungsanlage PUMA auf dem Pluto beinahe sechs Milliarden Kilometer entfernt.
»Ja«, sagte Rhodan. »Etwas hat mich einen Moment abgelenkt. Zur Sache: Wann genau haben Sie den Hyperimpuls angemessen?«
Hafferty hatte das Kommando über PUMA vor sieben Monaten übernommen. Rhodan kannte ihn gut und schätzte seine ruhige Art. Er war ein unscheinbarer Mann, bis auf die Tatsache, dass der Haaransatz extrem tief lag, unmittelbar über der Nasenwurzel. Dazu kamen dichte, schwarze Brauen, die auffällig waagerecht lagen. Es sah aus, als sei ihm eine Pelzmütze in die Stirn gerutscht.
»Vor ... exakt sieben Minuten.« Hafferty kontrollierte den Chronometer. »Und er entsprach genau dem Impuls, den wir am zwölften April 2112 registriert haben. Eine Erklärung kann ich aber noch immer nicht liefern.«
Rhodan schloss kurz die Augen. Dass Hafferty ihn informierte, war eigentlich nicht statthaft. Rhodan hatte zwar ein großzügig ausgestattetes Büro im Stardust Tower, das ihm die Regierung der Terranischen Union, der TU, zur Verfügung gestellt hatte. Allerdings hatte er nur den Status eines »Elder Statesman«, eine eher beratende Funktion ohne exakt umrissenes Aufgabengebiet. Ihm selbst war das recht, denn das politische Tagesgeschäft war für ihn immer eine Pest gewesen, auch wenn er sich nie davor gedrückt hatte.
»Der Ursprung liegt im Sternbild Schwertfisch?«, fragte Rhodan nach.
»Genauer gesagt, in der Großen Magellanschen Wolke. Also an der Grenze zwischen den Sternbildern Dorado und Mensa, dem Tafelberg. Die Berechnung läuft noch, da Messergebnisse anderer Stationen erst langsam eintrudeln, aber ich wette, dass es wieder auf den Dreißig-Doradus-Komplex hinausläuft, den Tarantelnebel.«
»Etwas tut sich im Sektor Morgenrot«, sagte Rhodan leise. »Und es hat mit der Erde zu tun. Ist das Hypersignal stabil?«
»Nein. Wie beim ersten Mal schwächt es sich ab. Es wird voraussichtlich in zwei Minuten verschwunden sein. Es tut mir leid, dass ich mich erst so spät bei Ihnen gemeldet habe. Ich musste zuerst den Dienstweg abarbeiten. Die offiziellen Stellen der TU hatten Priorität.«
Rhodan winkte ab. »Ich bin dankbar, dass Sie mich überhaupt informieren. Ich weiß, dass Sie das nicht tun müssen ... Was ...?«
Er blinzelte. Schleier drifteten vor seinen Augen vorbei. Gleichzeitig wurde die Hyperfunkverbindung mit dem Pluto immer schlechter, bis sie keine zehn Sekunden später komplett zusammenbrach.
Hatte Rhodan die Unschärfe zunächst für eine simple Irritation gehalten, wurde er nun eines Besseren belehrt. Die irritierenden Schleier waren überall. Sie hatten ihren Ursprung in Wänden, Geräten und sogar in der Decke. Er blinzelte erneut, ohne dass es etwas änderte.
»Was ist das?«, murmelte er.
Die Klimasysteme des Büros sollten normalerweise in der Lage sein, solche Vorkommnisse zu verhindern. Ganze Wolken von Schwebeteilchen waren in den Innenräumen des Stardust Towers kaum vorstellbar. Die Schwaden bewegten sich auf die Panoramafenster zu, wo sie sich scheinbar auflösten. Rhodan ahnte, dass sie in Wahrheit nach draußen drifteten, wahrscheinlich durch die atmungsaktiven Poren der Bausubstanz oder feinste Ritzen.
Rhodan schnupperte, roch aber nichts. Was auch immer da durch die Luft schwebte, es war olfaktorisch nicht wahrnehmbar. Einen Brand oder eine Freisetzung gefährlicher Chemikalien konnte er somit ausschließen. Die Atmosphäresensoren hätten ihn in einem solchen Fall ohnehin längst gewarnt. Oder ... waren sie ausgefallen?
Er lauschte. Trotz der guten Schallisolierung des Büros drang Sirenengeheul zu ihm. Nur sehr leise, aber unüberhörbar. Dann erst folgte der interne Alarm. Die grellen Töne wurden von Aussetzern durchzogen wie bei alten Schallplatten, die neben der Musik jede Menge Störgeräusche transportierten: Kratzer, dumpfes Schleifen, Knacken.
Er stand auf und sah sich um. Bis auf die eigenartigen Staubschwaden wirkte alles normal. Er versuchte, die gebäudeinterne Komanlage zu nutzen, und scheiterte. Kein gutes Zeichen ...
Vor ihm flackerte kurz die Luft, und Gucky materialisierte.
Gucky kommt nie ohne guten Grund vorbei, dachte Rhodan. Büros sind ihm ein Gräuel. Er konnte teleportieren. Also haben die Vorgänge zumindest keine fünfdimensionale Komponente.
»Das glaubst auch nur du!«, sagte Gucky empört. »Ich musste mich höllisch konzentrieren, um es hierherzuschaffen.« Wütend klatschte der Biberschwanz auf den Boden.
»Ah! Und das widerstrebt dir ja, wie wir alle wissen.«
»Frechheit! Aber ich seh's dir nach, weil du in einer Abstellkammer residieren musst. Schweres Schicksal. Da bekommt man einiges nicht mit.«
»Wozu auch? Dafür hab ich ja dich! Du weißt über mich erstaunlicherweise immer sehr gut Bescheid. Woher das wohl kommt?«
Rhodan hatte sofort registriert, dass der Ilt aufgeregt war. Häufig spielte Gucky diesen Zustand nur vor, besonders wenn er etwas erreichen wollte. In diesem Fall jedoch war seine Gemütsverfassung echt.
»Bei dir läuft das auch schon ab.« Gucky schniefte kurz und deutete auf eine der unerklärlichen Staubfahnen. »Es ist besser, ich zeig's dir. Nimm deinen Schutzschirmgenerator mit.«
Rhodan stutzte, gehorchte aber. Wahrscheinlich war er der Einzige, der ein solches Gerät im Büro vorhielt. Es war nur ein recht schwacher Projektor, mit dem Aggregat eines Kampfanzugs nicht zu vergleichen. Seine Erfahrung hatte ihn allerdings Vorsicht gelehrt.
Gucky ergriff Rhodans Hand und teleportierte.
Im nächsten Moment standen beide auf dem Freigelände, das den Stardust Tower weitläufig umgab. Etwas zerrte an Rhodan, und er hatte Mühe, sich aufrecht zu halten.
Man hatte in den vergangenen Jahren mehr Platz im Stadtzentrum von Terrania geschaffen. Große Teile in der Nähe des Stardust Towers waren parkähnlich ausgestaltet, andere waren aufwendig mit hochwertigen Porphyrplatten gepflastert worden.
Zu sehen war im Moment kaum etwas davon. Die gesamte Umgebung des mehr als 2200 Meter hoch aufragenden Stardust Towers steckte mitten in einem ... Sandsturm.
Nein, kein Sandsturm, begriff Rhodan. Was da durch die Luft wirbelte und seine Sicht einschränkte, war mit ziemlicher Sicherheit vielmehr derselbe Stoff, den er in seinem Büro bemerkt hatte.
Und es war kein Wind, der die Partikel mit sich riss. Rhodan spürte nicht die leiseste Luftbewegung, nur ein Brennen im Gesicht, wenn Staubteilchen seine Haut berührten.
Die Luft wiederum wirkte beinahe milchig, aber nicht gelb, wie er es von Staubstürmen her kannte. Das Licht war rot und düster.
»Meine Güte!«, hörte er Gucky sagen. »In den paar Minuten ist es sehr viel schlimmer geworden. Man sollte die Meteorologen verklagen.«
Das war ein weiterer Punkt, der Rhodan Sorgen bereitete. Die meteorologische Überwachung Terranias entdeckte Stürme für gewöhnlich extrem zuverlässig, lange bevor sie ihre Maximalstärke und die Metropole erreichten. Vor ihnen tobte kein Wetterphänomen, sondern etwas komplett anderes.
Gucky deutete auf den Boden. Dort quollen dicke Schwaden aus feinen Rissen. »Es kommt sogar von unten. Was für ein Sturm soll das sein?«
Rhodan kniff die Augen zusammen, ohne dass es seine Sicht wesentlich verbesserte. Das Brennen verstärkte sich; er kam sich vor, als sei er in ein Sandstrahlgebläse geraten. Ihm war zudem überraschend kalt. Binnen weniger Minuten musste es einen gewaltigen Temperatursturz gegeben haben.
Das Heulen der Alarmsirenen war überall. Durch sporadische Lücken in den Staubschleiern konnte Rhodan sehen, wie ringsum Menschen aus dem Bereich der wirbelnden Wolken flüchteten. Der Privatverkehr auf den Boden- und Luftstraßen im Umfeld war weitgehend zum Stillstand gekommen.
Nicht weit von Rhodan und Gucky entfernt lotsten Polizisten die Passanten in eine bestimmte Richtung, wahrscheinlich zu einem der Schutzräume. Bestimmt lief die Evakuierung des Stardust Towers auf Hochtouren.
Gucky grinste schief. »Die Stadtverwaltung hat die Verkehrsbetriebe angewiesen, auch den öffentlichen Verkehr umzuleiten, soweit er betroffen ist. Hier geht nichts mehr.«
»Wie weit erstreckt sich der Sturm?«, fragte Rhodan.
»Vielleicht vier Blocks oder etwas mehr. – Aber es ist kein Sturm.« Prüfend fuhr sich Gucky über den Pelz. »Das Zeug bleibt hängen, siehst du? Noch ein paar Minuten, und ich schleppe eine Kruste mit mir herum. Besser, wir verschwinden von hier. Ich dachte nur, du solltest dir die Sache kurz persönlich ansehen. Das ist doch nicht normal.« Er legte den Kopf schief. »Die Sicherheitskräfte haben nicht die leiseste Ahnung, was los ist.« Er unterbrach sich kurz, dann fuhr er fort. »Weißt du, was noch irre ist? Das Zeug ist kalt. Fühlt sich an wie Eisgraupel.«
»Ja, als ob etwas die Wärme aus der Luft absaugen würde«, pflichtete ihm Rhodan bei.
Der Himmel war kaum zu sehen. Rhodan bemerkte, dass es Strömungen inmitten dieses Chaos gab. Die Partikelwolken übten Druck aus. Rhodan hatte den Eindruck, als versuche ihn ein Unsichtbarer nach vorn zu schieben. Welche Energie trieb das Phänomen an? Wind war es nicht, auch wenn der Effekt beinahe derselbe war.
Eine weggeworfene Einkaufstüte fegte vor ihren Füßen über den Platz. Sie blieb an einem abgestellten Gleiter hängen, dessen Chassis durch den Aufprall der Teilchen matt geworden war. Trotz seines Gewichts bewegte sich das Gefährt, wahrscheinlich ein nagelneuer Whistler Run-50. Beim Rutschen entstand ein metallisches, schabendes Geräusch.
Dazu krachte es immer wieder, jedoch aus weiterer Entfernung.
»Kollisionen!«, sagte Gucky. »Sieht aus, als hätten einige besonders Schlaue die Warnungen ignoriert.«
Statt des bisherigen windähnlichen Pfeifens hörte Rhodan ein schmirgelndes Knistern. Die Teilchen, woraus auch immer sie bestehen mochten, rieben aneinander. Rhodan sah erste Funken stieben, dann gesellten sich kleine Entladungen und Überspannungsblitze hinzu. Die statische Elektrizität baute sich immer stärker auf, beinahe wie in der pyroklastischen Wolke eines Vulkanausbruchs. Nun roch er etwas: Ozon und das scharfe, stechende Beißen von Chlor.
Eine Reihe kleiner, bläulicher Blitze zuckte auffällig im Kreis.
»Alles wird zu diesem Punkt dort gesaugt«, stellte Rhodan fest.
Er schaltete den kleinen Schirmprojektor ein, den er sich als Gürtel umgeschnallt hatte. Die energetische Membran legte sich um ihn. Bei Gucky geschah das Gleiche. Sofort reagierte der Individualschutzschirm auf die einprasselnden Partikel. Funken stoben, und eine leichte Rotverfärbung bewies, wie groß die Teilchendichte war.
Keine vierhundert Meter vom Stardust Tower entfernt ballte sich der Staub am Boden zu einer Art Hügel. In dessen Nähe klärte sich die Sicht etwas, als setze sich der Staub dort massiv ab. Der Haufen sah seltsam aus, besonders im oberen Bereich.
Ein anderes Geräusch mischte sich unter das Schmirgeln. Oder war das nur Einbildung? Rhodan war sich nicht sicher. Es war leise, kaum wahrzunehmen.
»Hörst du das?«, fragte er.
Der Ilt sah ihn merkwürdig an, beantwortete die Frage aber nicht. »Da wächst etwas«, sagte Gucky stattdessen düster. »Und es wird viel zu schnell viel zu groß.«
Aus dem Sand- oder Staubhaufen schob sich etwas heraus, das eindeutig nicht natürlich war. Der Querschnitt war quadratisch. Obwohl Rhodan nicht nachmessen konnte, wäre er jede Wette eingegangen, dass die Seitenlängen perfekt identisch waren.
Je weiter das Ding nach oben wuchs, desto mehr ähnelte es einem Kristall. Einem Quader, vielleicht einem rhombischen Prisma. Das Gebilde war anthrazitfarben, an etlichen Stellen sogar tiefschwarz, und die Farbunterschiede bildeten auf der glatten Oberfläche Muster.
Widmannstättensche Figuren, erkannte Rhodan. Netzartige Lamellen wie auf geschliffenen und angeätzten Eisenmeteoriten. Wie kann das sein? Das Ding ist kein Meteorit. Es ist nicht aus dem All herabgestürzt, es bildet sich aus diesem sonderbaren Staub. Zieht es ihn an?
»Das sieht beinahe aus wie ein Abflusstrichter in der Badewanne«, sagte Gucky. »Nur andersherum.«
»Bitte räumen Sie das Areal! Machen Sie den Weg frei!«
Die künstliche Stimme gehörte einem der unzähligen Arbeitsroboter der Stadtreinigung, die überall in Terrania unterwegs waren. Drei davon schwebten an Rhodan und Gucky vorbei. Weitere Anweisungen gaben sie nicht. Für Ordnungsaufgaben waren sie nicht konzipiert. Dass sie sich überhaupt äußerten, war ein Beweis dafür, dass die Stadtverwaltung unterschätzte, was vor sich ging.
Das Gebilde wuchs unaufhaltsam. Rhodan wünschte, er hätte eine Infrarotbrille dabeigehabt. Langwellige Strahlung würde das Gestöber wahrscheinlich besser durchdringen können und ihm eine bessere Sicht ermöglichen. Immerhin konnte er verfolgen, wie sich das Gebilde an der Spitze weiter aufbaute.
Er dachte an Guckys Vergleich. Es war tatsächlich wie ein Zerbröseln, nur umgekehrt. Das Material verdichtete sich, der Monolith schien aus dem Boden emporzuwachsen.
Etwas schepperte. Erst begann ein Roboter zu torkeln, eine Sekunde später die beiden anderen. Kleine Staubfahnen lösten sich aus den Maschinen und vereinigten sich mit dem unheimlichen Wirbel.
»Es wird nicht weniger«, klagte Gucky hustend. »Was ist das für ein Zeug?«
»Irgendein Abrieb? Es stammt anscheinend aus Geräten und Maschinen. Gesund ist das sicher nicht.«
Die drei Roboter prallten auf den Boden, rollten dann auf den Staubwirbel zu. Sie wurden nicht in die Luft gehoben, wie dies bei einem Hurrikan der Fall gewesen wäre. Sie verschwanden in der Anhäufung von Staub, der sich am Sockel des Gebildes nach oben schob.
Der Druck, den die umherwirbelnden Teilchen auf Rhodans Schutzschirm ausübten, war so groß, dass es ihn nach vorn schob.
Gucky verschwand kurz und kehrte mit zwei Atemschutzmasken zurück.
»Nur zur Vorsicht«, sagte er. »Ich hatte ein Kratzen im Hals. Sogar innerhalb der Schirme ist noch genug von dem Zeug. Hoffentlich haben wir nicht zu lange mit der Aktivierung gewartet. Ich glaube nicht, dass ich das in meinem Pelz haben möchte, in meinen Bronchien noch sehr viel weniger. Du vielleicht? Wie hieß der schädliche Kram, den ihr früher mal zum Bauen verwendet habt?«
»Du meinst Asbest? Schon zu meiner Jugendzeit war das kein großes Thema mehr. Aber du hast recht: Manche Dinge sollte man nicht einatmen. Zumindest ich muss mir da kaum Sorgen machen.«
»Da geht's mir doch sofort viel besser!«, meckerte Gucky.
Die Masken ermöglichten ihnen eine von Außengeräuschen ungestörte Unterhaltung über Akustikfelder. Dennoch war Rhodan klar, dass sie nicht vor Ort bleiben konnten. Zumal der Erkenntnisgewinn gleich null war.
»Ich bringe dich etwas weiter weg von dem Ding«, beschloss Gucky. »Schalt kurz noch mal den Schirm aus.«
Sie materialisierten etwa einen halben Kilometer von ihrem vorigen Standort entfernt auf dem Gleiterparkdeck eines Gebäudedachs. Eine Warnbeleuchtung signalisierte flackernd, dass der Bereich zurzeit gesperrt war.
Sogar aus dieser Distanz wirkte das neu entstehende Gebilde imposant. Der Stardust Tower im Hintergrund bot einen guten Maßstab für die Dimensionen, die das Phänomen bereits erreicht hatte. In der rotierenden Staubwolke zuckten nicht bloß Blitze, immer wieder kam es zu kleinen Explosionen.
»Noch mehr Roboter«, vermutete Gucky. »Hört das Ding irgendwann mal auf zu wachsen?«
»Es ragt schon gut einen halben Kilometer auf«, sagte Rhodan. »Und es ist massiv, wie es scheint.«
In dieser Entfernung hatte sich der störende Einfluss des Partikelschwarms etwas abgeschwächt. Während Gucky sich schimpfend den Staub aus den offen liegenden Pelzpartien klopfte, piepste Rhodans Multifunktionsarmband.
Er aktivierte das Kommunikationsmodul, woraufhin Reginald Bulls Kopf in einem Holo direkt vor Rhodan sichtbar wurde. Sein alter Freund hatte unverändert das Amt des Protektors der TU inne, das Rhodan selbst lange bekleidet hatte. Damit war Bull der Dreh- und Angelpunkt in jeder Situation, die eine Gefahr für die Erde oder die Menschen bedeuten mochte.
»Ich wusste, du würdest nicht widerstehen können«, sagte Bull. Er trug das rote Stoppelhaar etwas länger als gewöhnlich – auf Wunsch seiner Partnerin Stella Michelsen, der Administratorin der Terranischen Union.
»Gucky hat mich abgeholt«, sagte Rhodan. »Ich sehe von hier aus mindestens fünf Kameraroboter, die sich dem Gebilde unverantwortlich weit nähern. Sie sehen nicht aus wie Modelle der Sicherheitskräfte. Krohn Meysenhart?«
Bull verzog die Mundwinkel. »Wer sonst? Du hast recht, die Bilder, die sie liefern, sind extrem gut aufgelöst. An der Technik hat er nie gespart. Kennon hat einen Sicherheitsabstand für alle unsere eigenen Gerätschaften angeordnet, nachdem die ersten Arbeitsmaschinen ausgefallen sind. Außerdem parken zwei Vermessungsschiffe der Terranischen Flotte in einem niedrigen Orbit und sammeln alles an Daten, was sie kriegen können. Meysenhart interessieren behördliche Anweisungen aber nicht. Du kennst unseren Reporterfreund ja selbst gut genug.«
»Das tue ich«, bestätigte Rhodan. »Tatsache ist allerdings auch, dass wir ihm wohl beste Bilder aus der Nahzone zu verdanken haben werden.« Er schüttelte den Kopf. »Das Ding erinnert mich an einen ägyptischen Obelisken, eine Stele.«
Bull grinste. »Ich sitze in einer Space-Disk und bin auf dem Weg zu dir.«
»Ah, Gucky hat dich informiert, bevor er mich herbrachte?«
»Selbstverständlich hat er das«, sagte Bull. »Ich bin danach sofort gestartet. Übrigens verjüngen sich Obelisken für gewöhnlich nach oben hin und haben meist eine Spitze in Pyramidenform. Dieses Teil indes ist ein geometrisch strenger Riesenquader mit einheitlich quadratischem Querschnitt. Eine ganz einfache Form; und wenn ich den Messungen trauen darf, sind die Maße bis auf die fünfte Kommastelle perfekt. Wir wissen, wie's aussieht, haben aber nicht die geringste Ahnung, was es ist. Und ob es gefährlich ist.«
»Es wirkt sich jedenfalls auf meine Fähigkeiten aus«, berichtete Gucky. »Es ist nicht wie eine Parafalle oder etwas in der Art. Aber ich muss mich beim Teleportieren sehr viel stärker konzentrieren als sonst. Außerdem höre ich telepathisch etwas ... Es klingt unheimlich.«
»Unheimlich?«, fragte Perry Rhodan. Gucky neigte bisweilen zur Theatralik, aber seine Feststellungen waren ein Alarmsignal. Lebte dieses Gebilde?
2.
Perry Rhodan
Die Stele
»Ich bin auf dem Weg«, sagte Reginald Bull. Er hatte Guckys Bemerkung gehört, und sie beunruhigte ihn offenbar. »Ihr müsstet mich bereits sehen können.«
Tatsächlich näherte sich aus Südwesten ein Schatten, verwischt durch die wirbelnden Wolken.
»Warum umfliegt er das Ding nicht?«, fragte Gucky nervös. »Sein Kurs verläuft direkt über dem Monolithen!«
»Reg!«, rief Perry Rhodan. »Ausweichkurs!«
»Warum das denn?«, fragte Bull verblüfft. »Ich bin viel zu hoch, als dass ... Oh, verdammt!«
Gucky schrie auf. Rhodan erkannte es ebenfalls. Bull verschwand beinahe hinter Partikelschwaden.
Die Space-Disk war nun nah genug, um sie deutlicher zu sehen. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis das Raumboot zu taumeln begann, dann schmierte es ab. Gleichzeitig erlosch das Komholo.
Die Brems- und Korrekturtriebwerke arbeiteten wahrnehmbar nur sporadisch. Sie verzögerten den Absturz, dennoch würde die Landung hart werden.
»Los, runter!«, rief Rhodan. »Er wird in die Parkbucht dort auf der Straße hineinrasen.«
Gucky riss die Augen auf. »Da sind noch Leute drin!« Er deutete auf einen geparkten Großgleiter der Terrania-Tours. Das Unternehmen betreute Touristen, die die Hauptstadt auf Rundfahrten kennenlernen wollten.
Warum hat die niemand da rausgeholt?, dachte Rhodan entsetzt. Wahrscheinlich hatte sich das Gefährt aus dem städtischen Verkehrsleitnetz abgemeldet, um eine individuell handgesteuerte Route zu nehmen.
Der Fahrzeugführer hatte souverän auf den Alarm reagiert und den Schwebebus in eine Parkbucht am Straßenrand bugsiert. Alle Fenster und Türen des Großgleiters waren geschlossen.
Nun schoss Bulls Space-Disk direkt auf diese Parkbucht zu und drohte mit dem Personengleiter zu kollidieren.
Gucky teleportierte mit Rhodan vor den Bug des Busses.
»Ich bräuchte fünf Sprünge um alle Passagiere zu retten!«, schrie der Ilt. »Die Zeit reicht nicht! Ich versuche, Regs Disk weiter abzubremsen. Hol währenddessen du die Leute raus.«
Rhodan rannte auf den Großgleiter zu. Der Terraner war gut zu sehen, denn noch immer verglühten Partikel an seinem wieder aktivierten Schutzschirm.
Als er das Fahrzeug erreichte, öffnete sich bereits die Vordertür. Der Pilot winkte. Offensichtlich erkannte er Rhodan, hielt sich aber nicht mit Geplänkel auf.
»Was soll ich tun?«, rief er.
Rhodan deutete auf eine Freitreppe, die hinter ihm in ein großes, massives Gebäude führte. »Alle raus aus dem Gleiter! Dort hinüber. Kollisionsgefahr.«
Der Pilot, ein untersetzter Mongole, begriff sofort. Er aktivierte die Warnleuchten im Fahrzeuginnern, während Rhodan den Eingang frei machte.
»Alle Insassen verlassen sofort den Gleiter!«, befahl Rhodan. »Halten Sie sich draußen rechts, und nehmen Sie die Freitreppe. Beeilung!«
Er sah über die Schulter. Gucky stand in der Nähe und fixierte die unerbittlich näher kommende Space-Disk. Deren Bremsdüsen waren nun komplett ausgefallen. Er konnte das Gesicht des Mausbibers nicht sehen, die ganze Körperhaltung war allerdings verkrampft. Der Ilt versuchte, das Raumboot mit seinen Parakräften zu bremsen. Eine Space-Disk war kein Leichtgewicht, und ein paar Tonnen Masse zu bewegen, kostete den Telekineten immense Kraft.
Erleichtert bemerkte Rhodan, dass alle Businsassen auf die Aufforderung reagierten. Die meisten davon waren Jugendliche.
Sie sind schlau genug, keine Diskussion anzufangen, dachte er. Hier wäre Bockigkeit unter Umständen tödlich.
Der Fahrzeugführer hatte abgewartet, bis der letzte Passagier das Gefährt verlassen hatte.
Sein Namensschild wies ihn als Noyan aus. Er nickte und starrte nervös in Richtung des Mausbibers. »Gerade noch rechtzeitig.«
Er deutete auf den Monolithen, der im Hintergrund weiter in den Himmel wuchs. Auch der Querschnitt des Gebildes wurde erkennbar größer.
»Ich konnte nicht mehr starten. Nur die einfachen hydraulischen und rein elektrischen Systeme arbeiten noch, keine Ahnung, warum. Was ist das da drüben, in Tengris Namen?«
Jemand sprach mal von einem Finger Gottes, dachte Rhodan. Das passt auf dieses monströse Ding ziemlich gut. Nach einem freundlichen oder gnädigen Gott allerdings sieht es nicht aus.
»Perry!«
Guckys Schrei ließ ihn zusammenzucken. Er sah, wie sich ein flammendes Phantom näherte. Dann erlosch der Prallschirm, der die Space-Disk umgab.
Wahrscheinlich hatte Bull durch die Aktivierung des Schirms verhindert, dass sein Raumboot schon hoch in der Luft auseinanderbrach. Die Folge wäre ein Trümmerhagel gewesen, der große Teile der Innenstadt dem Erdboden gleichgemacht hätte. Die Kehrseite war, dass die Energieblase Guckys Bemühungen zumindest behindert hatte.
Rhodan hoffte, dass auch die Reibung der dichten Staubwolken das Tempo des Diskusfahrzeugs ein wenig aufgezehrt hatte. Bull war schlau genug, das einzukalkulieren.
Der Ilt tat, was er konnte. Bull hatte die Energie führenden Bordsysteme bestimmt abgeschaltet. Entladungen oder Explosionen waren somit unwahrscheinlich, der Aufprall würde dennoch eine Katastrophe sein.
»Kommen Sie, Noyan!«, herrschte Rhodan den Piloten an. Dann weitete er seinen Schutzschirm aus, bis die Energieglocke beide umschloss. Das würde die Schutzwirkung schwächen, aber dieses Risiko musste er eingehen.
Die Space-Disk schlug auf. Gucky brachte sich in Sicherheit. Auch wenn nichts explodierte, glich die Wirkung des Aufpralls einem Bombentreffer.
Der Lärm war ohrenbetäubend. Das Raumboot durchmaß fast dreißig Meter, bei fünfzehn Metern Höhe. Es zerplatzte auf dem Boden wie eine Handgranate. Trümmer und Metallfetzen schossen wie Schrapnelle durch die Luft, schlugen in den Straßenbelag, in umliegende Gebäudewände, und Rhodan ahnte, dass sie im anliegenden Parkbereich kaum einen Baum würden stehen lassen.
Qualm hüllte alles ein. Rhodan packte Noyan und rannte los. Wenn eins der Trümmerteile den Großgleiter zerfetzte, wolle er auf keinen Fall danebenstehen.
Rhodan registrierte, dass sich Bull aus der Polkanzel der Space-Disk hatte hinausschleudern lassen.
Es krachte.
Etwas jagte auf Rhodans Energieschirm zu. Der Schlag fegte Rhodan und Noyan aus der Parkbucht auf eine Mauer zu. Der Aufprall war heftig. Die Prallfeldblase kompensierte den Großteil der Kräfte. Dennoch trieb es Rhodan die Luft aus den Lungen. Als sie auf den Boden schmetterten, platzte das Schutzfeld wie eine Seifenblase.
Gucky erschien, ergriff Rhodan und Noyan, teleportierte dann erneut.
Das Erste, was Rhodan anschließend sah, war ein zerzauster Reginald Bull. Noyan schüttelte sich wie ein nasser Hund. Die erste Teleportation war für jeden Menschen irritierend.
»Sonst bist doch immer du es, der mich zur Vorsicht mahnt«, sagte Rhodan zu Bull.
Der Protektor grinste schief. »Ich wollte dir das auch mal gönnen. Aber ernsthaft: Was läuft hier für ein Spiel?«
»Ich dachte, du wüsstest mehr«, beschwerte sich Gucky. »Da kennt man den Protektor der Terranischen Union, und er ist genauso ahnungslos wie man selbst.«
»Sei friedlich, Kleiner«, wehrte sich Bull. »Ein bisschen was weiß ich durchaus. Ihr seid sicher schon selbst drauf gekommen, dass das kein Sandsturm ist, obwohl es so aussieht. Denn die Partikel, die dieses Chaos verursachen, sind kein Sand, sondern Siliziumkarbid. Das Zeug, das man unter anderem in Schleifmitteln verwendet.«
»Karborund?«, wunderte sich Rhodan. »Wo kommt es her? Vor allem in diesen Mengen?«
Bull holte Luft und musste kurz husten, bevor er antworten konnte. »Eric Weidenburn hat einige seiner Spezialsonden auf das Gebilde angesetzt. Die chemische Analyse ist eindeutig. Man verwendet Siliziumkarbid auch als Halbleiter, es ist überall um uns, in Positroniken und anderen hochtechnischen Systemen. Irgendeine Kraft zieht das Material aus sämtlichen ober- wie unterirdischen Geräten und Bauten der Innenstadt. Da kommt mengenmäßig einiges zusammen ... wie du siehst. Wo diese Halbleiter plötzlich fehlen, kommt es zu Ausfällen der betreffenden Maschinen und Systeme. Etwas sorgt dann dafür, dass sich das Siliziumkarbid an der Stelle drüben beim Stardust Tower sammelt und sich zu dem Quader dort formt.«
»Dieser Monolith besteht daraus?«, sagte Rhodan. »Wieso sollte das jemand wollen? Siliziumkarbid ist keine sonderlich reaktionsfreundliche Verbindung.«
»Vielleicht eine durchgeknallte Kunstaktion?«, spekulierte Gucky.
»Könnte man meinen, nicht wahr?«, sagte Bull. »Auffällig ist übrigens auch die Kälte in der Nähe des Objekts. Das Zeug saugt die Umgebungswärme förmlich auf. Vielleicht ist das der Grund für dieses unheimliche Stöhnen, das man ja mittlerweile auch akustisch hören kann.«
»Gucky?«, fragte Rhodan.
Der Ilt schien zu lauschen. »Nein, das hat direkt mit diesem Quaderdings zu tun. Es lebt nicht, da bin ich sicher, aber es könnte sein, dass etwas Lebendes drinsteckt.«
»Wir stehen womöglich kurz vor einer Massenpanik«, überlegte Rhodan. »Die Menschen werden annehmen, dass dies ein weiterer Angriff auf die Erde ist. Ein außerirdischer Zugriff ...«
Noyan, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, mischte sich ein. »Können wir das denn ausschließen?«
»Nein.« Rhodan biss sich auf die Unterlippe. »Können wir nicht.«
»Der Sturm legt sich«, informierte sie Gucky. »Die Sicht wird besser. Mann, ist das Ding riesig geworden!«
Trotzig reckte sich die Stele, die nun offenbar vollendet war, wie eine gewaltige Felsnadel in den sich nur langsam klärenden Himmel.
»Die Höhe beträgt gute vier Kilometer, wenn ich den Stardust Tower zum Vergleich nehme«, sagte Bull. »Um Himmels willen!«
»Sehen Sie das?« Noyan deutete auf den Monolithen.
Die bis dahin aus der Ferne monochrom anthrazitfarben wirkende Oberfläche veränderte sich. Oder hatte man dies der schlechten Sicht wegen bisher nur nicht wahrnehmen können? Tiefschwarze Flecken wurden sichtbar, die Farbelemente verschoben sich und formten sich zu charakteristischen Strukturen. Er hatte zunächst angenommen, sie könnten Schriftzeichen oder Glyphen darstellen, aber das traf nicht zu. Was das anging, hatte er sich geirrt.
»Widmannstättensche Figuren«, sagte Rhodan. Die hatte er schon entdeckt gehabt, als der Quader noch sehr klein gewesen war und er ihn aus der Nähe gesehen hatte. »Erinnert ihr euch? Belle McGraw hat eine riesige Sammlung von Meteoriten mit solchen Schnittflächen.«
Die netzartig verschachtelten, einander überkreuzenden Lamellenstreifen waren deutlich zu erkennen; die Oberfläche der Stele gewann an Glanz und wirkte nun metallisch.
Unter ihrer kleinen Gruppe tauchten erste Roboter auf und sicherten die direkte Umgebung des Monolithen. Andere kümmerten sich um die Schäden, die Bulls abgestürzte Space-Disk angerichtet hatte.
»Wir müssen uns das ansehen!« Gucky warf Reginald Bull einen schiefen Blick zu. »Oder siehst du das anders?«
Rhodan sah Noyan fragend an. Der Pilot lächelte höflich. »Wenn Sie mich mitnehmen ... vielleicht kann ich helfen?«
»Der Junge gefällt mir!«, kommentierte Gucky. Gleich darauf teleportierte er und nahm Bull sowie Noyan mit. Danach erst holte er Rhodan ab.
»Nicht böse sein«, sagte der Mausbiber. »Du hast schließlich nur beratende Funktion.«
»Wenn du so weitermachst, gibt's Möhrenentzug!«, drohte Rhodan todernst. »So viel Autorität habe ich schon noch.«
»Erpressung? Ernsthaft?«, beschwerte sich der Ilt. »Das hätte ich dir nicht zugetraut. Und ich werd's mir merken!«
Im nächsten Augenblick stand Rhodan vor dem Monolithen und legte den Kopf in den Nacken. Die Höhe war beängstigend, die Massigkeit ebenso. Breite und Tiefe der Stele betrugen sicher mehr als zweihundert Meter, und Rhodan wäre jede Wette eingegangen, dass die Abmessungen so perfekt waren wie zu Beginn des Wachstums.
Die Oberflächenmuster waren exakt, die Linien absolut gerade. Das Gebilde schien direkt aus den Porphyrplatten des Freiplatzes vor dem Stardust Tower herauszuwachsen, er sah nirgends mehr Reste des Siliziumkarbidstaubs. Alles war in den Monolithen integriert worden. Auch die Roboterwracks waren komplett verschwunden.
Perry Rhodan lauschte. Das unheimliche Geräusch, das leise Stöhnen, war immer noch zu hören.
3.
Noyans Fahrtenbuch
Schwund
»Das Ding macht mir Angst«, gestand Noyan.
»Das geht uns genauso«, sagte Rhodan.
Noyan sah ihn überrascht an. Perry Rhodan und Angst? Unmöglich! Eine Legende hatte keine Angst. Aber dann begriff Noyan: Ich tappe in dieselbe Falle wie alle, die ihn hauptsächlich als Helden sehen. Er ist zweifellos etwas Besonderes, aber kein Übermensch. Gut, dass er nicht mal versucht, diesen Erwartungen zu entsprechen.
Sie standen im Zentrum des Schattens, den die mächtige Stele warf.
Der Mausbiber wirkte unruhig. Das musste mit seinen telepathischen Fähigkeiten zu tun haben. Noyan hörte wie alle anderen das unheimliche Geräusch, das einem Stöhnen ähnelte. Gucky jedoch schien es sehr viel intensiver wahrzunehmen.
»Hören Sie das etwa in Ihrem Kopf?«, fragte Noyan.
Der Ilt zeigte kurz den Nagezahn. »Gucky reicht. Und ja, ich spüre, dass in diesem Monolithen etwas drinsteckt. Ob es organisch ist, kann ich nicht sagen – anorganische Wesenheiten wie NATHAN haben ähnliche Ausstrahlungen.«
»Wie kann etwas in dem Ding leben?«, fragte Reginald Bull, der gerade mit der Terra Police und der Solaren Abwehr kommuniziert hatte. Seit der Pseudosturm abgeflaut war, funktionierte zumindest ein Teil der lokalen Technik wohl wieder normal.
»Wie gesagt«, entgegnete Gucky. »Wir wissen nicht, ob es lebt.«
»Ich halte die Einsatzkräfte erst mal zurück«, informierte Bull sie. »Der Bereich bleibt gesperrt, bis wir mehr wissen – auch ob es dort noch immer Ausfallerscheinungen der technischen Systeme gibt.«
»Mein Bus war jedenfalls stark betroffen«, sagte Noyan. »Wenigstens konnte ich noch die Tür öffnen, um die Passagiere hinauszulassen – vielleicht weil dazu keine Hochtechnik nötig war.«
»Du solltest die Sicherheitszone ausweiten«, sagte Rhodan zu Bull. »Wir können nicht sicher sein, dass der Einfluss des Phänomens komplett verschwunden ist. Vielleicht wirkt er schleichend weiter.«
Bull nickte. »Dass die Stele aus Siliziumkarbid besteht, ist zumindest eher beruhigend. Diese Substanz ist an sich nicht gefährlich, nur extrem widerstandsfähig. Ich lese hier, dass es beinahe so hart wie Diamant ist. Es ist in Wasser nicht löslich, um das Grundwasser müssen wir uns also keine Sorgen machen.« Er sah auf eins der kleinen Hologramme seines Multifunktionsarmbands. »Bis achthundert Grad ist es auch gegen Oxidation stabil. Nun – wenn wir eine solche Temperatur bekommen sollten, hätten wir ganz andere Probleme als nur den Monolithen.«
»Das ist positiv, oder?«, erkundigte sich Noyan. »Wissen Sie auch, wo das verdammte Ding herkommt?«
Bull verzog das Gesicht. »Das Material haben wir selbst geliefert, wie's aussieht. Ein unbekannter Einfluss hat das überall ringsum vorkommende Siliziumkarbid aufgebrochen. Wie gesagt, es wird in allen möglichen Gerätschaften als Halbleiter verwendet. Aber was um alles in der Welt könnte so einen Effekt bewirken?«
»Stell dir vor, das wäre im planetaren Umfang abgelaufen«, sagte Rhodan.
Bull wurde blass. »Wir müssen also dankbar sein, dass es nur Terranias Zentrum betraf?«
»Die Schäden dürften trotzdem enorm sein«, vermutete Noyan. »Terrania ist schließlich eine extrem hochtechnisierte Metropole.«
»Gehen wir näher ran«, schlug Gucky vor. »Kommst du mit?«
Noyan zögerte nur kurz.
Als sie direkt vor dem gigantischen Monolithen standen, war dessen Wirkung unglaublich. Noyan hatte das Gefühl, von der Masse erdrückt zu werden. Die unheimlichen Muster taten ein Übriges. Die Oberfläche hatte die Farbe von abgedunkeltem Blei.
»Könnte es eine Maschine sein?«, überlegte Bull.
»Wer würde so etwas konstruieren ... und wozu?«, sagte Rhodan leise. »Denn irgendeinen Zweck hat es ohne Zweifel. Arbeitsgeräusche höre ich aber nicht.«
»Bis auf das gruselige Stöhnen«, merkte Gucky an. »Ich bekomme Kopfschmerzen davon. Es fühlt sich an, als zöge jemand die Kraft aus mir raus. Ganz widerlich. Wenn das eine Maschine ist, sollten wir sie schnellstmöglich verschrotten. Das Ding will niemand haben. Ihr etwa?«
»Hast du den Monolithen telekinetisch abgetastet?«, fragte Bull.
»Nein. Um ganz ehrlich zu sein, auch mir macht das Ding Angst. Ich seh aber zu, was ich tun kann. Weil du's bist ...« Keine fünf Sekunden später berichtete Gucky: »Es ist nicht zu fassen! Als ob man einen Gegenstand mit Schmierseife eingerieben hätte. Im übertragenen Sinn. Ich rutsche telekinetisch ab.«
Noyan sah, wie sich der Mausbiber erneut konzentrierte. Das kostet sicher viel Kraft, sinnierte er. Danach muss er Hunger haben! Isst ein Mausbiber mehr als andere?
»Willst du damit etwa andeuten, ich sei dick?«, fragte Gucky empört. »Aber du hast recht, demnächst könnte ich einen zwei-Kilo-Beutel Möhren vertragen ...«
Im nächsten Moment schrie er schrill. Etwas schüttelte den Ilt durch. Dann fiel er ohnmächtig zu Boden.
Rhodan beugte sich über ihn, während Bull einen Medoroboter anforderte.
»Er ist bewusstlos«, sagte Rhodan besorgt.
»Kann ich etwas tun?«, bot Noyan an.
»Ich denke nicht«, antwortete Rhodan. »Der Puls ist kräftig. Die Temperatur scheint normal zu sein.«
»Die Sanitäter sind gleich da«, kündigte Bull an. »Das Terrania Medical Center lag offenbar außerhalb des Einflusses. Dort funktioniert weiterhin alles reibungslos. Sie holen Gucky ab.«
»Wir sollten uns etwas von dem Ding zurückziehen«, empfahl Rhodan. »Sieht aus, als sei es weniger harmlos, als wir gehofft hatten – zumindest für Mutanten.«
Als der Sanitätstrupp in der Ferne auftauchte, schlug Gucky die Augen auf. Er wirkte in einem Maße gelassen, das unheimlich war. Desinteressiert ließ er den Blick schweifen.
»Gucky!«
»Hm?« Die Reaktion auf Rhodans Ansprache war minimal.
Auch auf die herbeieilenden Sanitäter reagierte Gucky wie auf alles: so gut wie gar nicht.
Besorgt sahen Bull, Rhodan und Noyan zu, wie der Mausbiber abtransportiert wurde.
»Lag das an diesem ... Monolithen?«, rätselte Bull. »Vielleicht am parapsychischen Zugriff?«
»Ich habe keine andere Erklärung«, pflichtete Rhodan ihm bei. »Aus irgendeinem Grund erinnert mich das zudem an meinen Besuch in Naupaum. Dort war man nach einem Transmitterdurchgang vielfach in einem völlig absurden Maß erschöpft. Ausgelaugt.«
»Und wieso erinnert dich das an Guckys Zustand?«
»Es ist nur ein Gefühl«, gab Rhodan zu.
»Hör auf deinen Bauch!«, kommentierte Bull. »Der weiß es besser. Aber ich fürchte, das hilft uns nicht.«
Rhodan drehte sich zu der Stele um und zuckte zusammen.
»Was ist?«
»Da tut sich was!«, sagte Rhodan.
An der Basis des Monolithen entstand Bewegung. Zunächst schien es lediglich die geometrischen Oberflächenmuster zu betreffen, die sich immer schneller gegeneinander verschoben, dann geriet das Material selbst in Fluss. Hatte es zuletzt eine feste Konsistenz gehabt, wirkte es nun beinahe wie Sand. Ein Trichter formte sich, der sich zunehmend eintiefte. Es war, als fräße etwas ein Loch in die Stele.
»Da ist was drin!«, rief Bull. »Gucky hatte recht.«
Am Grund der Einbuchtung erschien etwas, das anfangs nur vage zu erahnen war. Allmählich wurden die Konturen konkreter. Eine grobe, golemähnliche Gestalt wurde sichtbar, ein Humanoide, der förmlich aus dem Siliziumkarbid herauswuchs.
Gerade so, als tauche er aus einer Flüssigkeit auf und werde davon ab- oder ausgestoßen, dachte Noyan. Die Angst war wieder da.
»Hat Gucky das angerichtet?«, fragte Bull.
»Sie meinen, er hat dieses Wesen ... herausgerufen?«, entfuhr es Noyan.
Rhodan sah ihn überrascht an. »Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht«, sagte er leise. »Denkbar wäre es ...«
In der Vertiefung löste sich die Gestalt endgültig vom Material des Monolithen und stolperte nach vorn.
Noyan reagierte ganz spontan. Er trat zu ihm und griff nach dem Fremden. Er spürte Kälte. Eine eisige, furchtbare Kälte. Seine Hand, die den Fremden berührte, war wie erfroren.
»Lassen Sie ihn los, Noyan«, forderte Rhodan scharf. »Sofort!«
Es war schwierig. Die Muskeln reagierten nur langsam, aber dann hatte er es geschafft. Noyan wankte zurück. Die Wärme kehrte in den Arm zurück.
Der Fremde sank in die Knie. Hatte er gerade noch scheinbar aus demselben Material bestanden wie die Stele, änderte sich sein Aussehen nun dramatisch.
Noyan spürte einen stützenden Griff. Ihm war schwindlig.
»Ist das ein Bewohner von Terrania, den der Monolith eingeschlossen hat?«, hörte er Bull fragen.
»Nein, das denke ich nicht«, antwortete Rhodan. »Sieh ihn dir doch an!«
Der Fremde war nackt und vollkommen haarlos, hatte tiefschwarze Augäpfel. Auf und offenbar auch in seiner Haut sah Noyan Einschlüsse und Erhebungen, die wie flache Pusteln wirkten. Sie waren farblos, ähnelten Glas, als habe jemand den Mann mit Flüssigklebstoff bespritzt.
In der durchschnittlich hellen Haut eingelagert waren dunkle Flecken, vielleicht Reste des Siliziumkarbids, aus dem die Stele bestand. Noyan hatte vor langer Zeit mal einen Bericht über einen historischen Unfall mit Dioxin gesehen. Ein wenig erinnerte ihn der Anblick an die Symptome der damals Betroffenen. Chlorakne war der Fachbegriff dafür gewesen.
»Das Zeug bewegt sich auf und in seiner Haut«, sagte Reginald Bull entsetzt. »Ist das ansteckend?«
»Haltet euch erst mal fern!«, entschied Rhodan.
Noyan musste sofort daran denken, dass er den Mann berührt hatte. Als er seine Hand kontrollierte, wurde ihm erneut kalt. Panik stieg in ihm auf. Mindestens fünf schwarze Punkte saßen unter seiner Haut.
Der Fremde stemmte sich auf die Beine, machte ein paar unsichere Schritte. Dann sah er auf und fixierte die Menschen. Der Mund öffnete sich. Die Stimme war furchtbar. Hart, kratzig und schlecht moduliert.
Zu verstehen war nur ein einziges Wort: »Peregrin!«
4.
Perry Rhodan
Krankenstand
Im Terrania Medical Center, dem TMC, herrschte Hektik. Die moderne Klinik, die aus drei großen, kreisförmigen Hauptgebäuden bestand, die mit zahlreichen Brücken verbunden waren, wirkte von außen sehr kompakt. Im Innern präsentierte sie sich weitläufig und hell. Von der imposanten Eingangshalle im vordersten Scheibenbau aus führte ein säulengestützter Wandelgang an der Innenseite der hohen Glassitfassade, die einen freien Panoramablick auf die Grünanlagen draußen bot, rund um den mittig gelegenen medizinischen Bereich.
Trotz der auffällig vielen Menschen hielt sich das Gedränge in Grenzen. Die meisten waren wohl hergekommen, um die Verletzungen behandeln zu lassen, die sie bei Unfällen während der großräumigen technischen Ausfälle im Stadtzentrum erlitten hatten.
Perry Rhodan indes wollte nach Gucky sehen und sich über Peregrin informieren. Er hatte sich bereits auf dem Herweg mit seinem Multifunktionsarmband bei der Klinikpositronik angekündigt. Der Fremde war ebenfalls im TMC untergebracht worden, allerdings in einer Quarantänesektion. Reginald Bull würde später nachkommen.
»Glauben Sie, man wird mich hierbehalten?«, fragte Noyan hinter Rhodan.
Er hörte die Angst in den Worten des Piloten. Die Antwort kannte er nicht, aber falls der Befall an Noyans Hand infektiös war, standen die Chancen nicht gut für den Mongolen, der aussah, als könne ihn normalerweise nichts erschüttern. Diesmal aber schon, bewies die Nervosität, mit der er sich durch das kurze, dichte, schwarze Haar fuhr.
»Kommen Sie mit«, sagte Rhodan so ruhig wie möglich.
Er kannte das TMC recht gut. In den frühen Tagen Terranias war es in der Basis des Stardust Towers untergebracht gewesen, bis der Platz dort nicht mehr ausgereicht hatte. Das Terrania Medical Center war nach den Einrichtungen auf dem Saturnmond Mimas die modernste Klinik im Solsystem. Wenn Noyan irgendwo geholfen werden konnte, dann an diesem Ort. Dasselbe galt für den Mausbiber.
Ein Arzt, dessen Namensschild ihn als Doktor Petrucci identifizierte, kam zielstrebig auf sie zu. Er hatte breite Schultern und einen Stiernacken. Das Haar wies eine eigenartig senfgelbe Farbe auf und war kaum mehr als ein kurzer Flaum auf dem massigen Schädel.
»Mister Rhodan. Wie kann ich Ihnen helfen? Sind Sie Guckys wegen hier?« Die Stimme des Mediziners klang im Kontrast zu seiner kräftigen Statur widersinnig weich und etwas zu hoch.
»Unter anderem«, bejahte Rhodan und deutete auf Noyan. »Sie sollten sich aber zunächst mal seine Hand ansehen.«
»Kommen Sie«, forderte Petrucci sie auf und geleitete sie zu einem Durchgang ins Gebäudeinnere. Kurz darauf betraten sie einen Erstdiagnoseraum. »Nehmen Sie Platz, Mister ...«
»Noyan«, sagte der Pilot.
Der Arzt untersuchte ihn schnell und routiniert. Die befallene Stelle entlockte ihm ein Stirnrunzeln. »Was können Sie mir dazu sagen?«, fragte er.
»Es handelt sich wahrscheinlich um Siliziumkarbid-Einschlüsse«, sagte Rhodan. »Das Material ist technikaffin. Von biologischen Folgen wissen wir bisher nichts.«
»Haben Sie Schmerzen, Mister Noyan?«, wollte Petrucci wissen. »Andere Irritationen oder Empfindungen?«
»Nein, gar nichts«, antwortete Noyan. »Nicht mal, wenn ich draufdrücke. Es ist, als sei da ... nichts.«
Petrucci platzierte Noyans Hand unter einem Medoscanner. »Das ist interessant. Mister Rhodan erwähnte, es könne eine technische Affinität vorliegen. Tragen Sie Implantate, Mister Noyan? Einen koronaren Impulsgeber vielleicht?«
Noyan schüttelte den Kopf. Er schwitzte leicht. Rhodan dachte an den Fremden, der aus dem Monolithen aufgetaucht war. In dessen Haut waren ähnliche Inklusen zu sehen gewesen, allerdings sehr viel mehr davon.
»Gut«, sagte der Arzt. »Das kann ich sofort erledigen. Es ist nur eine kleine Extraktion. Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich einen Holzsplitter eingefangen.«
Noyan entspannte sich. Doktor Petrucci setzte ein stiftgroßes Instrument an, das Fremdkörper mithilfe eines stark fokussierten Traktorstrahls aus der Epidermis zog.
Noyan zuckte zusammen.
»Es tut weh?«, wunderte sich der Arzt.
»Ziemlich«, sagte Noyan.
»Eigenartig, aber wir haben's gleich.« Dann vereiste er den Bereich der Hand großflächig.
Drei der fünf schwarzen Punkte waren bereits verschwunden, schon folgte der vierte. Im Auffangtank hörte Rhodan ein leises Klackern wie von einer Glasscherbe.
Petrucci setzte ein letztes Mal an, als ein Alarm losging. Der Arzt hob erstaunt den Kopf. »Das kommt aus der Quarantänesektion.«
»Der Fremde!«, entfuhr es Rhodan.
»Welcher Fremde?«, fragte Petrucci überrascht. Offenbar hatte man ihn über den exotischen Patienten nicht informiert.
»Bringen Sie mich hin!«, verlangte Rhodan.
Noyan sprang von der flachen Behandlungsliege. Seine Körperhaltung und seine Miene machten klar, dass er mitgehen würde.
Petrucci schüttelte verwirrt kurz den Kopf, aber er öffnete eine Tür, die dem medizinischen Personal vorbehalten war. Auf dem Gang dahinter kamen ihnen bereits nach ein paar Sekunden die ersten Pfleger entgegen. Sie flohen vor etwas ... oder jemandem. Da das Personal des TMC nicht nur gut ausgebildet, sondern auch einiges gewohnt war, musste die Bedrohung massiv sein. Überall flammten rote Warnleuchten auf, Türen schlugen zu und verriegelten sich.
Peregrin!, ahnte Rhodan. Ich wusste, dass er Ärger bedeutet.
»Sind Sie in Ordnung, Noyan?«, fragte er.
Der Pilot winkte ab. »Der Doc hat vier von den Dingern entfernt. Das eine verbliebene wird mich schon nicht umhauen.«
Hoffentlich irrt er sich da nicht, dachte Rhodan.
Der Gang mündete in einen breiten Ringkorridor, der die Quarantänesektion der Klinik umlief. Die Spezialabteilung für parapsychisch Begabte war ebenfalls darin untergebracht. Es gab allerdings nicht mehr allzu viele Mutanten auf der Erde und vor allem nur sehr wenige, deren Psi-Fähigkeiten spürbar ausgeprägt waren. Menschen wie Ras Tschubai, John Marshall oder Josue Moncadas waren Ausnahmen – und Gucky war ein Ilt.
Der Alarmton veränderte sich. Petrucci zuckte zusammen. »Verschlussmodus. Kein Wunder, dass die Leute abhauen. Was um alles in der Welt ist da los?«
Sie erreichten den Quarantänebereich. Die Zugangsüberprüfung war schnell erledigt, weil sich Rhodan ja bereits autorisiert hatte und sie in Begleitung eines befugten Mediziners waren. Momente später blickten sie in ein komplett verwüstetes Patientenzimmer. Jemand hatte das Krankenbett zertrümmert und mit Teilen davon auf die Wände eingedroschen. Zwei Löcher darin waren so tief, dass man die technischen Versorgungsleitungen dahinter erkennen konnte. Ein Rohr aus Leichtmetall, wahrscheinlich Teil der Stützkonstruktion der Liege, lag wackelnd in der Nähe. Jemand hatte es benutzt, um tiefe Furchen in den Boden zu kerben. Im Raum hielten sich bereits drei Männer, eine Frau und zwei Roboter auf.
»Peregrin!«, sagte Rhodan.
»Sie kennen seinen Namen?« Fassungslos starrte Petrucci auf die Verwüstung. »Wer ist das? Und wo steckt er jetzt?«
»Vielleicht haben Sie von den Ereignissen im Stadtzentrum gehört«, erläuterte Rhodan. »Dort ist ein Monolith erschienen – und mit ihm der Fremde. Peregrin war das einzige Wort, das er sagte.«
»Meine Güte, war er schon bei seiner Ankunft so aggressiv?«, wollte Petrucci wissen. »Warum hat man ihn nicht sediert?«
»Er wurde sofort ohnmächtig«, sagte Noyan.
»Die Suche läuft bereits«, meldete sich die Frau zu Wort, ihrer Kleidung nach gehörte sie zum Sicherheitsdienst. »Wenn er weiterhin derart randaliert, dürfte er nicht schwer zu finden sein. Die Solare Abwehr hat sich angemeldet. Wir sollen uns im Zweifelsfall fernhalten. Nachdem ich gesehen habe, was er mit der Einrichtung hier angestellt hat, ist tatsächlich Vorsicht angebracht.« Sie stupste das Metallrohr am Boden an, das daraufhin scheppernd ein Stück weiterrutschte.
Einer ihrer Kollegen untersuchte die zwei Löcher in der Wand. Er war eher schmächtig, seine Finger hätten jedem Pianisten Ehre gemacht. Die Augen waren extrem hell, wie bläuliches Eis, und ein starker Kontrast zum dichten, schwarzen Haar. Er zog Handschuhe an.
»Da sind ... Ablagerungen. Auf jeden Fall gehört dieses Material nicht dahin. Stammt es von diesem Patienten?«
»Krankenakte anzeigen!«, befahl Doktor Petrucci der Klinikpositronik.
Ein Hologramm mit etlichen Bilddarstellungen und Zahlenkolonnen leuchtete zwischen ihnen auf. Das Gesicht des Arztes wurde mit jeder Zeile, die er las, länger. Mit einer Geste vergrößerte er einen optischen Ganzkörperscan von Peregrin.
»Das sind dieselben Einlagerungen, wie Sie sie in der Hand hatten«, sagte der Arzt zu Noyan. »Aber auch diese glasklaren Großpusteln auf seiner oberen Epidermis bestehen aus Siliziumkarbid. Nur ist es hochrein und damit transparent. Ich glaube nicht, dass das eine Krankheit ist. Und Augen wie diese habe ich nie zuvor gesehen.«
Rhodan kannte viele außerirdische Spezies, aber er gab Petrucci recht. Peregrins Augäpfel waren komplett schwarz. Iris oder Pupille waren nicht zu erkennen. Es verlieh seinem Blick etwas sehr Düsteres. Das restliche Äußere verstärkte diesen Eindruck. Der Fremde wirkte auf eine seltsame Art beschmutzt, befleckt.
Unrein!, schoss es Rhodan durch den Kopf. Sofort rief er sich zur Ordnung. Nein – das ist eine kulturbasierte, menschliche Einschätzung. Wir wissen weder etwas über seine Spezies noch über ihn als Person.