Perry Rhodan Neo Paket 32 - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan Neo Paket 32 E-Book

Perry Rhodan

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nach einer gefährlichen Expedition kehrt Perry Rhodan zur Erde zurück. Er trifft auf eine veränderte Welt: Die meisten Menschen haben ihre Gefühle verloren, die Gesellschaft ist kalt und brutal. Auch auf den Welten des Sonnensystems herrscht die Aphilie. Nur der Mars ist zur Gefängniswelt für jene Immunen geworden, die noch Gefühle haben. Die Lage scheint aussichtslos, aber Rhodan gibt nicht auf. Sein Ziel ist, die Menschen zu befreien. Dabei setzt er auf die wenigen Immunen, die sich auf der Erde verbergen und Widerstand leisten. Doch wie besiegt man das Licht der Vernunft, den mysteriösen Anführer der Aphilie? Und wie kann der Kampf um die Herzen der Menschen gelingen? Rhodan erkennt, dass die Aphilie zu einem großen Plan gehört, der Zeit und Raum umspinnt …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 2171

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nach einer gefährlichen Expedition kehrt Perry Rhodan zur Erde zurück. Er trifft auf eine veränderte Welt: Die meisten Menschen haben ihre Gefühle verloren, die Gesellschaft ist kalt und brutal. Auch auf den Welten des Sonnensystems herrscht die Aphilie. Nur der Mars ist zur Gefängniswelt für jene Immunen geworden, die noch Gefühle haben.

Die Lage scheint aussichtslos, aber Rhodan gibt nicht auf. Sein Ziel ist, die Menschen zu befreien. Dabei setzt er auf die wenigen Immunen, die sich auf der Erde verbergen und Widerstand leisten.

Doch wie besiegt man das Licht der Vernunft, den mysteriösen Anführer der Aphilie? Und wie kann der Kampf um die Herzen der Menschen gelingen? Rhodan erkennt, dass die Aphilie zu einem großen Plan gehört, der Zeit und Raum umspinnt …

Cover

Vorspann

Band 310 – Vergeltungsschlag

Vorspann

Terrania

1. Perry Rhodan

2. Borneo, Mount Kinabalu

3.

4.

5.

6. Borneo, Mount Kinabalu

7.

8.

9. Borneo, Mount Kinabalu

10.

11.

12. New York

13.

14.

15. Borneo, Mount Kinabalu

16.

17. Terrania

Band 311 – Stumm

Vorspann

1. Stille Nacht

2. Gute Nachbarn

3. Insassen

4. Mondfracht

5. Führung

6. Qual

7. Regolith

8. Typ A, B und C

9. In die Tiefe

10. Gefängnissäulen

11. Die Ruhende

12. Prioritäten

13. Aufgespürt

14. Ring zehn

15. Freundschaftsdienste

16. Datenkristall

17. NATHAN spricht

18. Stumme Schnecken

19. Strahlengesang

20. Widersacher

21. Mondblick

Band 312 – Spiel des Todes

Vorspann

1. Gejagt

2. Likibis Schaumdruckbügler

3. Flucht aus der Fluchtburg

4. Der kleine, dicke Mann

5. Flucht in den Urwald

6. Lauernde Gefahr

7. Verrat

8. Eine alte Bekannte

9. Der zerbrochene Traum

10. Taos Greifen

11. Leydens Herzeleid

12. Die Erpressung

13. Die Septa-Eskes-Pyramide

14. Der Überfall

15. Umwege

16. Familienstreit

17. Der Neue

18. Das Aushängeschild

19. Unter falscher Flagge

20. Die Aussprache

Band 313 – Zeitfraß

Vorspann

Aphilismen – Der Große Fresser

1. Reginald Bull: Einsturz

2. Perry Rhodan: Innehalten

3. Reginald Bull: Kreuzung

4. Sergio Percellar: Audienz

5. Reginald Bull: Saturnalien

6. Sergio Percellar: Die Suche

7. Perry Rhodan: Und wieder Flucht

8. Reginald Bull: Straße der Maschinen

9. Sergio Percellar: Sylvia

10. Reginald Bull: Ixions Erbe

11. Perry Rhodan: Überraschende Wendung

12. Reginald Bull: Der Rat des MINSTRELS

13. Perry Rhodan: Das Positronikzentrum

14. Reginald Bull: Der Coup

15. Perry Rhodan: Das Geheimnis

16. Reginald Bull: Beute

17. Sergio Percellar: Annäherung

18. Reginald Bull: Evakuierung

19. Perry Rhodan: Erkenntnisse

20. Reginald Bull: Zeitfraß

21. Perry Rhodan: Der Maulwurf

22. Reginald Bull: Der Krieg beginnt

23. Perry Rhodan: Zurück auf der Erde

Band 314 – Welt ohne Liebe

Vorspann

1. Januar 83 der reinen Vernunft

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

Band 315 – Das Licht der Vernunft

Vorspann

1. Roi Danton

2. Perry Rhodan

3. Roi Danton

4. Perry Rhodan

5. Perry Rhodan

6. Perry Rhodan

7. Roi Danton

8. Perry Rhodan

9. Perry Rhodan

10. Roi Danton

11. Perry Rhodan

12. Roi Danton

13. Perry Rhodan

14. Roi Danton

15. Perry Rhodan

Band 316 – Jungbrunnen

Vorspann

1. Unruhe

2. Das Cassalle-Szenario, Phase I

3. Ein Vexierbild

4. Das Cassalle-Szenario, Phase II

5. Stille im Stummhaus

6. Schatten der Vergangenheit

7. Schrecken der Vergangenheit

8. Das Cassalle-Szenario, Phase III

9. Der Glaube im Innern des Bergs

10. Das Pharamond-Areal

11. Ein sprudelnder Brunnen

12. Das Cassalle-Szenario, Phase IV

13. Ein Geschenk

14. Frachtdienst

15. Braindrain

16. Unverhofft ...

17. Wüstenrallye

18. Containerarbeit

19. Das Cassalle-Szenario, Phase V

20. Terrania mon amour

21. Was ist ein Sieg?

Band 317– Wahrheitskrieger

Vorspann

1. In der Klemme

2. Eltern

3. Neue Erkenntnisse

4. Gedankenkarussell

5. Chancen

6. Schwierige Missionen

7. Wahrheitskrieger

8. Die Karte

9. Geständnisse

10. Aufstand der Aphiliker

11. Das Attentat

12. Überlebt

13. Die Frau des Protektors

14. Mesh-Schnipsel

15. Eine Suche nach dem Licht

16. Noch mehr Fragen

17. Rückzug

18. Rauchgranaten

19. Die Geheimfrequenz

20. Konfrontation

21. Prioritäten

22. In These Stones Horizons Sing

23. In der Stele

Band 318 – Eskalation

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Jocelyn Pinatauro

3. Perry Rhodan

4. Perry Rhodan

5. Perry Rhodan

6. Trevor Cassalle

7. Perry Rhodan

8. Perry Rhodan

9. Sergio Percellar

10. Sylvia Demmister

11. Perry Rhodan

12. Perry Rhodan

13. Perry Rhodan

14. Sergio Percellar

15. Perry Rhodan

16. Perry Rhodan

17. Sylvia Demmister

18. Perry Rhodan

19. Perry Rhodan

20. Sylvia Demmister

21. Perry Rhodan

22. Trevor Cassalle

23. Perry Rhodan

Band 319 – Kollaps

Vorspann

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch

1. Maria Croosh

2. Perry Rhodan

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch

3. Trevor Cassalle

4. Reginald Bull

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch

5. Sylvia Demmister

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch

6. Reginald Bull

7. Sylvia Demmister

8. Maria Croosh

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch

9. Sylvia Demmister

10. Thomas Rhodan da Zoltral

11. Sylvia Demmister

12. Thomas Rhodan da Zoltral

13. Trevor Cassalle

14. Perry Rhodan

15. Maria Croosh

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch

16. Trevor Cassalle

17. Reginald Bull

Reginald Bull: Persönliche Aufzeichnung: Ein Abschied

18. Sylvia Demmister

19. Perry Rhodan

Maria Crooshs Tageskommentare: Siedlungstagebuch, Februar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Band 310

Welt ohne Liebe

Kai Hirdt

Nicht zum ersten Mal kehrt Perry Rhodan von fernen Sternen zur Erde zurück. Oft ist der Raumfahrer aufgebrochen, um neue Entdeckungen zu machen, Konflikte beizulegen oder Gefahren für die Menschheit abzuwehren. Doch diesmal ist alles anders.

Das gesamte Solsystem ist im Jahr 2112 schon seit Monaten mit einem Sperrschirm von der Außenwelt abgeschottet. Nichts und niemand kann hinein, es gibt keinen Kontakt ins Innere der Sphäre. Doch Rhodan weiß, dass er nach Terra gelangen muss. Also setzt er alles auf eine Karte und riskiert einen gefährlichen Flug.

Er stößt auf eine völlig veränderte Welt: Die meisten Menschen haben ihre Gefühle verloren, die Gesellschaft ist kalt und brutal. Über die Erde sowie die anderen Planeten und Monde herrscht die Aphilie. Perry Rhodan sucht Verbündete – doch das ist nicht einfach auf einer WELT OHNE LIEBE ...

Terrania

Jahr 82 der reinen Vernunft

Als Samuel McGee das Zentralkrankenhaus von Terrania verließ, der Hauptstadt der Erde, lag ein langer und anstrengender Arbeitstag hinter ihm. Aber auch ein erfolgreicher, machte er sich in Gedanken klar. Ich habe sieben Leben gerettet. Nun lag eine zwölfstündige Regenerationsphase vor ihm, bevor er das Vibroskalpell wieder zur Hand nehmen würde.

Das Krankenhaus war noch in der Ära des emotionalen Chaos, vor dem Evolutionssprung, errichtet und seitdem kaum erweitert worden. Seine weiße, großzügige Architektur bildete einen Fremdkörper in dem mittlerweile auf Zweckmäßigkeit optimierten Stadtzentrum. Die Umgebung wurde von aschfarbenen Hochbauten beherrscht, in denen einige Hunderttausend Menschen auf engem Raum ihren Tätigkeiten nachgingen.

Gerade endete die Abendschicht, und so war nicht nur McGee auf dem Weg nach Hause. Aus dunklen Rechtecken in grauen Wänden drangen die Massen auf die Straße. In Einheitskleidung reihten sie sich in den Menschenstrom ein und tappten in Richtung des nächstgelegenen unterirdischen Röhrenbahnhaltepunkts, wo ein Rechteck im Boden sie wieder schlucken würde.

Auch McGee ging los. Er stellte seine Brille auf Datenmodus und rief seinen Relevanzstatus auf. Zahlen erschienen am unteren Rand seines Sichtfelds und zeigten: Der Tag hatte sich gelohnt.

Er hatte etwas riskiert und gewonnen: Zwei seiner sieben Patienten hatten eine katastrophale Prognose gehabt. McGees Kollegen hatten deren Versorgung deshalb abgelehnt. Niemand wollte sich nachsagen lassen, dass er Ressourcen des medizinischen Systems verschwendete.

McGee aber hatte die Chance erkannt. Er war alt geworden und benötigte teure Medikamente, um das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. Das machte es ihm zunehmend schwerer, seine Existenz weiter zu rechtfertigen.

Die beiden Patienten, die sich bei einem Gleiterabsturz verletzt hatten und die niemand behandeln wollte, gehörten zum Führungspersonal eines Rüstungsunternehmens. Somit hatten sie eine außerordentliche ökonomische und gesellschaftliche Relevanz.

Also hatte er sie behandelt, und als hervorragender Chirurg hatte er das mit Erfolg getan. Einen Teil des Mehrwerts, den die beiden Rekonvaleszenten ab sofort erwirtschafteten, würde der Ordnungsalgorithmus eine Weile lang dem Arzt zuguteschreiben, der das möglich gemacht hatte. Für McGee bedeutete das, dass er wieder einige Monate sicher davor war, als unnötige gesellschaftliche Belastung eingestuft zu werden.

Er schaltete die Brille ab und stellte irritiert fest, dass der Menschenstrom vor ihm ins Stocken kam. Auf dem breiten Gehsteig wurde gebaut. McGee stand noch oben auf der breiten, flachen Treppe zum Krankenhausvorplatz und hatte einen guten Überblick. Eine Absperrung in der Mitte des Wegs sicherte eine Grube, in der irgendwelche Leitungen verlegt wurden.

Das an sich war kein Problem, denn rechts und links blieb genug Platz, um das Hindernis zu passieren. Der Stau entwickelte sich aus einem Dilemma, für das die medizinische Forschung in den zurückliegenden Jahrzehnten noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden hatte: Die Lösungsmöglichkeiten rechts oder links vorbei waren logisch betrachtet gleichwertig. Daraus entstand eine unlösbare Gleichung.

Die Menschheit hatte sich zwar von ihren immer störenden, oft zerstörerischen Emotionen gelöst. Das war begrüßenswert. Doch ein großer Teil der Bevölkerung war seitdem in seiner Entscheidungsfähigkeit beschränkt. Gab es keinen logischen Grund, eine von zwei Varianten vorzuziehen, waren viele Menschen unfähig zu wählen. Und so blieben sie wie gelähmt vor der Baugrube stehen, statt rechts oder links vorbeizugehen.

Irgendwann würde sich dieses Problem sicher behandeln lassen. McGee selbst hatte im Bereich der Neurochirurgie einiges in dieser Hinsicht versucht, leider erfolglos.

Bis dahin musste sich die Menschheit mit fallspezifischen Lösungen behelfen, damit die Entscheidungsinhibitierten nicht den Lauf der Dinge störten. In diesem Fall war das eigentlich einfach: Ein schlichtes Schild, das den Überforderten die Entscheidung abnahm, hätte gereicht.

»Warum hat man darauf verzichtet?«, wunderte sich McGee. Dass sich seine Lippen bewegten, würde kaum jemand bemerken, und manchmal schätzte er solche Selbstgespräche.

Die Frage verlor ihre Relevanz. Einer der Sicherheitsroboter, die diesen Stadtteil überwachten, senkte sich aus dem wolkenlosen Himmel. Er bezog Position über dem Bauzaun und sagte mit positronisch generierter Stimme: »Passieren Sie das Hindernis auf seiner linken Seite. Passieren Sie das Hindernis auf seiner linken Seite.«

Unbeirrt wiederholte er seine Aufforderung mehrfach. Schnell kam neue Bewegung in die Menge.

McGee allerdings sah gar nicht ein, sich durch den Engpass zu schieben, wenn auf der anderen Seite viel mehr Platz war. Er stieg die letzten paar Stufen hinunter und steuerte auf die rechte Seite der Baustelle zu.

Dann erkannte er die Ursache des Problems. Furcht erfasste ihn: Man hatte das Schild nicht vergessen – jemand hatte es mit schwarzer Farbe unkenntlich gemacht. Nur ein kleiner Akt des Vandalismus, jedoch geeignet, die geordneten Abläufe in Terrania zu stören.

Die Verzögerung würde sich ausbreiten wie Wellen auf einem Teich, in den man einen Stein geworfen hatte. Der volkswirtschaftliche Schaden des kleinen Rückstaus war vielleicht nicht enorm, aber durchaus messbar. Und die dafür Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen werden.

Weit konnten sie noch nicht sein, und das war der Grund, weshalb Samuel McGee trotz seiner Medikamente plötzlich zitterte.

Direkt hinter ihm änderte sich die Ansage des schwebenden Roboters. »Die unidentifizierten Bürger rechts des Hindernisses. Bleiben Sie stehen, und erwarten Sie Ihre Sicherheitsüberprüfung.«

Zwei Männer nicht weit vor McGee rannten los. Einer hatte schwarze Farbe an den Händen. Das sind die Störer!, begriff McGee. Gleich würden sie im Zugang der Röhrenbahn verschwinden ...

Das konnte der Ordnungsalgorithmus von Terrania selbstverständlich nicht zulassen.

McGee verspürte kalte Todesangst. Wie groß war der Schaden, den die beiden Attentäter insgesamt angerichtet hatten? Übertraf dessen Ausmaß den gesellschaftlichen Mehrwert, den McGee noch zu bieten hatte?

Offenbar ja. Denn der Roboter bewertete den Verlust von McGee als akzeptabel und eröffnete das Feuer auf die Fliehenden.

Allerdings stand McGee genau in der Schussbahn. Zwei Thermostrahlen trafen ihn in den Rücken, brannten sich durch den rechten Lungenflügel und verfehlten auf der linken Seite das Herz nur um wenige Zentimeter.

McGee brach zusammen. Mit letzter Kraft schaffte er es, die Arme hochzureißen und nicht mit dem Gesicht auf den Asphalt zu schlagen. Er bekam kaum Luft, schmeckte Blut auf seinen Lippen.

Er war als Arzt erfahren genug, um seine Verfassung ohne Beschönigung einzuschätzen. Es lohnte sich nicht mehr, ihn ins Krankenhaus zu bringen, obwohl es nur wenige Meter entfernt war.

Nicht, dass sein Fall völlig hoffnungslos gewesen wäre. Allerdings standen seine Chancen nicht besonders gut. Und niemand wollte sich nachsagen lassen, dass er Ressourcen des medizinischen Systems verschwendete.

Trotzdem versuchte er es. Die Datenbrille war beim Sturz verrutscht, aber sie funktionierte noch. Er sendete einen Notruf und rief zugleich den Operationsplan auf. Zwei Stunden würde ein hoch qualifizierter Chirurg brauchen, um ihn zu retten ... Aber selbstverständlich waren alle Operationssäle durchgehend verplant.

Es gab einige Operationen von geringer Dringlichkeit, die man hätte verschieben können. Doch dabei ging es um wirtschaftlich potente Patienten von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Sie waren bereits im Krankenhaus, und würden ihre Termine abgesagt, müssten sie an einem anderen Tag erneut auf ihren gesellschaftlichen Wertbeitrag verzichten. Niemand bei klarem Verstand würde eine solche Entscheidung treffen.

Wider besseres Wissen, von schierer Todesangst getrieben, versuchte McGee es trotzdem. Jedem seiner Kollegen, all jenen, mit denen er seit vielen Jahren zusammenarbeitete ... jedem sandte er eine Dringlichkeitsanfrage.

Nicht ein Einziger antwortete.

Samuel McGee starb auf der Straße, nur wenige Meter von dem Krankenhaus entfernt, in dem er sechzig Jahre lang Leben gerettet hatte.

1.

Perry Rhodan

T minus zwei Stunden

»Nein. Auf gar keinen Fall. Unter keinen Umständen. Bist du völlig verrückt geworden?«

Perry Rhodan blickte seine Frau überrascht an. Er hatte mit Widerspruch gerechnet, aber nicht in dieser Heftigkeit. Wobei Thora Rhodan da Zoltral nicht unrecht hatte. Was er vorhatte, war gefährlich. Sogar für seine Verhältnisse. Dennoch sah er keine andere Möglichkeit.

»Willst du nicht wissen, was unter dem Schirm vor sich geht?«, fragte er zurück.

»Natürlich will ich das! Aber ich will auch, dass du überlebst, verdammt noch mal!«

Dem konnte sich Rhodan anschließen. Aber ohne Risiko kamen sie nicht weiter. Die PERLENTAUCHER war gerade erst im Solsystem eingetroffen. Genauer: Das Raumschiff stand vor dem undurchdringlichen, schwarzen Energieschirm, der das komplette System umschloss.

Andere terranische Schiffe untersuchten das Phänomen bereits seit Monaten und hatten keine sichere Methode gefunden, es zu durchdringen oder Informationen aus dem Systeminnern zu erhalten. Nichts gelangte hinein, nichts heraus.

Es gab indes einen plausiblen Grund, warum man vermuten konnte, dass ausgerechnet Rhodan der Vorstoß gelingen konnte, an dem alle anderen gescheitert waren.

»Ich gebe ja zu, dass es gefährlich ist«, räumte er ein. »Aber wir wissen nicht, was da drinnen vorgeht. Möglicherweise sind Milliarden Menschen in Not, wer weiß? Wenn ich ihnen helfen kann und es aus Angst nicht versuche ...«

»Spiel nicht den Messias oder Erlöser!«, fuhr Thora ihn an. »Das bist du nicht. Auch wenn du mehr erlebt hast als die meisten: Du bist ein Mensch wie jeder andere!«

Rhodan verkniff sich den Hinweis, dass seine Erfahrung nicht der einzige Unterschied zu anderen Menschen war. Die Tatsache, dass sein Körper nicht alterte, war ebenfalls relevant. Sie war sogar der maßgebliche Grund für ihren Streit.

»Es gibt nun mal nur zwei Personen an Bord«, sagte Rhodan ruhig, »die diesen Vorstoß überstehen können. Du möchtest nicht, dass ich gehe. Und ich möchte nicht, dass du gehst.« Auf einmal erkannte er die einzig sinnvolle Möglichkeit, ihren Konflikt beizulegen. »Werfen wir eine Münze.«

Thora sah ihn durchdringend an, dann nickte sie. Sie griff in die Brusttasche ihrer Bordkombination und zog einen silbern glänzenden arkonidischen Chronner hervor.

Rhodan hob eine Braue. Es gab keinen Grund, an Bord eines terranischen Raumschiffs Bargeld mit sich herumzuschleppen – überdies noch arkonidisches. Niemand zahlte mit solchen Münzen. Die Geldstücke wurden seit Jahrtausenden fast nur noch zu Repräsentationszwecken geprägt.

»Du wusstest, dass ich das vorschlagen würde«, folgerte er.

Sie nickte. »Seit ich die Ergebnisse der Erkundungssonde gesehen habe. Und anders bist du nicht aufzuhalten, wenn du dir Irrsinn in den Kopf gesetzt hast. Kopf oder Zahl?«

»Kopf«, sagte Rhodan.

Thora schnippte den Chronner in die Höhe, fing ihn in der Luft und brachte ihn klatschend auf ihrem Handrücken zur Ruhe. Sie zog die obere Hand weg und offenbarte die sichtbare Münzseite: das Profil des Imperators Reile.

Rhodan vermied vorsichtig jeden Anflug eines Lächelns.

»Na gut«, grollte Thora. »Das wäre geklärt. Du gehst.« Wieder sah sie ihn durchdringend an. »Eins noch: Dieser Plan stammt doch nicht von dir. Das ist selbst für dich zu irrsinnig. Wer steckt dahinter?«

Rhodan schwieg. Er hatte seine Entscheidung gefällt. Er trug die Verantwortung. Er würde die Schuld niemand anderem zuzuschieben.

»Hab ich's mir doch gedacht!« Thora nickte energisch, machte auf dem Absatz kehrt und eilte zur Tür.

»Wo willst du hin?«, rief Rhodan ihr hinterher.

»Ich suche Santo Okal«, antwortete sie, »und breche ihm die Arme.«

Zuvor – T minus sechs Stunden

Es war eine Besprechung in kleiner Runde: Neben Perry Rhodan nahmen nur Nilofar Abbasi, der Kommandant der PERLENTAUCHER, und der Techniker Santo Okal teil. Abbasi war die Stimme der Vernunft. Okal die der Unvernunft, und als solche unverzichtbar.

Der junge Techniker hatte einen katastrophalen Ruf an Bord der PERLENTAUCHER. Fortwährend schlug er irrwitzige Verfahren vor, wie man die Prozesse des Raumschiffs optimieren könnte. Sie waren in den seltensten Fällen ernst gemeint, aber leider so überzeugend und todernst vorgetragen, dass sogar erfahrene Techniker ihn beim Wort nahmen und unversehens Katastrophen auslösten.

»Es war alles Okals Idee!«, war zum geflügelten Wort an Bord geworden.

Okal stand meist daneben und wunderte sich, wie jemand so verrückt sein konnte, seine Vorschläge wörtlich zu nehmen. Oder warum jemand die Anregungen eines gerade erst sechsundzwanzig Jahre alten Anfängers aufgriff, der überdies noch deutlich jünger aussah.

In ihrer aktuellen Lage aber brauchte Rhodan verrückte Ideen. Alles Vernünftige hatte man bereits vergeblich probiert.

Außerdem passte verrückt ohnehin gut zum Ablauf der vergangenen Monate. Allein die Art, wie es sie ins Solsystem verschlagen hatte, war irrwitzig: Vor Kurzem noch hatte sich die PERLENTAUCHER in der Großen Magellanschen Wolke befunden. Von dort sollte ein unbegreifliches Transportsystem, eine sogenannte Catron-Kapillare, das Raumschiff in die Milchstraße zurückbringen, genauer: zur terranischen Kolonie Rumal.

Das hatte grundsätzlich funktioniert, nur leider nicht – wie geplant – in Nullzeit. Erst im November 2112 war die PERLENTAUCHER aus der Kapillare aufgetaucht, obwohl an Bord nur wenige Minuten vergangen waren. Zu diesem Zeitpunkt war die Erde bereits seit fünf Monaten unerreichbar.

Weitere Zeit ging durch unvermeidbare Reparaturen am Schiff verloren, und als der Leichte Kreuzer Anfang Dezember hatte aufbrechen können, musste ein Teil der Besatzung in medizinischer Behandlung auf Rumal zurückbleiben. Selbst der eigentlich unverwüstliche Oxtorner Omar Hawk war derzeit nicht einsatzbereit. Ras Tschubai hatte die Rückreise bereits lädiert angetreten, aber John Marshall und Hawk hatten sich danach noch einige Stunden bester Gesundheit erfreut – bis sie plötzlich zusammengebrochen waren.

Rhodan hatte nicht auf ihre Genesung warten können. Er wollte herausfinden, was mit der Erde geschehen war. Das Solsystem hatte sich in einen Energieschirm gehüllt, der keinerlei Kontakt mit der Außenwelt zuließ. Keine Raumfahrzeuge flogen aus oder ein. Keine Funksprüche drangen heraus. Es wurden keine Waren mehr über die Transmitterstraße nach Olymp transportiert.

Nicht mal das Licht der heimatlichen Sonne fand seinen Weg in den Raum zwischen den Sternen. Wo sich Sol mit ihren Trabanten befinden sollte, stand eine perfekte Kugel aus abgrundtiefer Schwärze im All.

Schon wenige Tage nach der jähen Abschottung des Solsystems, Ende Juni 2112, waren die ersten Raumschiffe einer Hilfsflotte eingetroffen. Die Menschheit war ein Dreivierteljahrhundert zuvor zu den Sternen aufgebrochen. Nun kehrte sie zu ihrer Wiege zurück. Die heimatliche Erde und ihr Sonnensystem waren in Gefahr, und die Menschen – Ertruser, Oxtorner, Siganesen und all die anderen Kolonisten – wollten helfen.

Nur: Wie? Der Schirm war undurchdringlich. Erkundungssonden, die man hineingeschickt hatte, waren verschollen. Der Kontakt zu ihnen war aber keineswegs abrupt abgerissen. Stattdessen war die Intensität ihres Funksignals in kurzer Zeit bis zur Nulllinie gesunken. Es deutete also nichts darauf hin, dass sie zerstört worden, sondern eher darauf, dass sie in ein Dämpfungsfeld geraten waren. Was sie in diesem Feld vorgefunden hatten, blieb ein Rätsel.

Raumsonden, die man nicht in den Schirm, sondern nur in dessen unmittelbare Nähe geschickt hatte, kamen ohne verwertbare Ergebnisse zurück. Mehr als Großaufnahmen eines schwarzen Nichts hatten sie nicht zu bieten.

Die Wissenschaftler der Hilfsflotte hatten allerdings entdeckt, dass das Konstruktionsmaterial der Forschungssonden gelitten hatte: Sowohl die Metall- als auch die Kunststoffkomponenten wirkten stark beansprucht, teils sogar spröde, als hätten sie Jahrzehnte im All verbracht statt nur Minuten oder Stunden. Es gab allerhand Hypothesen, welche Art Strahlung einen solchen Alterungsprozess auszulösen vermochte. Aber keine davon ließ sich bei Messungen am Schirm nachweisen.

Zwei tollkühne Piloten, die sich im Selbstversuch dem Schirm genähert hatten, waren verschollen. »Wir haben gemessen, wie ihre Lebenserhaltungssysteme aussetzten«, stand im Verlustbericht ihres kommandierenden Offiziers, »kurz bevor die gesamte Sendeleistung ihrer Funksysteme abgedämpft wurde, genau wie bei den Sonden. Die Ursache ist unklar.«

»Altersschwäche«, behauptete Okal mit einem Blick auf denselben Bericht.

»Wie kommen Sie auf diesen Quatsch?«, ergrimmte Abbasi. »Die Piloten waren beide keine vierzig.«

»Beim Abflug«, erwiderte Okal. »Aber wenn das Material der Sonden in der Schirmnähe gealtert ist, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass den Piloten nicht dasselbe passiert ist.«

»In den Berichten steht nicht, dass die Sonden gealtert seien, sondern dass sie so abgenutzt waren, als ob sie Jahrzehnte unterwegs gewesen wären.«

»Ja, habe ich gelesen.« Okal lächelte nachsichtig.

Auf Abbasis Stirn trat eine Ader hervor. Rhodan intervenierte, schon aus Sorge um die Gesundheit des Kommandanten.

»Wir sollten Okals Hypothese nicht blind verwerfen«, sagte er, »zumal sie leicht zu überprüfen ist. Ich bin schon einigen absonderlichen Zeitphänomenen begegnet. Wir können doch eine Sonde mit einem hochpräzisen Chronometer ausrüsten und messen, ob die Uhr nach der Rückkehr immer noch synchron mit unserer Bordzeit läuft.«

Abbasis Kiefer arbeiteten. Er verkniff sich eine scharfe Replik.

Rhodan erkannte die stumme Warnung im Blick des Kommandanten: Bisher war es selten gut ausgegangen, sich Okals Vorschläge zu eigen zu machen. Aber es ging nur um einen Erkundungsflug mit einer Sonde. Was konnte dabei schiefgehen?

T minus drei Stunden

Drei Stunden später lag das Ergebnis vor. Genauer gesagt: nach drei Stunden gemäß Bordzeit. Für die Sonde jedoch waren mehrere Tage verstrichen, obwohl sie sich nur zehn Minuten in der Nähe des Schirms befunden hatte.

Rhodan hatte die gleiche Runde wie zuvor zusammengerufen. »Wir sind schlauer als zuvor. Bleibt die Frage: Wie hilft uns das, den Schirm zu durchdringen?«

»Ganz einfach«, sagte Okal ungerührt. »Wir bauen das Transitionstriebwerk der PERLENTAUCHER in einen Temporal-Inhibitor um.«

»Was?«, entfuhr es Abbasi, der Rhodan damit das Wort aus dem Mund nahm.

Okal seufzte, als müsse er kleinen Kindern zum x-ten Mal erklären, dass zwei und zwei vier ergab. »Wir frieren die Eigenzeit der PERLENTAUCHER durch integrale Semimanifestation ein. Dazu fahren wir das Transitionstriebwerk hoch, aber nicht bis zur Sprungschwelle 1, sondern nur bis 0,999999. Wenn die Zeit an Bord nicht mehr vergeht, können wir unbeschadet und ohne Alterungseffekt durch den Schirm driften.«

»Wie soll das funktionieren?«, fragte Rhodan skeptisch.

»Ich habe das schon mal durchgerechnet, während die Sonde noch draußen war«, sagte Okal. »Wir müssten sämtliche mit Hyperkristallen betriebenen Aggregate gut zehn Tage lang mit dreihundertfünfzig Prozent überlasten, bis ...«

»Oder wir sprengen unser Schiff direkt und sparen Zeit«, unterbrach Abbasi.

»Unser Kommandant ist von Ihrer Idee nicht überzeugt, Mister Okal«, konstatierte Rhodan.

»Zugegeben, es gibt Risiken ...«

»Risiken?«, schrie Abbasi. »Sämtliche Hyperkristalle würden einfach ausbrennen!«

»Nicht mit hundertprozentiger Sicherheit.«

»Aber fast hundert!«

Rhodan sah zu Okal. Der widersprach nicht.

»Und danach«, zählte Abbasi mit gefletschten Zähnen die Folgen auf, »würden sämtliche Eindämmungsfelder in den Fusionsreaktoren sowie die Hochenergiefeldleiter zusammenbrechen. Impulstriebwerke und Andruckneutralisatoren würden ausfallen, wahrscheinlich würde jeder an Bord zerquetscht. Selbst wenn nicht, treiben wir danach mit einem wracken Raumfahrzeug in den Schirm, und jeder an Bord stirbt doch noch an Altersschwäche.«

Der Kommandant atmete durch, bevor er mit ätzendem Spott fortfuhr. »Vielleicht haben wir aber auch Glück, und die Energieleiter brechen als Erstes zusammen. Dann laufen die Fusionsreaktoren gewissermaßen über, und wir explodieren. Das wäre wenigstens ein schnelles Ende.«

»Okal?«, hakte Rhodan nach.

»Ein durchaus mögliches Szenario«, gab der Techniker zu. »Aber ...«

»Kein Aber!«, fiel ihm Rhodan barsch ins Wort, verärgert über die Zeitverschwendung. »Wir brauchen einen Plan, wie wir lebendig durch den Schirm kommen.«

»Nicht wir«, sagte Okal genauso beiläufig wie bei seinem vorigen Vorschlag. »Nur Sie, Mister Rhodan.«

Rhodan sah den Techniker überrascht an.

Dann nickte er vorsichtig. Er ahnte, worauf Okal hinauswollte.

Der ließ es sich trotzdem nicht nehmen, die Idee zu erklären, allein um Abbasi zu reizen: »Da Perry Rhodan als relativ Unsterblicher nicht altert, kann ihm der beschleunigte Zeitverlauf in Nähe des Sperrschirms nichts anhaben.«

Es blieb still im Raum.

»Hat jemand einen besseren Vorschlag?«, fragte Rhodan schließlich. Dieser Plan war umsetzbar. Das hieß aber nicht, dass er Lust darauf hatte.

»Besser als das?«, schnaubte Abbasi. »Natürlich!«

Okal blickte ihn erwartungsvoll an.

Abbasi öffnete den Mund – und schloss ihn wieder.

»In Ordnung«, beschied Rhodan. »Ich schicke Thora eine Nachricht und spreche mit ihr, sobald ich mich zu ihr reintraue. Falls sie mich nicht vorher findet. Sollte doch noch jemand einen besseren Einfall haben, wäre ich wirklich, wirklich dankbar.«

T minus eine Stunde

Die Dragonfly war für einen Langzeiteinsatz ausgerüstet worden, so gut das bei einem kleinen Raumjäger möglich war. Rhodan alterte zwar nicht, aber wenn sich die Zeit in der Nähe des schwarzen Schirms dehnte, durften Rhodan nicht die Vorräte ausgehen. Die Recyclinganlage der Dragonfly hatte deshalb ein zusätzliches Redundanzsystem erhalten.

Rhodan wollte sich gerade startklar machen, da schleifte Thora Rhodan da Zoltral Okal am Kragen in den Hangar. »Halt!«, rief Rhodans Frau. »Das Raumboot ist noch nicht fertig.«

»Wieso?«, fragte Rhodan irritiert. »Ich wollte gerade ...«

Thora gab Okal einen Stoß.

Der Techniker räusperte sich. »Ähm. Ich habe ein paar neue Empfehlungen.«

Rhodan sah Thora neugierig an.

»Ich habe ihm gesagt«, erläuterte seine Frau grimmig, »dass wenn du verloren gehst, ich ihn persönlich in eine identisch ausgestattete Dragonfly schnalle und ihn dir hinterherschicke. Plötzlich sind ihm ein paar Dinge eingefallen, die vielleicht an Ausrüstung mitreisen sollten.«

»Beispielsweise?«, fragte Rhodan.

»Sonden«, antwortete Okal. »Wir ersetzen die Kampfraketen an Bord durch Aufklärungssonden mit Impulstriebwerken. Dadurch wird Ihr Ortungsradius in Flugrichtung sehr viel größer, und Sie können nicht so leicht in Probleme hineinfliegen. Der zweite Sitz kann raus und wird durch ein massiv verstärktes Lebenserhaltungssystem ersetzt. Das Hyperfunkgerät erhält einen Lasermodus. Also stark gebündelte Hyperstrahlung mit massiver Durchdringungskraft – wenn herkömmliche Funkverbindungen ausfallen, können Sie uns damit immer noch Botschaften übermitteln.«

»Klingt alles sinnvoll«, stellte Rhodan fest. »Warum haben wir das nicht gleich gemacht?«

Santo Okal hob die Schultern.

Perry Rhodan stieß hörbar die Luft aus. »Na schön. An die Arbeit!«

2.

Borneo, Mount Kinabalu

Jahr 61 der reinen Vernunft

Sergio Percellar rannte durch finstere Korridore mit stahlgrauen Wänden, nur mit einem leichten Strahler bewaffnet. Er hörte die Schritte der Verfolger hinter sich. Er erreichte eine Biegung, die ihm für ein paar Sekunden Deckung bot.

Ihm dämmerte: An diesem Ort war er schon einmal gewesen. In wenigen Sekunden würde ein zweiter Jägertrupp aus einem Antigravschacht vor ihm strömen, und dann war er eingekesselt – chancenlos.

Er brauchte einen Ausweg. Türen gab es genug in den dunklen Wänden, aber sie waren alle verschlossen. Handflächen-Paneele daneben leuchteten blau. Er probierte schnell eins aus. Die Farbe wechselte zu Rot. Die Tür blieb zu.

Aber vielleicht konnte er das Paneel heraushebeln und den Mechanismus kurzschließen?

Aber dann nicht an dieser Stelle. Neben den Türen prangten in blauen Lettern die Funktionsbezeichnungen der Räume. Vor ihm lag das Labor III-8, Zoologie. Wenn er ohnehin todgeweiht war, konnte er auch beim Versuch sterben, das Mittel gegen die Seuche zu finden. Dazu musste er jedoch in die Mikrobiologie.

Er hetzte weiter den Flur entlang, da räusperte sich eine sonore Stimme. »Hmmm. Junger Herr?«

»Jetzt schon?«, reagierte Percellar verärgert.

»Ich fürchte ja, junger Herr. Ihr Vater war ...«

»Ist ja schon gut.« Percellar speicherte den Spielstand, nahm die Virtual-Reality-Brille ab, löste die Steuerelektroden von den Schläfen und sah den Butler verstimmt an. »Entschuldigen Sie, Hudson. Ist nicht Ihre Schuld.«

»Nein, Sir.« Hudson trug ein Tablett mit einem zweifellos perfekten Frühstück. Zwei Standfüße waren rechts und links ausgeklappt, damit Percellar im Bett essen konnte.

»Bitte servieren Sie am Fenster«, sagte Percellar. »Ich stehe auf.«

Hudson hob eine Augenbraue, wie nur er es konnte. Percellar hielt seinem Blick stand. Nach drei Sekunden nickte der Butler, setzte sich in Bewegung und stellte das Tablett auf einem Tisch vor der großen Panoramascheibe ab. »Benötigen Sie ...«

»Nein!« Percellar hatte sich bereits in sitzende Haltung gequält und seine an den Nachttisch gelehnten Krücken ergriffen. Er suchte eine stabile Position, dann schob er sich in die Höhe.

Er spürte die Kühle des Granits unter seinen Fußsohlen. Die Nervenimpulse von den Beinen zum Gehirn liefen einwandfrei. Nur die umgekehrte Richtung war schwierig.

Mühsam balancierte Percellar zu seinem Platz, ließ sich in den Stuhl sacken und stellte die Krücken ans Fenster. Er versuchte, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen.

»Das wäre es, Hudson. Sie können meinem Vater ausrichten, dass es mir gut geht.«

Das war eine Lüge, aber vielleicht kam er damit durch. Er hatte keine Lust, sich wieder dem missbilligenden Blick seines Erzeugers auszusetzen. Sergios Vater, Enrico Percellar, machte keinen Hehl daraus, dass er Krankheit für ein Zeichen von Schwäche hielt.

Hudson zog sich zurück. Percellar machte eine Bestandsaufnahme: Brot, Brötchen, Butter, Margarine. Drei Sorten Wurst, vier Sorten Käse, zwei Sorten Honig. Gekochtes Ei und etwas Rührei mit gebratenem Speck. Melone, Apfelspalten und Paprikastreifen. Orangensaft, Milch, Tee und Kaffee. Inveraton gegen das Fortschreiten der Nervenlähmung und des Muskelschwunds. Metamizol-Natrium gegen die Schmerzen. Sacuar gegen die Nebenwirkungen des Inveratons.

Das Sacuar nahm Percellar erst seit ein paar Wochen. Dr. Worthing hatte ihm das Medikament verschrieben, als die Hautrötungen nicht mehr zu verbergen gewesen waren. Die Magenschmerzen hatte Percellar schon davor lange verschwiegen.

Dr. Worthing hatte ihn getröstet: Inveraton war ein neu und speziell für Percellar entwickeltes Medikament. Seine individuelle Variante der Spinalen Muskelatrophie, bei der die vom Rückenmark abgehenden Nerven die Impulse des Gehirns nur fehlerhaft oder gar nicht übermittelten, war eine sonst unbekannte Erkrankung. Deshalb konnte niemand erwarten, dass ganz neue Wirkstoffe auf Anhieb perfekt und ohne Nebeneffekte wirkten.

Aber Percellars Vater erwartete genau das. Und dass es nicht so kam, erachtete er als Sergios Versagen.

Percellar spülte das Inveraton und das Metamizol mit Orangensaft herunter. Den widerwärtigen Nachgeschmack des Sacuar bekam man am besten mit Kaffee weg, weshalb er sich trotz seiner Jugend schnell an das Getränk gewöhnte. Er aß das Rührei und das Obst. Den Rest des Frühstücks ignorierte er.

Draußen schien die Sonne. Dort hatte es bestimmt bereits dreißig Grad Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit, aber im Anwesen seiner Familie war das Klima perfekt. Sein Zimmer war perfekt, sein Frühstück war perfekt, sein Butler war perfekt, die Aussicht auf den bewaldeten Berghang war perfekt. Nur er selbst war es nicht.

Percellar sah über den Rand seiner Kaffeetasse ins Tal hinab. Auf achthundert Metern Höhe, oberhalb des Kraftwerks, aber weit unterhalb der Villa, lag die Arbeitersiedlung, die zur Mamut Percellar Kupfermine gehörte. Percellar war in seinen fünfzehn Lebensjahren noch nie dort gewesen, aber er war ziemlich sicher, dass auch sie perfekt war.

Wie sollte es anders sein? Dort lebte schließlich Mawar.

Der Gleiter mit den anderen Schülern schwebte draußen zur Villa empor. Percellar stemmte sich hastig in die Höhe. Über seinem Spiel hatte er sich wirklich böse in der Zeit verschätzt.

Er versuchte es auf den eigenen Füßen, obwohl das Schmerzmittel noch nicht wirken konnte.

Keine Chance.

Wütend nahm er erneut die Gehhilfen und hastete – im Rahmen des ihm Möglichen – durch die Granitflure. Zu spät kommen würde er nicht. Der Unterricht begann zwar nicht ohne ihn. Aber er wollte nicht, dass Mawar ihn an Krücken sah.

Zu allem Überfluss lief er auch noch Hudson über den Weg, der sein schmerzverzerrtes Gesicht genau sah. Also würde auch sein Vater erfahren, dass Percellar wieder mal Schwäche zeigte.

Er erreichte den Unterrichtsraum gleichzeitig mit den anderen Schülern. Mawar blickte taktvoll in eine andere Richtung.

Mawar binti Aisyah.

Percellar wäre beinahe gestolpert, als er sie sah. Diese Demütigung blieb ihm zum Glück erspart. Er humpelte langsamer, schloss zu der Gruppe auf und ging mit ihnen in den Lehrsaal. Gemeinsam mit Mawar nahm er seinen Platz in der Mitte der ersten Reihe ein.

Während der Mathematikstunde konnte er sich noch leidlich konzentrieren. Zahlen, Logik, Programmierung und alles, was in diese Richtung ging, lagen ihm. Bei Chemie war das schon deutlich schwieriger, und bei Geologie driftete er endgültig ab.

Es war allerdings auch viel verlangt, einen ganzen Vormittag aufmerksam zu bleiben, wenn er neben Mawar saß. Verstohlen blickte er auf ihr Profil. Das glänzend schwarze Haar, das über ihre Schultern floss. Ihre Lippen, wenn sie sprach ... Die Dinge, die sie damit tat, wenn sie beide allein waren ...

»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten, junger Herr Percellar?«, riss ihn eine schneidende Stimme aus den Träumen.

»Natürlich, Misses Rini«, sagte er reflexhaft und versuchte, aus der Projektion neben der Lehrerin zu ersehen, worum es gerade ging.

»Der Einsatz chemischer Supplemente zur Prospektion in Granit und Tomalit«, las er. Ach du Schande!

»Das habe ich verstanden«, sagte Mawar gerade. »Aber was, wenn dabei etwas schiefgeht? Wenn dieses Giftzeug so viel Kupfer aus dem Berg wäscht, dass irgendwas einstürzt?«

»Die Sicherheit des Verfahrens ist bestätigt«, antwortete Rini begütigend. »Die Rückstände werden geklärt, bevor sie ins Tal geleitet werden. Und die Stabilität der Felsstruktur wird durch Antigravfelder gewährleistet.«

»Und wenn die mal ausfallen?«

»Das Kraftwerk im Tal stellt eine unterbrechungsfreie Stromversorgung sicher, Miss Mawar. Kommen wir nun ...«

»Nein«, sagte Mawar, »kommen wir nicht. Ein einzelnes Kraftwerk kann eben keine unterbrechungsfreie Stromversorgung sicherstellen, wenn es dort zu einer Störung kommt. Und dann fällt nicht nur der stabilisierende Antigrav aus, sondern wahrscheinlich auch die Kläranlage. Der Berg stürzt ein, zerschmettert alles, inklusive unserer Eltern, die im Berg arbeiten. Das Gift sickert ungehindert in den Boden und zerstört die Natur für Jahrhunderte. Das ist nicht gerade ein sicheres Verfahren!«

Percellar bewunderte Mawar für ihre Energie und ihre Bereitschaft, die Welt zu verbessern. Die Welt hatte es wahrhaftig bitter nötig. Aber die Themen, die sie sich dafür ausgesucht hatte, waren leider auch perfekt gewählt, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen: Arbeitersicherheit und Umweltschutz.

Misses Rini hatte genug von der Widerrede. »Die Mine, Miss Mawar, zahlt Ihren Lebensunterhalt und den Ihrer Familie. Ohne die Mine hätten Sie kein Essen auf dem Tisch. Die Mine zahlt für die Ausbildung, die Sie hier erhalten. Dafür müssen zuweilen neue Erzadern erschlossen werden. Wenn Ihnen das nicht gefällt, schlage ich vor, Sie suchen sich ein anderes Heim. Vielleicht finden Sie bei den Immunen auf dem Mars eine Beschäftigung, die Ihren gehobenen Ansprüchen genügt.«

Der Mars war ein Armenhaus, das wusste jeder. Aber Mawar in ihrem Stolz war es zuzutrauen. Percellar zog es den Magen zusammen bei der Idee, sie könnte Borneo verlassen.

Mawar ließ sich nicht einschüchtern. Noch etwas, was Percellar so an ihr liebte. »Meine Familie hat keinen Lebensunterhalt mehr, wenn meine Mutter im Berg stirbt«, gab sie unerschrocken zurück. »Und das Essen auf dem Tisch kommt aus dem dann vergifteten Boden. Ich ...«

»Möchte sich der Rest der Klasse an diesem Austausch beteiligen?«, unterbrach Rini rüde. Lächelnd sah sie über Mawar hinweg durch den Raum, bis ihr Blick schließlich – natürlich, wie sollte es anders sein? – bei Percellar hängen blieb.

Er hasste solche Momente. Er wollte sich nicht entscheiden müssen zwischen dem Geschäft seiner Familie und Mawar. Zumal sie ja durchaus recht hatte mit dem, was sie sagte. Aber man musste zugleich immer beachten, was möglich war. Wenn die Rentabilität des Geschäfts litt ...

Nun sah auch Mawar ihn erwartungsvoll an. Wenn er sie unterstützte, würde Misses Rini sich nicht mehr trauen, ihm zu widersprechen. Aber sein Vater würde davon erfahren, und dann ...

Er öffnete den Mund und hatte keine Ahnung, welche Worte herauskommen würden.

Die Tür öffnete sich. Eine Bedienstete kam herein und rettete ihn aus allerhöchster Not. Sie sprach leise mit Misses Rini.

Die wandte sich wieder Percellar zu. »Junger Herr, sputen Sie sich. Ihr Vater wünscht Sie zu sehen.«

Das verhieß normalerweise Ärger. Aber im Moment hatte Sergio Percellar nichts Besseres zu tun, als möglichst schnell aus dem Klassenraum zu verschwinden.

Die Erleichterung hielt nicht lange an. Was verschaffte ihm die Einbestellung? Hatte Hudson gepetzt? Mit Sicherheit, aber deshalb ließ sein Vater ihn kaum aus dem Unterricht holen. Sonst jedoch fiel Percellar nichts ein, was er getan haben könnte. Aber das beunruhigte ihn nicht, sondern machte die Furcht nur größer.

Die Dienerin blieb beim Übergang zum Wohnflügel stehen. »Die Herren erwarten Sie im Speisesaal, junger Herr.«

Percellar stakste allein weiter. Herren? Plural? Wer außer seinem Vater war da? War Dr. Worthing von New York nach Borneo gekommen, um seinen Patienten wieder mal persönlich zu untersuchen? War sein Vater unzufrieden mit den Therapiefortschritten? Oder war es, weil Percellar die Nebenwirkungen nicht mehr hatte verheimlichen können?

Als er die Tür öffnete, bot sich ihm in zweifacher Hinsicht ein unerwartetes Bild: Zum Ersten saß am Ende der langen Tafel neben seinem Vater und seiner Mutter ein völlig Unbekannter. Ein blasser, dünner Mann mit sandfarbenem Haar und einem harten Zug um Augen und Mund. Er trug einen grauen, für die Tropen viel zu warmen Anzug mit Weste.

Der Speisesaal war klimatisiert, trotzdem hätte er schwitzen müssen. Percellar konnte aber keinen Glanz auf seiner Stirn erkennen.

Zum Zweiten hatte sein Vater gute Laune.

»Komm her, Sergio!« Enrico Percellar winkte ihn zu sich heran. »Ich möchte, dass du Mister Zugar kennenlernst!«

Percellar humpelte hinüber und bot dem Fremden die Hand. »Herzlich willkommen auf Borneo. Es ist mir ein Vergnügen!«

Zugar runzelte die Stirn. »Haben Sie Anlass zur Vermutung, dass etwas für Sie Erfreuliches oder Amüsantes aus unserer Bekanntschaft erwachsen könnte? Warum?«

»Weil ...«, Percellar stockte, »... Sie ein Gast meiner Eltern sind.«

Eigentlich deutete das auf das genaue Gegenteil hin. Aber das konnte er ja schlecht sagen.

»Mister Zugar ist Aphiliker«, erläuterte Percellars Mutter. »Er hat Schwierigkeiten mit dem Konzept von Emotionen. Bitte wundere dich nicht über solche Fragen.«

»Er ist nicht nur Aphiliker«, übernahm Percellars Vater, »sondern kommt aus Terrania. Er arbeitet direkt für das Licht des Friedens!«

»Sehr eindrucksvoll!«, sagte Percellar, und das war es tatsächlich. Ein hohes Tier aus dem Kriegsministerium bekam er nicht jeden Tag zu sehen.

Generell sah er so gut wie nie Aphiliker. Sein Vater legte großen Wert darauf, nur Immune zu beschäftigen oder mit ihnen Geschäfte zu machen. Was also tat dieser Zugar an diesem Ort? Percellar bekam Angst, als er in die kalten Augen des Gastes sah. Verstohlen blickte er zu seiner Mutter. Sie war blass und sah ebenfalls furchtsam aus.

»Sie haben noch nicht erläutert«, monierte Zugar, »welchen Zweck die Anwesenheit Ihres Nachfahren erfüllt.«

»Sergio wird all das hier einmal erben«, äußerte Percellar senior stolz. »Er soll lernen, wie man lukrative Geschäfte abschließt.«

Zugar betrachtete Percellar an seinen Krücken. »Er ist krank. Reicht seine Lebenserwartung, um eine Investition in seine Ausbildung zu rechtfertigen?«

Percellar stand der Mund offen, aber sein Vater störte sich offenbar nicht an dieser Unverfrorenheit. »Wir arbeiten mit Doktor Worthing zusammen, dem weltweit führenden Experten für Muskelschwund durch Nervendegradation. Er ist jedes Quartal hier, um Sergios Therapie anzupassen. Es geht dir seitdem schon viel besser, nicht wahr, Sohn?«

»Ja, Vater«, sagte Percellar folgsam. Er wollte nicht Thema das Gesprächs werden. Wenn bei dem anstehenden Geschäft irgendwas schiefging, würde sein Vater sonst einen Weg finden, es zu Sergios Schuld zu machen. »Was führt Sie nach Borneo, Mister Zugar?«, erkundigte er sich deshalb höflich.

»Der Flottenaufbau verschlingt eine unfassbare Menge an Rohstoffen«, dozierte Zugar. »Unter anderem auch Kupfer, Gold und Silber. Deshalb haben das Licht der Erkenntnis und das Licht des Friedens den Beschluss gefasst, in Ihre Mine zu investieren und sich den Ertrag zu sichern.«

Percellars Vater rieb sich die Hände. »Wir erhalten genügend Mittel, um die Produktion zu vervierfachen! Und wir bekommen einen exklusiven Abnahmevertrag über die gesamte Fördermenge. Über dem Marktpreis!«

»Aber Papa!«, entfuhr es Percellar. Bei dem eisigen Blick seines Vaters klappte er den Mund jedoch sofort wieder zu.

Doch Enrico Percellar ließ ihn nicht vom Haken. »Ja, Sohn?«

»Ich ...« Er kaute kurz auf den Lippen. »Wir haben in Geologie heute über Sicherheits- und Umweltaspekte der Suche nach neuen Erzadern gesprochen«, rettete er sich ins vermeintlich Objektive. »Ich frage mich, ob ... wie wir die Sicherheit der Operation gewährleisten können.« Er sprach immer schneller, je mehr er merkte, dass er sich um Kopf und Kragen redete. »Natürlich ist das lösbar, ich frage mich nur ...«

Eine scharfe Geste seines Vaters ließ Sergio verstummen. »Natürlich ist die Sicherheit gewährleistet!«, behauptete Enrico.

»Bezüglich der Umweltaspekte müssen Sie sich ebenfalls keine Gedanken machen«, ergänzte Zugar. »Das Hohe Amt für Erkenntnis hat den Schutzstatus dieses Gebiets aufheben lassen. Es gibt keine rechtlichen Hindernisse bei der chemischen Erschließung mehr.«

Percellar quälte ein Lächeln auf seine Lippen. Er konnte sich denken, wie Mawar reagieren würde, wenn sie das herausfand.

Wieder suchte er den Blick seiner Mutter und sah den Schmerz in ihren Augen. Aber sie sagte nichts. Sie sagte nie etwas. Sie lächelte und schwieg.

Als Sergio Percellar den Wohnsaal wieder verlassen durfte, hatte seine Klasse bereits Pause. Wie meist lungerten die Jungen und Mädchen im Orchideengarten herum.

Umweht von süßen Düften und unter ebenso spöttischen wie neidischen Blicken, humpelte er in den rückwärtigen Teil, der nur von einer einzigen Sicherheitskamera beobachtet wurde. Deren Realbilder hatte er schon lange durch voraufgezeichnete Aufnahmen ersetzt.

Das Sicherheitssystem der Villa war nicht so gut, wie sein Vater es sich einbildete. Wer sich innerhalb des Gebäudes befand und physischen Zugang zum Netzwerk hatte, konnte einiges Schindluder damit treiben. Percellar hatte diese Sicherheitslücke genutzt, um ein unbeobachtetes Plätzchen für seine Treffen mit Mawar zu schaffen.

Eigentlich sollte er seine freie Zeit mit allen Kindern verbringen. Seine Mutter legte großen Wert darauf. Aber schon seit mehr als einem Jahr interessierte er sich ausschließlich für Mawar. Es war ganz plötzlich passiert, als sie ihren fünfzehnten Geburtstag gefeiert hatte, ein paar Monate vor ihm. Früher hatte er sie nie beachtet. Sie war nur ein Kind von vielen gewesen. Dann war sie auf einmal eine junge Frau und er ein junger Mann. Und er fragte sich, wie er sie je hatte übersehen können.

Sie wartete in ihrem Versteck hinter den prächtigen, rot und purpurn blühenden Bauhinienbäumen. Manchmal entkamen sie unbeobachtet dorthin. Diesmal jedoch hatte die halbe Klasse Percellar gesehen, also setzten sie sich nur brav und sittsam nebeneinander und unterhielten sich.

Percellar berichtete von der Unterredung mit Mister Zugar. Er wusste, dass Mawar an die Decke gehen würde. Aber es zu verschweigen, brachte auch nichts. Früher oder später würde es herauskommen. Außerdem musste er es sich von der Seele reden, sonst hätte er ihr nicht mehr in die Augen schauen können.

Sie reagierte wie erwartet: nicht gut. »Und du hast das zugelassen?«, schrie sie Percellar an.

»Was sollte ich denn tun?«, fragte er entgeistert.

»Es verhindern, natürlich! Irgendwie!«

»Mawar – ich bin fünfzehn! Die Mine gehört meinem Vater, nicht mir! Wie soll ich denn ...«

»Du musst ihm eben erklären, was er anrichtet!«

»Das habe ich versucht!« Das stimmte sogar, irgendwie. Wenn auch nicht besonders hartnäckig und garantiert nicht mit demselben Feuer, mit dem Mawar das Gespräch geführt hätte.

Aber so oder so: Das Ergebnis wäre hundertprozentig dasselbe gewesen. Die Mamut Percellar Mine und das Hohe Amt für Frieden waren Handelspartner.

»Du bist nutzlos«, sagte Mawar kalt. Kopfschüttelnd sah sie ihn an, und ihre Augen waren auf einmal genauso abschätzend wie die von Zugar. »Die anderen Mädchen hatten recht. Ich hätte auf sie hören sollen.«

»Was? Wovon redest du da?«

Mawar stand auf und klopfte Erdkrumen von ihrem Kleid. »Sie haben mich gewarnt, dass ich meine Zeit mit dir verschwende. Ich habe behauptet, dass du helfen kannst. Aber das kannst du nicht. Oder du willst nicht. Egal. Wir sind fertig miteinander.«

»Was?«, rief Percellar.

Mawar antwortete nicht. Sie ging einfach weg.

So schnell wie noch nie rappelte er sich auf und humpelte ihr mit den Krücken hinterher. »Mawar! Lass mich nicht allein!«

Sie blieb stehen, drehte sich um und sah ihn herausfordernd an. »Wieso nicht?«

»Wir gehören zueinander!«

Sie lachte nur. »Du hast echt geglaubt, jemand wie ich hätte Interesse an dir?« Immer noch lachend, trat sie ihm eine Krücke weg.

Sergio Percellar stürzte und schlug der Länge nach hart auf den steinernen Pfad.

Aber das war es nicht, was am meisten schmerzte.

3.

T minus zwei Minuten

Perry Rhodan hielt sich nicht für abergläubisch, doch Thoras Nervosität hatte ihn angesteckt. Es ist nur ein Testflug. Wieder und wieder redete er sich das ein, beruhigend wirkte es trotzdem nicht. So plausibel der Plan klang: War Okals desaströse Erfolgsquote nicht Grund genug, sich etwas anderes einfallen zu lassen?

Aber über andere Möglichkeiten hatten schlaue Köpfe aus der Kolonialflotte schon monatelang gegrübelt, ohne verwertbares Ergebnis. Erst mit der Ankunft der zwei relativ Unsterblichen Perry Rhodan und seiner Frau Thora Rhodan da Zoltral hatte sich die Situation so geändert, dass man einen Vorstoß wagen konnte.

Also wagte er ihn. Ein zweites Mal betrat Rhodan den Beiboothangar der PERLENTAUCHER und ging auf die Dragonfly zu. Wie stets wunderte er sich ein wenig über die Form.

Die alten Dragonflys hatten an Libellen erinnert, stromlinienförmig und elegant. Die neue Modellreihe II hatte außer dem Namen wenig mit ihrem Vorgänger gemein. Eine fünf Meter durchmessende Stahlkugel bildete das Zentrum des Raumjägers. Sie war umgeben von einer flachen Ringscheibe mit fünfzehn Metern Durchmesser. An dessen Außenkanten waren in gleichmäßigem Abstand vier Unterlichttriebwerke installiert, von denen jedes in drei Richtungen Schub aufbauen konnte: nach oben, nach unten und nach außen.

Das Exotische am Design des neuen Typs II war, dass dieser Triebwerksring nicht mechanisch fest an die Kugelzelle geflanscht war. Stattdessen hielten ihn ultrastarke Magnetfelder kontinuierlich auf zwei Millimeter Abstand, sodass er sich allseitig reibungsfrei um die Zentralsphäre drehen konnte. Im Atmosphärenflug wurde er parallel zum Boden gestellt wie der Ringwulst eines Kugelraumschiffs. Das hintere Triebwerk gab dann Schub nach vorn, die drei anderen wurden nach Bedarf zum Stabilisieren und Manövrieren verwendet.

Ihre volle Stärke spielte diese Konfiguration erst im Weltraum aus. Zahlreiche Supraleitbahnen durchzogen die Hülle der Zentralkugel, und mit einer einfachen Stromumleitung konnte man den Triebwerksring in jede beliebige Stellung bringen. Die Konstruktion folgte den wechselnden Magnetfeldern so schnell, dass der moderne Raumjäger Kursänderungen beinahe im rechten Winkel fliegen konnte – bei vollem Schub aus allen vier Aggregaten.

Wenn der Pilot trotzdem in eine Situation geriet, aus der er sich mit kühnen Manövern nicht befreien konnte, stand ihm ein Transitionstriebwerk zur Verfügung, mit dem man immerhin knapp anderthalb Lichtstunden Distanz überbrücken konnte. Nach zwei Hyperraumsprüngen war dann aber erst mal Ende mit der Herrlichkeit, danach war eine Stunde Aufladepause fällig.

Im Flug ließ der Raumjäger somit kaum einen Wunsch offen. Gelandet sah er allerdings nach einer defekten Fehlkonstruktion aus. Denn man verschwendete keine Energie darauf, den Triebwerksring in Position zu halten, wenn die Maschine nicht flog. Also ruhte er mit einer abgesenkten Außenkante schräg auf dem Boden, während er auf der anderen Seite hoch in die Luft ragte. Die Zentralkugel stand währenddessen auf einer einzelnen, aus der unteren Polkalotte ausfahrbaren Teleskoplandestütze. Die seitlich in der Kernsphäre installierte Einstiegsluke für die regulär zwei Personen starke Besatzung lag dadurch vier Meter über dem Boden.

Rhodan kletterte die schmale, metallene Außenleiter hoch, die dorthin führte, bestieg die Insassenkanzel und setzte sich. Hinter ihm, wo sich normalerweise der Platz des Bordschützen befand, füllte das von Santo Okal improvisierte Ungetüm eines zusätzlichen, extrem leistungsfähigen Lebenserhaltungssystems den Raum. Das Innere der Dragonfly war deshalb noch beengter als üblich. In Kombination mit dem Blick auf die fensterlose Mattstahlinnenwandung der Pilotenkabine hätte das vollends ausgereicht, um einen Klaustrophobiker schreiend wieder hinausspringen zu lassen.

Beengte Räume war Rhodan jedoch gewohnt, seit er vor vielen Jahrzehnten für den Mondflug in der kleinen Kapsel der STARDUST trainiert hatte. Außerdem würde er nicht lange bleiben. Nur ein Testflug!, redete er sich erneut ein.

»Pilotenautorisierung Rhodan«, sagte er laut. »Systeme aktivieren!«

Wie auf ein magisches Fingerschnippen hin veränderte sich seine Umgebung. Der Stahl der Kugelinnenwand verschwand hinter Hologrammen, die eine ungehinderte Sicht nach draußen simulierten. Wahlweise minimal getönt, wie hinter Fenstern, und so natürlich wirkend, als flöge man ein Cabrio durchs All.

Das war eine Vorstellung, die Rhodan gefiel.

Die Leiter wurde eingezogen, das Zugangsschott schloss sich. Dahinter wurde die Luft aus dem Hangar absaugt. Der Triebwerksring stellte sich parallel zum Boden. Noch zündeten die Schubaggregate nicht. Man würde den Raumjäger per Antigravitationsfeld ausschleusen.

Der Teleskopstandfuß der Maschine glitt in die Südpolrundung der Zentralkugel zurück und rastete mit einem hörbaren Geräusch ein. Rhodan war startklar.

Nur ein Testflug.

Außerhalb der PERLENTAUCHER ließ Rhodan es sich nicht nehmen, sein Fahrzeug ein wenig auszuprobieren. Im Ernstfall musste er sich schließlich darauf verlassen können. Also brauchte er ein Gefühl dafür, wie es reagierte.

Er flog im Zickzack durch den Weltraum, stellte den Antriebsring schräg, gab Vollschub und ließ den Ring langsam rotieren. So brachte er sein Beiboot in einer engen Spirale abwärts, brach plötzlich seitlich aus dem Kurs aus und umrundete sein Mutterschiff in einem weiten Bogen. Dieses Ding zu fliegen, machte richtig Spaß.

Die Menschheit hatte es erstaunlich weit gebracht, seit er einst auf einer hochgradig explosionsgefährdeten Rakete zum Mond geritten war.

»PERLENTAUCHER an Dragonfly«, meldete sich sein Funkgerät. »Hat der Pilot getrunken?«

Rhodan grinste, als er Thoras Stimme hörte. »Ich höre ja schon auf.«

Er beendete seine Manövrierübungen und steuerte auf die Schwärze vor sich zu: eine dunkle Wand, weil der lichtlose Schirm rund ums Solsystem den Blick auf die Sterne dahinter blockierte. Man vergaß leicht, wie gewaltig ein Sonnensystem war. Aber wenn man in einem nur fünfzehn Meter großen Raumboot saß und vor einem war nach oben, unten, rechts und links nur Finsternis, bekam man ein Gefühl dafür.

»Selbsttest erfolgreich abgeschlossen«, informierte ihn der Bordrechner, eine kompakte Hochleistungspositronik.

Rhodan runzelte die Stirn. Er hatte keinen Test initiiert. War das noch Okals Werk? Und wenn ja: Hatte der Techniker die umgebaute Dragonfly zum Start freigegeben, bevor der Raumjäger sich selbst einsatzfähig gemeldet hatte?

Er würde das nach seiner Rückkehr klären. Ein solcher Verstoß gegen die vorgeschriebenen Abläufe konnte einen Piloten in echte Schwierigkeiten bringen, wenn bei dem Test etwas schiefging.

»Ich müsste noch hundertzwanzigtausend Kilometer von der Zielzone entfernt sein«, fragte Rhodan über Funk. »Seht ihr das auch so?«

Der schwarze Schirm war nicht zu orten, sondern nur optisch wahrnehmbar – und das auch nur, weil er kein Licht reflektierte und sich dadurch von der Umgebung unterschied. Für Rhodan brachte das die Schwierigkeit, dass er die Schwärze des Schirms nicht von der Schwärze des normalen Weltraums unterscheiden konnte. Er musste aufpassen, dass er nicht versehentlich mitten ins Ziel rauschte.

Sein Orientierungspunkt war die PERLENTAUCHER. Das hundert Meter durchmessende Kugelschiff verharrte hinter ihm, und laut seinen Taststrahlen war es mittlerweile achtzigtausend Kilometer entfernt. Da der Leichte Kreuzer selbst zweihunderttausend Kilometer vor dem Sperrschirm stand, konnte Rhodan die eigene Position extrapolieren. Andere Raumschiffe in der Nähe halfen dabei, indem sie ebenfalls Position hielten und somit eine Triangulation ermöglichten.

»Rhodan an PERLENTAUCHER«, wiederholte er die Anfrage. »Erbitte Bestätigung meiner Distanzschätzung.«

Immer noch keine Antwort. Dafür meldete sich die Positronik: »Totalausfall von Triebwerk drei.«

»Was?«, rief Rhodan verblüfft.

Er schwenkte in seinem Sitz herum. Er wusste nicht, welches Triebwerk die Nummer drei hatte, aber alle vier liefen stotterfrei – zumindest wenn das Außenbeobachtungshologramm ihm keine Irrbilder in sein Blickfeld projizierte.

»Positronik, ich erhalte widersprüchliche visuelle und akustische Informationen. Was stimmt nicht: das Holo oder deine Meldung gerade?«

»Ich habe in der vergangenen Minute keine akustische Meldung abgegeben.«

»Wie ...« Rhodan schloss den Mund. Er hatte richtig gehört und brauchte keine Wiederholung der eindeutig falschen Auskunft. Etwas stimmte nicht mit seinem Bordrechner.

»Selbsttest!«, ordnete er an.

Er wartete auf das Resultat. Normalerweise sollte die Klarmeldung nach wenigen Sekunden erfolgen. Doch die Positronik sagte nichts.

»Wo bleibt das Ergebnis des Selbsttests?«, fragte er schließlich, inzwischen deutlich nervös.

»Ich wiederhole«, sagte das primäre Rechnersystem des Raumjägers. »Selbsttest erfolgreich abgeschlossen.«

»Das ist keine Wieder...«, begann Rhodan, doch erneut hielt er inne. Das stimmte nicht.

Die Positronik hatte den erfolgreichen Abschluss durchaus schon einmal gemeldet. Allerdings bevor Rhodan den Test überhaupt angeordnet hatte.

Temporale Effekte, dämmerte es ihm. Wir wissen, dass der Schirm etwas mit der Zeit macht! War dann auch die Meldung des Triebwerksausfalls erfolgt, bevor der entsprechende Schaden auftrat?

Rhodan griff nach den beiden Steuerknüppeln und wollte die Dragonfly zur sofortigen Umkehr zwingen. Doch dann stotterte eins der Triebwerke und erstarb Momente später ganz.

Die Frage war beantwortet. So einfach wie gedacht war der Anflug also nicht. Rhodan musste schleunigst zurück.

Auch mit nur drei Triebwerken ließ sich die Dragonfly problemlos steuern, solange sie keine eleganten Manöver zu fliegen hatte. Dazu musste der Antriebsring einfach nur senkrecht zum Flugvektor stehen, und die Triebwerke mussten synchron Vorwärtsschub geben.

Nur dass sie das nicht taten. Der Ring reagierte zwar auf Rhodans Kommandos, aber lediglich stockend und zögerlich. Die Triebwerke pusteten ihre Plasmastrahlen währenddessen fröhlich wechselnd in alle Richtungen und brachten die Dragonfly in ein unkontrolliertes Trudeln.

»Mist!« Rhodan bearbeitete die Steuerknüppel auf seinen beiden Armlehnen, aber diese übertrugen seine Befehle nicht verlässlich. »Positronik«, rief er. »Fehlerdiagnose!«

»Reihenfolge ...« Pause. »Datenpakete ...«

Es mutete lächerlich an. Die maschinell generierte Stimme klang sogar stammelnd immer noch so aufmunternd wohlmoduliert wie zum Zeitpunkt des Starts, als der Raumjäger noch komplett funktioniert hatte.

»Außer ... der ... ist ... Abarbeitung ...«

Rhodan schauderte, als er die Satzbrocken in eine sinnvolle Reihung brachte. Wenn die Positronik die Dateneinheiten nicht mehr in korrekter Abfolge bearbeitete, würde sie den Dienst aufgeben. Noch waren die Pakete offenbar halbwegs verständlich, aber wenn die Fragmentierung weiter voranschritt ...

»Neustart!«, rief Rhodan, übertönte damit die zeitgleiche Meldung.

»Neustart erfolgt«, kam von der Positronik.

»Umstellen auf akustische Steuerung«, forderte er. »Alle Triebwerke auf Vorwärtsschub ausrichten!«

Wenn die Manövrierbefehle nicht mehr händisch mit den Steuerknüppeln funktionierten – vielleicht ging es auf anderem Weg?

Leider nein. Vielmehr geriet der Triebwerksring in wildes Kreiseln. Der Andruckabsorber lief nicht mehr komplett synchron, sodass Rhodan binnen Sekunden schlecht wurde. Der Kurs der Dragonfly war nun völlig erratisch. Das Raumboot taumelte so schnell um alle Achsen, dass Rhodan nicht mal sagen konnte, ob er sich dem Schirm näherte oder davon entfernte.

»Notsignal!«, forderte er. Der Funkruf hätte auf diese Anweisung hin automatisch abgestrahlt werden müssen, aber darauf wollte er sich nicht verlassen. Deshalb gab er gleichzeitig hyperenergetische SOS-Impulse mit dem Hyperfunk-Laser ab, den Okal ihm eingebaut hatte. Eher eine Verzweiflungstat, da er kein Ziel für den Richtstrahl anpeilen konnte. Aber er wollte nichts unversucht lassen.

Es nutzte nichts. Niemand kam zu Hilfe.

Rhodan kämpfte noch fünf Minuten ebenso verzweifelt wie erfolglos gegen die Technik, dann gab die Positronik nach mehreren Neustartmeldungen endgültig ihren Geist auf.

Der Vorteil war, dass das wilde Trudeln damit endete. Der Triebwerksring blieb in Position, die Schubaggregate schalteten sich ab.

Der Nachteil war, dass die Dragonfly zuletzt Richtung Schirm unterwegs gewesen war und diese Richtung nun beibehielt. Nichts, was Rhodan tun konnte, vermochte das zu ändern.

Die Hologramme, die aus der undurchsichtigen, stählernen Außenwand der Steuerkugel eine Panoramascheibe machten, funktionierten unabhängig vom Hauptrechner. Sie verfügten zudem über ihre eigene Stromversorgung, die sie noch mindestens vierundzwanzig Stunden in Betrieb halten würde. Alle anderen Bordsysteme indes fuhren herunter, mit Ausnahme der Lebenserhaltung und des Recyclingmoduls, die eigene, von der Hauptpositronik unabhängige Energiereaktoren hatten.

Sterben würde Perry Rhodan also nicht so schnell. Hinausschauen konnte er ebenfalls.

Aber das war es auch schon.

T plus 26 Stunden

Die Außenbeobachtungsholos erloschen jäh, als die Energiespeicher ihrer Projektoren erschöpft waren. Rhodan konnte daraus folgern, dass sein Testflug nun schon etwas mehr als einen Tag dauerte. Gezeigt hatten sie schon lange nichts mehr außer der Schwärze des Schirms. Diese wurde nun ersetzt durch das Stahlgrau der Innenwand.

»Jetzt wird's lustig!«, murmelte Rhodan. Einen Tag lang schwarzes Nichts anzuglotzen, war zwar auch nicht seine Vorstellung von guter Unterhaltung, aber dabei hatte es zumindest die Chance gegeben, dass sich etwas tat. Dass er den Schirm durchbrach und das Licht von Sol sah.

Nun starrte er stattdessen auf die öde Wand direkt vor seiner Nase, und bis die Positronik wieder ansprang und Energie zu den Holoprojektoren lenkte, würde sich daran nichts mehr ändern. Aber ob der Bordrechner sich überhaupt jemals reaktivierte, war höchst ungewiss. Möglicherweise hatte die Temporalverwirrung ihm dermaßen zugesetzt, dass er sich ohne die heilende Hand eines Technikers nie regenerieren würde.

Einstweilen bestand Rhodans Welt jedenfalls aus einer blickdichten Halbkugel von zweieinhalb Metern Radius. Und er hatte kein zuverlässig funktionierendes Gerät bei sich, das ihm sagen konnte, wie viel Zeit er bereits in diesem Gefängnis verbracht hatte.

T plus 70 Stunden

Wie lange schon? Ein Tag? Zwei? Oder doch nur ein paar Stunden? Der Reizentzug zeigte allmählich Wirkung. Rhodan begann, Stimmen zu hören. Angenehme Stimmen, Thora beispielsweise.

Aber er durfte ihnen nicht zuhören. Sie waren nicht wirklich da.

Perry Rhodan war kein Psychologe, aber er wusste genug über die Folgen sensorischer Deprivation, um Angst zu bekommen. Nicht mehr lange, und er würde halluzinieren. Wenn sein Gehirn ihm zeigte, was er sehen wollte, statt dem, was war, mochte er bald Gefahr laufen, das Austiegsschott zu öffnen, um auf eine grüne Wiese in die Sommersonne hinauszuhüpfen – aber würde gleich darauf im Vakuum des Weltraums ersticken und erfrieren, während das Blut in seinen Adern schäumte.

Das musste er verhindern, solange er seine fünf Sinne noch einigermaßen beisammenhatte.

Er überprüfte die Recyclinganlage und das Lebenserhaltungssystem jeweils dreimal, bevor er sein Leben den Geräten anvertraute. Dann verband er seinen Raumanzug mit dem Verwertungskreislauf, schluckte die Magensonde für die künstliche Ernährung, legte sich so bequem wie möglich in seinen Pilotensessel und senkte die Temperatur der Passagierkapsel für den Kälteschlaf.

T plus ?

Perry Rhodan schlug die Augen auf.

»Phase drei des Aufweckprogramms ist erfolgreich beendet«, meldete die freundliche Positronikstimme.

Das war gut. Eine funktionierende Positronik zu hören, war gut.

Rhodan brauchte einen Moment, um sich zu entsinnen, woran das lag. Dann kam die Erinnerung mit Macht zurück.

»Holos ak...« Er brach ab und zog die Magensonde an ihrem Schlauch hervor. Er würgte. Sein Mundwinkel fühlte sich wund an. Seine Fingerkuppen strichen über einen mehrere Zentimeter langen Bart. »Holos aktivieren!«, sagte er, und das Grau vor ihm wurde zu Schwarz. Allerdings Schwarz mit einem einzelnen grellweißen Punkt im rechten unteren Quadranten.

»Sol!«, rief Rhodan heiser. »Ich bin durch!«

Kurz fragte er sich, mit wem er da eigentlich redete. Aber er beschloss, dass Selbstgespräche in freudigen Momenten nicht zwingend ein Zeichen für Geisteskrankheit waren.

Es war ein ruppiger Ritt gewesen, aber Okals Plan hatte funktioniert. Trotz schlechtem Gefühl und trotz der Tatsache, dass sich Rhodan genau genommen immer noch auf einem Testflug befand.

»Wie lange war ich weg?«, fragte Rhodan.

»Die Schlafphase hat zweiunddreißig Minuten gedauert«, antwortete der Bordrechner.

Das konnte nicht sein. Der Staub in der Pilotenkapsel hatte sich komplett auf den Flächen abgelagert. So etwas dauerte mehrere Tage. Auch die wund gescheuerte Stelle, wo der Sondenschlauch auf der Unterlippe gelegen hatte, kam nicht von jetzt auf gleich. Ganz zu schweigen von mehreren Zentimetern Bartwuchs – und das im Kälteschlaf. Sogar wach brauchte Rhodan dafür mehrere Wochen, und in der Kryostase liefen solche Prozesse noch erheblich langsamer ab. Wenn er hätte schätzen sollen, war er mindestens zwei Monate unterwegs gewesen.

Die Zeitmessung an Bord funktionierte scheinbar wieder, aber Rhodan traute den Anzeigen nicht. Die Recyclinganlage hatte 8274 Arbeitszyklen durchlaufen. Das klang nach viel, aber Rhodan wusste die Angabe nicht umzurechnen.

Also würde er noch etwas warten müssen, bis er diese Frage klären konnte. Es sei denn ...

»Positronik, empfangen wir Funkwellen von der Erde?«

»Ja. Die Erde befindet sich in intensivem Richtfunkaustausch mit einem Raumschiff in unmittelbarer Nähe.«

Das war nicht ganz das, was Perry Rhodan hatte hören wollen – aber auf jeden Fall gut zu wissen. »Ortung aktivieren!«, rief er schnell.

4.

Mit einem lauten »Klonk« verband sich die magnetische Standplatte der Dragonfly mit dem Hangarboden. Der Triebwerksring legte sich schräg in seine Parkposition. Das Ausstiegsschott fuhr auf, und Perry Rhodan konnte endlich Luft atmen, die nicht 8274-mal wiederaufbereitet worden war.