Perry Rhodan Neo Paket 36: IMPRINT - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan Neo Paket 36: IMPRINT E-Book

Perry Rhodan

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Beschreibung

Auf der Erde und den von Menschen besiedelten Welten schreibt man das Jahr 2461. Nach den Schrecken der Vergangenheit können die Bewohner der Milchstraße aufatmen – die galaktischen Zivilisationen machen sich an den Wiederaufbau. Es herrscht Aufbruchstimmung; man hilft sich gegenseitig. Nicht nur Perry Rhodan glaubt an eine friedliche und lebenswerte Zukunft. Da erreicht eine gigantische Raumstation die Nähe des Sonnensystems: Es handelt sich um ein Kosmisches Kontor, ein Warenhaus im All. Die Fremden an Bord nennen sich Hamamesch – sie bieten hochwertige Waren aller Art zu konkurrenzlos günstigen Preisen an. Nacheinander treffen weitere Kontore in der Milchstraße ein. Perry Rhodan und seine Gefährten sind misstrauisch – doch niemand will auf sie hören. Die Menschheit wendet sich gegen Rhodan, er wird aus seiner Heimat verbannt. Rhodan muss das dunkle Geheimnis der Hamamesch lüften – dabei stößt er in ein kosmisches Wespennest …

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Seitenzahl: 2146

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Auf der Erde und den von Menschen besiedelten Welten schreibt man das Jahr 2461. Nach den Schrecken der Vergangenheit können die Bewohner der Milchstraße aufatmen – die galaktischen Zivilisationen machen sich an den Wiederaufbau. Es herrscht Aufbruchstimmung; man hilft sich gegenseitig. Nicht nur Perry Rhodan glaubt an eine friedliche und lebenswerte Zukunft.

Da erreicht eine gigantische Raumstation die Nähe des Sonnensystems: Es handelt sich um ein Kosmisches Kontor, ein Warenhaus im All. Die Fremden an Bord nennen sich Hamamesch – sie bieten hochwertige Waren aller Art zu konkurrenzlos günstigen Preisen an. Nacheinander treffen weitere Kontore in der Milchstraße ein.

Perry Rhodan und seine Gefährten sind misstrauisch – doch niemand will auf sie hören. Die Menschheit wendet sich gegen Rhodan, er wird aus seiner Heimat verbannt. Rhodan muss das dunkle Geheimnis der Hamamesch lüften – dabei stößt er in ein kosmisches Wespennest ...

Cover

Vorspann

Band 350 – Kosmische Kontore

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Perry Rhodan

3. Thora Rhodan da Zoltral

4. Perry Rhodan

5. Thora Rhodan da Zoltral

6. Perry Rhodan

7. Thora Rhodan da Zoltral

8. Aveline Celestaris

9. Aveline Celestaris

10. Aveline Celestaris

11. Perry Rhodan

12. Aveline Celestaris

13. Aveline Celestaris

14. Perry Rhodan

15. Perry Rhodan

16. Aveline Celestaris

17. Aveline Celestaris

18. Perry Rhodan

19. Thora Rhodan da Zoltral

20. Aveline Celestaris

Band 351 – Das Geisterschiff

Vorspann

1. Perry Rhodan: Entkommen!

2. Aveline Celestaris: Die Stadt der tausend Händler

3. Aveline Celestaris: Der Mut der Etrinonen

4. Aveline Celestaris: Der schlafende Riese

5. Der Knochen im All

6. Thora Rhodan da Zoltral: Das Tagebuch

7. Thora Rhodan da Zoltral: In die Asteroidenbasis

8. Tara Klerana: Die Gestrandeten

9. Aveline Celestaris: Zur MAGELLAN!

10. Aveline Celestaris: Der Garten der Trolle

11. Aveline Celestaris: Schablonskis Geist

12. Bluthände

13. Aveline Celestaris: Licht und Luft!

14. Aveline Celestaris: Positroniktherapie

15. Aveline Celestaris: Einsatz der Mehandor!

16. Tara Klerana: Tödlicher Spuk

17. Aveline Celestaris: Der Geist in der Maschine

18. Aveline Celestaris: Eidolons Macht

19. Aveline Celestaris: Erweckt nach Jahrhunderten

Band 352 – Carembroich, der Dieb

Vorspann

1. Perry Rhodan: Meuterei

Diebes-Tagebuch

2. Perry Rhodan: Vorstellungsgespräche

Diebes-Tagebuch

3. Perry Rhodan: Der Lotse

Diebes-Tagebuch

4. Carembroich: In dunklen Gassen

5. Perry Rhodan: Aufbruch

Diebes-Tagebuch

6. Carembroich: Paranoia?

Diebes-Tagebuch

7. Perry Rhodan: Der Nachzügler

8. Carembroich: Inspektion

9. Carembroich: Geheimnisse und ihre Wirkung

Diebes-Tagebuch

10. Perry Rhodan: Im Versteck

Diebes-Tagebuch

11. Perry Rhodan: Entdeckt

Diebes-Tagebuch

12. Perry Rhodan: Übergabe

Diebes-Tagebuch

13. Perry Rhodan: Tiefe Taschen

14. Perry Rhodan: Emissionsnebel

Diebes-Tagebuch

15. Perry Rhodan: Glut und Blüten

Diebes-Tagebuch

16. Perry Rhodan: Hetzjagd

Diebes-Tagebuch

17. Perry Rhodan: Am Ende

Band 353 – Das Zwottertracht-Paradoxon

Vorspann

1. Jingadesh

2. Perry Rhodan

3. Roi Danton

4. Atlan da Gonozal

5. Atlan da Gonozal

6. Gucky

7. Atlan da Gonozal

8. Roi Danton

9. Gucky

10. Roi Danton

11. Gucky

12. Roi Danton

13. Perry Rhodan

14. Roi Danton

15. Perry Rhodan

16. Roi Danton

17. Roi Danton

18. Perry Rhodan

19. Perry Rhodan

20. Perry Rhodan

21. Roi Danton

Band 354 – Erben der Leere

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Aveline Celestaris

3. Thora Rhodan da Zoltral

4. Perry Rhodan

5. Thora Rhodan da Zoltral

6. Aveline Celestaris

7. Perry Rhodan

8. Thora Rhodan da Zoltral

9. Aveline Celestaris

10. Thora Rhodan da Zoltral

11. Aveline Celestaris

12. Thora Rhodan da Zoltral

13. Luisa Knoche

14. Luisa Knoche

15. Thora Rhodan da Zoltral

16. Luisa Knoche

17. Luisa Knoche

18. Thora Rhodan da Zoltral

19. Luisa Knoche

20. Luisa Knoche

21. Luisa Knoche

22. Luisa Knoche

23. Thora Rhodan da Zoltral

24. Aveline Celestaris

25. Thora Rhodan da Zoltral

26. Aveline Celestaris

27. Thora Rhodan da Zoltral

28. Thora Rhodan da Zoltral

29. Perry Rhodan

30. Perry Rhodan

Band 355 – Terror auf Tynar

Vorspann

1. Thora Rhodan da Zoltral

2. Perry Rhodan

3. Perry Rhodan

4. Enya Vhonn

5. Perry Rhodan

6. Enya Vhonn

7. Ras Tschubai

8. Perry Rhodan

9. Ras Tschubai

10. Perry Rhodan

11. Perry Rhodan

12. Ras Tschubai

13. Perry Rhodan

14. Katar Jinn

15. Perry Rhodan

16. Ras Tschubai

17. Perry Rhodan

18. Enya Vhonn

19. Perry Rhodan

20. Ras Tschubai

21. Perry Rhodan

22. Iras Kren

23. Ras Tschubai

24. Perry Rhodan

25. Thora Rhodan da Zoltral

26. Ras Tschubai

27. Perry Rhodan

28. Ras Tschubai

29. Perry Rhodan

30. Ras Tschubai

Nachruf Rainer Schorm

Vorschau

Band 356 – Basar der Einsamkeit

Vorspann

1. Aveline Celestaris träumt von Schatten

2. Thora Rhodan da Zoltral erinnert sich an Schnecken

3. Gucky synchronisiert

4. Aveline Celestaris isst arkonidische Suppe

5. Jamels hat eine Bitte

6. Sud imprägniert

7. Thora Rhodan da Zoltral verschlägt es die Sprache

8. Eidolon kuschelt

9. Perry Rhodan pokert

10. Tibur bekommt einen Schlag

11. Aveline Celestaris stürzt ab

12. Perry Rhodan tritt in Aktion

13. Atlan da Gonozal legt Steine in den Weg

14. Aveline Celestaris hält den Mund

15. Perry Rhodan trifft eine Entscheidung

16. Traumvision: Aveline Celestaris isst ein Eis

17. Atlan da Gonozal tritt in Schmodder

18. Traumvision: Aveline Celestaris kämpft

19. John Marshall bändigt einen Schatten

20. Thora Rhodan da Zoltral zieht ihre Schlüsse

21. Eidolon wird zum Skalpell

22. Perry Rhodan fragt nach

23. Aveline Celestaris trauert mit den Hamamesch

Band 357 – Wächter des Kollektivs

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Shymlith

3. Perry Rhodan

4. Shymlith

5. Perry Rhodan

6. Zevithar

7. Shymlith

8. Perry Rhodan

9. Shymlith

10. Perry Rhodan

11. Shymlith

12. Thora Rhodan da Zoltral

13. Shymlith

14. Perry Rhodan

15. Perry Rhodan

16. Zevithar

17. Thora Rhodan da Zoltral

18. Shymlith

19. Zevithar

20. Shymlith

21. Perry Rhodan

22. Shymlith

23. Perry Rhodan

24. Shymlith

25. Shymlith

Band 358 – Schwarzmarkt Terra

Vorspann

1. Die lange Reise

2. Schlechte Nachrichten

3. Ein kleiner Zwischenstopp

4. Ein Besuch auf Cybora

5. Die drei Entzugsphasen

6. Folgen der Sucht

7. Taktische Gesprächsführung

8. Das Notsignal

9. Auf dem Geisterschiff

10. Wertvolle Kontakte

11. Observation

12. Die Stunde der Wahrheit

13. Ein Abstecher zum Mond

14. Eine Überraschung kommt selten allein

Band 359 – Quantenwinter

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Thora Rhodan da Zoltral

3. Perry Rhodan

4. Thora Rhodan da Zoltral

5. Aurem Dayn

6. Perry Rhodan

7. Aurem Dayn

8. Aurem Dayn

9. Perry Rhodan

10. Thora Rhodan da Zoltral

11. Aurem Dayn

12. Perry Rhodan

13. Thora Rhodan da Zoltral

14. Aurem Dayn

15. Thora Rhodan da Zoltral

16. Perry Rhodan

17. Aurem Dayn

18. Thora Rhodan da Zoltral

19. Perry Rhodan

20. Thora Rhodan da Zoltral

21. Perry Rhodan

22. Thora Rhodan da Zoltral

23. Perry Rhodan

24. Aurem Dayn

25. Perry Rhodan

Impressum

Band 350

Kosmische Kontore

Rüdiger Schäfer

Im 25. Jahrhundert: Nach einer langen Zeit des Exils kehren die Menschen zur Erde zurück und beginnen damit, ihr Sternenreich wiederaufzubauen. Auch bei den anderen galaktischen Zivilisationen herrscht neue Zuversicht, Perry Rhodan stellt die Weichen für eine friedvolle Zusammenarbeit der verschiedenen Völker.

Doch dann werfen die Regierung der Erde sowie die Öffentlichkeit ausgerechnet Rhodan und seinen Gefährten terroristische Anschläge und Hochverrat vor. Sie müssen fliehen, um ihre Unschuld beweisen zu können. Womöglich will ein unbekannter Gegner die Stabilität der Terranischen Union erschüttern.

Stecken etwa die mysteriösen Händler dahinter, die seit Kurzem in der Milchstraße tätig sind? Die Hamamesch bieten ihre verblüffend hochwertigen, konkurrenzlos preiswerten Waren und Dienstleistungen in riesigen Raumstationen an – ihre Einkaufsparadiese sind KOSMISCHE KONTORE ...

1.

Perry Rhodan

10. März 2462, Mittag

Sie hatten sich aufgeteilt. John Marshall und Ras Tschubai bildeten das erste Team und damit die Vorhut. Die beiden Mutanten hatten das Hotel vor einer halben Stunde verlassen.

Perry Rhodan blickte alle paar Sekunden auf das Anzeigefeld seines Multifunktionsarmbands, als könne er dadurch das Eintreffen der ersehnten Funknachricht beschleunigen. Ihm entging das spöttisch kommentierende Lächeln seiner Frau nicht. Thora Rhodan da Zoltral hatte sich auf eins der beiden Betten der winzigen Unterkunft gelegt und die langen Beine übereinandergeschlagen. Eine Hand lag an ihrem Hinterkopf, mit der anderen kraulte sie den Nacken des Mausbibers Gucky. Sie wirkte so ruhig und beherrscht wie fast immer in Krisensituationen.

Der Ilt hatte es sich neben der Arkonidin bequem gemacht und die Augen geschlossen. Seine Miene war entspannt, der einzelne Nagezahn entblößt. Er genoss die Nackenmassage sichtlich.

Für Reginald Bull und Atlan da Gonozal waren nur Stehplätze geblieben. Vor allem Bull als Noch-Protektor der Terranischen Union war anzumerken, dass ihm die Enge des Raums zu schaffen machte. Die Wut, die in ihm kochte, suchte seit Längerem ein Ventil.

»Sie müssten die Strecke zum Raumhafen doch inzwischen dreimal zurückgelegt haben«, sprach Bull aus, was auch Rhodan dachte. »Warum melden sie sich nicht? Hey, Kleiner ...!« Er warf Gucky einen giftigen Blick zu. »Vielleicht kannst du deine Wellnesskur mal für fünf Minuten unterbrechen und das tun, was du am liebsten tust: Telepathisch spionieren!«

Der Mausbiber öffnete träge ein Auge und fixierte Bull. Die dünnen Härchen an der Spitze seiner Schnauze zitterten kaum merklich. Dann hob er die rechte Hand und legte Daumen und Zeigefinger so knapp übereinander, dass sie sich fast berührten.

»So dünn ...«, sagte er leise. »So dünn ist das Eis, auf dem du gerade spazieren gehst, Großer. Und glaub mir: Kein Raum ist klein genug, als dass ein übermütiger Protektor nicht ein paar Runden unter der Decke drehen könnte ...«

»Schluss, ihr beiden!« Rhodan, der das zweite Bett besetzt hatte, stand zurzeit nicht der Sinn nach dem üblichen Geplänkel zwischen seinem besten Freund und dem Multimutanten. Die Situation war ernst.

Sie waren auf der Flucht: Thora, Reg, Gucky, Atlan, John, Ras und er selbst. Am Tag zuvor hatte die Solare Abwehr mit Billigung des Unionsrats tatsächlich offizielle Haftbefehle gegen sie erlassen. Sie hatten das zunächst für einen schlechten Scherz gehalten, und das hatte dazu geführt, dass sie dem Spezialkommando der Terra Police erst im letzten Moment entkommen waren.

Die Einsatzkräfte hatten das Tosoma Islands Archipel des Goshunsees vollständig abgeriegelt und sich den Bungalows auf den Inseln mit einem Großaufgebot zu Lande, zu Wasser und aus der Luft genähert. Rhodan und seine Gefährten hatten es nur einer großen Portion Glück sowie den Teleportern Gucky und Ras Tschubai zu verdanken, dass sie nicht schon in irgendeiner Zelle oder einem Verhörraum von Terranias Polizeizentrale saßen.

Von den eigenen Leuten gejagt, dachte Rhodan bitter. Öffentlich als Terroristen, Verschwörer und Verräter beschimpft. Das alles ist so ... entwürdigend ... und absurd.

Eine sanfte Vibration am Handgelenk ließ ihn zusammenzucken. Er berührte das relevante Sensorfeld des Armbandgeräts. »John ...? Ras ...?«

»John hier«, erklang die Stimme des Telepathen John Marshall. »Bei uns ist so weit alles okay. Wir haben die Maxi-Space-Disk vor rund zwanzig Minuten lokalisiert. Entschuldige die lange Wartezeit, Perry, aber wir wollten sichergehen, dass uns hier niemand auflauert. Ras hat die umliegenden Hangars und Lagerhallen überprüft. Ich selbst habe gründlich geespert. Keinerlei auffälligen Aktivitäten. Ihr könnt euch auf den Weg machen. Wir teleportieren in die Zentrale des Raumboots und bereiten alles für den Start vor.«

»Verstanden. Danke, John.«

»Endlich!«, zischte Bull. »Ich halte es in diesem Kaninchenkäfig keine Sekunde länger aus.«

»Sei froh, dass du nicht Maus- oder Biberkäfig gesagt hast«, piepste Gucky und wiederholte demonstrativ seine Geste mit Daumen und Zeigefinger.

»Ach, halt die Klappe!«, reagierte Bull ungewohnt dünnhäutig.

Seit sie sich vor gut einer Stunde im gemeinsamen Zimmer von Thora und Rhodan versammelt hatten, war es mit seiner ohnehin angeschlagenen Laune stetig bergab gegangen. Rhodan konnte das gut verstehen. Bull hatte den größten Teil seines Lebens damit verbracht, der Menschheit zu dienen und in Zeiten schwerster Krisen für ihre Sicherheit zu sorgen – weit länger und intensiver, als Perry Rhodan selbst das getan hatte.

Dass ausgerechnet diese Menschheit Bull nun wie einen gewöhnlichen Verbrecher behandelte und auf Basis haltloser Vorwürfe und absurder Anschuldigungen zur Treibjagd auf ihn blies, war nicht leicht zu verkraften. Zudem war vor wenigen Stunden die Nachricht durchs Mesh gegangen, dass man gegen den Protektor der Terranischen Union ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet hatte.

»Wir gehen einzeln und im Abstand von mehreren Minuten«, mahnte Thora und schwang sich in einer eleganten Bewegung vom Bett.

Gucky seufzte herzzerreißend. Er hätte die Streicheleinheiten der Arkonidin fraglos gern noch ein wenig länger genossen.

»Denkt an eure Masken«, wies Thora sie an. »Und haltet euch an die abgesprochenen Fluchtwege und Zeitpläne. Wir treffen uns an den vereinbarten Orten und bleiben dort maximal zwei Minuten. Wer es nicht rechtzeitig schafft, muss danach selbst klarkommen. Wir warten nicht – und es gibt keine Ausnahmen!«

»Ich bin froh, dass ich nie unter dir gedient habe«, sagte Atlan.

Sein jungenhaftes Grinsen machte auf Thora keinerlei Eindruck. »Wenn du unter mir gedient hättest«, erwiderte sie, »hätte ich dir vielleicht ein bisschen Disziplin und ein paar Manieren beigebracht.«

»Vielleicht.« Atlan hob die Schultern. »Aber ich bezweifle es.«

Das größte Problem war Gucky gewesen. Vier Jahre nach dem Ende von Paragon war er auf der Erde und den anderen von Menschen besiedelten Welten bereits wieder so bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Deshalb war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als den Mausbiber mit einem – leider leicht zu ortenden – Maskierungsfeld zu tarnen und ihn holografisch zu einem etwa fünf bis sechs Jahre alten terranischen Jungen zu machen. Dem Ilt gefiel das zwar nicht besonders, aber am Ende hatte er es mit einem missbilligenden Pfeifen akzeptiert.

Thora und Rhodan übernahmen die Rolle der Eltern – ebenfalls optisch stark verändert, wenngleich nur mit konventionellen Mitteln. Sie fassten Gucky links und rechts an den Händen und spazierten auf den Galactic Park zu, der nur einen knappen Kilometer vom Hotel entfernt lag. Im Hintergrund war das riesige Galactic Park Oval zu sehen, die größte Sportarena in Terrania. 2112 war dort ein Attentat auf Reginald Bull und Stella Michelsen verübt worden – allerdings ohne Erfolg.

»Soll ich dich lieber tragen?«, fragte Rhodan, der bemerkte, dass sich Gucky mehr ziehen ließ, als dass er eigenständig ging. »Du kannst dich auf meine Schultern setzen.«

»Danke, Dad«, antwortete der Ilt patzig. »Aber ich bin schon ein großer Junge und kann allein laufen.«

Thora lachte unterdrückt. Trotz ihrer schwierigen Lage schien die Arkonidin die Situation komisch zu finden. Vielleicht war es aber auch nur ihre Art, mit der Anspannung umzugehen.

Seit zwei Jahren hatte sie ihre Rolle als arkonidische Botschafterin auf der Erde wieder aufgenommen. Die noch immer relativ junge Republik Arkon, die sich aus den Resten des Großen Imperiums entwickelt hatte, hatte in den vergangenen dreieinhalb Jahrhunderten schwer gelitten. Unter anderem war eine Flotte garbeschianischer Keilschiffe direkt ins Arkonsystem, das Herz des uralten Sternenreiches, vorgestoßen und hatte dort weitreichende Zerstörungen verursacht. Der Kristallpalast, jahrtausendelang Symbol des arkonidischen Stolzes und Monument einst unerschütterlicher imperialer Macht, existierte nicht mehr.

Aktuell diskutierten die Arkoniden kontrovers, ob sie ihn wiederaufbauen oder lieber ein neues und historisch unbelastetes Regierungsgebäude an seine Stelle setzen sollten – als Zeichen des Neuanfangs, der Veränderung und einer modernen Gesellschaft, die den Blick nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft richtete.

Das Leben ist ein ewiger Strom, hörte Rhodan die Stimme seines Freunds und Mentors Crest in seinem Kopf. Altes Wasser fließt flussabwärts, und neues folgt ihm nach. Wenn du den Wandel willkommen heißt, wirst du niemals Durst leiden.

Sie betraten die Grünanlage und wandten dem Galactic Park Oval den Rücken zu. Ein breiter, mit grobem Sand aufgeschütteter Weg führte zwischen hohen Palmen und blumenbedeckten Wiesenflächen tiefer in das Naherholungsareal.

Es war früher Nachmittag. Auf der Erde schrieb man den 10. März 2462 – einen Freitag. Über der Hauptstadt der Terranischen Union, der TU, stand die Sonne wie so häufig an einem makellos blauen Himmel.

Rhodan sah sich unauffällig um. Niemand schenkte ihnen besondere Beachtung. Sie waren nur eine gewöhnliche kleine Familie, die durch einen der größten Parks der Weltmetropole spazierte. Touristen vielleicht. Oder Bewohner einer anderen Erdregion, die ihre Verwandten in der großen Stadt besuchten.

Der Weg machte einen Bogen nach links, erreichte eine Brücke, die einen plätschernden Bach überspannte, und mündete ein Stück dahinter schließlich auf einer Art Platz, der von Beeten mit exotischen Blüten umsäumt war. Bäume mit dünnen Stämmen und ausladenden Kronen schützten vor der trockenen Mittagshitze.

»Ich bin nicht oft hier, aber das Ding da vorn ist neu, oder?« Rhodan nickte zur Mitte des Freibereichs.

Thora hatte das seltsame Objekt, das sich dort erhob, ebenfalls gesehen. Sie zuckte mit den Schultern, eine Geste, die ihr nach den vielen Jahrzehnten, die sie schon unter Terranern lebte, längst in Fleisch und Blut übergegangen war. »Das muss eine dieser Statuen sein, die seit Kurzem überall auf Terra und in den Kolonien auftauchen«, sagte sie.

Während sie über den Platz schlenderten, musterte Rhodan die Skulptur. Sie bestand aus einem quadratischen, gut einen Meter hohen Sockel, auf dem eine in sich verdrehte Säule montiert war. Das Material schimmerte in diversen Beigetönen, die sich veränderten, je nachdem aus welchem Blickwinkel man das Gebilde betrachtete. Die matten Reflexe des Sonnenlichts, das durch die Blätter der Bäume drang, erfüllten ihn mit einem Gefühl innerer Ruhe und Behaglichkeit.

»Hier entlang!«, riss ihn die Stimme seiner Frau in die Realität zurück.

Rund um die Statue hatte sich ein gutes Dutzend Leute versammelt: hauptsächlich Terraner, aber auch zwei Ferronen und eine Mehandor. Alle standen stumm, mit herabhängenden Armen vor dem Objekt und starrten es an. Die Gesichter, die Rhodan sehen konnte, wirkten entspannt.

»Komm schon!«, drängte Thora. »Wir müssen weiter!«

Was ist los mit mir?, durchfuhr es ihn. Ich wäre beinahe auch stehen geblieben. Diese Skulptur ... Sie strahlt eine unterschwellige Faszination aus, der man sich nur schwer entziehen kann ...

Im selben Augenblick bemerkte er die beiden Männer in den blauen Uniformen der Terra Police. Anscheinend eine Streife, wie sie in Terrania dieser Tage öfter anzutreffen war. Seit die Raumstation TEKMAR aus dem Proxima-Centauri-System in die unmittelbare Nähe der Erde verlegt worden war, hatte sich die Zahl der Stadtbesucher drastisch erhöht, was zugleich die Anforderungen an die allgemeine Sicherheit gesteigert hatte.

Die Polizisten schauten zu ihnen herüber.

»Wink ihnen zu, Gucky«, sagte Rhodan und lächelte. »Du bist ein süßer, kleiner Junge, der später auch mal Polizist werden will ...«

»Bin ich das?«, raunzte der Mausbiber missmutig, gehorchte aber.

Die beiden Männer winkten zurück, wandten sich dann ab und gingen weiter.

»Warum teleportieren wir nicht einfach?«, beschwerte sich Gucky. »John und Ras haben das doch auch getan.«

»Wie oft willst du mir diese Frage noch stellen?« Der innere Frieden, den Rhodan beim Anblick der Statue verspürt hatte, verflog schlagartig. »Wir müssen vorsichtig sein. Die Behörden sind mit euren Fähigkeiten vertraut und werden früher oder später die Paraabwehr aktivieren. Mit etwas Glück bleiben uns bis dahin zwar noch ein paar Stunden Zeit. Es dauert, bis die Genehmigungen für ein derart drastisches Mittel vorliegen. Aber wenn man bereits vorher entdeckt, dass du deine Psi-Kräfte einsetzt, gibt es einen Großalarm, und man hat uns binnen weniger Minuten geschnappt.«

Sie hatten lange über das alles gesprochen. Auch darüber, ob sie sich stellen und versuchen sollten, die Dinge, die man ihnen vorwarf, im vernünftigen Gespräch mit den Verantwortlichen zu klären. Doch die Hinweise darauf, dass sich hinter den Ereignissen der vergangenen Tage und Wochen eine gezielte, groß angelegte Kampagne verbarg, wogen schwer.

Wenn das tatsächlich der Fall war, ging es vielleicht gar nicht darum, ihre kleine Gruppe lediglich zu den Ereignissen auf den Kontoren zu befragen. Sondern man wollte sie ein für alle Mal aus dem Weg schaffen – so unwirklich und paranoid das auch klang. Thora, Bull, Rhodan selbst und sogar Atlan hatten ihre zahlreichen Kontakte spielen lassen. Das Bild, dass sich dabei herauskristallisiert hatte, war alarmierend gewesen.

Nach der Wiederherstellung des Meshs, des interstellaren Kommunikations- und Datennetzes der TU, hatte es nicht lange gedauert, bis Perry Rhodan und die anderen maßgeblichen Akteure aus der Zeit vor der Symaios neue Popularität erlangt hatten – vor allem auf der Erde und in den terranischen Kolonien. Außerdem hatten sie unermüdlich mitgeholfen, den Wiederaufbau einzuleiten und voranzubringen. Den Rest hatten die Medien besorgt, indem sie die zahllosen Geschichten über die vergangenen Abenteuer und Heldentaten von Rhodan und seinen Gefährten ausgruben und neu verbreiteten.

Rhodan selbst hatte zwar anfangs noch etwas kämpfen müssen, weil er in einigen Kreisen als Verantwortlicher für die Symaios und somit als der eigentliche Verursacher der großen Krise gegolten hatte. Die Fakten indes hatten schnell bewiesen, dass diese Anschuldigungen jeglicher vernünftigen Grundlage entbehrten.

Perry Rhodan war noch nie ein Mann gewesen, der Verschwörungstheorien mehr Aufmerksamkeit schenkte, als sie es verdienten. Allerdings hatten sich in den zurückliegenden Monaten die Belege für eine ziemlich raffiniert angelegte Intrige gegen die kleine Gruppe der Warner, die sich um den Terraner geschart hatte, zunehmend verdichtet. Hinter den Kulissen braute sich diesmal wahrhaftig etwas zusammen. Schwer greifbar, nicht eindeutig zu identifizieren, aber zweifellos real und verdammt gefährlich.

Wir brauchen Zeit, dachte Rhodan. Zeit, um uns darüber klar zu werden, was als Nächstes zu tun ist. Um herauszufinden, wem wir vertrauen können und wem nicht. Selbst wenn man unsere Flucht als eine Art indirektes Schuldeingeständnis interpretieren wird.

Der erste Treffpunkt war die Nexus Stellarum Cascade, eine beliebte Sehenswürdigkeit in einer der inneren Zonen des Galactic Parks: ein kreisförmiger Springbrunnen, dessen von Prallfeldern gelenkte Wasserströme den Planetenbahnen des Solsystems nachempfunden waren. Dort herrschte meistens großer Andrang – auch an diesem Tag. Obwohl eine Stadt wie Terrania niemals schlief, hatten sich Samstag und Sonntag als klassische Ruhetage behauptet. Nach wie vor nutzten viele Terraner das Wochenende traditionell zur Erholung und Freizeitgestaltung. Je weiter der Freitag voranschritt, desto voller – und unübersichtlicher – würde es deshalb im Stadtzentrum werden.

Während sie den Brunnen umrundeten, lauschte Rhodan auf die Gespräche der Menschen in seiner Nähe. Erwartungsgemäß ging es fast ausschließlich um die Kosmischen Kontore, von denen es in der Lokalen Blase inzwischen ein knappes Dutzend gab. Die Leute berichteten einander von ihren Besuchen der gigantischen Konsumtempel, schwärmten von den niedrigen Preisen und der hohen Qualität der dort angebotenen Waren. Kritische Töne vernahm Rhodan kein einziges Mal.

Thora entdeckte den dicklichen, älteren Herrn mit dem schütteren, weißen Haar und der viel zu groß wirkenden Brille als Erste. Bereits lange vor der Symaios waren Brillen keine medizinische Notwendigkeit mehr gewesen, sondern nur noch ein modisches Zubehör.

Etwaige Sehfehler konnten durch einen harmlosen Eingriff per Nanochirurgie innerhalb weniger Minuten korrigiert werden. Wer eine Brille trug, tat das also aus demselben Grund, aus dem er Körperschmuck anlegte oder sich tätowieren ließ. Überdies waren die einstigen Sehhilfen häufig mit technischen Spielereien gespickt, wie winzigen Infrarotkameras oder positronischen Gerätschaften, die holografische Informationen und Bilder direkt auf die Netzhaut der Brillenträger projizierten sowie ein Zusammenspiel virtueller und physischer Wirklichkeit ermöglichten.

Der alte Mann ging langsam und in leicht gekrümmter Haltung an einigen Sitzbänken vorbei. Er sah nicht ein einziges Mal zu den vorgeblichen Eltern mit Kind herüber. Dennoch war Rhodan überzeugt, dass Atlan sie ebenfalls registriert hatte. Seine Maske war perfekt – und er spielte den harmlosen Alten mit unnachahmlicher Souveränität.

»Gut ... weiter«, sagte Rhodan leise. Der Arkonide war rechtzeitig eingetroffen. Nun fehlte nur noch Bull.

Sie erreichten den nördlichen Ausgang des Galactic Parks, überquerten per Antigravbrücke den vierspurigen Quantenpfad und strebten der Lumina Obscura entgegen. Diese nach dem Sieg über die Aphilie errichtete Lichtinstallation sollte an die zahlreichen Opfer jenes düsteren Abschnitts der Menschheitsgeschichte erinnern, entfaltete ihre wahre Pracht allerdings erst nach Einbruch der Dämmerung.

Der kräftig gebaute Ferrone mit seiner dunkelblauen Haut und den kupfern schimmernden Haaren hockte auf einer schmalen Ziermauer und hatte die Hände in die Taschen seiner Kombination gesteckt. Hin und wieder drehte er den Kopf zur Seite und spuckte kräftig aus. Dabei hing ihm die große Zunge wie ein nasser Lappen aus dem Mund.

Was auf den ersten Blick wie eine unappetitliche Angewohnheit wirkte, war eine existenzielle körperliche Notwendigkeit für Ferronen: Die Bewohner des Wegasystems hatten keine Schweißdrüsen und mussten überschüssige Körperwärme auf andere Weise abführen. Perry Rhodan vermutete, dass Reginald Bull diese Spuckerei sogar Spaß machte. Dennoch war seine Maske lange nicht so vollkommen wie die von Atlan da Gonozal.

»Was hältst du davon, wenn wir zum Raumhafen gehen und uns ein paar Starts und Landungen anschauen?«, fragte Rhodan laut, als sie an dem falschen Ferronen vorbeigingen.

»Oh ja, Dad!«, rief Gucky in gespieltem Enthusiasmus. »Vielleicht sehen wir die TERRANIA II. Oder sogar den dicken Protektor ...«

Einige der Umstehenden, die den kurzen Dialog mitbekamen, lachten. Rhodans Lächeln hingegen fiel eher gezwungen aus. Der Text war abgesprochen und sollte Bull signalisieren, dass alles in Ordnung war. Den Zusatz mit dem »dicken Protektor« hatte der Mausbiber allerdings eigenmächtig ergänzt.

Sie stiegen in einen der alle paar Minuten vom Parkrand startenden Gleiterbusse. Kurze Zeit später verließen sie das Fluggefährt im Stadtteil Nova Forge, einem modernen Industrieviertel mit vielen Recyclinganlagen, in das auch der zivile Raumhafen von Terrania integriert war.

Erstaunlich, wie schnell sich diese Stadt erholt hat!, dachte Rhodan.

Der Aufschwung nach der Wiederbesiedlung der Erde – die Unionsgremien hatten den mehrmonatigen Rücktransport der Menschheit von Gäa ins Solsystem ein wenig pathetisch als Heimkehr verkauft –, war tatsächlich beispiellos gewesen. Binnen zwei Jahren hatte zumindest die größte Metropole des Planeten fast wieder zu altem Glanz zurückgefunden. Trotzdem würden die dreieinhalb Jahrhunderte des Exils noch lange nachwirken. Nicht nur auf Terra.

Sie verbrachten eine gute halbe Stunde am letzten Treffpunkt, der Besucherterrasse, von wo sie einen phantastischen Blick auf das zentrale Start- und Landefeld des Terrania Interstellar Spaceport hatten. Während dieser Zeit senkten sich mehrere Touristenschiffe, zwei Frachter und eine Korvette der Terranischen Flotte auf ihre zugewiesenen Parkpositionen. In der Ferne waren die bekannten Zubringer von TEKMAR zu sehen. Ihnen war ein eigener Abschnitt des Hafengeländes zugewiesen worden, und sie kamen und gingen im Minutentakt – oft sogar mehrere auf einmal. Der Ansturm auf das Kosmische Kontor hielt unvermindert an.

Gut so, dachte Perry Rhodan grimmig. Je mehr hier los ist, desto besser für uns. In diesem Gewimmel fallen wir nicht auf.

Als hätte er mit diesen Gedanken ein Signal gegeben, brach rund um Thora Rhodan da Zoltral, Gucky und ihn ein Tumult los. Mehrere Menschen schrien. Dann sah er Uniformierte, die mit Waffen im Anschlag die Terrasse stürmten und die Ausgänge sicherten.

2.

Perry Rhodan

10. März 2462, früher Nachmittag

»Sie haben uns entdeckt!«, rief der dunkelhäutige Teleporter. Seine krausen Haare waren schweißnass. »Die Maxi-Space-Disk ist abgeriegelt. Ich bin gerade noch rausgekommen. Aber ich komme nicht mehr rein. John ist in der Zentrale geblieben. Wir könnten auf der Stelle starten.«

»Okay.« Perry Rhodan schaltete wie immer blitzschnell, während sich die ersten Bewaffneten auf sie zubewegten. Offenbar hatten die Sicherheitskräfte Ras Tschubais Ankunft noch nicht bemerkt, denn sie drehten immer wieder suchend die Köpfe.

»Ich nehme an, die Polizei arbeitet mit mobilen Sperrschirmprojektoren?«, fragte Rhodan.

Der Mutant nickte.

»Dann müssen wir sie zerstören. Hast du die Positionen von Reg und Atlan?«

Ein weiteres Nicken.

»Gut. Kümmere dich um sie. Gucky wird Thora und mich in eins unserer vorbereiteten Lager und dann direkt auf das Landefeld vor der Maxi-Disk bringen. Wir beseitigen das Sperrfeld und machen, dass wir hier wegkommen. Auf dem schnellsten Weg.«

Mit einem dritten Nicken verschwand der Teleporter wieder. Rhodan griff nach Guckys Hand; seine Frau tat es ihm nach.

»Du weißt, was zu tun ist, Kleiner.«

Der Mausbiber schwieg. Stattdessen verschwanden Besucherterrasse, Menschengewühl und Polizeibeamte übergangslos. Für einen Atemzug war es stockdunkel, dann flammte helles Licht auf, und sie standen in einer winzigen Kammer, die außer einigen Wandregalen nichts weiter enthielt.

Perry Rhodan packte eins der in den Regalfächern gestapelten Behältnisse aus praktisch unzerstörbarem Kunststoff und presste seinen Daumen auf eine rot gekennzeichnete Kontaktfläche. Die Oberseite des länglichen Kastens öffnete sich. Thora Rhodan da Zoltral und er griffen sich jeweils ein Kombistrahlgewehr und eine Handwaffe. Diese ließ sich per Magnethalterung an ihren Gürteln fixieren.

»Und weiter!«, rief Rhodan, nachdem er das Gewehr justiert und die Ladeanzeigen der Waffen überprüft hatte.

Gucky verzichtete darauf, sich gleichartig auszustatten. Zum einen hasste der Ilt Waffen jeglicher Art, zum anderen war er in der Lage, möglichen Gefahren mittels seiner Parafähigkeiten zu begegnen.

Die nächste Teleportation führte sie auf das Landefeld des Raumhafens. Reginald Bull, Atlan da Gonozal und Ras Tschubai waren bereits eingetroffen. Auch sie hatten sich aus einem ihrer im Hafenumkreis vorbereiteten Verstecke die notwendige Ausrüstung beschafft. Ihnen allen war frühzeitig klar gewesen, dass es früher oder später zu einer Situation wie dieser hatte kommen können.

Rhodan orientierte sich rasch. Sie hatten es erkennbar nicht mehr mit der Terra Police, sondern mit Sondereinsatzkräften der Solaren Abwehr zu tun. Mit Spezialkommandos, deren Mitglieder hervorragend ausgebildet und noch besser ausgerüstet waren. Sie hatten nur eine Chance: Alles musste sehr schnell gehen.

Atlan schoss als Erster. Er trug nach wie vor die Maske des alten Manns, bewegte sich nun jedoch mit einer Geschmeidigkeit, die seiner äußeren Erscheinung Hohn sprach. Er rannte gemeinsam mit Ras Tschubai auf einen von zwei mobilen Energiefeldgeneratoren zu und deckte das Gerät mit Thermosalven ein. Bull kümmerte sich derweil um die anrückenden Sicherheitskräfte. Das schwache Flimmern der Strahlbahnen und der wimmernde Ton, die von seiner Waffe ausgingen, verrieten, dass Bull den Kombistrahler nur als Paralysator einsetzte.

Ein Blickkontakt mit Thora genügte. Dann eilte die Arkonidin Atlan hinterher, während sich Rhodan an Bulls Seite schlug.

Das Licht des frühen Nachmittags erzeugte schillernde Reflexe auf der energetischen Hülle, die sich dicht um den Rumpf des fünfzig Meter durchmessenden, diskusförmigen Kleinstraumschiffs mit seiner zwanzig Meter großen Zentralkugel gelegt hatte. Solang dieses Sperrfeld in Betrieb war, konnten die Mutanten nicht an Bord teleportieren. Also mussten sie die Projektoren zerstören – und zwar im Rekordtempo, denn fraglos waren bereits Kampfschiffe der Terranischen Flotte in Marsch gesetzt worden, um den Luftraum über Terrania abzuriegeln.

Jemand muss uns verraten haben, dachte Rhodan, während er die näher kommenden Soldaten mit seinem Paralysator empfing.

Sie waren eigentlich extrem vorsichtig gewesen. Zumal die meisten von ihnen im Lauf ihres Lebens ausreichende Erfahrungen im Täuschen, Tricksen und Verstecken gesammelt hatten.

Allerdings war ein unbemerktes Verlassen der Erde gerade für prominente Unionsbürger alles andere als einfach. Persönlichkeiten wie Thora Rhodan da Zoltral, Reginald Bull oder Perry Rhodan selbst standen ununterbrochen im Blick der Öffentlichkeit. Sie führten ihre Leben unter permanenter Beobachtung und zahlten einen hohen Preis für die mit ihrer Popularität einhergehenden Privilegien.

»Verdammt!«, hörte er Thora auf seiner rechten Seite. »Das schaffen wir nicht!«

Sie hatte recht. Zwei gepanzerte Gleiter waren aufgetaucht und rasten auf den Ort des Geschehens zu. Zudem hatten sich die Bodentruppen auf den Beschuss eingestellt und ihre Individualschutzschirme entsprechend justiert. Die Paralysatoren erzielten kaum noch einen Effekt. Dass Rhodans Gruppe noch nicht von heftigem Gegenfeuer niedergestreckt worden war, ließ sich nur dadurch erklären, dass die Einsatzkräfte wohl die Anweisung bekommen hatten, die Flüchtigen auf keinen Fall ernsthaft in Gefahr zu bringen.

Die Explosion des ersten der beiden Projektoren verschaffte ihnen vorübergehend etwas Luft und ließ die Soldaten kurz verharren. Der Schutzschirm um das Raumboot war jedoch nach wie vor aktiv. Und schon Momente später zog sich der Ring der Angreifer weiter zusammen, rascher als zuvor.

Die Gleiter verfügen garantiert über Parafallen, überlegte Rhodan. Wenn sie die Mutanten ausschalten, ist es vorbei. Dann haben sie uns.

Er sah kurz zur Maxi-Space-Disk hinüber, die kaum hundert Meter entfernt wartete. Hundert Meter bis zur Rettung – aber es hätten genauso gut hundert Lichtjahre sein können. Er wollte Gucky und Tschubai gerade den Befehl geben, alle ins nächste Ausweichquartier zu bringen, bevor es zu spät war, als er die Frau bemerkte.

Sie stand im Schatten der Maxi-Disk, ihr schlanker Körper war in einen langen, schwarzen Mantel gehüllt. Das glatte, ebenfalls schwarze Haar fiel ihr unfrisiert über die schmalen Schultern. Ihr Gesicht wirkte düster, ein dunkles Make-up betonte ihre Augen und akzentuierte die Wangen.

Wer ist das?

Eine Sekunde später hatte er keine Zeit mehr, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.

Die Gestalt erschien so unvermittelt, dass Perry Rhodan zunächst glaubte, es mit einem weiteren Teleporter zu tun zu haben. Sie war riesig, mindestens drei Meter hoch, klobig, kantig, mit gewaltigen Armen und Händen, jedoch ohne klare Konturen. Sie sah aus, als bestünde sie aus dunklen Nebelschwaden, die unablässig ruckartig ineinanderflossen und sich wieder voneinander trennten. Ein ums andere Mal lösten sich einzelne Rauchfäden und verwehten in der warmen Luft.

Unwillkürlich musste Rhodan an den Golem denken, jenes aus Lehm geformte, stumme, menschenähnliche Wesen, das oft gewaltige Größe und Kraft hatte und der jüdischen Literatur und Mystik entstammte.

Aus dem Augenwinkel registrierte Rhodan, dass die schwarzhaarige Frau auf die Knie gesunken war. In ihrer Miene spiegelte sich nackte Panik.

Rhodan wusste, dass noch immer Menschen geboren wurden, die irgendwann mehr oder weniger ausgeprägte paranormale Begabungen entwickelten. Das wieder von John Marshall geleitete Lakeside Institute hatte es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, diesen Personen, die oft mit erheblichen mentalen Problemen zu kämpfen hatten, zu helfen und sie auf ihrem schwierigen Weg in ein halbwegs normales Leben zu begleiten.

Waren die Frau und der so verwaschen und nebelhaft anmutende Koloss zwei von Johns Schützlingen, die er seinen Freunden verschwiegen und für den Notfall in der Hinterhand gehalten hatte?

Der Nebelriese bewegte sich unfassbar schnell. Binnen eines Lidschlags hatte er den zweiten, noch intakten Sperrschirmgenerator erreicht. Und ... drang in ihn ein!

Die dann folgende Explosion war weitaus stärker als die erste, und Rhodan war überzeugt, dass die mysteriöse Gestalt sie nicht überlebt haben konnte. Doch als die Feuerblume der Detonation verblasst war und sich der Qualm verzog, war das wolkige Etwas noch immer da und huschte unversehrt in Richtung der Kampfgleiter, die inzwischen gefährlich nah herangekommen waren.

Entsetzt verfolgte Rhodan, wie die Erscheinung in Hunderte dampfiger Schwaden zerfaserte und die Flugfahrzeuge einhüllte. Die Schreie, die plötzlich über das Landefeld hallten, waren grauenhaft. So schrien nur Menschen in Todesangst.

Nein, das war kein Mutant, begriff Rhodan – zumindest keiner aus dem Lakeside Institute.

Die beiden Gleiter hatten sich unter dem Einfluss des Riesen teilweise aufgelöst, gerieten ins Trudeln und stürzten ab. Damit war das Chaos perfekt. Die Soldaten wandten sich prompt der Nebelkreatur zu und feuerten auf sie. Rhodan hingegen sprintete in Richtung der geparkten Maxi-Space-Disk. Der Schutzschirm, der das Raumboot umgeben hatte, war erloschen. Was auch immer da vor sich ging: Das war ihre Chance – und die mussten sie nutzen.

Er hetzte auf die junge Frau zu, die er auf Anfang bis Mitte dreißig schätzte. Beim Näherkommen sah er, dass sie weinte. Tränen liefen über ihr Gesicht und verschmierten die dunkle Schminke. Kaum hatte er sie erreicht, brach sie endgültig zusammen. Rhodan fing sie auf, bevor sie auf den harten Bodenbelag schlug. Sie war anscheinend bewusstlos geworden.

Gucky materialisierte neben ihm. Rhodan drehte sich um und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Umgebung.

Der Golem wütete unter den Einsatzkräften wie ein Berserker. Obwohl er immer wieder von Thermosalven getroffen wurde, schienen die Energiestrahlen keinerlei Wirkung zu haben und einfach durch ihn hindurchzugehen. Stattdessen stürzte er sich mit weiten Sprüngen und mit abgehackten, aber unfassbar kraftvollen Bewegungen auf die Frauen und Männer des Spezialkommandos. Deren Individualschutzschirme hielten ihn nicht auf. Er tötete sie mit bloßen Händen – und unglaublich schnell.

Was von der Einsatztruppe noch übrig war, aktivierte die Antigravaggregate und nahm Reißaus, sodass dem Schwadenmonstrum keine weiteren Soldaten zum Opfer fielen.

Für mehrere Sekunden stand die Kreatur wie unschlüssig an Ort und Stelle. Rhodan befürchtete schon, dass sie sich in Ermangelung weiterer Gegner nun ihm und seinen Begleitern zuwenden würde. Doch da löste sie sich einfach auf. Ihre Nebelgestalt wurde durchscheinend und zerstob, als würde sie von einer heftigen Windbö davongetragen.

»Wer ... Was ... war das?«, hörte Rhodan den Mausbiber flüstern. »Ich habe ... Hass gespürt. Alles verschlingenden Hass. Und ... grenzenlose Aggression ...«

Perry Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Gucky«, sagte er leise.

3.

Thora Rhodan da Zoltral

13. Februar 2461, früher Morgen

Der Naat kam von rechts. Sein drei Meter großer und fast eineinhalb Meter breiter Körper traf Thora Rhodan da Zoltral mit ungebremster Wucht.

Wo bei allen Göttern Arkons hat der Kerl sich versteckt?, rätselte sie. Die Ortungsinstrumente ihres Einsatzanzugs hatten weder Vitalzeichen noch eine Infrarotquelle angezeigt.

Trotz der Schmerzen, die durch ihre Hüfte zuckten, rollte sie sich geschmeidig ab und vermied so, sich weitere Blessuren zuzuziehen. Sofort war sie wieder auf den Beinen. Der Sturz hatte den feinen Sand der Wüstenlandschaft aufgewirbelt, der ihr nun in die Lungen drang. Sie musste husten und schloss hastig das Helmvisier.

Die Bewegung neben ihr nahm sie nur unbewusst wahr. Den Rest erledigte der Extrasinn. Sie waren inzwischen gut aufeinander eingespielt, und sie hatte gelernt, sofort auf die Impulse ihres zweiten Ichs zu reagieren. Am Ende hatten sich die langen Trainingsstunden mit Atlan da Gonozal ausgezahlt – vor allem, nachdem sie ihm klargemacht hatte, dass sie nicht aus Porzellan war und er seine anfängliche Zurückhaltung aufgegeben hatte. In manchen Dingen war und blieb der Imperatorensohn eben ein selbstgefälliger Patriarchenspross. Und zehntausend Jahre waren Zeit genug, damit sich schlechte Angewohnheiten verfestigen konnten.

Die Faust des Naats fuhr nur Zentimeter an ihrem Kopf vorbei, den sie im letzten Moment zurückzog. Der Hüne war verdammt schnell; viel schneller, als man von einem Gegner seiner Statur erwarten durfte.

Thora rannte die wenigen Schritte zu einem aus dem Sandboden ragenden Felsen hinüber, ging kurz in die Knie und hechtete in hohem Bogen über das Hindernis hinweg. Dabei glaubte sie, den Atem des Naats in ihrem Nacken zu spüren. Immerhin verschaffte ihr das Manöver die wenigen Sekunden, die sie benötigte, um sich neu zu orientieren.

Für einen Atemzug musste sie an Perry Rhodan denken. Sie hatte ihren Mann nicht davon überzeugen können, sie zu begleiten. Also musste sie allein mit der Situation fertigwerden.

Seit er wieder in die Politik zurückgekehrt ist, sehen wir uns erheblich weniger als früher, dachte sie. Und meine eigene Arbeit als Botschafterin der Republik Arkon ist diesbezüglich sicher keine Hilfe.

Seit den dramatischen Ereignissen um Paragon im Zentrum der Milchstraße waren mehr als drei Jahre vergangen – und in dieser Zeit hatte sich vieles verändert. Größtenteils zum Guten.

Die Raumsoldaten der Azaraq hatten lange gebraucht, um den Schock zu verarbeiten, den sie bei der Entlarvung der wahren Identität der vermeintlichen schwarzen Kreatur des Todes erlitten hatten. Es war nicht zuletzt Tagrep Kerrek zu verdanken gewesen, dass es in der Folge nicht zu großen Problemen gekommen war. Denn Zehntausende Kampfraumschiffe mit frustrierten und gedemütigten Azaraq an Bord in einer Galaxis, die praktisch wehrlos war, hatten einen erheblichen Risikofaktor dargestellt. Kerrek war es jedoch gelungen, die Scham und den Zorn, die seine Artgenossen empfunden hatten, in Anteilnahme und Hilfsbereitschaft zu verwandeln. Während große Teile der Bluesflotte in die Eastside zurückgekehrt waren, um dort die Heimatvölker der Azaraq über die bittere Wahrheit zu informieren, waren einige Kontingente ins Sterngebiet der Terraner geflogen und hatten dort tatkräftig beim Wiederaufbau geholfen.

Thora vollführte einen weiteren Hechtsprung und rollte sich über den Wüstenboden. Noch während sie wieder auf die Beine federte, zog sie ihre Waffe. Doch der Naat war nicht mehr da. Eben noch hätte er ihr beinahe den Schädel zertrümmert, und nun war er spurlos verschwunden. Da sie nach allen Seiten ein einigermaßen freies Blickfeld hatte und den Gegner nirgendwo entdecken konnte, blieb nur eine Erklärung.

Das Loch entstand direkt vor ihr. Und der Naat schoss wie eine Kanonenkugel daraus hervor.

Subplanetare Stollen!, dachte die Arkonidin. So konnte er sich unbemerkt nähern. Der metallhaltige Sand und die Erzadern im Gestein haben ihn vor meinen Anzugsensoren abgeschirmt.

Erneut entging sie den wuchtigen Attacken des Naats nur um Haaresbreite. Mit einigen langen Sätzen gelangte sie zur Abbruchkante einer riesigen Düne und ließ sich fallen. Sie rutschte die jenseitige Schräge hinunter, wobei sie die Beine anzog und die Arme eng an den Körper legte, um möglichst wenig Reibungswiderstand zu bieten. Illusionen machte sie sich aber nicht. Naats waren das Leben in Wüstenregionen gewohnt. Mit ihrer Aktion gewann sie bestenfalls zehn oder zwanzig Sekunden.

Ihre Gedanken verirrten sich trotz der Stresssituation erneut in die Vergangenheit ...

Nach etwa einem halben Jahr in der Lokalen Blase hatten sich schließlich die letzten Azaraq in ihre Heimat verabschiedet, mit einem dauerhaften Beistandspakt der Terranischen Union in der Tasche. Zu diesem Zeitpunkt war der Aufschwung von Terra und seinen Kolonien bereits in vollem Gang. Die Hyperinpotronik NATHAN war vollständig reaktiviert und koordinierte vom Mond aus die Verteilung der nach wie vor knappen Ressourcen. Wenig später tauchten mehrere Tausend Fragmentraumer und Tesserakte aus dem intergalaktischen Leerraum auf, um die Azaraq abzulösen. Die Posbis unterstützen nicht nur die Terranische Union, sondern auch die anderen bekannten Zivilisationen der Milchstraße bei ihrem Weg in eine neue und bessere Zukunft. Sogar das riesige MODUL und die dort an Bord lebenden Forscher, das weiterhin im Orbit um Luna schwebte, hatten mitgeholfen.

Obwohl zu Beginn die Schwierigkeiten manchmal unüberwindlich anmuteten, waren die ersten Fortschritte schnell sicht- und spürbar gewesen. Alles, was auf Gäa halbwegs brauchbar war, wurde geborgen und weggeschafft, der Margor-Schwall abgeschaltet und der Planet selbst weitgehend aufgegeben. Mit Aurelian Voss wählte die nach Hause zurückgekehrte Menschheit einen charismatischen Mann zum Ersten Terraner, dessen Vorfahren aus Nepal stammten. Seinen Ruf als ebenso vorausschauender wie tatkräftiger Politiker, der nicht nur redete, sondern seine Ankündigungen auch zügig in Handlungen umsetzte, hatte er sich bereits während der finalen Wochen der Paragon-Krise erarbeitet.

Nach gut einem Jahr waren die Gremien der Terranischen Union fast alle neu etabliert und mit den erforderlichen Legitimationen ausgestattet. Man konnte zwar nicht überall zugleich sein, und die Hilfe musste häufig priorisiert werden, doch mit der Reaktivierung des Meshs und der unermüdlichen Arbeit der Posbis ging es weit schneller voran, als die meisten geglaubt hatten.

Zudem packten die Akonen mit an. Zwar waren garbeschianische Flottillen seinerzeit auch bis ins Blaue System vorgestoßen, hatten dort aber weit weniger Schaden angerichtet, als lange angenommen worden war. Während der Azurschirm des Solsystems ihren Vormarsch nicht mal verlangsamt hatte, war der Systemschirm der Akonen anscheinend wesentlich effektiver gewesen. Die Gründe dafür wurden noch immer untersucht.

Perry Rhodan und Thora Rhodan da Zoltral waren fast täglich an einem anderen Brennpunkt gewesen und hatten ihren Teil dazu beigetragen, um den Überlebenden Mut zuzusprechen und den Glauben an eine bessere Zukunft zu bestärken. Tatsächlich schienen die meisten rasch begriffen zu haben, dass die Leidenszeit nach der Symaios niemals von einer Zivilisation allein überwunden werden konnte und man die Kooperation unter den Völkern intensivieren musste, wenn alle vorankommen und für etwaige weitere Katastrophen vorbereitet sein wollten.

Auch Thora durfte während ihrer diplomatischen Reisen immer wieder die Erfahrung machen, dass sich das Bewusstsein vieler Unionsbürger und Angehöriger anderer Zivilisationen verändert hatte. Die Jahrhunderte der Entbehrungen und des Überlebenskampfs waren vorüber, und nun, wo man sich zusammenschloss, sich gegenseitig half, die vorhandenen Kräfte bündelte und das, was verfügbar war, miteinander teilte, verbesserte sich das Leben aller – oder doch zumindest der meisten. Das zeigte Wirkung.

Rhodan hatte es mit dem kosmischen Bewusstsein verglichen, das sich nach dem Kontakt mit den Arkoniden und langen Jahrzehnten der Konsolidierung auf der Erde herausgebildet und dazu geführt hatte, dass aus einer Welt mit mehr als zweihundert untereinander zerstrittenen Einzelstaaten und Interessengruppen ein geeintes Terra geworden war – kulturell so bunt und vielfältig wie niemals zuvor, doch vereint unter einem Dach gemeinsamer Werte und Prinzipien.

Zunehmend hatten er und seine Mitstreiter sich für die Idee einer Galaktischen Union stark gemacht, einem Bündnis aller Milchstraßenvölker, die guten Willens waren, eines übergreifenden Gremiums, dem sich jeder anschließen konnte und das auf einigen universellen ethischen Grundsätzen basierte. Mittlerweile existierte schon eine von Expertenkommissionen ausgearbeitete vorläufige Verfassung, doch das Vorhaben steckte noch in der Vorbereitungsphase.

Thora war nicht entgangen, dass ihr Mann in diesen drei Jahren förmlich aufgeblüht war. Nie war er der Verwirklichung seiner Vision ... seines Traums von einer Milchstraße, in der alle Zivilisationen in friedlicher Koexistenz zusammenlebten, so nahe gewesen. Wie oft hatte man ihn ausgelacht, ihn als Phantasten, Spinner und Romantiker verspottet? Aber nun ...

Die Arkonidin gab gern zu, dass auch sie skeptisch gewesen war. Dass sie es nicht für möglich gehalten hatte, die gewaltigen Unterschiede zwischen den galaktischen Völkern auszugleichen und auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Ihrer Überzeugung nach waren Habgier, Profitstreben, Unvernunft und Egoismus über Jahrmillionen der Evolution fest in das Erbgut intelligenter Lebewesen eingewoben worden und konnten nicht so einfach entfernt werden. Aber vielleicht hatte ihr Mann wahrhaftig einen Weg gefunden, diesen Fehler im System zu beheben – oder doch zumindest zu umgehen.

Am Ende hätten die Kriege – so viel Leid und Zerstörung sie auch hinterlassen hatten – dann doch noch etwas Gutes und Wichtiges angestoßen. All die vielen Opfer wären nicht umsonst gewesen. Thora wünschte sich von ganzem Herzen, dass es so kommen würde, und war bereit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dabei mitzuhelfen.

Die Zukunft wird nicht geschenkt – sie wird gebaut, hörte sie die Stimme ihres Ziehvaters Crest in ihrer Erinnerung. Und ebenso wie unser Leben nicht nur uns allein gehört, ist auch die Zukunft kein Besitz, der erworben oder veräußert werden kann. Die wahre Stärke einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sehr sie bereit ist, die Zukunft als ein Recht für alle durchzusetzen und zu bewahren.

Der kurze gedankliche Ausflug hatte sie abgelenkt. Und diesmal kam sogar der Warnimpuls des Logiksektors zu spät. Der Naat traf sie wie eine Gerölllawine.

Mit einem dumpfen Stöhnen ging sie zu Boden. Sofort warf sich der Gegner erneut auf sie. Sein haarloser Kugelkopf mit den drei großen Augen und dem ovalen, dünnlippigen Mund, aus dem lange Speichelfäden tropften, war nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Sein enormes Gewicht presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie bildete sich ein, ein scharfes Knacken zu hören, als ihre Brustplatte brach ...

»Stopp ...«, krächzte sie mit letzter Kraft.

Augenblicklich waren der Naat und mit ihm der Druck verschwunden. Gierig sog sie frischen Sauerstoff in sich hinein. Die Wüstenlandschaft verblasste und machte dem nüchternen Innern einer Simulatorkammer Platz.

Im echten Leben wärst du bereits tot, flüsterte der Extrasinn unnötigerweise.

Ja, sie hatte die Konzentration verloren, ihre Gedanken schweifen lassen. Während eines Kampfs durfte aber die Welt um einen herum nicht mehr existieren. Die Ausrichtung aller mentalen Kräfte auf ein singuläres Ziel, nämlich zu überleben, war eine der Säulen der Dagorphilosophie. Geist und Körper mussten eins sein, und sie hatte dieses Prinzip missachtet. Das war sträflicher Leichtsinn gewesen.

Einer ihrer ersten Dagorausbilder hatte mal zu ihr gesagt, dass sie niemals eine passable Kämpferin werden würde, wenn sie zwischen realer Situation und simuliertem Training einen Unterschied machte. Kampf war Kampf – egal unter welchen Umständen. Nur wenn nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Verstand das verinnerlicht hatte, konnte sie wahre Meisterschaft erlangen.

Thora Rhodan da Zoltral betastete vorsichtig ihre Hüfte und den Bereich um Schultern und Torso. Gebrochen war nichts, dafür sorgte die Sicherheitsautomatik des Simulators; ein paar blaue Flecken würde sie allerdings zurückbehalten.

Eine gerechte Strafe für deine Unaufmerksamkeit, flüsterte der Extrasinn.

Halt die Klappe!, gab sie gedanklich zurück.

Das werde ich nicht tun. Schließlich geht es auch um mein Leben. Wenn dir zu viel im Kopf herumgeht, dann setze mit dem Training aus. Aber wenn du trainierst, tu es richtig!

Die Arkonidin stieß einen Seufzer aus. Im Prinzip hatte ihr Quälgeist recht; trotzdem gingen ihr seine Kommentare manchmal gewaltig auf die Nerven. Sie beschloss, Schluss zu machen, zu duschen und in den Bungalow am Goshunsee zurückzukehren, den sie gemeinsam mit Perry bewohnte. In den nächsten beiden Tagen standen keine Termine an – ein seltener Umstand, den sie auszunutzen gedachte. Vielleicht würde sie am Abend noch eine Runde schwimmen gehen. Ihr Mann hatte die Jungs eingeladen, wie er es ausdrückte. Da war ihre Anwesenheit nicht gern gesehen.

Männer sind wie Drigos, dachte sie lächelnd, während sie die Kombination abstreifte. Vor ihrem inneren Auge erschienen die auf Arkon beliebten Haustiere, die terranischen Hunden ähnelten.

4.

Perry Rhodan

13. Februar 2461, früher Abend

»Die aktuellen Berichte von NATHAN klingen ziemlich gut.« Reginald Bull entkorkte vorsichtig die bauchige Flasche mit der nussbraunen Flüssigkeit und dem schlichten, vergilbt aussehenden Etikett. »Die globale Wirtschaftsleistung, das weltweite und interstellare Handelsvolumen, die Rohstoffpreise, das Produktionsniveau, der Investitionsindex ... alle ökonomischen Schlüsselwerte haben fast schon wieder den Stand auf Terra vor der Symaios erreicht. Selbst die größten Pessimisten unter den Fachleuten sind geradezu euphorisch.«

Rhodan schaute ihm dabei zu, wie Bull drei Gläser zu je zwei Fingerbreit mit dem Inhalt der Flasche füllte. Dann musterte er deren Etikett.

»The Yamazaki Single Malt Japanese Whisky«, stand dort zu lesen. »Vintage 2106.«

Seit diese Flasche abgefüllt worden war, waren somit mehr als dreihundertfünfzig Jahre vergangen, und sie war Bestandteil von Bulls umfangreicher Privatsammlung gewesen, die er selbstverständlich mit nach Gäa genommen hatte. Endlich hatte sich der Protektor entschlossen, dieses Artefakt aus einer anderen Zeit zu öffnen.

»Die Yamazaki-Brennerei steht in der Nähe von Osaka im Westen von Japan«, dozierte Bull, der Rhodans Blick bemerkt hatte. »Von 1923 bis 2118 hat sie produziert. Erst mit der Umsiedlung nach Gäa musste sie schließen, aber seit drei Monaten ist sie wieder aktiv. Ich habe bereits eine Kiste des nächsten Jahrgangs vorbestellt.«

Perry Rhodan warf Atlan da Gonozal einen Blick zu. Der Arkonide saß auf der anderen Seite des runden Tischs auf der Terrasse von Rhodans Bungalow und hatte die Beine übereinandergeschlagen. Es war früher Abend, und die Oberfläche des Goshunsees glühte im dunklen Goldton der untergehenden Sonne.

»Auf Plophos ist die Energieversorgung seit voriger Woche wieder planetenweit in Betrieb«, erzählte Bull von weiteren Erfolgsmeldungen und reichte den beiden Männern je eins der drei Gläser. »Die Impfkampagnen auf Epsal und Ertrus sind abgeschlossen, und die Konflikte zwischen den politischen Parteien auf Rumal konnten beigelegt werden. Dagegen kommt die Bereitstellung von Fachpersonal zur psychologischen Unterstützung und Traumabewältigung überall nur schleppend voran. Wir verwenden positronische KI-Systeme, aber die können den Kontakt zu echten Menschen nicht ersetzen. Wir haben es sogar mit Posbis versucht, aber das klappt ebenfalls nur mäßig. Es gibt einfach nicht genug geeignete Leute, die wir entsprechend ausbilden können. Außerdem weigern sich viele, überhaupt zu akzeptieren, dass sie psychische Probleme haben, und stürzen sich lieber in die Arbeit. Wir sind ...«

»Setz dich, Reg«, unterbrach Rhodan den Redeschwall seines Freunds sanft und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Und halt mal für eine Minute die Luft an, okay? Atlan und ich kennen die Berichte.«

Bull verstummte und nahm einen tiefen Atemzug. Dann griff er nach seinem Glas und hielt es in die Höhe.

»Tut mir leid. Ich bin ... Es ist nur ...« Er ließ sich in seinen Sessel fallen und schüttelte den Kopf. »Es gibt so unendlich viel zu tun. So viele, die Hilfe benötigen. Wir kommen voran, ja, aber manchmal ist es so ... frustrierend, weil es kein Ende zu nehmen scheint.«

»Auch das wissen wir, Reg«, warf Atlan ein. »Aber wenn du irgendwann zusammenbrichst – und glaub mir, das kann auch einem Unsterblichen passieren –, ist niemandem gedient. Die Union ... Wir alle brauchen dich!«

Bull sah erst Atlan an, dann Rhodan. Ein Grinsen stahl sich in sein Gesicht.

»Was soll das werden?«, fragte er. »Eine ... Wie nennt man das doch gleich ...? Intervention? Kommt schon, Leute! Es ehrt mich, dass ihr euch Sorgen um mich macht, aber das finde ich ein bisschen übertrieben. Ich habe Übung im Umgang mit Krisen – ihr erinnert euch?«

»Reg ...« Rhodan blieb ernst. Er wusste nicht recht, wie er beginnen sollte. Er, der sonst nie um ein Wort verlegen war und als brillanter Redner galt, suchte nach den richtigen Worten. Hatte er deshalb auch Atlan eingeladen? Fürchtete er sich vor einer Aussprache, von der er nicht wusste, ob sie tatsächlich nötig war oder ob sie etwas brachte? Machte er die Dinge komplizierter, als sie es in Wirklichkeit waren?

»Perry!«, rief Bull. »Wir haben doch schon geredet. Ich hatte fast dreieinhalb Jahrhunderte Zeit, über alles nachzudenken. Auch über unsere ... nein, über meine Interpretationen und Einschätzungen, was uns beide angeht. Unsere Rollen auf der großen kosmischen Bühne. Ich bin dein Freund. Und du bist meiner. Ich würde dir jederzeit bedenkenlos mein Leben anvertrauen! Reicht dir das nicht?«

Rhodan schluckte. Warum nahm er Bulls Worte nicht einfach an? Warum nagte tief in ihm dieser hässliche Zweifel? Der Verdacht, dass ihm sein Freund nur das erzählte, was er hören wollte? Er verstand sich selbst nicht mehr.

»Das weiß ich doch alles, Reg«, sagte er leise und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Das Brennen in der Kehle fühlte sich an, als verätze ihm der Whisky die Speiseröhre. »Unter anderem auch deshalb, weil ich selbst nicht anders denke und fühle. Aber nach den Jahrzehnten der Aphilie und fast dreieinhalb Jahrhunderten auf Gäa ... Ich ... Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass so etwas einen Menschen nicht verändert. Und ich mache mir Vorwürfe, weil ich so lange nicht an deiner Seite war. Weil ich dich ... im Stich gelassen habe.«

»Das hast du nicht!« Bull hatte den Satz laut, beinahe wütend hervorgestoßen. »Hör auf, solchen Unsinn zu reden! Klar habe ich mich verändert. Das tun wir alle. Und ja, es gab eine Zeit, da habe ich dich ...«, er stockte, schüttelte den Kopf, bevor er fortfuhr, »... da war ich ziemlich sauer auf dich. Aber inzwischen schäme ich mich dafür. Große Güte, wir kennen uns nun schon so lange. Sowohl während der Aphilie als auch auf Gäa habe ich keine einzige Sekunde lang daran gezweifelt, dass wir uns wiedersehen. Und wenn ich darauf bis zum Ende des Universums hätte warten müssen, hätte ich es verdammt noch mal getan!«

Nach den letzten Worten stürzte Bull den Inhalt seines Glases mit einem Schluck hinunter und knallte es hart auf die Tischplatte.

Rhodan lächelte. Das war der Bull, den er kannte. Den er vermisst hatte. Dieser mürrische, impulsive Polterer, der sein großes Herz unter einem Berg aus Vorbehalten und altmodischen Idealen verbarg. Womöglich, um sich vor emotionalen Verletzungen zu schützen oder nicht das zu zeigen, was er unter Schwächen verstand.

Reginald Bull war ein brummiger Fels in der Brandung, aber stets bereit, für die, die er liebte, alles zu geben, ohne großes Aufheben darum zu machen. Ein Mann der Tat, nicht der vielen Worte. Jemand, der Loyalität und Hilfsbereitschaft über alles stellte und den man erst verstand, wenn man sich die Zeit nahm, hinter die raue und rissige Fassade zu blicken.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Bull und fiel wieder in seine gewohnte Rolle zurück. »Soll ich dir tief in die Augen schauen und ein Küsschen geben?«

Atlan, der den kurzen Dialog interessiert, aber ohne sich einzumischen, verfolgt hatte, kicherte. Auch Rhodan verspürte plötzlich eine Heiterkeit, wie er sie schon lange nicht mehr empfunden hatte.

»Bloß nicht!«, rief er in gespieltem Entsetzen.

In diesem Moment betrat Thora Rhodan da Zoltral die Terrasse. Die Arkonidin trug ein weißes Sommerkleid, dessen Saum ihr bis knapp über die Knie reichte. Die Füße steckten in flachen Sandalen; um ihren Hals lag ein transparenter Schal, der über die nackten Schultern fiel. Ihre langen Haare waren noch feucht. Vermutlich war sie gerade erst vom Schwimmen am Seeufer zurückgekommen.

»Klappt die Kinnladen wieder nach oben, Jungs«, sagte sie mit süffisantem Lächeln. »Leider muss ich euren kleinen Stammtisch unterbrechen – es gibt wichtige Neuigkeiten.«

Sie weiß genau, wie sie auf andere wirkt, sinnierte Perry Rhodan. Vor allem auf Männer.

Bull war bereits dabei, das Komgerät an seinem Handgelenk zu befragen. Dass er kurz darauf seine Stirn in Falten legte, war kein gutes Zeichen.

»Es gibt eine Alarmmeldung vom Pluto«, sagte Thora. »PUMA hat sich gemeldet. Im System von Proxima Centauri wurde ein starker Hyperimpuls angemessen, der auf die Materialisation einer kleinen Flotte oder eines größeren Einzelobjekts hindeutet.«

Perry Rhodan und Atlan da Gonozal sprangen fast gleichzeitig aus ihren Sesseln. Proxima Centauri – oft nicht ganz korrekt auch als Alpha Centauri bezeichnet – war nur wenig mehr als vier Lichtjahre von der Erde entfernt und somit nicht nur das nächstgelegene Sonnensystem, sondern auch eins der bekanntesten Objekte am irdischen Nachthimmel. Bis zum Jahr 2036 hatte man dort drei Exoplaneten entdeckt. Nachdem die Menschen dank der Arkonidentechnik tatsächlich dorthin geflogen waren, war ein vierter hinzugekommen. Alle hatten sich jedoch als nicht bewohnbar erwiesen.

Reginald Bull gesellte sich zu den beiden Männern. »Es ist wohl besser, wenn ich die TERRANIA II in Gefechtsbereitschaft versetze«, sagte er und wollte erneut sein Multifunktionsarmband konsultieren.

»Das ist nicht nötig«, hielt ihn Thora auf. »Ich habe mir bereits die Freiheit genommen, Kommandant Cart Rudo zu informieren. Die Raumfähre, die uns an Bord deines Flaggschiffs bringt, trifft in einer Minute ein.«

5.

Thora Rhodan da Zoltral

14. Februar 2461, früher Morgen

Die Kampfraumer der Terranischen Flotte, die das 1500-Meter-Flaggschiff begleiteten, waren ausnahmslos Schwere Kreuzer. Mit der TERRANIA II in ihrer Mitte näherten sich die 200-Meter-Kugeln dem Zielstern Proxima Centauri in breiter Front.

Die rote Zwergsonne vor ihnen, die gerade mal zwölf Prozent der Masse von Sol hatte, gehörte zu einem Dreifachsystem, das außerdem aus den beiden deutlich helleren Sternen Alpha Centauri A und Alpha Centauri B bestand. Sie umkreisten in rund zwei Billionen Kilometern Entfernung ein gemeinsames Zentrum.

Proxima Centauri wurde von vier Planeten mit den wenig kreativen Bezeichnungen Proxima Centauri b bis e umlaufen. Dass man das a bei der Namensgebung ausgespart hatte, war den Regeln der terranischen Astronomie für die Benennung von Exoplaneten geschuldet, die bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts galten und wonach der Zentralstern, also Proxima Centauri, zwar den Zusatz a trug, jedoch nicht so bezeichnet wurde. Im Solsystem würde man – dieser Nomenklatur folgend – Sol als Sol a führen, Merkur wäre Sol b, die Venus Sol c und so weiter.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?, erinnerte sich Thora Rhodan da Zoltral an einen Spruch, den Perry Rhodan hin und wieder benutzte.

Proxima Centauri lag mitten in einer Wolke aus interstellarem Gas und Staub. Der Stern emittierte starke Teilchenströme, die dazu führten, dass seine Planeten – allesamt Gesteinswelten, zwei davon sogar in der habitablen Zone – unbewohnbar waren. Anfang 2040 hatte es Bestrebungen gegeben, Proxima Centauri b mit einem Strahlenschild auszurüsten und damit für eine Besiedlung attraktiv zu machen. Doch das Projekt war nach einigen Jahren wegen der immensen Kosten eingestellt worden.

Thora saß in der Zentrale der TERRANIA II auf einem der beiden Sessel, die man rechts und links neben dem Platz von Protektor Reginald Bull installiert hatte. Im Zentrum des primären Außenbeobachtungshologramms leuchtete der Rote Zwerg. Eingeblendete Daten wiesen seine Spektralklasse als M5.5 aus. Seine Oberflächentemperatur betrug nicht mal 3000 Kelvin; Sol, die terranische Heimatsonne, war fast doppelt so heiß.

Doch all diese Fakten und Messergebnisse nahm die Arkonidin nur unterbewusst wahr. Ihre Hauptaufmerksamkeit konzentrierte sich auf einen Ort rund zwei Millionen Kilometer von Proxima Centauri entfernt, den die Instrumente als den Ausgangspunkt der Raum-Zeit-Erschütterung identifiziert hatten, die von Plutos Großortungsanlage PUMA registriert worden war.

Die Befürchtung, dass es sich um eine Invasionsflotte handeln könnte, erwies sich zum Glück als unbegründet. Zwar war im Proxima-Centauri-System tatsächlich etwas materialisiert. Doch das Objekt entpuppte sich als rund zweitausend Meter durchmessender Dodekaeder – und somit als vergleichsweise klein, wenn man bedachte, wie stark der angemessene Hyperimpuls gewesen war.

In der terranischen Geometrie zählte der Dodekaeder zu den fünf sogenannten Platonischen Körpern. Man konnte sie sich wie perfekte Bauklötze vorstellen, bei denen jede Seite, Ecke und Kante gleich war. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Symmetrie kamen sie nicht nur in der Natur, sondern auch in der Kunst und der Mathematik immer wieder vor – bei den Terranern ebenso wie bei den Arkoniden und vielen anderen Zivilisationen der Milchstraße.

Seit die TERRANIA II ihre letzte Transitionsetappe beendet hatte und in den Normalraum zurückgefallen war, herrschte ebenso wie auf den Begleitschiffen höchste Gefechtsbereitschaft an Bord. Der geheimnisvolle Körper schwebte gut fünfzigtausend Kilometer voraus im All, doch die positronische Vergrößerung der vorausgeschickten Beobachtungssonden holte ihn so nah heran, als befände sich das Flaggschiff nur wenige Hundert Meter von ihm entfernt.

»Zwölf gleich große Flächen«, meldete Nora Ibrahim. Die Ortungschefin stammte wie fast die gesamte Zentralebesatzung der TERRANIA II von Gäa. »Alles regelmäßige Fünfecke. Dreißig Kanten und ... zwanzig Ecken, an denen jeweils eine hundert Meter durchmessende, weiße Kugel sitzt. Im Prinzip also ein Ball, der aus zwölf Fünfecken besteht und an dem zwanzig Luftballons kleben.«

»Danke, Miss Ibrahim«, sagte Cart Rudo, der epsalische Kommandant des Flaggschiffs. Trotz seiner Körpergröße von nur eineinhalb Metern war er eine beeindruckende Erscheinung.

Bull hatte mal behauptet, dass die meisten seiner Untergebenen auch dann zu Rudo aufsahen, wenn sie auf ihn hinabblickten. Das traf die Wahrheit recht gut.

»Wenn ich weitere Nachhilfe in Geometrie brauche, gebe ich Ihnen Bescheid«, fuhr Rudo fort. »Gibt es sonst noch etwas, das sie uns mitteilen wollen?«