Persönlichkeit: Wer bin »Ich«? (GEO Wissen eBook Nr. 2) -  - E-Book

Persönlichkeit: Wer bin »Ich«? (GEO Wissen eBook Nr. 2) E-Book

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Wie steht es um das »Ich« in stürmischer Zeit? Kann der Mensch sich immer wieder neu erfinden, sich den Fährnissen des Lebens flexibel anpassen? Oder ist die Persönlichkeit ein straffes Korsett, geformt durch biologische Anlagen und Kindheitserfahrungen? In diesem eBook haben wir die besten Reports, Essays, Reportagen und Interviews aus GEO WISSEN zum Thema Persönlichkeit zusammengestellt. Die Autoren dieses reinen Lesebuchs stellen dabei die Frage nach der Formbarkeit des Menschen in den Mittelpunkt. Wie weit sind wir vorgeprägt - und welche Freiheitsgrade der Entwicklung bleiben uns? Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die mittlere Lebenszeit zwischen 40 und 60 gelegt, die als Phase der Neuorientierung gesehen wird. Inhalt Herkunft: Das Erbe der Eltern Entwicklung: Wer bin »Ich« und wer könnte ich sein? Traumaforschung: Wenn das Leben ins Wanken gerät Familienbande: Was von Vater und Mutter bleibt Die Entdeckung der mittleren Lebensjahre Lebensmitte: Das Ende der Kompromisse Gibt es sie wirklich, die Midlife-Krise?

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Persönlichkeit

Wer bin »Ich«?

Herausgeber:

Michael Schaper

GEO WISSEN

Gruner + Jahr AG & Co KG, Druck- und Verlagshaus, Am Baumwall 11, 20459 Hamburgwww.geo-wissen.de

Titelbild: Martin tom Dieck

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie steht es um das „Ich“ in stürmischer Zeit? Kann der Mensch sich immer wieder neu erfinden, sich den Fährnissen des Lebens flexibel anpassen? Oder ist die Persönlichkeit ein straffes Korsett, geformt durch biologische Anlagen und Kindheitserfahrungen?

Die Persönlichkeitsforschung hat sich zu einem entschiedenen Sowohl-als-auch durchgerungen. Was zunächst wie eine Kapitulation vor der Komplexität des Lebens anmutet, ist vielmehr die Einsicht in dessen Vielschichtigkeit. Man könne die Persönlichkeit mit einer Knetmasse vergleichen, sagen Entwicklungspsychologen: Vieles ließe sich daraus modellieren, manche Figuren allerdings seien beim besten Willen nicht formbar.

Entscheidend für den Einzelnen ist die „Selbstwirksamkeit“. So nennen Psychologen die Fähigkeit, an sich und seine Kompetenzen zu glauben, Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung des Lebens, zurechtzukommen auch mit unvorhergesehenen Situationen. Wer hingegen der Überzeugung ist, er sei ein Spielball der gesellschaftlichen Umstände und eines übermächtigen Schicksals, wird erst genau dazu. Beobachten lässt sich das oft in Familien. Nichts und niemand ruft so starke – positive wie negative – Gefühle hervor wie die nächste Verwandtschaft. Dennoch sind wir keineswegs bis ins hohe Alter Gefangene unserer Kindheit, wie die moderne Persönlichkeitspsychologie herausgefunden hat (siehe „Das Erbe der Eltern“).

Eine Chance zur Weiterentwicklung bieten mitunter selbst traumatische Erfahrungen. „Ich wünschte es wäre mir nie zugestoßen, aber es hat mich auch weitergebracht“, sagen manche, deren Leben ins Wanken geraten ist. Unter welchen Voraussetzungen sich Kraft für das Weiterleben finden lässt, beschreibt der Beitrag „Wenn das Leben ins Wanken gerät“.

Insbesondere die Jahre zwischen 40 und 60 gelten heute längst nicht mehr als der Zenit des Lebens, sondern vielmehr als eine Phase der Neuorientierung. Eine Zeit, in der viele Menschen noch einmal über den Sinn ihres Daseins nachdenken. In der sie die Frage stellen, was aus ihren ursprünglichen Träumen und Lebensentwürfen geworden ist und wie sich die kommenden Jahrzehnte gestalten lassen. Welche Chancen die Lebensmitte für die Persönlichkeitsentwicklung bietet, erklärt die Schweizer Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello (siehe „Das Ende der Kompromisse“). Es sei eine durchaus krisenanfällige Zeit, aber nicht jeden ereile quasi automatisch eine Midlife-Krise. Das Fazit der Wissenschaftlerin ist positiv: Selbstbestimmt seinen eigenen Weg gehen – das sei fortan eine der großen Chancen, die das Leben biete.

Herzlich Ihr

Michael Schaper

Chefredakteur GEO WISSEN

Inhalt

1. Herkunft

Das Erbe der Eltern

Von Ute Eberle

2. Entwicklung

Wer bin »Ich«? Und wer könnte ich sein?

Von Claus Peter Simon

3. Traumaforschung

Wenn das Leben ins Wanken gerät

Von Susanne Paulsen

4. Familienbande

Was von Vater und Mutter bleibt

Von Herlinde Koelbl

5. Lebenslaufforschung

Nicht mehr jung – und doch nicht alt

Von Bertram Weiß

6. Mittlere Reife

Das Ende der Kompromisse

Interview mit der Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello

Herkunft

Das Erbe der Eltern

Wie ein roter Faden zieht sich die Familiengeschichte durch das Leben eines Menschen – und kaum etwas ruft so starke Gefühle hervor wie die Beziehung zu Vater und Mutter. Doch sind wir tatsächlich Gefangene unserer Kindheit, verstrickt in unauflösliche Konflikte?

Von Ute Eberle

Auf den ersten Blick wirkt Beate Moll* wie die personifizierte Lebenslust: gefärbte Haare, überdimensionierte Ohrgehänge, türkisfarbene Stiefel; ihre Worte sprudeln wie Champagner aus einer geschüttelten Flasche.

Doch die Augen blicken müde. Schon lange fühle sie sich ausgebrannt. Selbst zu ihren Lieblingssportarten fände sie keine Energie mehr. Immer tiefer sei ihre Niedergeschlagenheit geworden – und so habe sie schließlich Hilfe in der Röher Parkklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Eschweiler gesucht.

Die Diagnose der Ärzte: Depression, verbunden mit Selbstmordgedanken.

Beate Moll ahnte, wie sie sagt, schon seit Langem, was die tiefere Ursache ihrer Erkrankung ist: ihre Mutter. Dabei lebt Beate Moll längst nicht mehr im Haus der Eltern; sie ist 54 Jahre alt, glücklich verheiratet in zweiter Ehe, hat erwachsene Kindern und arbeitet seit vielen Jahren zufrieden als Lehrerin.

Aber sie sagt Sätze wie: „Ich muss endlich einen Weg finden, mit dem fehlenden Interesse meiner Mutter an mir umzugehen, und mit ihrem narzisstischen Verhalten.“

Ihre Mutter sei stets sehr ich-bezogen gewesen, da ihr Mann sie „auf ein Podest“ gestellt habe – und das fordere sie auch von der Tochter. Unterstützung habe sie von ihrer Mutter selbst in schwierigen Zeiten nicht erfahren, während die ihrem Enkel beispielsweise geradezu aufgedrängt habe, seine Wäsche zu machen.

Es ist ein trostlos grauer Dienstagmorgen, als Beate Moll mit sieben Männern und fünf Frauen in einem Dachzimmer der Klinik sitzt. Heute sollen sie gemeinsam eine „Familienskulptur“ bauen – eine Therapie, bei der Menschen ihre Verwandtschaft mithilfe anderer Personen nachstellen, um so das komplizierte Beziehungsgeflecht abzubilden.

Beate Moll dirigiert die Mitpatienten, nimmt sie als Platzhalter für Eltern, Schwiegereltern, Kinder und andere Verwandte, weist ihnen einen Platz im Raum zu, erklärt ihnen, wie alt die Person ist, die sie darstellen, und in welcher Lebenssituation sie sich befindet. Ein Therapeut spricht dann reihum mit den Patienten, fragt, welchen Eindruck sie von der Person haben, die von ihnen verkörpert wird. Beate Moll darf erst einmal nur zuhören.

Ein Mann fängt unvermittelt an zu weinen, weil ihn, wie er sagt, das alles an den eigenen Vater und die komplizierte Beziehung zu ihm denken lässt.

Und eine Mitpatientin gesteht später, dass auch ihr fast die Tränen gekommen seien, als sie Beate Molls Verhältnis zur Mutter mit ihrem eigenen Mutter-Tochter-Verhältnis verglich.

Vordergründig leiden die Patienten unter Problemen, die scheinbar wenig mit Familie zu tun haben: Depressionen, Angstattacken, Suchtverhalten, Essstörungen, Burn-out-Syndrom. Eine Familienskulptur ermöglicht es, dass Patienten sich durch diese Art von Rollenspiel womöglich erstmals bewusst darüber werden, welche familiären Verhaltensmuster ihre Persönlichkeit geprägt haben – und wie diese Muster mit ihren Krankheitssymptomen zusammenhängen.

„Auch wenn Menschen aus ganz anderen Gründen zu uns kommen – die Familie wird irgendwann immer zum Thema“, so die Oberärztin Susanne Altmeyer von der Röher Parkklinik.

Das ist nicht erstaunlich. Denn die Familie steht im Kern unseres Daseins. Wir mögen in einer Gesellschaft leben, in der Eltern ins Pflegeheim abgeschoben werden, Ehen nicht ewig halten und die Geburtenzahl viele Jahre lang gesunken ist. Dennoch sehen sich die meisten Menschen nach wie vor als Teil eines oft komplizierten Systems familiärer Abhängigkeiten und Beziehungen. Bei einer Allensbach-Umfrage von 2006 nannten drei von vier Deutschen die Familie ihren wichtigsten Lebensbereich.

„Nichts und niemand ruft so starke Gefühle hervor. Und nichts ist manchmal so vernichtend“, schreibt der Therapeut Eia Asen, der als Direktor des Londoner „Marlborough Family Service“ Therapien für Problemfamilien anbietet.

Der Mikrokosmos Familie ist der Ort, an dem ein neuer Mensch erstmals Liebe erfährt – und manchmal Verletzungen, die ihn lebenslang begleiten. Wo er erstmals einem Wertesystem begegnet und ihm Verhalten vorgelebt wird: etwa, wie man Intimität und Distanz ausbalanciert oder in Konflikten kommuniziert.

Und in der Familie entscheidet sich für einen jungen Menschen, wie er ins Leben startet. Ob er etwa als Städter aufwächst oder auf dem Dorf. Ob er lernt, mit Fischbesteck umzugehen, oder es für normal hält, die Tiefkühlpizza vor dem Fernsehgerät zu essen. Ob seine Eltern ihn dazu anhalten, Hausaufgaben zu machen, oder ihm vermitteln, ein Hauptschulabschluss sei ausreichend für ihn.

Man kann seinen Job wechseln, neue Freunde finden, sogar sein Geschlecht ändern – der Familie wird man dennoch nicht entrinnen.

„Manche Menschen glauben, sie könnten mit ihrer Familie brechen, etwa indem sie in ein anderes Land ziehen“, schreibt Asen. „Aber das klappt nicht. Selbst wenn ein Meer zwischen uns und den Nicht-so-Lieben liegt, tragen wir die Familie stets mit uns.“ Wie ein roter Faden zieht sie sich durch unser Leben, ob wir es wollen oder nicht.

Doch ist damit alles Schicksal? Bestimmt allein die Familie, wie das Leben verläuft?

ZUMINDEST SCHEINT ES gewisse Muster zu geben, die sich in Familien tradieren.

Sei es, dass sich eine Frau in schwierigen Lebenslagen stets mit „Migräne“ ins Bett zurückzieht – just wie einst ihre Mutter und deren Mutter. Sei es, dass sowohl den Kindern als auch den Enkeln bei Problemen mit einem Lehrer unterstellt wird, sie könnten sich nicht anpassen. Sei es, dass ein verurteilter Gewalttäter Onkel und Brüder hat, die ebenfalls im Gefängnis sitzen.

Manche solcher generationsübergreifenden Verhaltensweisen haben Forscher genauer untersucht. Dabei hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass Menschen, die sich scheiden lassen, überproportional häufig Väter und Mütter haben, die ebenfalls auseinandergingen. Solche Erkenntnisse mögen trivial erscheinen, doch hätte man auch annehmen können, dass Scheidungskinder aufgrund ihrer Erfahrung viel stärker an Beziehungen festhalten.

Dem Einzelnen fallen Parallelen zwischen dem Leben der Eltern und dem eigenen oftmals nicht auf. Studien zeigen, dass Menschen dazu neigen, sich einen Partner zu suchen, mit dem sich die aus der Familie vertrauten Muster zunächst fortsetzen lassen. Selbst wenn das im Extremfall dazu führt, dass ein Mann seine Frau misshandelt, wie schon sein Vater und sein Großvater. Oder dass sich eine Frau von untreuen Partnern das Herz brechen lässt, ganz ähnlich wie ihre Mutter und Großmutter, die ebenfalls von ihren Ehemännern verlassen wurden.

ALS SIE MIT 20 JAHREN ihren Jugendfreund heiratet, entgegnet Beate Moll Skeptikern: „Das ist bei uns eben so.“ Auch ihre Mutter habe sich jung mit einem Mann vermählt, den sie bereits als Kind kannte.

„Familien arbeiten Generationen lang an ihren Drehbüchern“, schreibt Eia Asen. „Manche davon sind so erfolgreich, dass sie immer wieder nachgespielt werden.“ Jeder Familientherapeut kennt solche Fallgeschichten.

Welcher Mechanismus hinter solchen Verhaltensweisen steckt, ist bis heute Gegenstand erbitterter wissenschaftlicher Debatten.

Vor allem die Erziehung forme eine Person und deren Verhalten, hieß es lange Zeit. Demnach sei jemand vor allem deshalb gesellig und fröhlich, weil seine Eltern ihn gesellig und fröhlich aufgezogen haben. Er sei homosexuell, weil der Vater unnahbar gewesen ist; autistisch, weil er eine kalte Mutter hat.

Neuere Studien aber zeigen: Viel von dem, was ein Mensch denkt, tut und sogar fühlt, ist auch genetisch beeinflusst. Etwa die Hälfte der Persönlichkeits- und Intelligenzunterschiede, so nimmt heute die Mehrzahl der Forscher an, werden von der Vererbung bestimmt.

Natur und Umwelt ergänzen und vermengen sich. Welche der vererbten Anlagen sich schließlich ausprägen, hängt eng mit den Lebensbedingungen zusammen.

Beispielhaft erweist sich das an der Bindungsfähigkeit: Biologisch spielt dafür das oft als „Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin eine wichtige Rolle.

Forscher der University of Wisconsin stellten fest, dass bei Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwuchsen, der Oxytocin-Level anstieg, wann immer sie auf dem Schoß ihrer Mutter saßen – dadurch verstärkt sich die Bindung, das gegenseitige Vertrauen.

Bei Waisenkindern aber, die auf dem Schoß ihrer Adoptivmutter saßen, fiel der Anstieg deutlich geringer aus, obwohl sie seit mehr als zwei Jahren in ihrer Adoptivfamilie lebten.

Der Oxytocin-Haushalt, so vermuten andere Wissenschaftler, bleibt womöglich auch in den Folgejahren geschwächt. So könnte die Unfähigkeit zu lieben über Generationen weitergegeben werden.

Wie sich genetischer Einfluss und Umwelteinfluss überlagern, zeigt eine neuseeländische Langzeitstudie, für die seit mehr als 30 Jahren die Entwicklung von 1000 Männern und Frauen der Jahrgänge 1972 und 1973 beobachtet wird: Jungs, die in ihrer Kindheit misshandelt worden waren, hatten später vor allem dann eine höhere Gewaltbereitschaft, wenn sie eine bestimmte genetische Veranlagung aufwiesen. Ganz ähnlich war es bei der Entstehung von Depressionen.

Dennoch ist niemand ein Gefangener seiner Kindheit, hilflos dem Zusammenspiel von Genen und Umwelt ausgeliefert, betonen Experten. „Spätestens als Erwachsene können wir darüber mitbestimmen, welche unserer Anlagen sich durchsetzen“, sagt die Oberärztin Susanne Altmeyer von der Röher Parkklinik. „Etwa indem wir uns dafür entscheiden, in welcher Umwelt wir leben.“

Auch das sei ein Ziel der Psychotherapie: den Patienten zu vermitteln, dass sie sich vor Milieus schützen müssen, die ihnen nicht gut tun.

Die moderne Entwicklungspsychologie geht davon aus, dass schon Kinder ihre Umwelt mitgestalten. „Von der Zeugung an spielt der Mensch eine aktive Rolle in seiner Entwicklung“, sagt der Berliner Entwicklungspsychologe Jens Asendorpf.

So bringt ein Kind, das gern im Mittelpunkt steht, seine Eltern oft schon früh dazu, ihm viel Aufmerksamkeit zu schenken – etwa indem es häufig schreit. Ein sportliches Kind wird seine Mutter dazu anhalten, ihm einen Ball zu kaufen; ein musisch interessiertes, ihm Flötenstunden zu bezahlen.

Weder die Gene noch die Sozialisierung „diktieren“ demnach, welcher Mensch wir werden und welches Leben wir führen – sie erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit für Verhaltensweisen.

Erst jüngst haben Psychologen erkannt, dass für Jugendliche der Einfluss gleichaltriger Freunde auf die Erwartung an eine eigene Partnerschaft größer ist als die Prägung durch das Zusammenleben der Eltern. „Es ist ein Stufenprozess“, sagt Asendorpf, „der Einfluss der Eltern verliert sich nach und nach.“

Auch andere Familieneinflüsse verblassen mit der Zeit. Gut beobachten lässt sich das, wenn Ehepaare streiten. Frisch Verheiratete nutzten oft noch Konfliktlösungsstrategien, die sie im Elternhaus beobachtet haben, so der Soziologe Irving Tallman von der Washington State University, der Hunderte Paare beim Besprechen heikler Themen gefilmt hat.

Doch bereits nach dem ersten Ehejahr gäben die Frauen und Männer oft alte Strategien auf und fänden ihren eigenen Weg, Konflikte beizulegen. „Die Partner mögen mit misstrauischen oder vertrauensvollen Neigungen in die Ehe kommen, aber dies kann sich in beide Richtungen ändern“, erklärt Tallman. „Was in der Ehe abläuft, ist dann langfristig oft wichtiger als frühere Familieneinflüsse.“

Möglicherweise, so spekuliert die Psychologin Judith Rich Harris in ihrem Buch „Ist Erziehung sinnlos?“, legten Kinder die Verhaltensweisen, die sie im Elternhaus lernten, später ab „wie den albernen Pullover, den ihre Mutter sie zwang anzuziehen“.

Ein Mythos ist es wohl, dass erwachsene Kinder ihren Eltern mit dem Alter ähnlich werden. Dass uns dies so vorkommt, sagt der Verhaltensgenetiker Robert Plomin vom Kings College London, scheint vor allem daran zu liegen, dass es einfacher wird, ihre und unsere Lebensweise miteinander zu vergleichen.

Nebensächlich wird die Familie dadurch nicht. Sie bleibt die Bühne, auf der wir mit den großen Lebensthemen – allen voran Tod und Liebe – konfrontiert werden. Und oft kostet es lebenslange Mühe, die während der Kindheit gespeicherten Verhaltensmodelle zu ändern, denn mitunter drohen Rückfälle – etwa wenn man an Weihnachten wieder das Elternhaus betritt.

Doch mehr als jedes andere Wesen besitzt der Mensch die Fähigkeit, Realitäten neu zu interpretieren.

IM DACHZIMMER DER PARKKLINIK haben die Patienten dem Therapeuten inzwischen erzählt, wie sie sich in ihren Rollen fühlen.

Die Darstellerin der Mutter sagt, sie sehe sich sehr am Rande, es gefalle ihr gar nicht, dass die Schwiegermutter aus erster Ehe von Beate Moll viel näher bei ihrer Tochter stehe.