Phantastisch physikalisch - Marcus Weber - E-Book
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Phantastisch physikalisch E-Book

Marcus Weber

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Beschreibung

Alles physikalisch!

Wissen Sie, warum wir beim Fahrradfahren immer Gegenwind haben und was wir dagegen tun können? Wieso die Kavitation Schiffe bremst, uns aber hilft, Gurkengläser zu öffnen? Wie man die Kondensation austrickst und beschlagene Brillen verhindert? Ob Schwerkraft, Reibung oder Treibhauseffekt – physikalische Prinzipien machen unser ganzes Leben aus, ob uns das gefällt oder nicht. Judith und Marcus Weber erzählen humorvoll von Momenten, wo die Physik richtig nervt – und von solchen, wo sie hilft. Und sie verraten, wie wir es schaffen, uns physikalische Effekte zunutze zu machen. Denn mit den richtigen Tricks arbeitet die Physik für uns statt gegen uns – und der Gegenwind ist plötzlich gar nicht mehr so nervig.

Marcus Weber tritt regelmäßig als Physikexperte in der ARD-Quizshow »Wer weiß denn sowas XXL« auf

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Seitenzahl: 225

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Alles physikalisch!

Wissen Sie, warum wir beim Fahrradfahren immer Gegenwind haben und was wir dagegen tun können? Wieso die Kavitation Schiffe bremst, uns aber hilft, Gurkengläser zu öffnen? Wie man die Kondensation austrickst und beschlagene Brillen verhindert? Ob Schwerkraft, Reibung oder Treibhauseffekt – physikalische Prinzipien machen unser ganzes Leben aus, ob uns das gefällt oder nicht. Judith und Marcus Weber erzählen humorvoll von Momenten, wo die Physik richtig nervt – und von solchen, wo sie hilft. Und sie verraten, wie wir es schaffen, uns physikalische Effekte zunutze zu machen. Denn mit den richtigen Tricks arbeitet die Physik für uns statt gegen uns – und der Gegenwind ist plötzlich gar nicht mehr so nervig.

Marcus Weber ist Diplom-Physiker. Mit seiner Firma »Physikanten & Co.« konzipiert er Wissenschaftsshows mit spektakulären Experimenten. Er arbeitete u.a. schon für »Frag doch mal die Maus«, »Die beste Klasse Deutschlands«, den »ZDF-Fernsehgarten« und »Galileo«. Aktuell steht Marcus Weber regelmäßig für die Sendung »Wer weiß denn sowas? XXL« vor der Kamera. Wenn er sich mal über die Physik ärgert, dann meist über die mangelnde Elastizität seiner Augen – und die Notwendigkeit, eine Lesebrille zu tragen.

Judith Weber ist Diplom-Journalistin. Sie arbeitete u.a. als Redakteurin bei der »taz« und als Chefredakteurin von »chrismon plus rheinland«. Aktuell ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik der TU Dortmund und schreibt Bücher für Erwachsene und Kinder, meist zu wissenschaftlichen Themen. Auf ihrer Liste der nervigsten physikalischen Phänomene ganz vorn: der Gegenwind beim Radfahren!

Marcus Weber . Judith Weber

PHANTASTISCH PHYSIKALISCH

Warum Physik manchmal nerven kann, aber immer großartig ist – und einfach alles um uns herum erklärt

Die in diesem Buch aufgeführten Experimente wurden sorgfältig ausgearbeitet. Ihre Durchführung kann jedoch auch bei ordnungsgemäßer Vorbereitung und Handhabung mit Gefahren verbunden sein. Jede Durchführung der in diesem Buch aufgeführten Experimente erfolgt auf eigene Gefahr. Verlag und Autoren übernehmen keine Haftung für Schäden, die bei der Durchführung der hier beschriebenen Experimente entstehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe 10/2021

Copyright © 2021 by Marcus und Judith Weber

Die Veröffentlichung dieses Werkes erfolgt auf Vermittlung der literarischen Agentur Peter Molden, Köln

Copyright © 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Kanut Kirches

Fachlektorat: Prof. Dr. Stefan Heusler

Covergestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Illustrationen: Marcus Weber

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-26743-8V002

www.heyne.de

Inhalt

Einleitung oder wie man einen Lachs löscht

Superman auf dem Radweg

Warum wir immer Gegenwind haben und wie man ihn besiegt

Luft ist schwerer, als man spürt

Endlich Rückenwind!

Der verdammte Seitenwind

Toastbrot im Weltall

Wie ein Mann versuchte, die Explosion der Challenger zu verhindern – und warum Elastomere es gern warm haben

Warum Sommerreifen bei Frost steif werden

Höllisch gekämpft

Held oder Verräter

Hallo? Hallo?? Bist du noch dran?

Warum es so schwer ist, Funklöcher zu stopfen

Unser persönlicher Funkmast

Wellen mit Superkräften

Ein Satz heiße Ohren

Einstürzende Brücke? Laaangweilig!

Warum Schwingungen dramatische Auswirkungen haben können

Galoppierende Waschmaschinen

Das singende Teesieb

So geht’s:

Woher kommt der Teesieb-Ton?

Musik mit Wirbeln

Kein Sofa aus dem Fenster werfen!

Warum wir uns der Schwerkraft nicht entziehen, aber mit ihrer Hilfe einen guten Cocktail mixen können

Kinder fallen nicht so tief

Nutella fällt nicht schneller

Die Gravitation am Küchentisch

Der Darwin-Award und die Schwerkraft

Warum schwebt das Essen auf der ISS?

Schwerkraft-Cocktail

So geht’s:

Der Schwerkraft entkommen

Treibhauseffekt im Kinderzimmer

Warum Fenster Licht hereinlassen, aber Hitze nicht wieder raus – und wie das unseren Planeten gefährdet

Die Nudelsaucen-Katastrophe

Treibhaus Erde: Gas statt Glas

Hochhaus verbrennt Auto

Warum der Brennglaseffekt richtig gefährlich werden kann, uns aber hilft, einen perfekten Lidstrich zu ziehen

Faule Biene vor blauem Himmel

Polarisiertes Licht schenkt uns wunderschöne Effekte – nur beim Skifahren müssen wir aufpassen!

Licht, gezähmt und dressiert

Putzen hilft

Blauerer Himmel mit Polfilter

Lichtspielereien im Arbeitszimmer

Warum wird es auf dem Handy hell oder dunkel?

Alles so schön bunt hier

Noch besser als faule Bienen

Strom macht aua

Wieso wir an der Türklinke einen gewischt bekommen, aber seltener vom Blitz getroffen werden als Kühe

Auch Stromschläge können nützlich sein

Der brutale Stromkrieg

Schlimmer geht immer: Blitze

Woher kommt der Blitz?

Fingernägel auf der Tafel

Wie wir das Handy mithilfe von Eigenfrequenzen verstärken können und warum manche Geräusche so fies sind

Am liebsten aus dem Fenster springen

Podcast aus der Vase

Wackelpudding und Bleistift

Warum ist es im Zelt so laut?

Kein Lautsprecher aus Pappe!

Der Sound leerer Becher

Podcast ja, Musik nein

Beschlagene Brillen und blinde Spiegel

Wie man Luftfeuchtigkeit austrickst und dadurch besser sieht

Was ist schlechte Luft?

Eiswüste Gefrierfach

Richtig lüften

Der Erfinder der schlechten Luft

Heizbare Brillen und andere Tricks

Ruhe in Frieden, Handy!

Warum iPhones durch Diffusion einen schrecklichen Tod sterben, uns derselbe Effekt aber knackige Möhren beschert

Warum sterben nur neue iPhones?

Wasser nein, Helium ja

Spaß mit Diffusion

Kochen mit Osmose

Schrumpelhände und Schrumpeleier

Schiff gesunken durch Osmose

Das leuchtet so schön!

Wir sind ständig radioaktiver Strahlung ausgesetzt, wir essen sogar radioaktiv belastete Lebensmittel. Aber ist das gefährlich?

Danke, kosmische Strahlung

Gefährlich? Ja – aber!

Selbst gemachte Radioaktivität

Was macht die Strahlung mit uns?

Knallende Krebse und sinkende Schiffe

Wie Kavitation auf den Meeren stört und in der Küche hilft

Das lauteste Tier der Welt

Endlich ein schnelles Schiff

Schöner kochen mit Kavitation: Lassen Sie die Physik für sich arbeiten!

Experiment: Flaschenboden abplatzen lassen

Danke!

Einleitung oder wie man einen Lachs löscht

»Was ich über Physik weiß: Sachen fallen runter, und Strom schmeckt aua!« Diese Postkarte hängt in unserem Büro, und die Aussage dahinter ist wahr. Physik kann ganz schön nerven, so sehr, dass man manchmal am liebsten nichts mehr von ihr wissen will. Wie bei dem Grillfest, als der Lachs in Brand geriet. Wir waren bei Freunden im Garten, an einem warmen Sommerabend. Wir öffneten das erste Bier, und vom Grill duftete wunderbarer, mit Kräutern bestreuter Lachs. Erst stießen wir an – und dann einen Schrei aus: Aus dem Grill loderten Flammen. »Wasser!«, war Marcus’ erster Gedanke. Oder gleich das Bier drüberkippen?

Glücklicherweise kannten sich die Gastgeber besser mit der Physik des Grillens aus als der einzige Physiker in der Runde. Sie stoppten Marcus und retteten mit einer langen Grillzange routiniert den Lachs vom Grill. Während die Flammen erstarben, lachten sie lange und laut über den Reflex des studierten Physikers, Wasser auf einen Fettbrand zu kippen. Denn damit wäre die Flamme wohl ein spektakulärer Feuerball geworden. Das Wasser (oder Bier) wäre auf dem glühenden Grill sofort verdampft, und der Wasserdampf hätte unzählige kleine Fetttröpfchen mit sich gerissen, die lichterloh gebrannt hätten. Die Oberfläche des brennenden Fettes hätte sich deutlich vergrößert. Danke, Physik!

Es gibt einige Situationen, in denen Physik uns das Leben schwer macht. Sie zieht gnadenlos ihr Ding durch, ob uns das passt oder nicht. Auf dem Fahrrad haben wir immer Gegenwind, die Brille beschlägt, und das mobile Internet hängt.

Doch jetzt kommt das »aber«! Was auf keiner Postkarte steht, aber auch wahr ist: Hinter jedem dummen Missgeschick und jedem störenden Effekt steckt ein wunderschöner, eleganter physikalischer Grundsatz. Ein Naturgesetz, das uns an anderer Stelle durchs Leben hilft. Also los: Schauen wir uns an, wo die Physik uns überall das Leben schwer macht. Finden wir heraus, warum. Und dann versuchen wir, das Ganze zu drehen. Denn mit den richtigen Tricks arbeitet die Physik sogar für uns. Dann machen wir uns ihre Effekte zunutze – und der Gegenwind auf dem Weg nach Hause fühlt sich an wie eine frische Brise, die unser Gehirn zu neuen Höchstleistungen anregt. Versprochen! Viel Spaß!

Superman auf dem Radweg

Warum wir immer Gegenwind haben und wie man ihn besiegt

In Reiseprospekten sehen Radtouren immer entspannt aus: Strahlende Menschen radeln durch traumhafte Landschaften, die Sonne scheint, die Wiesen blühen, und ein leichter Wind lässt die Haare elegant wehen. Unsere Urlaubsfotos sprechen eine andere Sprache: Über den Lenker gebeugt, strampeln wir voran, die Gesichter knallrot, die T-Shirts flattern um uns herum. Das Album unseres ersten gemeinsamen Urlaubs ist voll von solchen Bildern. Vier Wochen tourten wir mit dem Fahrrad durch Kuba. Fidel Castro lebte noch, unsere Kinder noch nicht – es war der perfekte Zeitpunkt. Wir gaben unsere Fahrräder am Frankfurter Flughafen als Sondergepäck auf, nahmen sie nachts in Havanna wieder in Empfang und radelten los. Im Laufe der vier Wochen stießen wir auf viele Herausforderungen, und für die allermeisten fanden wir eine Lösung:

Man kann nicht überall Essen kaufen? Am Straßenrand gibt es Bananen, und eine ganze Staude am Gepäckträger stört beim Fahren eigentlich kaum.Man darf nicht zelten? Es finden sich immer nette Menschen, die einem ein Sofa anbieten – sofern man das Haus vor Tagesanbruch verlässt, damit die Polizei nichts merkt. Mit Englisch kommt man nicht weit? Französisch »einspanischen«, also anders betonen und möglichst viele »o« an die Wörter hängen, klappt erstaunlich gut.

Nur ein Problem blieb: der Gegenwind. Egal, ob wir an der Küste entlangfuhren, ins Landesinnere oder durch Berge, nach Osten, Süden oder Norden: Der Wind war gegen uns. Solange die Route abwechslungsreich war, machte das nichts, es gab ja so viel zu gucken. Aber als wir uns eines Tages stundenlang auf einer Schotterpiste durchs Nichts gequält hatten, gab es am Abend nur noch ein Gesprächsthema: Muss das so sein? Kann man nicht Rad fahren ohne ständigen Gegenwind? Es muss doch möglich sein, den nervigen Wind zu besiegen – oder ihn sogar zu nutzen!

Gleich am nächsten Tag begannen wir mit einem kleinen Experiment: Ab sofort passten wir morgens besonders gut auf, woher der Wind wehte, bevor wir aufs Rad stiegen: Vielleicht gab es ja Windrichtungen, die keinen Gegenwind erzeugten? Oder zumindest weniger? Aber wir fuhren gerade an der Küste entlang, und in der Regel wehte der Wind vom Meer her. Diese Beobachtungen nützten uns also nicht besonders viel.

Doch dann kam ein fast windstiller Tag. Das Meer lag spiegelglatt da, und die Grashalme am Wegrand bewegten sich nicht. Juhu, endlich ein Tag ohne Gegenwind! Hoch motiviert stiegen wir auf die Räder, fuhren los und spürten – Gegenwind. Und zwar nicht wenig. Eigentlich ist das ja logisch: Wenn wir vorwärtsfahren, pustet der Fahrtwind uns entgegen. Wir fahren gegen die Luft an und müssen uns quasi durch sie hindurchschieben. Aber dass der gefühlte Gegenwind so stark war, wunderte uns doch.

Sobald wir wieder zu Hause waren, schmissen wir die Räder in die Ecke und begannen, uns physikalisch am Phänomen Gegenwind abzustrampeln (es ist ja immer gut, den Gegner möglichst gut zu kennen, wenn man ihn besiegen will). Schon nach kurzer Zeit kamen wir zu einer frustrierenden Erkenntnis: Wir selbst sind das Problem. Der Großteil der Leistung, die wir beim Strampeln erbringen, geht dafür drauf, gegen den Luftwiderstand anzuarbeiten, den unser eigener Körper erzeugt. Das können je nach Körperhaltung und Geschwindigkeit bis zu 90 Prozent sein. Wir bekämpfen also mit dem Großteil unserer Energie ein selbst geschaffenes Problem. Wie deprimierend kann Physik sein!

Luft ist schwerer, als man spürt

Aber es nützt ja nichts, wir müssen den Fakten ins Auge sehen: Normalerweise spüren wir die Luft um uns herum nicht wirklich. Sie ist einfach da. Trotzdem drückt sie auf uns und wiegt dabei auch noch einiges. Ein Kubikmeter Luft bringt 1,2 Kilogramm auf die Waage! Und wenn diese Masse in Bewegung ist, dann sehen wir alt aus. Wenn wir ganz ruhig mitten auf der Wiese stehen, stellen wir für die umherströmende Luft ein Hindernis dar: Wir stehen im Weg, und sie möchte da durch. Nehmen wir einmal an, der Wind weht mit 20 km/h. Auf einen einzelnen, normal großen Menschen wirken in so einem Fall knapp 7 kg Luft pro Sekunde. Pro Sekunde! Wären wir noch größer, wäre das noch mehr. Durch die Fläche, die die Rotoren eines großen Windrads überstreichen, strömen bei der gleichen Windgeschwindigkeit jede Sekunde 50 Tonnen Luft. Diese enorm große Masse gibt ein ganz gutes Gefühl dafür, warum Windkraftanlagen so viel elektrische Energie erzeugen können.

Selbst bei kompletter Windstille erfahren wir also eine bremsende Kraft aufgrund des Strömungswiderstands. Die beträgt bei einem normal großen Erwachsenen, der 20 km/h schnell fährt, etwa 10 Newton. Das ist die Kraft, die man braucht, um 1 Kilogramm, also z. B. einen Liter Milch, zu halten. Damit ist nicht gemeint, die Milch in den Fahrradkorb zu legen, sondern, dass wir kontinuierlich z. B. über ein dünnes Seil und eine Rolle eine Milchpackung in die Höhe ziehen. So viel Kraft müssen wir aufwenden, um die Luft beiseitezuschieben, die uns im Weg ist. Bei Windstille!

Die Luft macht es uns dabei hinten und vorne schwer. Hinten, weil wir einfach nicht stromlinienförmig gebaut sind. Als Radfahrerin oder Radfahrer sind Sie ein unregelmäßig geformter Körper. Klingt nicht nett, ist aber so, wenn man es physikalisch betrachtet. Ein unregelmäßig geformter Körper verursacht Luftwirbel. Diese Wirbel lösen sich und sorgen dafür, dass hinter Ihnen ein kleiner Unterdruck entsteht. Vor Ihnen herrscht höherer Druck, denn Sie schieben sich ja durch die Luft. Dieses Druckgefälle zieht Sie quasi rückwärts – jedenfalls rechnerisch. So fühlt sich schon der normale Fahrtwind wie Gegenwind an.

Und jetzt kommt ja noch der echte Wind dazu, also der, den Sie auch dann spüren, wenn Sie gerade eine wohlverdiente Pause machen (Segler sprechen von wahrem Wind). Beides zusammen, der Fahrtwind und der wahre Wind, ergeben den relativen Wind1. Das ist der Wind, den wir auf dem Rad fühlen und gegen den wir anstrampeln müssen. Wenn ich 20 km/h schnell fahre und mir zusätzlich wahrer Wind von ebenfalls 20 km/h entgegenbläst, ergibt sich also ein relativer Wind von 40 km/h. Bei solchen Windgeschwindigkeiten sprechen Meteorologen schon von »starkem Wind«, der Regenschirme zerknickt und dicke Äste schwanken lässt.

Als wir das lasen, fühlten wir uns wie echte Helden. Wir waren also quasi täglich gegen offiziellen starken Wind angeradelt! Noch heldenhafter kamen wir uns vor, als wir uns die besondere physikalische Gemeinheit ins Gedächtnis riefen, die der Strömungswiderstand bereithält: Er wird um ein Vielfaches größer, je schneller wir fahren. Denn der Luftwiderstand ist fies. Er verhält sich quadratisch zur Geschwindigkeit der Strömung. Mit »quadratisch« ist nicht gemeint, dass er um vier Ecken kommt, sondern dass er überproportional ansteigt. Fahre ich doppelt so schnell, vervierfacht er sich. Fahre ich dreimal so schnell, habe ich neunmal mehr Widerstand. Fahre ich viermal so schnell, ist der Widerstand 16-mal höher. Praktisch heißt das: Wenn ich bei Windstille 20 km/h schnell fahre, muss ich 10 Newton an Kraft aufwenden. Jetzt kommt Wind auf und bläst mir mit 20 km/h entgegen. Der relative Wind hat sich also verdoppelt. Ich muss aber nicht nur doppelt so viel Kraft aufwenden, sondern viermal so viel – 40 Newton. Das sind vier Milchtüten, die ich hochziehen muss. Dann doch lieber eine Bananenstaude durch Kuba transportieren …

Endlich Rückenwind!

Nach dieser ernüchternden Recherche waren wir ziemlich klein mit Hut (bzw. mit Helm), was unseren Plan anging, den Gegenwind zu besiegen. Und dann errangen wir doch ganz unverhofft noch einen kleinen Sieg. Das war im letzten Sommer. Auf den Rädern fuhren wir vom Ruhrgebiet an die Nordsee, bis zum Hafen in Dagebüll, wo die Fähre zur Trauminsel Amrum ablegt. 550 km ging es nach Norden, während der Wind konstant aus südwestlicher Richtung wehte. Er schob uns wirklich vor sich her – so stark, dass wir bei einer Rast am Dümmer See nicht einmal surfen konnten, ohne vom Brett geweht zu werden. Nimm das, Gegenwind!

Auf den Rädern fühlte sich das zwar nicht so deutlich nach Rückenwind an, aber wir spürten, wie leicht es war, in die Pedale zu treten, und wie gut wir vorwärtskamen. Auch das hat einen physikalischen Grund: Wenn der Wind mit 20 km/h von hinten kommt und ich ebenfalls mit 20 km/h nach vorne fahre, spüre ich gar keinen Wind. Bremsen kann uns dann nur noch der Rollwiderstand der Reifen.

Ganz großes Kino ist es natürlich, mit Rückenwind bergab zu fahren. Auf der Tour an die Nordsee haben wir dafür die 40-km/h-Challenge ausgerufen. Jeden Tag versuchten wir, mindestens eine Teilstrecke zu finden, auf der wir mit Rückenwind und bergab diese Geschwindigkeit erreichten.

Bevor Sie jetzt Ihr Fahrrad aus dem Keller holen und losfahren Richtung Norden, haben wir leider noch eine ernüchternde Zahl für Sie: Man braucht sehr viel Rückenwind, um den auch als solchen zu fühlen. Meistens ist der Wind in Deutschland zu langsam im Vergleich zur Fahrgeschwindigkeit. Er gleicht den Strömungswiderstand nicht aus. Wir nehmen mal Hannover als Beispiel, weil es so schön in der Mitte liegt: Hier beträgt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit im Schnitt 3 Meter pro Sekunde. Das entspricht 12,6 km/h. Um einen solchen Rückenwind wirklich als Anschub zu erleben, müsste man langsamer fahren als diese 12,6 km/h. Und dann dauert es lange, bis man am Meer ist.

Außerdem ist Wind ein sehr lokales Ereignis. Im Norden gibt es mehr davon als im Süden. Genau das wurde uns am Ende der Radtour zum Verhängnis: Auf der letzten Etappe lagen noch 45 Kilometer vor uns. Im Gepäck hatten wir ein kaputtes Knie (wir werden nicht jünger), ein Leihrad mit unbequemem Sattel (unser Rad war auch nicht jünger geworden und hatte uns auf der Hälfte der Tour verlassen) und den Zeitdruck, die Fähre zu erwischen. Und dann drehte der Wind. Was wir vorher als Rückenwind kaum gespürt hatten, blies uns jetzt mit voller Kraft ins Gesicht. »Gegenwind verspeist die Kraft des Radfahrers zum Frühstück«, hatten wir vor der Tour gelesen, und so war es. Wir strampelten, wir fluchten, wir quälten uns. An einem Imbiss hielten wir an, um einen überzuckerten Kakao zu trinken, dann fluchten, strampelten und quälten wir uns weiter.

Klingen wir wehleidig? Vermutlich ein bisschen. Lassen Sie uns deshalb das Elend durch Zahlen belegen: An diesem Tag wehte ein ordentlicher Nordseewind. Windstärke 7, das macht einen Gegenwind von 56 km/h. Dazu kommt unsere Fahrtgeschwindigkeit – die war zwar nicht mehr wirklich hoch, aber 10 km/h haben wir manchmal noch geschafft. Das ergibt zusammen einen relativen Wind von 66 km/h, was gerundet 100 Newton Strömungswiderstand entspricht. Dagegen anzufahren ist, als ob man an dem oben beschriebenen Seil dauerhaft 10 Kilogramm hochzieht oder einen Berg mit zehn Prozent Steigung hochfährt. Das ist nicht wenig, vor allem, wenn der Berg 45 Kilometer lang ist. Es hilft einem auch nicht viel zu wissen, dass die Rad-Profis auf der legendären Tour-de-France-Etappe nach Alpe d’Huez bis zu 15 Prozent Steigung bewältigen müssen.

Es wäre leichter gewesen, wenn wir nicht auf einem normalen Fahrrad gesessen hätten, sondern auf einem Liegerad. Alleine, weil man dem Wind weniger Angriffsfläche bietet, spart man eine Menge Kraft. Man kann es aber auch auf die Spitze treiben und das Liegerad aerodynamisch optimieren. Das geht am besten, indem man es komplett verkleidet, bis es aussieht wie eine Mischung aus einer Zigarre und einem Zäpfchen. Diese stromlinienförmige Form reduziert den Strömungswiderstand enorm: In dieser Hinsicht optimierte Liegeräder weisen bei gleicher Windgeschwindigkeit nur ein Zehntel des Widerstands auf, den ein normales Fahrrad hat (von unseren Packeseln mit Fahrradtaschen vorn und hinten ganz abgesehen). Auf diese Weise ist es möglich, mit Muskelkraft Geschwindigkeiten über 140 km/h zu erreichen. In dem bis ins Letzte auf den Geschwindigkeitsrekord optimierten »Fahrrad« möchten wir allerdings nicht sitzen beziehungsweise darin liegen. Es ist derartig voll verkleidet, dass es nicht mal ein Fenster hat. Die Straße kann man nur auf einem Bildschirm sehen (wobei eine Straßenzulassung für diese Modelle wohl eher nicht zu erwarten ist).

Als Notlösung blieb uns nur, uns tief über den Lenker zu ducken und so den Luftwiderstand wenigstens ein bisschen zu verringern. Kurzzeitig versuchten wir es auch mit Windschattenfahren. Sieht man ja auch immer bei der Tour de France. Die Fahrer halten sich eng hintereinander, sodass der vorderste viel Energie aufbringen muss und die hinteren in seinem Windschatten fahren. Das Problem ist: Man muss wirklich sehr nah hintereinanderfahren, damit das hilft. Auffahrunfälle sind programmiert. Außerdem sind Ampeln, Autos und Kreuzungen mit »rechts vor links« in diesem Konzept nicht vorgesehen. Also bissen wir uns durch – und wünschten uns, der Wind käme wenigstens von der Seite statt frontal von vorn.

Der verdammte Seitenwind

Dieser Wunsch war einer der dümmsten, den wir haben konnten. Seitenwind kann mindestens genauso nervig sein wie Gegenwind. Und er ist perfide! Eigentlich würde man ja meinen, dass Wind von der Seite nur nervt, das Fahren aber nicht anstrengender macht. Man muss sich vielleicht ein kleines bisschen gegen ihn lehnen, geschenkt. Leider stimmt das nicht! Der Grund dafür ist die oben beschriebene vertrackte Regel, dass der Widerstand sich quadratisch zur Geschwindigkeit der Strömung verhält (wenn ich also doppelt so schnell fahre, vervierfacht sich der Luftwiderstand). In diese Rechnung rutscht leider auch die Geschwindigkeit des Seitenwindes mit rein, sodass wir tatsächlich größeren Kräften ausgesetzt sind und stärker strampeln müssen (für alle, die die Rechnung genau verstehen möchten, haben wir sie unten im Klugschnacker-Kasten aufgedröselt und aufgezeichnet).

Damit wollten wir uns natürlich nicht kampflos abfinden – zumal wir einen absoluten Experten in der Familie haben. Sebastian Weber (Judiths Bruder, Marcus’ Schwager) hat schon Triathleten und Radrennfahrer bei Wettkämpfen wie der Tour de France und dem Iron Man auf Hawaii trainiert und eine eigene digitalisierte Methode zur Leistungsdiagnostik und Trainingsplanung entwickelt.2 Er berichtete uns von speziellen Felgen, die die Luftströme verändern und dafür sorgen, dass der Seitenwind sogar Schub nach vorne gibt. Das passiert allerdings nur bei einem ganz bestimmten Angriffswinkel des Windes und auch nur mit minimaler Kraft. Zudem ist das Rad ja nur für den geringeren Teil des Luftwiderstands verantwortlich. Der größere Faktor sind wir als Fahrerinnen und Fahrer.

Den spektakulärsten Erfolg mit einem aerodynamisch umgebauten Rad hatte der US-amerikanische Radprofi Greg LeMond: Er gewann dank eines besonders windschnittigen Lenkers 1989 die Tour de France. Damals hatte noch niemand Lenker, auf denen man quasi liegen konnte, oder Helme, die nach hinten spitz zuliefen. Während der ganzen Tour lieferte sich LeMond ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Franzosen Laurent Fignon. Mal führte der eine, mal der andere. Der Abstand betrug nie mehr als eine Minute. Dann kam die letzte Etappe, das Einzelzeitfahren auf den Champs-Élysées. LeMond lag 50 Sekunden zurück, als er einen Triathlonlenker auf seinem Rad montierte. Auf diesem konnte er sich sehr weit nach vorn beugen – eine strömungsdynamisch günstige Position. Außerdem trug er einen Tropfenhelm. LeMond holte nicht nur den Rückstand auf, sondern gewann sogar mit 58 Sekunden Vorsprung. Sein Sieg war der knappste in der Geschichte der Tour.

Wie sehr die Sitzposition den Strömungswiderstand beeinflusst, kann man selbst am besten beim Bergabfahren erleben. Die gewieftesten Radrennfahrer lassen sich auf dem Oberrohr zwischen Lenkrad und Sattel nieder, bringen ihren Hals nah an den Lenker heran und bilden so einen unbequem aussehenden menschlichen Klumpen mit ziemlich wenig Strömungswiderstand.3 Einige dieser Sitzpositionen sind allerdings inzwischen verboten, weil das Verletzungsrisiko so hoch ist.

Wer noch schneller bergab sausen will und sich in die Lage versetzen möchte, bergab sogar feste in die Pedale tretende Konkurrenten abzuhängen, ohne sich anzustrengen, muss Folgendes tun: Legen Sie sich mit der Hüfte auf den Sattel, bringen Sie Ihren Körper in eine exakt waagerechte Position mit dem Kopf nach vorne voraus. Diese Position reduziert den Luftwiderstand noch einmal deutlich und wurde von den Autoren der Studie »Superman« getauft.

Im Wettkampf ist der »Superman« allerdings verboten, und für eine Radtour ist er auch nicht geeignet. So ist es uns nach viel Recherche, Rechnen und Radeln leider nicht gelungen, den Gegenwind komplett zu besiegen. Aber wir konnten den einen oder anderen Etappensieg erringen und sind zumindest schlauer als vorher. Folgende Tipps können wir Gegenwindhassern geben:

Eng anliegende Kleidung kann die Luftreibung reduzieren. Außerdem schmerzt der Hintern in der gepolsterten Radlerhose weniger.Lenken Sie sich ab vom mühsamen Strampeln gegen den Wind. Rechnen Sie stattdessen aus, wie der Strömungswiderstand sich verändert, wenn man 2 km/h schneller oder langsamer fährt.Planen Sie Ihre Touren schlau: Bringen Sie, wenn möglich, die unangenehmen Passagen (garantierter Gegenwind oder bergauf) zuerst hinter sich – wenn Sie am Ende erschöpft sind, ist es nur noch schlimmer. Und mit Rückenwind anzukommen fühlt sich einfach besser an. Fühlen Sie sich als Held bzw. Heldin: Sie haben nicht nur akzeptiert, dass die Physik beim Radfahren gegen Sie ist, sondern auch verstanden, warum. Und Sie fahren trotzdem weiter.

1 Segler sprechen auch vom »scheinbaren Wind«.

2www.inscyd.com

3 Journal of Wind Engineering and Industrial Aerodynamics, Volume 181, October 2018, 27–45.