Pharaonen leben länger - Friedhelm Schutt - E-Book

Pharaonen leben länger E-Book

Friedhelm Schutt

4,8

Beschreibung

Zwei Jugendliche übersetzen ein altes Buch, das lange Zeit in einem Kloster schlummerte und werden auf die Spur einer Kappe gebracht, die sie unsichtbar werden lässt. Aber damit nicht genug. Aus einem Bruderkloster gerät ein zweites Buch des gleichen Autors in ihre Hände, das von einer fremden Welt spricht und sogar die Koordinaten zu einem Tor zwischen den Welten liefert. Die Suche nach dem Sternentor beginnt und ist erfolgreich. Julius und Kati finden sich auf Neo-Terra wieder, einer Welt, die von Pharaonen und einer später angekommenen Gruppe gebildeter Wissenschaftler bewohnt wird. Wie entstand der Weg nach Neo-Terra, wie kamen Pharaonen und Wissenschaftler in diese Welt? Woher kommt das technische Rüstzeug für den Sprung zwischen den Welten? Und was hat es mit dem alten Buchhändler auf sich, der seit Hunderten von Jahren auf der Erde lebt und so viel von Neo-Terra weiß?

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Seitenzahl: 274

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Intro:

Einige Dinge in unserer Erdengeschichte sind doch seltsam!

Viele Pharaonengräber enthalten weder eine Mumie,

noch die Körper ihrer Familien und Gefolgsleute, noch

die reichen Schätze der Herrscher.

Sind es tatsächlich immer die Grabräuber gewesen,

die die Gräber leerräumten?

Wenn wir von den alten Persern, Griechen und

Ägyptern und ihren technischen Errungenschaften in

Mathematik, Geometrie, Heilkunst und Astronomie

sprechen, denken wir an die Zeit einige hundert Jahre vor

und nach Jesu Geburt und damit dem Beginn unserer Zeitrechnung.

Danach tut sich auf den genannten Gebieten fast

1200 Jahre lang nichts mehr…

Erst mit Da Vinci, Galileo, Kopernikus werden

wissenschaftliche Genies geboren und hinterlassen uns

ihre weitsichtigen Werke, Vorstellungen und Gedanken…

Was ist in den vielen Jahren dazwischen geschehen?

Gibt es einen Grund für den wissenschaftlichen Stillstand?

Zwei Jugendliche übersetzen ein altes Buch, das

lange Zeit in einem Kloster schlummerte und werden auf

die Spur einer Kappe gebracht, die sie unsichtbar werden lässt.

Aber damit nicht genug.

Aus einem Bruderkloster gerät ein zweites Buch des

gleichen Autors in ihre Hände, das von einer fremden

Welt spricht und sogar die Koordinaten zu einem Tor

zwischen den Welten liefert.

Die Suche nach dem Tor beginnt und ist erfolgreich.

Julius und Kati finden sich auf Neo-Terra wieder, einer

Welt, die von Pharaonen und einer später angekommenen

Gruppe ‚gebildeter‘ Wissenschaftler bewohnt wird.

Wie entstand der Weg nach Neo-Terra, wie kamen

Pharaonen und Wissenschaftler in diese Welt?

Woher kommt das technische Rüstzeug für den

Sprung zwischen den Welten?

Und was hat es mit dem alten Buchhändler auf sich,

der seit hunderten von Jahren auf der Erde lebt und so

viel von Neo-Terra weiß?

Ich heiße Julius, bin vierzehn Jahre alt und wohne in der Kapellener Strasse 12, also auf der rechten Seite, wo die geraden Nummern zu finden sind.

Warum ich Julius heiße?

Wahrscheinlich waren meine Eltern zu faul, sich sowohl für eine Tochter als auch für einen Sohn einen Namen auszudenken als ich im Bauch meiner Mutter steckte und es noch nicht klar war, ob ich ein Junge oder ein Mädchen werden sollte; so mussten sie nur die Endung des Namens anpassen und schon passte es.

Ich wohne mit meinem älteren Bruder und meinen Eltern in einem Einfamilienhaus. Mein Bruder Andy (natürlich heißt er Andreas – wie leicht es doch gewesen wäre, daraus Andrea zu machen) ist drei Jahre älter als ich und steckt gerade voll in seiner Problemzeit. Wenn es was zu essen gibt, kann er den Mund nicht weit genug aufreißen. Ansonsten kriegt er die Zähne aber nicht auseinander. Stellt ihm meine Mutter eine Frage, so wird mit einem ‚Hm‘ geantwortet oder manchmal sagt er auch ein einzelnes Wort. Ich weiß nicht recht, ob sein Gehirn degeneriert oder was da gerade mit ihm passiert. Mich stört seine Spracharmut aber nicht besonders. Denn nach den Mahlzeiten zieht er sich in sein Zimmer zurück oder verschwindet wortlos aus der Wohnung.

Meine Mutter muss ein Hellseher-Gen geerbt haben. Sie schaut mich nur an, wenn ich aus der Schule komme und weiß dann Bescheid, was mit mir los ist.

Einmal wusste sie sogar schon, was in mir vorging, bevor es bei mir selbst angekommen war. - Ich kam nach Hause, setzte mich an den Esstisch, stocherte in meinem Essen rum und sie fragte, was denn los sei.

„Wieso?“, fragte ich.

„Erzähl doch mal, was heute in der Schule passiert ist.“

„Naja“, sagte ich zögernd, weil ich nicht wusste, was ich erzählen sollte. Aber dann erwähnte ich die großen Jungs, die mich rumgeschubst und mich einen Schwächling genannt hatten.

„Tritt dem mit der größten Klappe gegen das Schienbein“, sagte sie nur. „Dann werden die schon Respekt vor dir bekommen!“

Ich schaute sie skeptisch an, weil sie als Frau wohl nicht ahnte, was es bedeutete, sich mit einem der Großen anzulegen.

Aber sie grinste nur und sagte: „Klar. Du wirst dir eine einfangen. Aber ein blauer Fleck oder eine Beule heilt nach kurzer Zeit. Doch dein Selbstbewusstsein wird stärker und du hast in Zukunft deine Ruhe.“

Sie lächelte mich aufmunternd an und widmete sich wieder dem Abwasch der Kochtöpfe, während ich mich nachdenklich in mein Zimmer zurückzog.

Mein Vater ist Bauingenieur. Er geht sehr früh aus dem Haus, so dass ich ihn morgens nie sehe. Dafür höre ich seine Geräusche im Badezimmer, wenn er sich rasiert, die Zähne putzt oder die Linsensuppe des letzten Tages wegbringt. Manchmal summt oder singt er auch ein Lied. Vermutlich kann sein Gesang so gedeutet werden: der Tag wird ohne größere Probleme verlaufen.

Früh morgens teilt er seinen Mitarbeitern mit, was an dem Tag auf dem Plan steht. Er hört sich ihre Probleme an und sucht gemeinsam mit ihnen nach Lösungen in der Bauausführung. Später kümmert er sich dann um die Materialbeschaffung, um Reklamationen oder schimpft mit Lieferanten, wenn sie mal wieder Mist gebaut haben. Und noch später freut er sich dann auf die überflüssigen Besprechungen mit seinen Vorgesetzten oder den Bauherren.

Wenn er abends heim kommt, ist ihm deutlich anzusehen, ob der Tag produktiv war oder mal wieder die führenden Nullen ihr Störpotential ausgelebt hatten.

Meine hellseherische Mutter stellt ihm dann nur das Essen auf den Tisch, setzt sich still zu ihm – was ihr aufgrund ihres dauernden Tatendrangs ganz schön schwer fällt - oder werkelt in der Küche oder dem Haus herum. Denn, nach dem Essen hat sich das ärgerliche Fluidum in meinem Vater mit dem Essen vermischt, ist im Magen gelandet und wird durch die Magensäure zersetzt. Sein Kopf ist dann wieder frei und er ist zu seinen üblichen Späßen aufgelegt. – Im Vorbeigehen zieht er dann schon mal an der Schleife der Küchenschürze meiner Mutter, kneift ihr in den Po oder rempelt sie ganz unschuldig an, woraufhin er sie dann begeistert lachend auffängt und an sich drückt, um mit ihr zu schmusen.

Tja. Und dann ist da noch meine ‚Sandkastenfreundin‘ Kati. Sie wohnt schräg gegenüber in der Hausnummer 15, auf der Seite wo die Hausnummern….

Eigentlich heißt sie Katharina. Aber den Namen mag sie nicht. „Der hört sich ja an, wie die russische Zarin vor zweihundert Jahren“, hat sie einmal ärgerlich geschimpft.

Wenn sie jemand mit ‚Katharina‘ anspricht, schaut sie ihn vorwurfsvoll an, damit klar ist, was sie von dieser Anrede hält. Sollte derjenige sie noch einmal mit ‚Katharina‘ titulieren, ignoriert sie ihn einfach und tut als hätte sie nicht gehört.

Nur unsere Lateinlehrerin Frau Schneider nervt sie regelmäßig, denn die Abkürzung eines Namens oder ein Kosename kommt ihr nicht über die Lippen. Kati schaut dann immer genervt an die Decke, während alle anderen Schüler grinsen. Aber sie kann nichts gegen Frau Schneider ausrichten. Sie hat ihre Prinzipien und hält strickt daran fest.

Kati und ich hatten über Jahre ein ganz entspanntes Freundschaftsverhältnis, doch in den letzten Jahren distanzieren wir uns voneinander, wenn andere Schüler in der Nähe sind. Nur, wenn wir auf dem Heimweg in unsere Straße einbiegen, rücken wir in alter Vertrautheit zusammen und ziehen über Schulkameraden oder Lehrer her oder besprechen die Hausaufgaben.

Kati ist ein toller Kumpel. Nicht so blöd wie die anderen Mädchen unserer Klasse, die viel über Mode oder Schminke reden oder von dem ach so süßen Jungen aus der höheren Klasse schwärmen. Sie mag Mathematik und Geometrie, liest mit Freuden Bücher über Astronomie und sogar über die Thesen Einsteins. Bei den Pfadfindern zeigt sie hervorragende Ergebnisse bei der Schatzsuche mit Karte und Kompass und stromert gern durch Gebüsch und abgelegene Waldstücke.

Ich sehe schon ein paar kleine Polster an ihr, aber die stören mich nicht weiter. Ihre Klamotten sind eher aus praktischen Gründen aus dem Schrank genommen worden als um damit aufzufallen. Wenn uns keiner sieht, rempeln und knuffen wir uns wie in alten Zeiten und lachen über Dinge, die nur wir zwei verstehen, weil nur wir den Bezug zu früher erlebten Begebenheiten herstellen können.

Wenn meine Mutter uns gemeinsam die Straße entlanglaufen sieht, schmunzelt sie immer und empfängt mich an der Haustür manchmal mit den Worten:

„Na, was haben denn A-Hörnchen und B-Hörnchen wieder zu schnattern?“

Aber ein Blick genügt und sie lässt mich lachend in mein Zimmer gehen.

Immer wieder erinnere ich mich daran, wie meine Mutter sagte: „Wenn ich Kati sehe, muss ich immer an einen Film mit Uschi Glas denken als sie noch in ihrer Jugend steckte: hübsches herzförmiges Gesicht, große dunkle Augen, ein Lächeln zum Verlieben. Aber Kati hat zusätzlich diesen jungenhaften Übermut. Erst das ist wirklich zum Verlieben…“

Der letzte Satz ging mir nicht mehr aus dem Gedächtnis, denn ein solches Kompliment habe ich von einer Frau über ein Mädchen nie wieder gehört.

Ach ja. Ich muss noch eine wichtige Sache erzählen:

Ich bin ein ganz normaler Junge und brauche natürlich Computer, Handy, MP3-Player, Fahrrad, Skateboard, Inliner, eine Musikanlage und so weiter.

Mein Vater ist aber irgendwie in seinen alten Zeiten stecken geblieben.

Zu Weihnachten oder zum Geburtstag kriege ich immer einen meiner Wünsche erfüllt. Aber irgendwie sind diese Tage einfach zu selten oder das, was ich brauche, ist zu viel. Auf jeden Fall hat er mir eines Tages vorgeschlagen, ich sollte mich mal um einen Job kümmern, mit dem ich ein paar Kröten hinzu verdienen könnte, um ohne ihn in die entsprechenden Läden einkaufen gehen zu können.

Ich habe ihn damals mit Unverständnis angesehen, so als ob er von einer Ziege im Melkeimer gesprochen hätte. Aber er verharrte einfach bei seiner Haltung und es blieb mir nichts Anderes übrig, als mal nach Einkommensmöglichkeiten Ausschau zu halten.

Ihr müsst wissen, dass es gleich um die Ecke – da wo unser Stadtzentrum beginnt – einen alten Zausel gibt, der sich auf gebrauchte und verstaubte alte Bücher spezialisiert hat.

‚Knorrig‘ heißt er.

Kati und ich sprechen aber immer von Herrn Knurrig, denn er knurrt dauernd vor sich hin, wenn man ihn anspricht und in seinen wichtigen Gedankengängen stört.

Also - da ich gerne lese, Herr Knorrig alt und klapprig ist und ich Geld brauchte, ging ich also zu ihm hin und fragte, ob ich ihm stundenweise helfen könnte.

Man muss wissen… wenn alte Leute versterben oder ins Altersheim gehen, bleiben häufig kistenweise olle Bücher übrig, die Herr Knorrig für wenig Geld aufkauft, durchsieht, katalogisiert, in die Regale oder das kleine Schaufenster stellt und auf den Verkauf hofft. Natürlich hat er keine Ahnung, wie man im Internet nach den üblichen Preisen für die Bücher sucht oder wie man sie in einem Verkaufsforum anbietet.

Für einen modernen Jungen wie mich sind das natürlich Selbstverständlichkeiten, die ich ihm als mein Kapital antrug.

„Lass mich mal darüber nachdenken“, sagte er und schaute mich durchdringend an; so als blickte er bis in den letzten Winkel meines im Aufbau befindlichen jugendlichen Hirns hinein. „Frag morgen noch mal nach.“

Damit versank er auch schon wieder in seinen wichtigen Gedanken und kümmerte sich um eine schwere Bücherkiste, die er nicht allein auf den Tisch heben konnte. Also griff ich zu und erledigte die kleine sportliche Aktivität für ihn. „Hey. Ich sehe schon, du hast neben Computerkenntnissen noch mehr zu bieten!“, sagte er schmunzelnd und winkte mich dann mit einer schüttelnden und genervten Handbewegung zur Tür raus - so wie man es mit einer lästigen Fliege machen würde.

Also ging ich am nächsten Tag wieder zu dem Knorrigen hin und fragte, was denn nun mit einem Job wäre.

„Julius, sag mal. Hast du denn so ein Computerding, mit dem du Abfragen überall hin durchführen kannst. Ich alter Zausel habe mir nie solch eine Zauberkiste zugelegt. Das ist mir alles zu kompliziert. Aber so viel weiß ich doch: ihr jungen Leute könnt auch ohne Stromanschluss und Rechenmaschine mit Anzeige alles machen, was ihr wollt, nicht wahr.“

Ich hatte eigentlich sofort nachhaken wollen, woher er denn meinen Namen kannte aber beantwortete stattdessen seine Frage: „Ja, das stimmt. Mit meinem Notebook kann ich überall arbeiten. Soll ich es mit hierher bringen und Ihnen zeigen, was alles möglich ist?“

„Genau das meinte ich. Ich bin ganz neugierig, was man auf dem großen metaphysischen Markt alles finden oder anbieten kann.“

Der Ausdruck ‚Internet‘ und ‚Computer‘ war ihm wohl nicht geläufig – für ihn war es eine metaphysische Sphäre und eine Rechenmaschine. Ist schon lustig mit so alten Leuten zu sprechen. Das musste ich unbedingt Kati erzählen.

Ich sauste nachhause und holte mein Notebook. Meine Digitalkamera und die Verbindungskabel waren auch nötig und das Netzteil für den Computer. Denn ich wusste ja nicht, wie lange mich der Alte aufhalten wollte. Meine Mutter machte ich schon mal darauf aufmerksam, dass es später werden könnte. Sie nickte nur und in der nächsten Sekunde war ich wieder weg.

Auf dem Tresen lagen ein paar alte, ledergebundene Folianten bereit. Der Alte hatte sich wohl in der Zwischenzeit schon Gedanken gemacht, was er verkaufen wollte.

„Hier, Junge, - mich würde interessieren, was die auf dem Markt bringen.“

Also ging ich in die Verkaufsportale, gab die Titel oder die Autoren ein und bekam manchmal ein Angebot zu sehen. Der olle Knorrig stand hinter mir, hob die Brille an, weil sein Leseteil für diese Entfernung nicht die richtige Stärke besaß und war ganz erstaunt, was da so geboten wurde.

„Mensch! Mich laust der Affe. Und ich sitze hier auf meinen alten Schätzchen und kein Schwanz interessiert sich dafür. – Kannst du diese Bücher denn auch ins Internet bringen?“ Man staune – er hatte sich nach meinen Ausführungen schon mal den ersten Begriff gemerkt.

„Klar“, sagte ich nur, holte mir ein großes Stück Karton, legte eines der Bücher darauf, fotografierte es und bot es auch schon im großen Netz an. Als Startpreis hatten wir dreißig Euro vorgegeben und warteten nun auf das erste Gebot. Aber das kam nicht so schnell. Also nutzte ich die Zeit, um Knorrig auf die Besonderheiten für einen Händler aufzuklären. Doch noch waren wir weit davon entfernt, denn es lief ja alles über meinen Namen, auch die Einstellgebühren, die ich mir sofort von Knorrig geben ließ. Der Alte grinste über meine Geschäftstüchtigkeit und legte noch einen kleinen Schein obendrauf. ‚Als mein Internetmentor hast du das Geld verdient‘, meinte er recht freundlich – natürlich wieder mit einem Wort, das ich noch nie verwendet hatte und mir bisher höchsten einmal untergekommen war.

Wir stellten noch ein paar Bücher ins World-Wide-Net und kümmerten uns schließlich um seine letzten Lieferungen.

Als ich die erste Kiste öffnete, strömte mir der Duft eines modrigen alten Kellers entgegen.

„Tja, damit musst du leben!“, lachte der Buchhändler, hob die ersten Antiquitäten der schreibenden Zunft heraus, schaute sich den Zustand an, blätterte die Seiten durch und legte einiges auf einen Stapel links von ihm und manches auf die rechte Seite.

„Links liegt das Zeug, das in den Müll kommt. Die Bücher auf dem rechten Stapel schauen wir uns noch genauer an. Wenn du willst, kannst du ja schon im Netz recherchieren, was interessant ist und was nicht.“

Und das tat ich auch und so gingen die ersten Stunden im Geschäft des Knorrigen dahin. Er freute sich über meinen Eifer und den neuen Vertriebsweg, schaffte Apfelschorle und ein wenig Gebäck herbei, das allerdings schon den typischen Bücher-Moder-Geschmack angenommen hatte. Aber ich stopfte alles in mich hinein, weil ich vor lauter Aufregung wegen der Angebote aus dem Netz kaum merkte, was ich aß. Es hatte nicht lange gedauert und schon waren die ersten Gebote eingegangen, so dass anzunehmen war, dass da noch einiges von anderen Bietern kommen würde. Herr Knorrig strahlte über sein faltiges Gesicht hinter der dicken Brille und sagte schließlich:

„So. Für heute reicht es. Morgen ist auch noch ein Tag. Du kannst noch die unbrauchbaren Bücher in die Tonne hinter dem Haus werfen? Dann ist Schluss für heute!“

Ich nahm den kleinen Stapel und hob ein Buch nach dem anderen ab, warf einen kurzen Blick darauf und ließ es in die Mülltonne fallen. Doch plötzlich stutzte ich. Gammelig, rissig und schimmelig strahlte mich ein uraltes, aber reich verziertes, teilweise in lateinischer Sprache geschriebenes Buch in Ledereinband an, so als wollte es mich von dem Gedanken abbringen, es in der Tonne zu versenken. Ich brachte es nicht übers Herz, es fortzuwerfen, steckte es unter meinen Arm und ging zu Knorrig zurück.

„Darf ich das Buch mitnehmen und mir zuhause genauer anschauen?“, fragte ich ihn.

Er nickte, wie es mir schien ohne besonders aufzuschauen oder zuzuhören. Hatte ich nicht ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen gesehen? Dann drängte er mich, Feierabend zu machen – ich hatte gerade noch Zeit, meine Elektronik einzupacken, - schloss die Ladentür ab und wir gingen gemeinsam in Richtung Kapellener Straße. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Knorrig ganz in unserer Nähe wohnte. Auf der ungeraden gegenüberliegenden Seite auf Nummer 3. So kam er also nicht an unserem Haus vorbei, wenn er heim ging.

„Na, war‘s anstrengend?“, fragte meine Mutter als ich die Haustür aufstieß.

„Och, halb so schlimm. Der olle Knorrig hat die Möglichkeiten des Internet entdeckt und will mich möglichst bald wieder sehen. Er ist netter als ich vermutet habe. Er hat mir sogar Gebäck angeboten. Aber wir sollten ihm mal was von unserem Kuchen anbieten, damit er einen anderen Geschmack kennen lernt, als den von muffigen Büchern.“

Meine Mutter lachte schallend und während ich in mein Zimmer ging, machte sie in der Küche weiter, denn mein Vater würde bald von der Arbeit kommen und wollte an der Futterkrippe verwöhnt werden.

„He Julius! Wie war es denn bei dem alten Knurrhahn?“

Wie üblich war Kati völlig unangemeldet und unkompliziert in unser Haus gekommen und ohne anzuklopfen in mein Zimmer gestiefelt. Schon saß sie auf meiner Schlafcouch, lehnte sich entspannt zurück und wartete auf meinen Bericht.

„Stell dir vor, der Olle ist ein wirklich netter alter Knabe. Heute hat er das erste Schuljahr im Internetvertrieb absolviert und ich bin als sein Lehrer stetig im Ansehen gewachsen.

Aber jetzt guck mal hier. Dieses Buch habe ich heute abgestaubt. Es sollte in der Mülltonne landen und ich habe es gerettet. Komm! Wir schauen einmal, was es damit auf sich hat. Es hat mich magisch angezogen. Leider ist es in altem Latein oder so was geschrieben. Wir müssen also unser Vokabular ausgraben, um es übersetzen zu können. Vielleicht wissen wir dann, ob es ein Schatz ist, oder ob es doch in die Tonne gehört.“

Kati war ganz praktisch, schaute erst einmal auf die erste und letzte Seite des müffelnden Produktes und dozierte: „Schau mal hier. Da steht die Jahreszahl MDXXII. Und das hier könnte der Name des Autors sein: Ludovico Santiago.“

„Wir können ja mal unter seinem Namen im Netz nachsehen. Vielleicht gibt es einen Eintrag in deutscher Sprache. Und möglicherweise kriegen wir seine Buchtitel und Inhaltsbeschreibungen geliefert.“

Doch die Suchmaschine lieferte nur eine ganz kurze Notiz:

Hellseherischer Mystiker, wurde von der Inquisition als Häretiker verfolgt. Er verschwand im Jahre 1516. Merkwürdigerweise fiel der Inquisitor einige Monate später mitten in einem Prozess um.

„Was ist denn ein Mystiker?“, fragte Kati.

Das Netz gab uns die Auskunft, dass es sich um einen Menschen handelt, der durch innere Einkehr möglichst nahe an Gott herankommen will.

„Und was ist ein Häretiker?“

„Ein Ketzer“, las ich kurze Zeit später vor. „Ein Mensch, der die katholischen Lehren ablehnt oder kritisiert.“

„Hast du bemerkt, dass er 1516 verschwand, aber dieses Buch erst 1522 geschrieben wurde?“

„Er muss also noch einige Jahre gelebt haben. Wobei nicht klar ist, ob er länger lebte oder ob sein Buch erst 1522 von irgendeinem Mönch geschrieben wurde. – Wir müssen versuchen, zu verstehen, was in dem Buch steht, um mehr Informationen zu bekommen!“

„Gibt es denn ein Inhaltsverzeichnis?“

Ich blätterte die ersten und die letzten Seiten durch, aber eine Auflistung des Inhalts in Form von Überschriften gab es nicht. Aber sehr schnell wurde klar, dass jedes Kapitel mit einigen fett gedruckten Worten überschrieben war.

„Guck mal hier. Die erste Überschrift lautet: Primo indicatio ad miraculo. Das müsste doch so was heißen wie ‚Der erste Hinweis auf ein Wunder‘.

Die zweite Überschrift heißt: Cercare Miraculo. Ich glaube das heißt ‚Die Suche nach dem Wunder‘. Ist das denn Latein oder Italienisch oder sogar ein bisschen Spanisch?

Und hier steht: Invisibilus. Invisible heißt doch im Englischen Unsichtbar. Was soll das denn bedeuten.

Und die letzte Überschrift lautet: Notare Nascondio und dann folgen ein paar Zeichnungen.

Wie es aussieht, zuerst eine grobe Zeichnung mit einem Rechteck darin und dann eine weitere Zeichnung, die das Rechteck detaillierter darstellt. Mensch, Kati, das ist ja wie bei einer Schatzsuche.“

„Lass uns doch mal sehen, ob wir die Karten verstehen können. Hier in der ersten Karte steht das Wort Rhenus und Colonia, das müsste ja Köln am Rhein bedeuten. Das Kästchen weist aber auf eine Gegend nördlich von Köln.

Hier auf der zweiten Karte steht was von Ad Sanctos. Das müsste doch ‚bei den Heiligen‘ heißen. Was für Heilige meint der denn?“

„Da kann man mal wieder sehen, dass die Jungs in der Schule nicht aufpassen, sobald sich ein hübsches Mädchen bewegt und auffällig räkelt.“ Kati grinste mich dabei an und knuffte mich mit einem verschmitzten Lächeln.

„Das ist Xanten. Man hat das Wörtchen ‚Ad‘ weggelassen und Sanctos wurde in der Umgangssprache zu Xanten. Also sind wir schon näher dran.“

„Das dritte Bildchen zeigt ein Andreaskreuz auf einem Kegel. Was soll das denn wieder bedeuten?“

Zuerst wollte uns nichts einfallen. Aber wir hatten beide das Gefühl, so ein Zeichen schon mal irgendwo gesehen zu haben. Bis es uns endlich einfiel: auf Landkarten gibt es eine Symbolliste und da bedeutete dieser Kegel mit dem auf der Seite liegenden Kreuz eine Mühle. Und wir wussten beide von einem Besuch des römischen Lagers in Xanten, dass es an der Stadtmauer auch eine Mühle gab. Natürlich war nicht sicher, dass es sich um dieselbe Mühle handelte, von der Santiago hier sprach.

Als letzte Zeichnung gab es nur noch einen Quader, auf dem das Wort ‚Tempel‘ eingeritzt war und ein Pfeil nach oben zeigte.

„Das ist ja toll!“, sagte Kati. „Hier in dieser Passage wird von Inquisition und Ketzer gesprochen und von einem Hinweis, dem Santiago folgte. Später spricht er von irgendwas Unsichtbarem und dann hat er noch eine Schatzkarte aufgezeichnet. In einem Buch, das jeder lesen kann – zumindest jeder, der in dem Kloster dazu Zugang hatte. Ist schon seltsam, oder?

Spannend hört sich das ja alles an. Aber worum geht es hier überhaupt? Und was ist denn unsichtbar?“

Tja. Darauf fiel mir auch keine Antwort ein. Aber neugierig hatte mich das alles schon gemacht.

„Vielleicht sollten wir mal erkunden, woher das Buch überhaupt kommt. Vielleicht kann uns der ehemalige Besitzer ja einen Hinweis geben. Ich werden morgen den ollen Knorrig fragen.“

Wir saßen noch einige Zeit zusammen, spekulierten über alles Mögliche. Aber es wollte uns nichts Sinnvolles einfallen.

„Vielleicht sollten wir uns die Mühe machen, das Kapitel mit dem Unsichtbaren zu übersetzen. Wenn nichts anderes möglich ist, können wir ja auch die Schneider befragen, ob sie uns bei der Übersetzung hilft“, sinnierte ich.

„Lass uns das Geheimnis erst mal für uns behalten. Je mehr Leute davon wissen, um so unsicherer wird für uns die Suche und die Geheimhaltung. Vielleich sind wir ja einer großen Sache auf der Spur. Dann sollten wir sie nicht sofort in andere Hände geben, oder!“

Natürlich hatte sie Recht. Ich hatte das Buch gefunden und nun wollten wir das Geheimnis auch selbst erforschen.

Am nächsten Tag schaltete ich bei Knorrig das Notebook ein, um die Entwicklung der gestrigen Angebote zu prüfen. In der Zwischenzeit befragte ich meinen Arbeitgeber, woher die Kiste mit den alten Büchern kam.

„Nun. Ich halte zu vielen alten Menschen Kontakt, da es immer wieder Umzüge, Todesfälle oder Aufräumaktionen gibt, bei denen alte Bücher überflüssig und weggeworfen, billig verscherbelt oder verschenkt werden. Häufig erinnert man sich an mich und meinen Laden und bietet mir die uralten Folianten an.

In diesem Fall ist eine alte Abtei, die sich auflöst, der Ursprung der Bücher. Du hast ja gesehen, dass es sich meist um kirchliche oder klösterliche Themen handelt. Dafür gibt es auch die größte Klientel. Die Bücher, die ich gestern aussortierte, gehören meist zu irgendwelchen alten Phantasten, die den Stein der Weisen suchten, sich ganz nah bei Gott fühlten oder Gold herzustellen versuchten. Du glaubst hoffentlich nicht an solchen Humbug, mein Junge!

Die Alchemisten sind alle als arme Teufel zugrunde gegangen und haben ihre Verwandten oder Geldgeber ins Verderben gestürzt, weil sie ihr eigenes Hab und Gut und auch das Vermögen der anderen unnütz für ihre Spinnereien vergeudeten.

Das Buch, das du gestern mit nach Hause genommen hast, muss von einem reichen Pinkel geschrieben worden sein. Denn trotz seiner Sauklaue hat er das Leder einer ganzen Schafsherde mit seinem Geschreibsel bedeckt.“

Ich fragte mich, ob ich tatsächlich das Buch eines intelligenten Alchemisten in die Hände bekommen hatte, oder ob es sich um das Geschreibsel eines Dummkopfes handelte.

Doch jetzt ging es erst einmal darum, dem ollen Knorrig bei seinen Verkäufen weiter zu helfen.

„Schauen Sie hier“, rief ich Knorrig zu, als endlich die Internetverbindung hergestellt und die Verkaufsseite für meinen User aufgerufen war. „Auf eins der Bücher haben inzwischen schon sechs Leute geboten. Und auf ein anderes drei. Ich bin ja gespannt, was passiert, wenn wir uns dem Ende der Gebotszeit nähern!“

Knorrig strahlte. Offensichtlich sah er einer sehr viel rosigeren Zukunft entgegen, wenn er nicht mehr auf Kunden der näheren Umgebung und die wenigen Stammkunden warten musste.

Der Tag verging wie im Fluge und um kurz nach achtzehn Uhr verließen wir den Laden.

Kati lief schon hinter mir her, als ich unseren Hauszugang betrat.

„Na, was sagt der alte Knurrer, woher das Buch kommt?“

„Er meint, dass es möglicherweise von einem spinnerten Alchemisten geschrieben worden sei. Das Buch soll im Nachlass einer alten Abtei gemodert haben und, weil sich das olle Kloster in Auflösung befindet, wurden die Bücher verteilt oder verbrannt.“

„Ja, aber sollen wir denn jetzt die ganze Sache sausen lassen?“, fragte Kati. „Wollen wir nicht zumindest versuchen, den Inhalt des Buches zu verstehen. Dann können wir doch immer noch entscheiden, ob der Autor ein Spinner war oder doch etwas an der ‚Unsichtbaren Geschichte‘ dran ist.“

Also setzten wir uns hin und entzifferten Wort für Wort das Kapitel mit der Überschrift ‚Invisibilus‘. Obwohl Kati und auch ich ganz gut in Latein waren, erwies es sich als ein schwieriges Unterfangen, die Sätze zu verstehen. Zuerst dauerte es einige Zeit, bis wir die krakelige Handschrift des alten Santiago entziffern konnten. Dann schienen uns viele Worte nicht wirklich lateinischen Ursprungs. Also mussten wir uns aus den Bruchstücken den Inhalt der Sätze zusammenreimen.

Soviel war uns aber klar, dass er von einer Entdeckung sprach, die leblose Gegenstände oder Personen unsichtbar werden ließ und dass er es an sich selbst ausprobiert hatte. Er berichtete von Späßen, Boshaftigkeiten und traurigen Geschichten.

„Na, so ähnlich hätte ich mir das auch vorgestellt“, sagte Kati. „Wenn ich mich unsichtbar machen könnte, würde ich einige meiner Klassenkameraden verulken. Aber bösartig würde ich bestimmt nicht. Was meinst du dazu, Julius?“

„Ich hätte große Lust, den älteren Schulkollegen mal eins auszuwischen. – aber sollten wir nicht als erstes mal sehen, ob wir diese Verschwinde-Kappe finden können:

Santiago hat immer wieder die Worte beretto und cuffio verwendet. Also muss es sich um etwas handeln, das man auf den Kopf setzt.“

Wir grübelten einige Zeit.

„Wie bewahrt man denn etwas auf, das alles unsichtbar macht, was bedeckt wird?“, fragte sich Julius.

„Nun, es wird sicher nicht all zu viel um die Kappe herum unsichtbar werden. Man könnte solch ein Ding vielleicht in einer Höhle verstecken, die man dann verschließt, so dass niemand aus Versehen darüber stolpert und sich wundert, dass nichts zu sehen ist, woran man sich gestoßen hat“, sinnierte Kati.

„Vielleicht kann ja auch nur ein Mensch unsichtbar werden und nicht ein Kleiderständer, ein Stuhl oder ein Schrank, auf dem die Kappe ruht“, ergänzte ich.

„Ist ja auch alles egal. Wir müssen nach Xanten, dort fragen, wo zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine Mühle gestanden hat und sobald wir sie finden, müssen wir nach dem Stein mit der Aufschrift ‚Tempel‘ suchen.

Da wir beide in der Nähe von Duisburg wohnten, war es nach Xanten mit dem Bus kaum mehr als eine Stunde Fahrt. Aber besser war, wenn wir uns erst mal auf die Suche vorbereiteten.

Ich suchte also im Internet nach den Schlagworten Xanten und Mühle und bekam auch sofort ein hübsches Foto zu sehen, das aus Richtung Dom aufgenommen worden war und am Ende einer Straße mit einigen alten Patrizierhäusern die schöne Mühle am Rande der Stadtmauer zeigte. Links davon war eins der doppeltürmigen Stadttore zu sehen. Aber als wir den Text lasen, wurden wir enttäuscht. Die jetzt dort stehende Mühle war nicht alt genug. Verzweifelt suchten wir weiter und bekamen die Information, dass auch der Dom nicht der erste in Xanten war. Vorher hatte es schon einige kleinere Kapellen und Kirchen am gleichen Platz gegeben.

Also hatte man die alten Flächen immer wieder verwendet. Warum sollte das nicht auch bei der Mühle so gewesen sein.

„Wo würdest du einen Schatz vergraben, der sicher sein soll?“ Die Frage war wohl nur rhetorisch gewesen, denn sie sprach sogleich weiter: „Damals brannten viele Häuser und Stadtteile ab, weil die Gebäude aus Holz gebaut worden waren. Man würde einen Schatz also an einer Stelle unterbringen, der durch Feuereinwirkung nicht zerstört werden würde. Eine Höhle, ein Keller oder Gewölbe wäre geeignet. Und warum sollte nicht die aktuelle Mühle auf den Fundamenten eines alten, abgebrannten Turms stehen?“

„Zumindest wäre das ein Ansatzpunkt! Die Handwerker und Bauherren haben ihre Gebäudestandorte damals ja nicht gedankenlos gewählt. Die Nähe zu den Bauern, um das Korn nicht zu weit transportieren zu müssen, der Schutz hinter den Stadtmauern, um sich gegen Angriffe von außen zu schützen und die Nähe zur Stadtbevölkerung oder den Bäckern, die das Mehl abnahmen, machen den Standort der Mühle doch ideal. Sich ganz in der Nähe von Kirche, Kloster und Stiftsherren anzusiedeln, sicherte doch das Auskommen des Müllers, oder.“

„Also. Auf nach Xanten!“, rief Kati enthusiastisch. „Wie wäre es am Wochenende? Vielleicht können wir ja auch deine Eltern überreden, mit uns gemeinsam einen schönen Tag in der Stadt zu verbringen. Meine Eltern sind ja die meiste Zeit nicht da und so hänge ich mich halt an dich und deine Familie dran. Wir werden uns dann sicher ein paar Stunden absetzen können, um auf unsere Suche zu gehen. Was meinst du?“

„Gute Idee, Katharina. Du bist praktisch veranlagt wie immer!“

Peng, schon hatte ich eine Faust auf der Brust und musste ihren bösen Blick ertragen. Aber ich lachte sie nur aus und schon balgten wir uns auf dem Boden, wie wir es schon als kleine Kinder regelmäßig getan hatten. Obwohl ich ja zugeben muss, dass ich inzwischen nicht mehr so recht weiß, wo ich anfassen darf und wo nicht. Die Mädchen haben einfach zu viele Tabuzonen – mit einem Jungen zu kämpfen fällt mir viel leichter…

„Hey, Papa! Du interessierst dich doch für alte Gebäude und Römerlager. Können wir nicht am Samstag eine Exekution nach…“

„Eine Exkursion“, korrigierte mich Kati unten in der Küche, während mein Vater sein Abendessen verzehrte.

„Also können wir nicht eine Exkursion nach Xanten machen? Wir könnten einiges für einen Geschichtsaufsatz verwenden. Und du hast sicher auch deinen Spaß daran, in alten Gemäuern rum zu stiefeln, oder? – Und Mama sagt auch schon seit langem, dass wir mal wieder was gemeinsam unternehmen sollten…“

Ich schaute meine Mutter an und hoffte auf Unterstützung von ihrer Seite.

Wie immer aber schaute sie mich mit kraus gezogener Stirnfalte hellseherisch an, stimmte dann aber zu.

„Ich werde meine Eltern informieren – damit sie zumindest wissen, wo ich stecke. Dann machen wir vier uns einen schönen Tag“, warf Kati ein.

Ganz selbstverständlich hatte sie meinen Bruder Andy außen vor gelassen. Wohlwissend, dass er Wichtigeres zu haben würde - nämlich über die Rettung der Welt und sein Seelenheil nachzudenken.

Mein Vater und meine Mutter benötigten nur einen kurzen Augenkontakt, um sich abzustimmen. Dann nickten beide und begannen vermutlich schon, in ihren Köpfen die Pläne für Picknick, Auftanken des Wagens, Packen von Gartenstühlen und so weiter durchzugehen.

Das war geritzt. Am Samstag würde unsere Schatzsuche beginnen.

Kati kam kurze Zeit später noch mal rüber und sagte, dass ihre Eltern Bescheid wüssten. Dass Katis Eltern nicht dabei sein würden war eigentlich bedauerlich für uns. Denn mit Katis Eltern wären meine Herrschaften beschäftigt gewesen und hätten sich über uns kaum Gedanken gemacht. Aber es würde schon klappen.

Als ich wieder die Treppe hinaufstieg, um in mein Zimmer zu kommen, hörte ich noch meine Mutter zu meinem Vater sagen: „Ich weiß zwar noch nicht, was es ist, aber ganz sicher steckt mehr dahinter als die beiden bisher herausgelassen haben. Mal schauen, wann wir mehr erkennen können…“ Meine Vater brummte zustimmend und genoss weiterhin sein Abendessen, während ich verschmitzt grinste.

Am Samstag um zehn Uhr standen wir am Wagen meines Vaters. Wie schon zu vermuten war, war ein Fresskorb und Getränke vorbereitet, ein paar Decken und Campingstühle eingepackt und auch an Regenzeug war gedacht worden. Kati und ich saßen hinten und tuschelten, wie wir unsere Eltern los werden konnten. Wie immer hatte ich nicht mit den spitzen Ohren meiner Mutter gerechnet, die plötzlich sagte: „So, dann werden wir uns ja wohl für ein paar Stunden trennen. Ich denke, wir treffen uns am Nachmittag um drei Uhr zwischen Dom und Römerlager auf dem Parkgelände. Da sind die Parkplätze nicht weit, Spielplätze und Picknickmöglichkeiten sind gegeben und wir können uns schon von weitem sehen. Einverstanden ihr zwei?“

„Klar!“, riefen wir einstimmig.