Philosophie des Geldes - Georg Simmel - E-Book

Philosophie des Geldes E-Book

Georg Simmel

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Beschreibung

"Das Geld steht vermöge der Abstraktheit seiner Form jenseits aller bestimmten Beziehungen zum Raum: Es kann seine Wirkungen in die weitesten Fernen erstrecken, ja, es ist gewissermaßen in jedem Augenblick der Mittelpunkt eines Kreises potenzieller Wirkungen." G. SimmelInhaltsverzeichnis :. Wert und Geld. Der Substanzwert des Geldes. Das Geld in den Zweckreihen. Die individuelle Freiheit. Das Geldäquivalent personaler Werte. Der Stil des Lebens

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Table of Contents

Copyright

Georg Simmel

Philosophie des Geldes

Analytischer Teil

II

III

Zweites Kapitel

II

III

Drittes Kapitel

II

III

Synthetischer Teil

II

III

Fünftes Kapitel

II

III

Sechstes Kapitel

II

III

Copyright

Copyright © 2013 - FV Éditions

Bild © [email protected]

ISBN 978-2-36668-751-4

Alle Rechte Vorbehalten

Georg Simmel

Philosph und Soziologe, 1858-1918

Philosophie des GeldesVorrede

Jede Forschungsprovinz hat zwei Grenzen, an denen die Denkbewegung aus der exakten in die philosophische Form übergeht. Die Voraussetzungen des Erkennens überhaupt, wie die Axiome jedes Sondergebietes verlegen ihre Darstellung und Prüfung aus diesem letzteren hinaus in eine prinzipiellere Wissenschaft, deren im Unendlichen liegendes Ziel ist: voraussetzungslos zu denken – ein Ziel, das die Einzelwissenschaften sich versagen, weil sie keinen Schritt ohne Beweis, also ohne Voraussetzungen sachlicher und methodischer Natur, tun. Indem die Philosophie diese Voraussetzungen darstellt und untersucht, kann sie solche doch auch für sich nicht völlig aufheben; nur ist es hier der jeweils letzte Punkt des Erkennens, an dem ein Machtspruch und der Appell an das Unbeweisbare in uns einsetzt, und der freilich vermöge des Fortschritts der Beweisbarkeiten nie definitiv festliegt. Zeichnet der Beginn des philosophischen Gebietes hier gleichsam die untere Grenze des exakten, so liegt dessen obere da, wo die immer fragmentarischen Inhalte des positiven Wissens sich durch abschließende Begriffe zu einem Weltbild zu ergänzen und auf die Ganzheit des Lebens zu beziehen verlangen. Wenn die Geschichte der Wissenschaften wirklich die philosophische Erkenntnisart als die primitive zeigt, als einen bloßen Überschlag über die Erscheinungen in allgemeinen Begriffen – so ist dieses vorläufige Verfahren doch noch manchen Fragen gegenüber unentbehrlich, nämlich denjenigen, besonders den Wertungen und allgemeinsten Zusammenhängen des geistigen Lebens angehörigen, auf die uns bis jetzt weder eine exakte Antwort noch ein Verzicht möglich ist. Ja, vielleicht würde selbst die vollendete Empirie die Philosophie als eine Deutung, Färbung und individuell auswählende Betonung des Wirklichen gerade so wenig ablösen, wie die Vollendung der mechanischen Reproduktion der Erscheinungen die bildende Kunst überflüssig machen würde.

Aus dieser Ortsbestimmung der Philosophie im allgemeinen fließen die Rechte, die sie an den einzelnen Gegenständen besitzt. Wenn es eine Philosophie des Geldes geben soll, so kann sie nur diesseits und jenseits der ökonomischen Wissenschaft vom Gelde liegen: sie kann einerseits die Voraussetzungen darstellen, die, in der seelischen Verfassung, in den sozialen Beziehungen, in der logischen Struktur der Wirklichkeiten und der Werte gelegen, dem Geld seinen Sinn und seine praktische Stellung anweisen. Das ist nicht die Frage nach der Entstehung des Geldes: denn diese gehört in die Geschichte, nicht in die Philosophie. Und so hoch wir den Gewinn achten, den das Verständnis einer Erscheinung aus ihrem historischen Werden zieht, so ruht der inhaltliche Sinn und Bedeutung der gewordenen doch oft auf Zusammenhängen begrifflicher, psychologischer, ethischer Natur, die nicht zeitlich, sondern rein sachlich sind, die von den geschichtlichen Mächten wohl realisiert werden, aber sich in der Zufälligkeit derselben nicht erschöpfen. Die Bedeutsamkeit, die Würde, der Gehalt des Rechts etwa oder der Religion oder der Erkenntnis steht ganz jenseits der Frage nach den Wegen ihrer historischen Verwirklichung. Der erste Teil dieses Buches wird so das Geld aus denjenigen Bedingungen entwickeln, die sein Wesen und den Sinn seines Daseins tragen.

Die geschichtliche Erscheinung des Geldes, deren Idee und Struktur ich so aus den Wertgefühlen, der Praxis den Dingen gegenüber und den Gegenseitigkeitsverhältnissen der Menschen als ihren Voraussetzungen zu entfalten suche, verfolgt nun der zweite, synthetische Teil in ihren Wirkungen auf die innere Welt: auf das Lebensgefühl der Individuen, auf die Verkettung ihrer Schicksale, auf die allgemeine Kultur. Hier handelt es sich also einerseits um Zusammenhänge, die ihrem Wesen nach exakt und im einzelnen erforschbar wären, aber es bei dem augenblicklichen Stande des Wissens nicht sind und deshalb nur nach dem philosophischen Typus: im allgemeinen Überschlag, in der Vertretung der Einzel Vorgänge durch die Verhältnisse abstrakter Begriffe, zu behandeln sind; andrerseits um seelische Verursachungen, die für alle Zeiten Sache hypothetischer Deutung und einer künstlerischen, von individueller Färbung nie ganz lösbaren Nachbildung sein werden. Diese Verzweigung des Geldprinzips mit den Entwicklungen und Wertungen des Innenlebens steht also ebensoweit hinter der ökonomischen Wissenschaft vom Gelde, wie das Problemgebiet des ersten Teiles vor ihr gestanden hatte. Der eine soll das Wesen des Geldes aus den Bedingungen und Verhältnissen des allgemeinen Lebens verstehen lassen, der andere umgekehrt Wesen und Gestaltung des letzteren aus der Wirksamkeit des Geldes.

Keine Zeile dieser Untersuchungen ist nationalökonomisch gemeint. Das will besagen, daß die Erscheinungen von Wertung und Kauf, von Tausch und Tauschmittel, von Produktionsformen und Vermögenswrten, die die Nationalökonomie von einem Standpunkte aus betrachtet, hier von einem anderen aus betrachtet werden. Nur daß ihre, der Nationalökonomie zugewandte Seite die praktisch interessierendste, die am gründlichsten durchgearbeitete, die am exaktesten darstellbare ist – nur dies hat das scheinbare Recht begründet, sie als »nationalökonomische Tatsachen« schlechthin anzusehen. Aber wie die Erscheinung eines Religionsstifters keineswegs nur eine religiöse ist, sondern auch unter den Kategorien der Psychologie, vielleicht sogar der Pathologie, der allgemeinen Geschichte, der Soziologie untersucht werden kann; wie ein Gedicht nicht nur eine literaturgeschichtliche Tatsache ist, sondern auch eine ästhetische, eine philologische, eine biographische; wie überhaupt der Standpunkt einer Wissenschaft, die immer eine arbeitsteilige ist, niemals die Ganzheit einer Realität erschöpft – so ist, daß zwei Menschen ihre Produkte gegeneinander vertauschen, keineswegs nur eine nationalökonomische Tatsache; denn eine solche, d. h. eine, deren Inhalt mit ihrem nationalökonomischen Bilde erschöpft wäre, gibt es überhaupt nicht. Jener Tausch vielmehr kann ganz ebenso legitim als eine psychologische, als eine sittengeschichtliche, ja als eine ästhetische Tatsache behandelt werden. Und selbst als nationalökonomische betrachtet, ist sie damit nicht am Ende einer Sackgasse angekommen, sondern selbst in dieser Formung wird sie der Gegenstand der philosophischen Betrachtung, die ihre Voraussetzungen in nicht-wirtschaftlichen Begriffen und Tatsachen und ihre Folgen für nicht-wirtschaftliche Werte und Zusammenhänge prüft.

In diesem Problemkreis ist das Geld nur Mittel, Material oder Beispiel für die Darstellung der Beziehungen, die zwischen den äußerlichsten, realistischsten, zufälligsten Erscheinungen und den ideellsten Potenzen des Daseins, den tiefsten Strömungen des Einzellebens und der Geschichte bestehen. Der Sinn und Zweck des Ganzen ist nur der: von der Oberfläche des wirtschaftlichen Geschehens eine Richtlinie in die letzten Werte und Bedeutsamkeiten alles Menschlichen zu ziehen. Der abstrakte philosophische Systembau hält sich in einer solchen Distanz von den Einzelerscheinungen, insbesondere des praktischen Daseins, daß er ihre Erlösung aus der Isolierung und Ungeistigkeit, ja Widrigkeit des ersten Anblicks eigentlich nur postuliert. Hier aber soll sie an einem Beispiel vollbracht werden, an einem solchen, das, wie das Geld, nicht nur die Gleichgültigkeit rein wirtschaftlicher Technik zeigt, sondern sozusagen die Indifferenz selbst ist, insofern seine ganze Zweckbedeutung nicht in ihm selbst, sondern nur in seiner Umsetzung in andere Werte liegt. Indem hier also der Gegensatz zwischen dem scheinbar Äußerlichsten und Wesenlosen und der inneren Substanz des Lebens sich aufs äußerste spannt, muß er sich aufs wirkungsvollste versöhnen, wenn diese Einzelheit sich nicht nur in den ganzen Umfang der geistigen Welt, tragend und getragen, verwebt, sondern sich als Symbol der wesentlichen Bewegungsformen derselben offenbart. Die Einheit dieser Untersuchungen liegt also nicht in einer Behauptung über einen singulären Inhalt des Wissens und deren allmählich erwachsendem Beweise, sondern in der darzutuenden Möglichkeit, an jeder Einzelheit des Lebens die Ganzheit seines Sinnes zu finden. – Der ungeheure Vorteil der Kunst gegenüber der Philosophie ist, daß sie sich jedesmal ein einzelnes, engumschriebenes Problem setzt: einen Menschen, eine Landschaft, eine Stimmung – und nun jede Erweiterung desselben zum Allgemeinen, jede Hinzufügung großer Züge des Weltfühlens, wie eine Bereicherung, Geschenk, gleichsam wie eine unverdiente Beglückung empfinden läßt. Dagegen pflegt die Philosophie, deren Problem sogleich die Gesamtheit des Daseins ist, der Größe dieses gegenüber sich zu verengen und weniger zu geben, als sie verpflichtet scheint. Hier ist nun umgekehrt versucht, das Problem begrenzt und klein zu nehmen, um ihm durch seine Erweiterung und Hinausführung zur Totalität und zum Allgemeinsten gerecht zu werden.

In methodischer Hinsicht kann man diese Grundabsicht so ausdrücken: dem historischen Materialismus ein Stockwerk unterzubauen, derart, daß der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen selbst als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strömungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden. Für die Praxis des Erkennens muß sich dies in endloser Gegenseitigkeit entwickeln: an jede Deutung eines ideellen Gebildes durch ein ökonomisches muß sich die Forderung schließen, dieses seinerseits aus ideelleren Tiefen zu begreifen, während für diese wiederum der allgemeine ökonomische Unterbau zu finden ist, und so fort ins unbegrenzte. In solcher Alternierung und Verschlingung der begrifflich entgegengesetzten Erkenntnisprinzipien wird die Einheit der Dinge, unserem Erkennen ungreifbar scheinend und doch dessen Zusammenhang begründend, für uns praktisch und lebendig.

Die hiermit bezeichneten Absichten und Methoden dürften kein prinzipielles Recht beanspruchen, wenn sie nicht einer inhaltlichen Mannigfaltigkeit philosophischer Grundüberzeugungen dienen könnten. Die Anknüpfung der Einzelheiten und Oberflächlichkeiten des Lebens an seine tiefsten und wesentlichsten Bewegungen und ihre Deutung nach seinem Gesamtsinne kann sich auf dem Boden des Idealismus wie des Realismus, der verstandesmäßigen wie der willensmäßigen, einer absolutistischen wie einer relativistischen Interpretation des Seins vollziehen. Daß die folgenden Untersuchungen sich auf einem dieser Weltbilder, das ich für den angemessensten Ausdruck der gegenwärtigen Wissensinhalte und Gefühlsrichtungen halte, unter entschiedenem Ausschluß des entgegengesetzten aufbauen, mag ihnen im schlimmsten Fall die Rolle eines bloßen Schulbeispiels lassen, das, wenn es sachlich unzutreffend ist, seine methodische Bedeutung als Form künftiger Richtigkeiten erst recht hervortreten läßt.

*

Die Änderungen in der zweiten Auflage betreffen nirgends die wesentlichen Motive. Wohl aber habe ich versucht, durch neue Beispiele und Erörterungen, vor allem durch Vertiefung der Fundamente, eine erhöhte Chance für die Verständlichkeit und die Annehmbarkeit dieser Motive zu gewinnen.

Analytischer TeilErstes Kapitel. Wert und GeldI

Wirklichkeit und Wert als gegeneinander selbständige Kategorien, durch die unsere Vorstellungsinhalte zu Weltbildern werden. Die psychologische Tatsache des objektiven Wertes. Das Objektive in der Praxis als Normierung oder Gewähr für die Totalität des Subjektiven. Der wirtschaftliche Wert als Objektivation subjektiver Werte, vermöge der Distanzierung zwischen dem unmittelbar genießenden Subjekt und dem Gegenstand. Analogie: der ästhetische Wert. Die Wirtschaft als Distanzierung (durch Mühen, Verzicht, Opfer) und gleichzeitige Überwindung derselben.

Die Ordnung der Dinge, in die sie sich als natürliche Wirklichkeiten einstellen, ruht auf der Voraussetzung, daß alle Mannigfaltigkeit ihrer Eigenschaften von einer Einheit des Wesens getragen werde: die Gleichheit vor dem Naturgesetz, die beharrenden Summen der Stoffe und der Energien, die Umsetzbarkeit der verschiedenartigsten Erscheinungen ineinander versöhnen die Abstände des ersten Anblicks in eine durchgängige Verwandtschaf, in eine Gleichberechtigtheit aller. Allein bei näherem Hinsehen bedeutet dieser Begriff doch nur, daß die Erzeugnisse des Naturmechanismus als solche jenseits der Frage nach einem Rechte stehen: ihre unverbrüchliche Bestimmtheit gibt keiner Betonung Raum, von der ihrem Sein und Sosein noch Bestätigung oder Abzug kommen könnte. Mit dieser gleichgültigen Notwendigkeit, die das naturwissenschaftliche Bild der Dinge ausmacht, geben wir uns dennoch ihnen gegenüber nicht zufrieden. Sondern, unbekümmert um ihre Ordnung in jener Reihe, verleihen wir ihrem inneren Bilde eine andere, in der die Allgleichheit völlig durchbrochen ist, in der die höchste Erhebung des einen Punktes neben dem entschiedensten Herabdrücken des anderen steht, und deren tiefstes Wesen nicht die Einheit, sondern der Unterschied ist: die Rangierung nach Werten. Daß Gegenstände, Gedanken, Geschehnisse wertvoll sind, das ist aus ihrem bloß natürlichen Dasein und Inhalt niemals abzulesen; und ihre Ordnung, den Werten gemäß vollzogen, weicht von der natürlichen aufs weiteste ab. Unzählige Male vernichtet die Natur das, was vom Gesichtspunkt seines Wertes aus eine längste Dauer fordern könnte, und konserviert das Wertloseste, ja dasjenige, was dem Wertvollen den Existenzraum benimmt. Damit ist nicht etwa eine prinzipielle Gegnerschaft und durchgängiges Sich-Ausschließen beider Reihen gemeint; denn dies würde immerhin eine Beziehung der einen zur anderen bedeuten, und zwar eine teuflische Welt ergeben, aber eine vom Gesichtspunkte des Wertes, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, bestimmte. Vielmehr, das Verhältnis zwischen beiden ist absolute Zufälligkeit. Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der uns die Natur die Gegenstände unserer Wertschätzungen einmal darbietet, versagt sie sie uns ein anderes Mal; so daß gerade die gelegentliche Harmonie beider Reihen, die Realisierung der aus der Wertreihe stammenden Forderungen durch die Wirklichkeitsreihe, die ganze Prinziplosigkeit ihres Verhältnisses nicht minder offenbart als der entgegengesetzte Fall. Derselbe Lebensinhalt mag uns sowohl als wirklich wie als wertvoll bewußt werden; aber die inneren Schicksale, die er in dem einen und in dem anderen Falle erlebt, haben völlig verschiedenen Sinn. Man könnte die Reihen des natürlichen Geschehens mit lückenloser Vollständigkeit beschreiben, ohne daß der Wert der Dinge darin vorkäme gerade wie die Skala unserer Wertungen ihren Sinn unabhängig davon bewahrt, wie oft und ob überhaupt ihr Inhalt auch in der Wirklichkeit vorkommt. Zu dem sozusagen fertigen, in seiner Wirklichkeit allseitig bestimmten, objektiven Sein tritt nun erst die Wertung hinzu, als Licht und Schatten, die nicht aus ihm selbst, sondern nur von anderswoher stammen können. Es muß aber das Mißverständnis ferngehalten werden, als sollte damit die Bildung der Wertvorstellung, als psychologische Tatsache, dem naturgesetzlichen Werden entrückt sein. Ein übermenschlicher Geist, der das Weltgeschehen mit absoluter Vollständigkeit nach Naturgesetzen begriffe, würde unter den Tatsachen desselben auch die vorfinden, daß die Menschen Wertvorstellungen haben. Aber diese würden für ihn, der bloß theoretisch erkennt, keinen Sinn und keine Gültigkeit über ihre psychologische Existenz hinaus besitzen. Was hier der Natur als mechanischer Kausalität abgesprochen wird, ist nur die sachliche, inhaltliche Bedeutung der Wertvorstellung, während das seelische Geschehen, das jenen Inhalt zu unserer Bewußtseinstatsache macht, ohne weiteres in die Natur hineingehört. Die Wertung, als ein wirklicher psychologischer Vorgang, ist ein Stück der natürlichen Welt; das aber, was wir mit ihr meinen, ihr begrifflicher Sinn, ist etwas dieser Welt unabhängig Gegenüberstehendes, und so wenig ein Stück ihrer, daß es vielmehr die ganze Welt ist, von einem besonderen Gesichtspunkt angesehen. Man macht sich selten klar, daß unser ganzes Leben, seiner Bewußtseinsseite nach, in Wertgefühlen und Wertabwägungen verläuft und überhaupt nur dadurch Sinn und Bedeutung bekommt, daß die mechanisch abrollenden Elemente der Wirklichkeit über ihren Sachgehalt hinaus unendlich mannigfaltige Maße und Arten von Wert für uns besitzen. In jedem Augenblick, in dem unsere Seele kein bloßer interesseloser Spiegel der Wirklichkeit ist – was sie vielleicht niemals ist, da selbst das objektive Erkennen nur aus einer Wertung seiner hervorgehen kann – lebt sie in der Welt der Werte, die die Inhalte der Wirklichkeit in eine völlig autonome Ordnung faßt. Damit bildet der Wert gewissermaßen das Gegenstück zu dem Sein und ist nun gerade als umfassende Form und Kategorie des Weltbildes mit ihm vielfach vergleichbar. Kant hat hervorgehoben, das Sein sei keine Eigenschaft der Dinge; denn wenn ich von einem Objekte, das bisher nur in meinen Gedanken bestand, sage: es existiere, so gewinnt es dadurch keine neue Eigenschaft; denn sonst würde ja nicht eben dasselbe Ding, das ich vorhin dachte, sondern ein anderes existieren. So wächst einem Dinge auch dadurch, daß ich es wertvoll nenne, durchaus keine neue Eigenschaft zu; denn wegen der Eigenschaften, die es besitzt, wird es ja gerade erst gewertet: genau sein schon allseitig bestimmtes Sein wird in die Sphäre des Wertes erhoben. Dies wird von einer der tiefstgehenden Zerlegungen unseres Denkens getragen. Wir sind fähig, die Inhalte des Weltbildes zu denken, unter völligem Absehen von ihrer realen Existenz oder Nichtexistenz. Die Komplexe von Eigenschaften, die wir Dinge nennen, samt allen Gesetzen ihres Zusammenhanges und ihrer Entwicklung, können wir in ihrer rein sachlichen, logischen Bedeutung vorstellen und, ganz unabhängig davon, fragen: ob, wo, wie oft alle diese Begriffe oder inneren Anschauungen verwirklicht sind. Wie dieser inhaltliche Sinn und Bestimmtheit der Objekte nicht von der Frage berührt wird, ob sie sich im Sein wiederfinden, ebensowenig von der anderen, ob sie eine Stelle und welche in der Skala der Werte einnehmen. Wenn es aber einerseits zu einer Theorie, andrerseits zu einer Praxis für uns kommen soll, so müssen wir die Denkinhalte nach diesem beiden fragen, und in beiderlei Hinsicht kann sich keiner einer Antwort entziehen. Von jedem vielmehr muß ein unzweideutiges Sein oder Nichtsein aussagbar sein, und jeder muß für uns auf der Stufenleiter der Werte – von dem höchsten durch die Gleichgültigkeit hindurch zu den negativen Werten – eine ganz bestimmte Stelle haben; denn die Gleichgültigkeit ist ein Ablehnen der Wertung, das sehr positiven Wesens sein kann, in ihrem Hintergrund steht immer die des Interesses, von der nur gerade kein Gebrauch gemacht wird. Die prinzipielle Bedeutung dieser Forderung, die die gesamte Konstitution unseres Weltbildes bedingt, wird natürlich gar nicht dadurch alteriert, daß unsere Erkenntnismittel sehr oft zu der Entscheidung über die Realität der Begriffe nicht ausreichen und ebenso oft Umfang und Sicherheitunserer Gefühle nicht zu einer Wertrangierung der Dinge, insbesondere nicht zu einer beständigen oder allgemein gültigen. Der Welt der bloßen Begriffe, der sachlichen Qualitäten und Bestimmungen stehen die großen Kategorien des Seins und des Wertes gegenüber, allumfassende Formen, die ihr Material aus jener Welt der reinen Inhalte entnehmen. Beiden ist der Charakter der Fundamentalität gemeinsam, d. h. die Unmöglichkeit, aufeinander oder auf einfachere Elemente zurückgeführt zu werden. Deshalb ist unmittelbar das Sein irgendwelchen Dinges nie logisch erweisbar; vielmehr, das Sein ist eine ursprüngliche Form unseres Vorstellens, die empfunden, erlebt, geglaubt, aber nicht dem, der sie noch nicht kennte, deduziert werden kann. Hat sie erst einmal einen einzelnen Inhalt ergriffen, durch eine jenseits des Logischen liegende Tat, so nehmen die logischen Zusammenhänge sie auf und tragen sie, soweit sie selbst reichen. So können wir freilich in der Regel sagen, weshalb wir eine bestimmte Wirklichkeit annehmen: weil wir nämlich eine andere bereits angenommen haben, deren Bestimmtheiten mit jener inhaltlich verbunden sind. Die Wirklichkeit der ersten jedoch ist nur durch eine gleiche Zurückschiebung auf eine noch fundamentalere zu erweisen. Dieser Regreß aber muß ein letztes Glied haben, dessen Sein nur durch das unmittelbare Gefühl einer Überzeugung, Bejahung, Anerkennung oder richtiger: als ein solches Gefühl gegeben ist. Genau so verhält sich der Wert den Objekten gegenüber. Alle Beweise für den Wert eines solchen bedeuten nur die Nötigung, den für irgendein Objekt bereits vorausgesetzten und jetzt augenblicklich fraglosen Wert auch einem anderen, jetzt fraglichen Objekt zuzuerkennen. Auf welche Motive hin wir dies tun, ist später festzustellen; hier nur, daß, was wir durch Wertbeweise einsehen, immer nur die Überleitung eines bestehenden Wertes auf neue Objekte ist, dagegen weder das Wesen des Wertes selbst noch der Grund, weshalb er ursprünglich an denjenigen Gegenstand geheftet wurde, der ihn nachher auf andere ausstrahlt.

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