Phoebe & Layla - Uwe Krauser - E-Book

Phoebe & Layla E-Book

Uwe Krauser

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Beschreibung

Die Hotelhunde Phoebe und Layla sind zwei ehemalige Streuner, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während die rotzfreche Phoebe jedes Abenteuer mitnimmt, lässt es die sanftmütige Layla wesentlich ruhiger angehen. Mittlerweile haben sie ihren Platz in der Menschenwelt gefunden und wissen ganz genau, wie sie ihre Herrchen um die Pfote wickeln können.Mit dem Mops Hector und dem unverbesserlichen Draufgänger Angelo haben sie zwei tierisch gute Freunde gefunden, mit denen sie regelmäßig in die unglaublichsten Situationen geraten.Der jährliche Aufenthalt in Elfriedes Hundepension endet um ein Haar in einer Katastrophe und mit einem Mal sind Phoebe und Layla an einem Ort, der schreckliche Erinnerungen wachwerden lässt.

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Ich danke dir, dass du dich für meinen Roman entschieden hast, und ich hoffe, dich für ein paar Stunden in unsere Welt entführen zu können.

Bevor du loslegst, solltet du Folgendes wissen:

Du darfst nicht alles, was ich geschrieben habe, zu 100% ernst nehmen. Einige Geschichten sind tatsächlich passiert, einige andere wiederum sind, genau wie viele der Charaktere, in meinem Kopf entstanden.

Ich überlasse es deiner Fantasie, zu entscheiden, was tatsächlich geschehen ist …

Für alle Hunde dieser Welt!

Es ist egal, woher ihr kommt.

Es ist egal, wie ihr ausseht.

Wir Menschen könnten so viel von euch lernen …

MEINE FAMILIE ...

Phoebe

Mein Name ist Phoebe und ich wohne seit vielen Jahren in einem Ort, der den seltsamen Namen Bodenmais trägt. Die erste Zeit meines Lebens habe ich in einem Tierheim in Kroatien verbracht, doch hatte ich großes Glück: Eines Tages kamen zwei Männer in das schreckliche Gebäude und wollten ausgerechnet mich mit in ihr Zuhause nehmen, obwohl die meisten anderen Bewohner wahrscheinlich ihre linke Vorderpfote gegeben hätten, um das Tierheim mit den beiden verlassen zu dürfen. Unsere ersten gemeinsamen Monate waren nicht einfach, denn ich musste mich zuerst einmal in der komplizierten Welt der Menschen zurechtfinden. Mittlerweile habe ich meine Herrchen jedoch ziemlich gut im Griff und kann mir kein schöneres Hundeleben vorstellen.

Layla

Layla ist vor einiger Zeit zu uns gekommen und nun ist mein Leben sogar noch schöner, als es vorher war.Eigentlich stammt sie aus der Türkei, doch Layla ist über Umwege in München gelandet, wo meine Herrchen sie irgendwann entdeckt haben. In ihren ersten Monaten bei uns hat Layla unzählige Stunden teilnahmslos unter dem Esstisch gelegen und hatte große Angst vor allem und jedem. Die schlimmen Dinge, die ihr die Menschen in der Vergangenheit angetan haben, konnte sie nur langsam hinter sich lassen, doch hat sie mit unserer Hilfe gelernt, dass sie nun in Sicherheit ist.

Uwe

Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich sofort, dass Uwe mein neues Herrchen ist. Er beschützt mich und hat stets Zeit, mich mit ein paar Streicheleinheiten zu verwöhnen. Zum Glück ist er manchmal ein bisschen schusselig, was es mir leicht macht, ihn auszutricksen. Uwe ist niemals böse oder nachtragend, wenn ich etwas angestellt habe … und gerade deshalb habe ich ihn tief in mein kleines Hundeherz geschlossen. Uwe ist vielleicht nicht das beste Herrchen auf der ganzen Welt … aber unter die ersten drei kommt er auf jeden Fall.

Oliver

Oliver ist der Mann von Uwe und mein Zweitherrchen. Auch für ihn habe ich einen großen Platz in meinem Herzen reserviert. Wenn ich jedoch gehorchen muss, dann klappt das bei Oliver nicht immer … Er ist eben bloß mein Zweitherrchen. Zum Glück ist Oliver nicht so chaotisch und ungeschickt wie mein Herrchen Uwe, und oft genug muss er in unserem Leben für Ordnung sorgen. Ich bin glücklich, dass ich Oliver in meinem Hundeleben habe – er ist das beste Zweitherrchen, das ich mir überhaupt wünschen kann.

Prolog

Phoebe, kannst du mich hören? Ich glaube, irgendetwas stimmt hier nicht.«

Müde öffne ich meine Augen, als ich von einer feuchten Hundenase angestupst werde. »Lass mich noch ein bisschen schlafen, Layla! Ich hatte gerade so einen schönen Traum.«

»Nein, du musst sofort aufwachen! Da ist ein fremder Geruch und überall ist dieser seltsame Nebel.«

Halbherzig beginne ich zu schnüffeln und bin mit einem Mal hellwach. Alarmiert bis in die letzte Fellspitze spüre ich die drohende Gefahr und schon treibt mir ein beißender Gestank die Tränen in die Augen. Mit einem Sprung stehe ich auf meinen Pfoten und schüttle mir das letzte bisschen Müdigkeit aus dem Kopf. »Layla, das ist kein Nebel … Komm schnell mit mir, wir müssen die anderen warnen!«

Aufgeregt trippelt Layla hinter mir her und beginnt panisch zu bellen. Durch den Lärm aufgeschreckt, werden auch die übrigen Hunde lebendig, die zurzeit mit uns in der Hundepension zu Gast sind. So schnell wir können, laufen wir zu dem Zimmer, in dem wir die Pensionschefin Elfriede und unseren Freund, den alten Riesenschnauzer Alfons, vermuten. Mit aller Kraft kratze ich an der schweren Türe, wofür ich normalerweise einen Riesenärger bekommen würde, doch kann ich darauf gerade keine Rücksicht nehmen. Die ersten Splitter lösen sich aus dem Holz, als ich Elfriedes schlurfende Schritte höre.

»Was soll dieser Krach, verdammt noch mal? Es ist mitten in der Nacht.« Die Türklinke wird nach unten gedrückt und Elfriede steht in ihrem schlabberigen Nachthemd vor uns. Verärgert schaut sie mich an. »Phoebe, was machst du denn um Himmels willen für einen Radau?«

Erst jetzt fällt ihr Blick auf Layla, die zitternd hinter mir steht und deren Kehle ein Wimmern verlässt, wie ich es noch nie von ihr gehört habe. Langsam geht Elfriede in die Knie und legt eine Hand auf Laylas Rücken, als auch sie den Geruch zu bemerken scheint.

»Feuer! O mein Gott, da ist irgendwo Feuer!« Sie eilt zurück in ihr Schlafzimmer und rüttelt an dem Riesenschnauzer, der in tiefem Schlaf versunken am Fußende des Menschenbettes liegt. »Alfons, hörst du mich? Wir müssen schnell hier raus. Nun komm schon, alter Junge!«

Langsam öffnet unser Freund die Augen und scheint sofort zu wissen, welche Gefahr uns allen droht. So schnell es seine müden Knochen erlauben, klettert er aus dem Bett und humpelt in den Hausflur, wo ich neben der zitternden Layla auf dem Teppich hocke und nicht weiß, was zu tun ist.

»Kommt mit mir, ihr zwei, wir müssen so schnell es geht in den Garten. Hier ist es nicht sicher für uns.« Alfons stupst mir seine große Nase in die Seite und lenkt uns in Richtung Ausgang. Zum Glück hat Elfriede die Tür bereits geöffnet, sodass wir uns kurz darauf vor dem Haus wiederfinden, wo die frische Luft sofort für klare Gedanken in meinem Hundekopf sorgt.

Um uns herum herrscht ein heilloses Durcheinander und ich entdecke einige der anderen Hunde, mit denen ich mir eben noch das gemütliche Wohnzimmer mit den vielen Körbchen und Decken geteilt habe. Es wird gebellt und gejault, doch niemand scheint verletzt zu sein. Neben mir kauert Layla im Gras und hechelt voller Angst. Ich drücke mich vorsichtig an ihr struppiges Fell, um sie zu beruhigen, doch ist sie bereits zu tief in ihrer Furcht versunken. In der Eingangstüre entdecke ich Elfriede. Ihr Blick huscht entsetzt hin und her, kommt jedoch ein wenig zur Ruhe, als sie ihre Schützlinge in Sicherheit vermutet. Plötzlich erstarrt sie und reißt entsetzt ihre Augen auf und in diesem Moment höre ich das schmerzverzerrte Jaulen, das mir durch Mark und Hundebein geht.

»Verdammt, das darf doch nicht wahr sein. Bitte, bitte tu mir das nicht an!« Mit diesen Worten macht Elfriede auf dem Absatz kehrt und stürmt zurück in das brennende Haus, aus dem mittlerweile nur noch ein klägliches Winseln zu hören ist.

Die nächsten Minuten ziehen sich endlos dahin. Polternde Geräusche, die aus dem Inneren der Hundepension zu mir getragen werden, lassen mich vor Schreck erstarren. Warum kommt Elfriede nicht zurück?

Ich lasse die Eingangstüre nicht für einen Moment aus den Augen, vergesse zwischendurch sogar zu atmen, und dann sehe ich sie. Zerzaust und mit einigen schwarzen Flecken im Gesicht verlässt sie das Haus. In ihren Armen hält sie einen zitternden Mischlingsrüden, den sie sanft auf der Wiese ablegt. Sofort humpelt Alfons an seine Seite, um ihn mit seinem großen Körper zu beschützen. Elfriede wirft dem Riesenschnauzer einen dankbaren Blick zu. Nur kurz, dann läuft sie mit eiligen Schritten über die Wiese und öffnet das Gartentor, um den Wasserschlauch aus der Garage zu holen.

In diesem Moment zerspringt eine Fensterscheibe mit einem ohrenbetäubenden Knall, der Layla panisch zusammenzucken lässt. Bevor ich genau weiß, was gerade passiert, hechtet sie durch das geöffnete Tor und verschwindet in der Dunkelheit …

Die Suche

Kaum hat Elfriede die Flucht entdeckt, versucht sie das Gartentor mit einem kräftigen Schubs zu schließen, doch ich bin da bereits entwischt, um Layla zu verfolgen.

»Phoebe, komm sofort zurück! Jetzt mach keinen Unsinn, Kleines!« Elfriedes Stimme ist schrill und voller Angst. Kurz drehe ich mich zu ihr um und bin nicht sicher, ob ich ihr gehorchen sollte. Dann renne ich los, so schnell mich meine vier Pfoten tragen.

Kurze Zeit später ist Elfriede nicht mehr zu hören. Unschlüssig bleibe ich erst einmal stehen und schaue mich auf der dunklen Straße um. Als mich ein herannahendes Auto mit seinen Scheinwerfern blendet, springe ich in eine Hecke und verstecke mich dort, bis es nicht mehr zu sehen ist. Langsam schleiche ich zurück auf die Straße und suche den Boden mit meiner Nase ab. Die Kreise, die ich dabei ziehe, werden immer größer. Die Ausreißerin scheint jedoch wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Entmutigt lasse ich mich auf meinen Hundehintern fallen und bin kurz darauf völlig in meine Gedanken versunken …

Layla lebt mittlerweile seit zwei Jahren bei mir und meinen beiden Herrchen in einem Ort, der den lustigen Namen Bodenmais trägt. Sie kommt aus einem fernen Land, wo sie für viele Jahre auf der Straße leben musste. Die erste Zeit in ihrer neuen Heimat war für uns alle nicht einfach. Layla hatte sogar vor ihrem eigenen Schatten Angst und konnte kein Vertrauen zu absolut niemandem fassen. Inzwischen weiß sie jedoch, dass ihr bei uns nichts passieren kann. Ich bin zwar zwei Hundeköpfe kleiner als Layla, aber wenn es sein muss, werde ich zum rasenden Rottweiler, um sie zu beschützen.

Der einsame Ruf einer Eule reißt mich aus meinen Gedanken und ich beschließe, meine Suche fortzusetzen. Erneut lasse ich meine Nase über den Boden wandern und hoffe, bald Laylas Witterung aufzunehmen. An einem Rosenbusch, der neben einer Menschenbank in die Höhe rankt, erreicht ein vertrauter Geruch meine Nase, doch scheint sich hier lediglich ein fremder Hund verewigt zu haben. Ohne genau zu wissen warum, markiere ich die Stelle mit ein paar Tropfen und setze meine Suche fort. Immer weiter entferne ich mich von Elfriedes Haus und warte auf eine Spur, die mich zu Layla führen wird. Ich laufe über beleuchtete Straßen, durch ein kleines Waldstück und überquere sogar einen Hof, auf dem ein angeketteter Schäferhund mit einem heiseren Bellen seine traurige Aufgabe erfüllt.

Viele Stunden später brummt mir der Kopf vor lauter Anstrengung und ich will meine Suche schon fast aufgeben, als mich ein Duft erreicht, den ich unter allen Düften auf dieser Welt wiedererkennen würde – endlich habe ich Laylas Fährte aufgenommen.

Meine Nase beginnt zu kribbeln und huscht wie von selbst über den Boden. Mein Weg führt mich bergauf und bergab, lässt mich über einen plätschernden Bach springen und endet zu guter Letzt an einem verlassenen Gebäude. Geduckt schleiche ich um das heruntergekommene Haus herum und bleibe am Eingang stehen. Die alte Türe hängt in den Angeln und schwingt quietschend im Wind hin und her. Das zersplitterte Glas der Fensterscheiben liegt wild verstreut auf dem Boden und spiegelt das Licht der Morgensonne, die den Tag langsam zum Leben erweckt. Vorsichtig schleiche ich ein wenig näher und halte inne … Habe ich da nicht gerade ein leises Wimmern gehört?

Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, setze eine Pfote vor die andere, als mich ein unheimliches Fauchen vor Schreck erstarren lässt. Langsam drehe ich meinen Kopf nach links und entdecke im dichten Gestrüpp zwei funkelnde Augen, die jede noch so kleine meiner Bewegungen bedrohlich verfolgen. Bevor ich eigentlich weiß, wer da genau zwischen den Ästen auf mich lauert, flitze ich los und finde mich kurz darauf im Inneren des Hauses wieder. Ein Windstoß lässt die Tür hinter mir zuschlagen und sperrt das fauchende Monster aus.

Nachdem ich mir mit einem tiefen Atemzug ein wenig meiner Angst genommen habe, erkunde ich den düsteren Raum. Vereinzelte Lichtstrahlen dringen durch die zerstörten Fensterscheiben und geben den Blick auf ein paar zerschlissene Möbelstücke frei, die im ganzen Haus verteilt am Boden stehen.

Ich lasse meine Nase über einen muffigen Teppich gleiten, doch gibt es hier derart viele verschiedene Gerüche, dass ich sie nicht auseinanderhalten kann. Als ich versuche, über eine umgestürzte Kommode zu klettern, schrecke ich eine Ratte auf, die aus einer geöffneten Schublade herausspringt. Nur kurz zischt sie mich wütend an, bevor sie eilig unter einen Schrank huscht, um sich dort vor mir zu verstecken. Neugierig blicke ich dem Nager hinterher, als ich erneut ein leises Wimmern höre – es scheint aus dem hinteren Bereich des Hauses zu stammen.

Mit aufgestelltem Nackenhaar schleiche ich durch den Raum, komme dem Wimmern immer näher … und da entdecke ich sie.

Layla liegt zitternd unter einem Tisch und schaut ängstlich in meine Richtung. Kaum hat sie mich erkannt, seufzt sie erleichtert auf und kriecht unter dem Tisch hervor. Ihr Körper zittert noch immer ein wenig, doch ist ihr Blick nicht mehr so panisch wie kurz zuvor.

»Layla, zum Glück habe ich dich endlich wiedergefunden. Was machst du denn für Sachen?« Tröstend schlecke ich über Laylas Augen, was sie mit einem leisen Brummen belohnt. »Lass uns jetzt zurück zu Elfriede gehen! Sie wird sich bereits große Sorgen um uns machen.«

»Ja, das ist eine gute Idee.« Layla hebt den Kopf und schaut mich fragend an. »Aber weißt du denn, in welche Richtung wir laufen müssen?«

»Wir sollten zuerst einmal diesen unheimlichen Ort verlassen. Den Rückweg werden wir dann schon irgendwie finden, schließlich habe ich eine ziemlich gute Spürnase.« Ich stupse Layla zärtlich an und kurz darauf verlassen wir das Haus durch eines der zerbrochenen Fenster. Wir werden von einem frischen Luftzug empfangen, der uns befreit aufatmen lässt. Unschlüssig stehen wir vor dem Gebäude und schauen uns um. Ich war auf meiner Suche so bemüht, Layla wiederzufinden, dass ich mir den Weg überhaupt nicht eingeprägt habe. Meine Nase sinkt wie von selbst zu Boden und beginnt zu schnüffeln, doch hilft mir das gerade auch nicht weiter.

»Und …?« Layla beobachtet mich gespannt. »Hast du schon eine Spur?«

»Nun, ich bin nicht ganz sicher. Ich denke, wir müssen dort zu diesem Waldstück am Ende des Weges – irgendwie kommt mir das bekannt vor.« Langsam mache ich ein paar Schritte und sehe Laylas kritischen Blick, während sie hinter mir her trippelt.

Viele Stunden irren wir durch den dichten Wald, ehe wir eine stark befahrene Straße erreichen. Die vorbeirasenden Autos machen einen Höllenlärm, weshalb ich Layla zu einer kleinen Wiese führe. Dort angekommen, lässt sie sich erschöpft auf ihr Hinterteil fallen und schaut mich mit ihren großen Augen an.

»Phoebe, ich kann nicht mehr. Können wir eine kleine Pause machen … meine Pfoten tun mir furchtbar weh und außerdem habe ich schrecklichen Hunger.« Wie auf Kommando gibt Laylas Magen ein lautstarkes Knurren von sich. Auch mein Hundebauch macht sich langsam bemerkbar, als ich eine winzige Maus entdecke, die gerade aus ihrem Loch herausklettern will. Bevor sie mich erblicken kann, mache ich einen Sprung und schnappe nach dem Winzling. Stolz halte ich meine Beute mit den Vorderpfoten fest und präsentiere sie der erstaunten Layla.

»Schau nur, ich habe ein Mittagessen für uns gefangen.«

Während die Maus ängstlich zwischen meinen Pfoten hin und her zappelt, schlurft Layla langsam in meine Richtung.

»Das sieht aber völlig anders aus als das Futter, das wir immer von unseren Herrchen bekommen. Was sollen wir denn jetzt damit machen?«

»Ich habe keine Ahnung, aber vielleicht kannst du ja einfach ein Stück davon abbeißen?«

Layla lässt ihre Nase kritisch über die Maus wandern, die daraufhin panisch zu quieken beginnt. »Also, ich weiß nicht recht. Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?«

Die Maus schaut mich mit ihren kleinen Knopfaugen flehend an und in diesem Moment erkenne auch ich, dass wir uns lieber nach einer anderen Mahlzeit umsehen sollten. So unauffällig wie möglich lockere ich meinen Griff ein wenig und mit einem Sprung ist die Maus zurück in ihr sicheres Loch gehüpft.

»Verdammt, jetzt ist mir das dumme Biest entwischt!«, schimpfe ich halbherzig. Als ich Laylas belustigten Blick sehe, muss ich über mich selbst schmunzeln. »Na ja, ist vielleicht auch besser so – von dem mageren Ding wären wir beide ohnehin nicht satt geworden.«

Ich lenke Laylas Aufmerksamkeit auf eine überfüllte Abfalltonne, die neben einer Menschenbank nicht weit von uns entfernt am Rand der Wiese steht. »Schau, dort hinten ist einer dieser Wundereimer – vielleicht können wir dort etwas Essbares finden.

Kaum an unserem Notfallrestaurant angekommen, mache ich einen Satz auf die Bank und rupfe alle möglichen Tüten und Essensreste aus der Tonne, die nach und nach auf dem Boden landen. Ein Papierbeutel, der zusammengeknüllt zwischen einigen Plastikflaschen klemmt, duftet besonders vielversprechend. Beim Versuch, diesen in Sicherheit zu bringen, reiße ich mit meinen Zähnen ein Loch in die feuchte Tüte und ihr Inhalt verteilt sich auf dem unerreichbaren Boden des Mülleimers. Wütend schnaufe ich aus, um dann nach weiteren Leckereien zu forschen. Als ich nach getaner Arbeit mit einem Sprung neben Layla vor der Menschenbank lande, ist die bereits eifrig damit beschäftigt, mit ihrer Nase in dem Müllhaufen nach etwas Genießbarem zu suchen.

Seite an Seite stochern wir in den unterschiedlichsten Dingen herum, die für die Menschen anscheinend keinen Wert mehr besitzen. Während ich lustlos an ein paar Apfelschalen herumkaue, scheint Layla den Jackpot geknackt zu haben. Andächtig öffnet sie mit ihrer linken Vorderpfote eine kleine Pappschachtel, in der sich ein paar Kartoffelstäbchen und ein angebissenes Stück Fleisch in einem Brötchen befinden. Der Duft, der aus dem Karton strömt, entlockt meinem Magen ein erneutes Knurren, das Layla nicht verborgen bleibt. Schüchtern senkt sie ihren Kopf zu Boden und macht ein paar Schritte zur Seite, um mir den Vortritt zu lassen. Gierig schnappe ich nach dem Fleisch und genieße den köstlichen Geschmack auf meiner Zunge. Als ich den Sabber sehe, der in langen Fäden aus Laylas Maul zu Boden tropft, meldet sich mein schlechtes Gewissen und ich schiebe die Schachtel mit meiner Nase in ihre Richtung, sodass wir sie beide erreichen können. Mit einem erleichterten Seufzen beginnt Layla, die köstliche Leckerei zu verspeisen, und wenige Augenblicke später ist der kleine Karton bis zum letzten Krümel leer gefegt. Wir entdecken in den Menschenresten noch ein paar matschige Obststücke und einen seltsam aussehenden braunen Klumpen, der zwar nicht besonders gut riecht, uns aber trotzdem satt macht. Zum Nachtisch gibt es sogar einen halb vollen Becher mit Joghurt, der mich an unser Zuhause erinnert, denn dort dürfen wir die Reste aus den Bechern schlecken, wenn wir unsere Herrchen lange genug mit unseren hungrigen Blicken anschmachten. In diesem Moment reisen meine Gedanken zu den beiden Menschen, die ich so tief in mein kleines Hundeherz geschlossen habe. Wie gerne würde ich jetzt mit ihnen auf unserem gemütlichen Sofa liegen und mich hinter den Ohren kraulen lassen.

»Musst du auch gerade an unsere Herrchen denken?«, scheint Layla meine Stimmung richtig zu deuten.

»Ach, Layla! Die beiden fehlen mir so sehr. Ich hoffe, dass wir bald eine brauchbare Fährte aufspüren. Im Moment habe ich allerdings keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen … dabei kann ich mich normalerweise ziemlich gut auf meine Nase verlassen.«

»Wir werden den richtigen Weg sicherlich finden.« Laylas Blick wandert über die Wiese und bleibt an einer schmuddeligen Pfütze hängen. »Schau nur, Phoebe, da vorne ist Wasser. Lass uns schnell etwas trinken, bevor wir uns wieder auf die Suche machen.«

Kaum angekommen, lasse ich meine Nase sinken und schnüffle vorsichtig an der modrigen Wasserstelle. Eigentlich dürfen wir so eine braune Brühe nicht trinken. Erst vor einigen Tagen haben wir es trotzdem gemacht und waren überrascht, was für ein Theater unser Herrchen Uwe veranstaltet hat, als er uns dabei erwischt hat. Er hat irgendetwas von Killerkeimen und Todesbakterien gebrüllt und uns panisch von der Pfütze weggezogen. Da er nun jedoch nicht in der Nähe ist, kann es wohl nicht schaden, unseren Durst mit ein paar Schlucken zu stillen. Gierig schlabbern wir mit unseren Zungen durch das Wasser, als ich ein leises Knacken hinter uns wahrnehme. Sofort richten sich meine Ohren alarmiert in die Höhe und auch Layla hält bewegungslos inne. Ich drehe meinen Kopf und versuche, das fremde Geräusch zu orten, doch kann ich den Verursacher nicht entdecken. Gerade will ich meine Zunge erneut in das Wasser hineintauchen, als ein noch lauteres Geräusch an meine Ohren dringt. Vorsichtig blicke ich über die Wiese und da entdecke ich den stämmigen Mann, der mit einer langen Stange in der Hand auf mich zueilt. Sofort gebe ich Layla einen warnenden Schubs in die Seite und will zur Flucht ansetzen, als sich eine Schlinge um meinen Hals legt und ich von den Pfoten gerissen werde. Der schwarz gekleidete Mann zerrt mich zu einem Transporter und stößt mich brutal in den hinteren Teil des Autos. Ich schüttle mir die Verwirrung aus dem Kopf, versuche Layla mit meinem panischen Bellen vor der Gefahr zu warnen, da hat ein zweiter Mann sie bereits gepackt und schleudert sie zu mir in das dunkle Auto hinein. Bevor wir überhaupt versuchen können, aus unserem Gefängnis zu entfliehen, wirft einer der Männer die Türe mit einem kehligen Lachen zu. Wimmernd vor Angst kriecht Layla in meine Richtung und drückt sich an meinen zitternden Körper, als der Wagen mit einem Ruck gestartet wird und uns in eine ungewisse Zukunft entführt.

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Fahrt zieht sich endlos dahin. Immer wieder werden wir auf der Ladefläche hin und her geworfen, weil das Auto so unruhig über die kurvigen Straßen holpert. Als der Wagen zum Stehen kommt und die Männer fluchend aussteigen, trauen wir uns kaum, Luft zu holen. Gebannt behalten wir die Tür im Auge, die uns von der Freiheit trennt. Energische Schritte sind zu hören … Ob jemand gekommen ist, um uns aus unserem Gefängnis zu befreien? Gerade will ich durch ein vorsichtiges Bellen auf uns aufmerksam machen, als dröhnend gegen die Wand gehämmert wird und der Motor erneut zum Leben erwacht.

»Phoebe, was sind das für schreckliche Männer und wo bringen sie uns hin?« Layla, die sich ganz flach auf den Boden gelegt hat, hechelt in meine Richtung.

»Ich weiß es nicht. Aber du musst dich nicht fürchten, schließlich bin ich bei dir und werde gut auf dich aufpassen!«, versuche ich Layla zu trösten und hoffe, dass ich meine eigene Angst vor ihr verbergen kann.

Unsere unruhige Reise führt uns eine Zeit lang über buckelige Wege, bis der Wagen erneut gestoppt wird. Wildes Hundegebell dringt von draußen an meine Ohren und ich frage mich, ob wir unser Ziel wohl endlich erreicht haben. Die unheimlichen Männer unterhalten sich lautstark, brüllen sich irgendetwas zu, doch kann ich ihre Worte nicht verstehen.

Dicht an dicht sitze ich mit Layla auf der Ladefläche, als erneut gegen die Wand gehämmert wird und sich die Türe mit einem Ruck öffnet. Noch bevor wir uns an das hereinfallende Sonnenlicht gewöhnen können, werden wir in ein umzäuntes Gehege getrieben, in dem bereits einige andere Hunde versammelt sind und uns neugierig beäugen. Ein gefährlich aussehender Rüde mit verfilztem Fell läuft knurrend auf Layla zu, doch kurz bevor er sie erreichen kann, springe ich zwischen die beiden und richte mein Nackenhaar bedrohlich auf. Ich bin zwar nicht besonders groß, habe mir aber im Laufe der Zeit einige Tricks angeeignet, um dies ein wenig auszugleichen.

Warnend ziehe ich meine Lefzen in die Höhe und starre dem Rüden mit meinem finstersten Blick in die Augen. Für einen Moment scheint dieser verunsichert zu sein, um sich dann gleich wieder zu fangen.

»Soso, haben uns Pavel und Jaroslav mal wieder ein bisschen Frischfleisch vorbeigebracht? Das ist ja wirklich … nett! Ich bin sicher, dass wir sehr viel … Spaß miteinander haben werden!« Langsam umrundet er den Platz, auf dem wir dicht beieinander hocken – dabei lässt er uns für keine Sekunde aus den Augen. Als er mit dem Kopf in Laylas Richtung schnellt, zuckt diese panisch zusammen und beginnt leise zu winseln. Der unbekannte Rüde verzieht sein Maul zu einem hämischen Grinsen, was ich mit einem erneuten Knurren quittiere. Gerade spanne ich meine Muskeln an und will mich für den nun sicherlich bevorstehenden Kampf bereitmachen, als eine alte Bernhardiner-Hündin gemächlich in unsere Richtung schlurft.

»Nun nimm dein Maul mal nicht so voll, du dummer Straßenköter, und lass die beiden gefälligst in Ruhe. Siehst du nicht, wie viel Angst sie haben? Ich weiß wirklich nicht, warum du die Neuen immer so erschrecken musst … Gibt es nichts Besseres für dich zu tun?« Mit ihrem massigen Kopf schiebt die Hündin unseren Angreifer aus dem Weg und lässt sich neben uns auf die staubige Erde plumpsen. Für einen Moment scheint der Rüde unentschlossen zu sein, tritt dann aber leise vor sich hin grummelnd den Rückzug an.

»Ihr dürft es Karlo nicht übel nehmen. Diese Show veranstaltet er jedes Mal, wenn Neulinge hier ankommen – aber am Ende ist er eigentlich ziemlich harmlos.« Die Hündin schenkt Layla einen aufmunternden Blick, woraufhin ihr ängstliches Wimmern gleich etwas leiser wird. Auch meine Anspannung legt sich ein wenig und ich schaue mich zum ersten Mal in dem riesigen Gehege um. Unzählige Hunde in allen Größen und Farben sind mit uns hier eingesperrt. Einige von ihnen tollen gemeinsam umher, die meisten jedoch liegen mit leerem Blick auf dem staubigen Boden oder hocken in einer der Holzkisten, die überall verteilt in der Gegend herumstehen. Hinter dem hohen Zaun, der unser Gefängnis umgibt, entdecke ich die beiden Männer, die uns hierhergebracht haben. Sie unterhalten sich mit einer stämmigen Frau, die ihnen etwas Geld zusteckt. Die Männer stopfen sich die Scheine in ihre Taschen und steigen nach einer knappen Verabschiedung in ihr Auto, um das Gelände mit quietschenden Reifen zu verlassen.

»Was ist das für ein Ort, an dem wir hier sind, und warum hat man uns hierhergebracht?«, hoffe ich von unserer Beschützerin zu erfahren.

»Die beiden Männer, das waren Pavel und Jaroslav, zwei ganz üble Gesellen. Sie fangen streunende Hunde ein und bringen sie hierher. Unsere Rudelführerin ist diese besonders liebenswürdige Vertreterin der menschlichen Rasse.« Die Hündin nickt mit dem Kopf zu der Frau, die noch immer hinter dem Zaun steht und dem abfahrenden Auto grimmig hinterherblickt. »Vor der bösartigen Milena solltet ihr euch in Acht nehmen – mit diesem Drachen ist nicht zu spaßen. Wenn ihr Bekanntschaft mit ihrem Holzknüppel macht, werdet ihr es so schnell nicht vergessen … Das weiß ich aus eigener Erfahrung.«

Erschrocken beginnt Layla erneut zu wimmern. Sofort drücke ich mich an ihr struppiges Fell, um sie zu trösten. Die Bernhardiner-Hündin mustert uns für einen Augenblick und stupst Layla mit ihrer riesigen Nase vorsichtig an. »Aber nicht doch, Kleines. Die alte Lola wollte dir keine Angst machen. Kommt mit mir! Ich werde euch jetzt erst einmal ein wenig herumführen, damit ihr wisst, wo ihr hier gelandet seid.«

Mit vorsichtigen Schritten folgen wir Lola, die zielstrebig zu einer windschiefen Überdachung marschiert. Dort entdecke ich unzählige Futternäpfe, die kreuz und quer auf der Erde verteilt sind. Sofort läuft mir das Wasser im Maul zusammen, doch kann ich zu meinem Bedauern nicht den winzigsten Krümel in den Schüsseln entdecken. Lola, die meine Futtersuche amüsiert beobachtet hat, tritt an meine Seite. »Dies hier ist der wichtigste Platz, den wir haben. Einmal am Tag werden die Näpfe gefüllt und dann heißt es, schnell zu sein, wenn ihr etwas abbekommen möchtet. Das Futter schmeckt zwar nicht besonders gut, aber es füllt den Bauch – ihr werdet euch sicherlich schnell daran gewöhnen.«

Noch bevor ich diese Information halbwegs verdaut habe, lenkt die Hündin unsere Aufmerksamkeit zu einer Gruppe von ziemlich verwahrlost aussehenden Rüden. Ich entdecke in ihrer Mitte Karlo, der sogleich ein grimmiges Knurren verlauten lässt.

»Diesem Kerl ist einfach nicht zu helfen.« Lola schüttelt ihren massigen Kopf und fährt dann fort. »Wisst ihr, er war als Welpe wohl irgendwann einmal so etwas wie ein Weihnachtsgeschenk für ein Menschenkind. Als Karlo dann größer wurde, war er plötzlich uninteressant und die Familie wollte ihn loswerden. Sie haben ihn an irgendeiner verlassenen Straße ausgesetzt und sind dann mit ihrem Auto weggefahren. Pavel und Jaroslav haben ihn halb verhungert aufgespürt und dann zu uns gebracht. Karlo ist kein übler Geselle, er ist einfach nur wütend auf alles und jeden – wer kann es ihm verdenken?«

Betroffen mustere ich den struppigen Rüden, der nun gar nicht mehr so bedrohlich und angsteinflößend auf mich wirkt wie kurz zuvor.

»Als Nächstes sollte ich euch wohl etwas zu den Hundehütten erklären,« reißt mich Lola aus meinen Gedanken. Sie trottet zu einer der Holzkisten, die mir bereits aufgefallen sind.

»Es kann hier in der Nacht ziemlich kalt werden und da sind die Hütten natürlich sehr begehrt. Ihr solltet am Abend rechtzeitig versuchen, euch einen Unterschlupf zu sichern, ehe sie alle belegt sind.

Zu Laylas Entsetzen versuche ich, langsam in eine der Kisten hineinzuklettern, um sie mir etwas genauer anzuschauen, als es unruhig um uns herum wird.

Einige der Hunde beginnen zu bellen, andere laufen schwanzwedelnd zum Zaun, hinter dem ich die stämmige Milena entdecke, die eine Schubkarre vor sich her schiebt. Ächzende Laute verlassen ihren Mund, als sie an dem Tor ankommt, das uns vom Rest der Welt trennt. Während die Frau in ihrer Schürze nach einem Schlüsselbund fischt, wird die gemütliche Lola mit einem Mal von Leben erfüllt.

»Da kommt Milena mit dem Abendessen. Schnell, wir müssen uns beeilen!« Überraschend flink sprintet die Hündin zu der Überdachung, wo die leeren Schüsseln darauf warten, gefüllt zu werden.

An der Futterstelle angekommen, beginnt Milena den Inhalt der Schubkarre mit einem großen Löffel in die verschiedenen Näpfe zu schaufeln. Obwohl sich alle Hunde um sie herum versammelt haben und zum Teil wirklich sehr hungrig aussehen, traut sich keiner von ihnen an das begehrte Essen heran, solange Milena in der Nähe ist. Als ein abgemagerter weißer Mischlingsrüde den Versuch unternimmt, sich an eine der Schüsseln zu drängeln, wird er von der Frau mit einem brutalen Tritt zur Seite gestoßen und landet mit einem gequälten Jaulen auf dem staubigen Boden. Für einen Moment bleibt er benommen im Dreck liegen, bevor er wieder auf die Pfoten kommt und zurück zu den anderen Hunden taumelt.

Als alle Näpfe endlich gefüllt sind, gibt Milena ein Zeichen mit ihrer Hand und das Chaos bricht aus. Es wird gebellt, geknurrt und wild um sich gebissen, um irgendwie einen Platz an den heiß ersehnten Töpfen zu ergattern.

Layla beobachtet das Geschehen fassungslos, da sie es gewohnt ist, ihr Futter in aller Ruhe und völlig ungestört genießen zu können. Und auch ich weiß nicht, was nun zu tun ist, als ich Lola erblicke. Sie hat sich eine riesige Schüssel gesichert und diese ein wenig zur Seite geschoben. Während sie sich gierig über den Inhalt hermacht, schleiche ich mit Layla im Schlepptau zu der alten Hündin. Lola blickt kurz auf, um dann seufzend ein wenig ihrer Beute mit der Nase aus ihrem Napf zu befördern. Die unappetitliche Pampe, die jetzt vor unseren Pfoten liegt, verströmt einen seltsamen Geruch, dennoch beginnen wir hungrig danach zu schnappen, bevor uns einer der anderen Hunde unser winziges Abendessen streitig machen kann.

Es dauert nicht lange und alle Schüsseln sind bis zum letzten Bissen leer gefegt. Mit knurrendem Magen kontrolliere ich die übrigen Näpfe und muss enttäuscht feststellen, dass die anderen Hunde ganze Arbeit geleistet haben.

Obwohl unser Abendessen alles andere als üppig war, überfällt mich ein Gefühl der Müdigkeit, als ich die Futterstelle hinter mir gelassen habe. Wie auf Kommando öffnet Layla ihr Maul und beginnt herzzerreißend zu gähnen.

»Wie ich sehe, sollten wir uns langsam um einen Unterschlupf für euch kümmern – ihr könnt euch ja kaum noch auf den Pfoten halten.« Lola ist an unsere Seite getrottet und mustert uns amüsiert. »Da vorne ist etwas frei, kommt schnell mit mir!«

Zu dritt steuern wir eine der Holzkisten an, die nicht weit von uns entfernt neben einer vertrockneten Hecke auf dem Boden steht. Zeitgleich mit uns erreicht ein etwas zu klein geratener Schäferhund unser Ziel. Gerade will er sich an uns vorbeidrängeln, um sich in den wackeligen Unterschlupf hineinzuquetschen, als ihn Lolas warnender Blick trifft. Grummelnd macht er kehrt und begibt sich auf die Suche nach einer anderen Übernachtungsmöglichkeit.

»Wie hast du das gemacht, Lola?«, kann Layla ihre Überraschung nicht verbergen. »Du musstest ja noch nicht einmal die Lefzen nach oben ziehen.«

»Weißt du, Kleines, ich bin alt und schon ziemlich lange hier. Die anderen Hunde respektieren mich, aber sie wissen auch, dass ich mich gut wehren kann, wenn es sein muss.«

Layla denkt für einen Moment nach, bevor sie sich erneut der großen Hündin widmet. »Warum bist du hier an diesem schrecklichen Ort? Haben dich die Menschen auch ausgesetzt, als du nicht mehr klein und niedlich warst, so wie sie es mit Karlo gemacht haben?«

»So viel Glück hatte ich leider nicht. Weißt du, ich bin kein Straßenhund wie Karlo, sondern ein waschechter Bernhardiner …« Lola deutet mit ihrem Kopf auf ein rundes Loch in der Holzkiste. »Aber lass uns erst einmal in den Unterschlupf kriechen, damit er uns nicht vor der Hundenase weggeschnappt wird.«

Im Inneren der Kiste angekommen, macht es sich Lola auf einem löchrigen Handtuch gemütlich, das den nackten Boden bedeckt. Sie rutscht mit ihrem massigen Körper zur Seite, um ein wenig Platz für Layla und mich zu schaffen. Mit einem Grunzen rolle ich mich zusammen und bin gespannt, wie Lolas Geschichte weitergeht.

»Wisst ihr, für die meisten Menschen sind nicht alle Hunde gleich, wie es eigentlich sein sollte. Seltsamerweise sind viele von ihnen ganz wild auf sogenannte Rassehunde, wie ich einer bin. Die Menschen zahlen viel Geld, um so einen Welpen zu bekommen. Dabei sind viele Rassehunde beileibe nicht derart hübsch und clever wie einige der Straßenhunde, die ich hier in den letzten Jahren kennengelernt habe.« Lola legt den Kopf auf ihre Vorderpfoten und fährt mit traurigen Augen fort. »Ich bin in einem einsamen Zwinger aufgewachsen und habe in meinen ersten Jahren nichts anderes als die Gitterstäbe meines Käfigs kennengelernt. Meine einzige Aufgabe war es, unzähligen Bernhardiner-Welpen das Leben zu schenken. Viel zu früh wurden sie mir genommen und an Menschen verkauft, denen die Herkunft ihres neuen Hundes nicht allzu wichtig war. Ich weiß nicht mehr, wie viele meiner Welpen mir entrissen wurden … Doch ich habe jeden einzelnen tief im Herzen bei mir behalten.«

Langsam schiebe ich mich an die Seite der eben noch so großen Hündin, die mir mit einem Mal viel kleiner erscheint, und drücke mich tröstend an ihren pelzigen Bauch.

Mit einem leisen Ausatmen beendet Lola ihre Geschichte. »Irgendwann wurde ich wohl zu alt für meine Aufgabe und man hat mich gegen eine Australian-ShepherdHündin ausgetauscht – diese Rasse ist bei den Menschen gerade sehr beliebt, müsst ihr wissen. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, sind die Eisenstangen, mit denen ich von meinen Bewachern verprügelt wurde. Zum Glück waren sie nicht besonders gründlich und so bin ich dann, wenn auch mehr tot als lebendig, hier bei Milena gelandet.«

Als Lola meinen entsetzten Blick bemerkt, schleckt sie mir mit ihrer riesigen Zunge über den Kopf. »Nun schau nicht wie ein begossener Pudel, kleine Phoebe! Das alles ist jetzt schon sehr lange her und ich bin froh, dass ich meinen Platz an diesem Ort gefunden habe. Hier muss ich nicht in einem Käfig hocken und die Menschen lassen mir meine Ruhe.«

Mit einem schweren Gefühl in meinem Bauch lasse ich mich ein wenig tiefer an Lolas Fell sinken und spüre Layla, die an meine Seite robbt, um ihren Körper vor der einsetzenden Kälte zu schützen.Dicht aneinandergeschmiegt liegen wir in unserem Unterschlupf, während der eisige Wind durch das Gehege fegt. In diesem Moment vermisse ich unsere beiden Herrchen so sehr, dass ich es kaum ertragen kann. Endlos lange liege ich wach in der Holzkiste, lausche dem leisen Schnarchen, das Laylas Maul verlässt, bis mein Kopf immer schwerer wird und auch ich irgendwann in das Land der Hundeträume verschwinden kann …

Die große Chance … oder auch nicht

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