Pilatus und Jesus - Giorgio Agamben - E-Book

Pilatus und Jesus E-Book

Giorgio Agamben

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Beschreibung

In seinem Essay untersucht Giorgio Agamben als Prozessbeobachter die bekannteste Gerichtsentscheidung der Menschheitsgeschichte. In der von Pontius Pilatus geleiteten Verhandlung über das Schicksal Jesu treten zwei elementare Prinzipien in Konflikt: Geschichte trifft auf Unendlichkeit, Urteil auf Heil. Von diesem folgenschweren Moment an steht die gesellschaftliche Ordnung im Bann der stets dräuenden Katastrophe ganz wie der zum Tode Verurteilte prophezeite, als er ausrief: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt".

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Seitenzahl: 49

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Giorgio Agamben

PILATUS UND JESUS

Aus dem Italienischenvon Andreas Hiepko

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

1

Das symbolon, das »Credo«, das den christlichen Glauben zusammenfasst, enthält neben den Namen des »Herrn Jesus Christus« und der »Jungfrau Maria« lediglich einen weiteren Eigennamen, der – zumindest dem Anschein nach – nicht in den theologischen Zusammenhang passt. Zumal es sich um den Namen eines Heiden handelt: staurothenta te hyper hemon epi Pontiou Pilatou, »für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus«. Im »Credo«, das die Kirchenväter im Jahr 325 in Nicäa verfassten, kam dieser Name nicht vor. Er wurde erst 381 vom Konzil von Konstantinopel hinzugefügt, aller Wahrscheinlichkeit nach, um die Leiden Jesu zu datieren. Wie einmal bemerkt worden ist, »spricht das christliche Credo von geschichtlichen Vorgängen. Pontius Pilatus ist dort wesentlich am Platze und nicht etwa nur ein seltsamerweise dorthin verirrter Pechvogel«.1

Dass das Christentum eine geschichtliche Religion ist, dass die »Geheimnisse«, von denen es spricht, auch und vor allem historische Begebenheiten sind, ist unbestritten. Ist aber die Inkarnation Christi »ein geschichtliches Ereignis von unendlicher, unbesitzbarer, unokkupierbarer Einmaligkeit«2, dann ist der Prozess Jesu ein Schlüsselmoment der Menschheitsgeschichte, in dem sich die Ewigkeit in einem entscheidenden Augenblick mit der Geschichte verschränkt. Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie und warum diese Verschränkung von Zeitlichem und Ewigem, Göttlichem und Menschlichem die Form einer krisis, eines Gerichtsverfahrens angenommen hat.

2

Weshalb aber Pilatus? Eine Formel des Typs Tiberiou kaesaros – die die Münzen ziert, die Pilatus prägen ließ, und von Lukas verwendet wird, um die Predigten Johannes des Täufers zu datieren (Lk 3,1) – oder sub Tiberio (wie Vergil bei Dante sagt: »nacqui sub Iulio [ich wurde sub Iulio geboren]«, Inf. 1,70) hätte den damaligen Gepflogenheiten besser entsprochen. Wenn sich die in Konstantinopel versammelten Kirchenväter für Pilatus entschieden haben und nicht für Tiberius, für den Präfekten – oder den »Procurator« Judäas, wie ihn Tacitus in einer der wenigen außerbiblischen Zeugnisse, die seinen Namen erwähnen (Ann. XV,44), nennt – und nicht für den Kaiser, mag das weniger der unzweifelhaften Absicht, die Ereignisse zu datieren, geschuldet sein, als vielmehr dem Gewicht, das die Figur des Pilatus in der Erzählung der Evangelien hat. Die gewissenhafte Genauigkeit, mit der vor allem Johannes, aber auch Markus, Lukas und Matthäus seine Unschlüssigkeit, seine Ausflüchte und seine Meinungsumschwünge beschreiben und seine bisweilen rätselhaften Worte wiedergeben, legt die Vermutung nahe, dass die Evangelisten hier erstmals eine Figur zu schaffen versuchten, die über eine eigene Psychologie und entsprechende Eigenheiten verfügt. Das Porträt ist von solcher Lebendigkeit, dass noch 1781 Lavater in einem Brief an Goethe ausrufen wird: »Ich finde alles, Himmel und Erde und Hölle, Tugend, Laster, Weisheit, Thorheit, Schicksal, Freyheit – in Ihm –, Symbol von allem an alles.« Pilatus ist gleichsam die einzig wahre »Figur« der Evangelien (im Antichrist bezeichnet Nietzsche ihn als »einzige Figur im ganzen Neuen Testament, die man ehren muss«): Wir kennen seine Gefühlsregungen (»er verwunderte sich sehr«, Mt 27,14; Mk 15,5; »er fürchtete sich noch mehr«, Joh 19,8), seine Reizbarkeit und Verbitterung (wenn er Jesus, der ihm nicht antwortet, anherrscht: »Redest du nicht mit mir – emoi ou laleis! Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen?«), seine Ironie (als solche gilt einigen die berüchtigte Erwiderung auf Jesus: »Was ist Wahrheit?«), seine scheinheilige Gewissenhaftigkeit (man denke an den Kompetenzstreit mit Herodes oder an die rituelle Handwaschung, mit der er sich vom Blut des zu Unrecht Verurteilten meint reinigen zu können) und seinen Jähzorn (das apodiktische »Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben«, mit dem er die Hohepriester, die ihn auffordern, die Inschrift am Kreuz zu ändern, abfertigt). Wir lernen sogar, wenn auch nur flüchtig, seine Frau kennen, die ihm während des Prozesses ausrichten lässt, er solle Jesus nicht verurteilen, da sie »heute viel erlitten habe im Traum von seinetwegen« (Mt 27,19).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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