Pixity - Dieter Paul Rudolph - E-Book

Pixity E-Book

Dieter Paul Rudolph

4,6

Beschreibung

"Ein Gedanke: Ich bin gleich tot. Noch funktionierte das linke Nasenloch, war frei. Man musste gleichmäßig atmen, ruhig und tief. Schweiß lief ihm über die Stirn. Sein Unterleib war kalt, Bentner begann zu zittern. Etwas tun. Olivias Telefonnummer wiederholen. Immer wieder. Sich vorstellen, wie man die Zahlen tippt, wie es dann am anderen Ende der Leitung klingelt, sich vorstellen, wie abgehoben wird und sich Olivias Stimme meldet." Auf der Suche nach dem Mörder eines Geschäftspartners gerät der Programmierer Nils Bentner tief in eine von ihm selbst geschaffene Welt. Was für ein Ort! Pixity ist eine virtuelle Stadt aus animierten Figuren und Sprechblasen, ein multimedialer Chat für Jugendliche, der das Unmögliche möglich macht. Aus Männern werden Mädchen, aus einer Person zwei oder aus zwei Personen eine. Eine Stadt aus Lügen und ohne Gesichter, ein pädagogisches Idyll über einer Kloake aus Pädophilie und obskurem Sex. Je deutlicher sich aber die Gesichter aus dem virtuellen Nichts schälen, desto diffuser werden sie in Wirklichkeit. Noch bevor Bentner zwischen Tätern und Opfern, Rächern und Gerächten unterscheiden kann, steht er selbst in der Schusslinie eines plötzlich sehr realen Krieges.

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Schlangen im Gras

179 Pixies online.

Nicht schlecht für Dienstag, 8 Uhr 20. Schulschwänzer, Erkältete, Pädobären, manche alles zusammen.

lenesweet: wie gz

tomboy_14: Gut. Und dir?

Achtung: Groß- und Kleinschreibung.

lenesweet: auch

tomboy_14: Wie alt bist du, Lene, wenn ich fragen darf?

Schon verloren, Freundchen. Heute Morgen wohl ’nen Duden gefrühstückt. Bist 41, tomboy? Deutschlehrer?

lenesweet: 13. du

tomboy_14: 14. Hast du einen Freund?

Tja, schon mal die Adresse raussuchen.

lenesweet: nee nich. du

tomboy_14: Hab im Moment auch keine Freundin, wenn du das meinst.

Mein Gott, was bist du für ein Anfänger! Adresse der Datenbank zur zukünftigen Betreuung übergeben.

lenesweet: oki

tomboy_14: Wo wohnst du?

lenesweet: hannover. du?

Oh, Mädchen!

tomboy_14: Ey, ich in Celle! Gar nicht so weit entfernt!

Klar Opa. In Celle wohnst DU nicht. Aber in eine Zelle gehörst du.

lenesweet: cool☺

tomboy_14: In welche Schule gehst du? Hast icq oder msn?

Und ab die Post. Gekickt. Kauf dir ’nen neuen Rechner, wenn du hier noch mal rein willst.

Als Nils Bentner noch der liebe Gott gewesen war, hatte der Wecker jeden Morgen kurz nach halb fünf geklingelt.

Bentner tastete nach dem Lampenknopf und machte Licht. Ließ sich dann zurückfallen und wartete. Sein Betriebssystem fuhr langsam hoch, er hörte den rhythmischen Zweiklang der Uhren, von denen die eine soeben ihren Dienst abgeleistet hatte, den die andere in zehn Minuten antreten würde.

Manchmal fiel Bentner in eine Art Standby-Zustand. Er war anwesend und doch noch einmal auf einen Sprung in den so abrupt verlassenen Traum zurückgekehrt, als habe er dort etwas vergessen. Was meistens stimmte. Denn der liebe Gott ruhte selbst im Schlaf nicht, sein großer Plan folgte ihm durch die Träume, die so verworren waren wie alle Träume, doch auch die Welt, die der liebe Gott erschaffen wollte, war ein Traum und war verworren. So irrte er durch diese Welt, die es noch nicht gab, er blickte nachdenklich in den leeren, provisorisch blauen Himmel, über den beständig von rechts nach links ein Text gezogen wurde, der nur für den Träumenden selbst nicht kryptisch war. Eine Zeile Code, manchmal mehrere Zeilen. Es war der Odem, den er etwas noch Unbelebtem einhauchen würde, einer Figur, und diese Figur würde sich bewegen, ihr Mund vielleicht, vor dem eine Sprechblase auftaucht, eine Sprechblase, die sich mit Wörtern füllt.

Diesen Code prägte sich Bentner ein, während er mit geschlossenen Augen wartete, rettete ihn in die Wirklichkeit, und dann begann der zweite Wecker zu brüllen, Bentners Oberkörper richtete sich auf, seine Augen gewöhnten sich schmerzhaft an das matte Licht der Lampe, die Linke griff auf den Nachttisch und ertastete Zigarettenpackung, Feuerzeug, während die Rechte ab und zu (mit der Zeit jedoch immer seltener und schließlich gar nicht mehr) über die leere Hälfte des Bettlakens strich, als müsste auch dort noch etwas liegen, der Körper einer Frau, etwas Warmes, etwas Atmendes. Aber dort lag nichts mehr. Irgendwann war dieser Frau der liebe Gott mit seiner Schöpfung auf die Nerven gegangen.

Ob es gerade Sommer war oder Winter, also draußen hell oder noch stockfinster, spielte keine Rolle, wenn sich Bentner in die Küche begab, sein Frühstück richtete, dann, nach der ersten Tasse Kaffee, das Badezimmer aufsuchte, in die Duschkabine schlüpfte, sich danach die Zähne putzte und ankleidete, all das tat, was er immer tat, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Es war kurz vor halb sechs. Die Zeilen Code hatten sich verändert. Bentner schrieb sie auf ein Stück Papier (ganz gleich welches; die Rückseite eines Werbezettels, ein Stück Zeitungsrand, einmal sogar auf den Briefumschlag, in dem die Steuererklärung steckte, was ihm später Ärger einbrachte), strich und ergänzte, schrieb etwas Neues, verwarf es, kehrte zum alten Ansatz zurück, zerknüllte das Papier, nahm ein neues und schrieb wieder. Er aß Toast mit Butter und trank Kaffee, blickte auf die Armbanduhr und löste kleine Rechenaufgaben, noch 37 Minuten, noch 23, noch 16, pünktlich um halb sieben aus dem Haus, und es spielte wirklich keine Rolle, ob es draußen schon hell oder noch dunkel war.

Vielleicht war ihm die Dunkelheit lieber. Er erreichte die Bahnstation, beobachtete das Eintreffen der Reisenden, gute alte Bekannte, mit denen er noch kein Wort gesprochen hatte nein, stimmte nicht. Einmal hatte ihn die junge Frau gefragt, ob es eine Durchsage gegeben habe, denn der Zug hätte doch längst kommen müssen, aber nein, antwortete Bentner, tut mir leid, nichts gehört, und die junge Frau lächelte ihm zu und Bentner lächelte zurück. Sie arbeitete bei einer Versicherung (wie sie einmal ins Handy gesagt hatte: »Is langweilig bei der Versicherung, aber musst ja froh sein, wenn du überhaupt was findest«), kam etwa fünf Minuten nach Bentner, stellte sich drei Meter neben ihn, etwas weiter weg vom Gleis. Im Zug saßen sie meistens im selben Abteil, ihre Blicke trafen sich gelegentlich, sie war Anfang 20, Bentner damals Ende 20, Anfang 30, sie gefiel ihm, eine ganz gewöhnliche junge Frau, die sich irgendwann das Rauchen ab- und das Lesen von Kriminalromanen angewöhnt hatte, sich später auch während der 30 Minuten Fahrt von ihrem iPod beschallen ließ, und vielleicht war damit auch die theoretische Gelegenheit, mit ihr zu flirten, verpasst. Egal.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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