Planetenroman 8: Safari ins Ungewisse - Hubert Haensel - E-Book

Planetenroman 8: Safari ins Ungewisse E-Book

Hubert Haensel

0,0

Beschreibung

Sie sammeln exotische Tiere - doch ihr Flug wird zum Albtraum Mitte des 21. Jahrhunderts: Nach der Begegnung mit den Arkoniden hat Perry Rhodan das Solare Imperium gegründet. Das kleine Sternenreich der Menschheit hält sich im Verborgenen, um nicht von den großen Imperien bedroht zu werden. Trotzdem gibt es Kontakte in die Weiten der Galaxis, und Raumschiffe stoßen in geheimen Missionen ins All vor. Das Ziel ist unter anderem, auch jenen Erdbewohnern, die in ihrem ganzen Leben nie weiter als bis zur Mondbahn kommen werden, einen Hauch von Unendlichkeit zu vermitteln. Zu diesen Raumschiffen gehört der Frachter CHALLENGER. Die Aufgabe seiner Besatzung ist, für einen privaten Zoo auf Terra exotische Tiere zur Erde zu bringen. Zur Teilnehmerin einer solchen Expedition wird die Tierärztin Laura Loncraine bestimmt. Mit der CHALLENGER bricht sie in die Galaxis auf. Dabei trotzt sie den Gefahren fremder Welten - und bringt eine tödliche Überraschung mit zur Erde...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Planetenroman

Band 8

Safari ins Ungewisse

Sie sammeln exotische Tiere – doch ihr Flug wird zum Albtraum

Hubert Haensel

Mitte des 21. Jahrhunderts: Nach der Begegnung mit den Arkoniden hat Perry Rhodan das Solare Imperium gegründet. Das kleine Sternenreich der Menschheit hält sich im Verborgenen, um nicht von den großen Imperien bedroht zu werden.

Trotzdem gibt es Kontakte in die Weiten der Galaxis, und Raumschiffe stoßen in geheimen Missionen ins All vor. Das Ziel ist unter anderem, auch jenen Erdbewohnern, die in ihrem ganzen Leben nie weiter als bis zur Mondbahn kommen werden, einen Hauch von Unendlichkeit zu vermitteln.

Prolog

Die frühe Geschichte des Solaren Imperiums der Menschheit bietet sich dem modernen Historiker als mit Widersprüchen und Ungereimtheiten behaftet dar. Wenn wir uns die noch erhaltenen Quellen ansehen und sie mit dem heutigen Wissen vergleichen, sehen wir, dass Bericht und objektiver Fakt häufig nicht zusammenpassen. Hinzu kommt, dass viele der frühen Aufzeichnungen in mehrfach überarbeiteten Quellen vorliegen, die sich oft nicht nur in Details unterscheiden.

Woher stammen diese Diskrepanzen? Sicherlich ist vieles davon dem radikalen technischen Umschwung geschuldet, der sich auf Terra nach der Entdeckung der AETRON auf dem Erdmond vollzog.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Siegeszug der arkonidischen Technologie nicht in allen Lebensbereichen gleich schnell vollzog. Vielerorts werden zum Beispiel alte und neue Speichersysteme nebeneinander gestanden haben.

In solchen Fällen sind Probleme, Lücken, Verfälschungen oder gar Verlust bei der Datenkonvertierung nicht auszuschließen. Inwieweit darüber hinaus politische oder propagandistische Gründe eine Rolle gespielt haben mögen, ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachzuvollziehen.

Die Ereignisse um die CHALLENGER im Jahre 2025 nach Christus illustrieren diese Problematik auf das Trefflichste. Terra galt zu diesem Zeitpunkt für den Rest der Galaxis als vernichtet, Kolonialisierung erfolgte unter strengster Geheimhaltung.

Terranische Schiffe durften das Solsystem nur mit Sondergenehmigung verlassen, der Strukturkompensator zur Eindämmung der Energieentfaltung bei einer Transition wurde zum wichtigsten Bordaggregat. Ein einziger Fehler konnte die Mächtigen der Milchstraße – in erster Linie den arkonidischen Robotregenten – auf die Existenz der Erde aufmerksam machen.

In diesem Klima der absoluten Geheimhaltung kam es zugleich zu anderen Entwicklungen. Mit diesen sollte der letztlich in ihrem System gefangenen Mehrzahl der Bevölkerung die Isolation erträglicher gemacht werden – eine Entwicklung, die wir auch später immer wieder sehen werden (siehe die Stichworte Grauer Korridor und Terranova-Schirm, Leben unter dem in Folgebänden).

So wurden Raumschiffe ausgeschickt, die fremdartige Kreaturen zur Erde bringen sollten, damit sie in einem Zoo ausgestellt werden konnten – ein Hauch galaktischer Exotik für die Daheimgebliebenen.

An dieser Stelle kommt die Erstaunlichkeit der CHALLENGER-Expedition zum Tragen. Die Aufzeichnungen deuten an, dass solche Reisen in der Regel nicht von imperialen Einheiten, sondern von privaten Firmen ohne militärischen Geleitschutz vorgenommen wurden. Es ist anzunehmen, dass die wichtigen Daten (beispielsweise die Koordinaten des Solsystems) so gut geschützt waren, dass kein Feind der Menschheit sie erbeuten konnte – obwohl das nirgends direkt erwähnt wird.

Und auch die Grenze zwischen legaler und illegaler Betätigung außerhalb des Solsystems schien fließend gewesen zu sein. Somit bleibt der Widerspruch zwischen staatlichen und privaten Interessen – als eine von vielen Ungereimtheiten aus dieser frühen Zeit, über die wir trotz ihrer Wichtigkeit letztlich noch so wenig wissen.

1.

»Exitus«, sagte Laura Loncraine verbittert. »Das war's dann wohl, meine Herren. Der Tod lässt sich leider nicht auf Dauer besiegen.«

Sie fühlte sich ausgebrannt und leer – und unendlich hilflos. Ein flüchtiger Blick galt den Kameras, die jede Phase der Operation in die Vorstandsbüros übertragen hatten, danach streifte sie die blutbefleckten Gummihandschuhe ab und warf sie in den Müllschlucker.

Stumm betrachtete sie das nackte Geschöpf auf dem Operationstisch. Trauer und Schmerz schienen sich in den großen Knopfaugen zu spiegeln.

Eine Lautsprecherstimme hallte durch den OP: »Wir erwarten Sie im kleinen Sitzungssaal, Doktor Loncraine!«

»Ich brauche Zeit, um mich frisch zu machen«, sagte die Tierärztin bedrückt. Sie hatte soeben eine einsame Kreatur sterben sehen – für die Aktionäre hingegen war lediglich eine munter sprudelnde Einnahmequelle versiegt.

»Dreißig Minuten ... genügt das?«

Sie nickte stumm, wohl wissend, dass die Kameras jede Regung weiterleiteten.

»Gut«, vollendete die Stimme, »in dreißig Minuten also.«

Vorübergehend vergrub Laura ihr Gesicht in den Handflächen; mit den Fingerspitzen massierte sie ihre Stirn. Sie hatte alles Menschenmögliche versucht, aber vielleicht wäre die Operation zu einem früheren Zeitpunkt erfolgreicher verlaufen ... Mit einem unwilligen Kopfschütteln verscheuchte sie die aufkeimenden düsteren Gedanken. Selbstvorwürfe waren fehl am Platz.

Ein letzter Blick galt dem bedauernswerten Geschöpf. Der affenähnliche Schädel mit der flachen, breit gedrückten Nase und dem vorgewölbten Mund wurde von den beiden riesigen Knopfaugen und weit abstehenden Segelohren beherrscht. Teddy war das Tier von Zoobesuchern getauft worden, weil die roten Augen mit den schwarzen Pupillen an einen antiquierten Stoffbären erinnerten. Batman war ein anderer Vorschlag gewesen, denn die überlangen, bis zum Boden reichenden Arme endeten in dreifingrigen Greifklauen und waren fest mit den lederhäutigen Fledermausschwingen verwachsen. Zwei kurze, stämmige Säulenbeine und Füße mit langen Greifzehen vervollständigten das Bild eines flugfähigen Baumbewohners.

Zögernd hob Laura Loncraine das weiße Laken und deckte den Kadaver zu. Dann verließ sie den OP. Die Hilfsroboter hatten inzwischen mit den Aufräumarbeiten begonnen.

Zehn Minuten später stand sie unter der Massagedusche und ließ sich abwechselnd mit kaltem Wasser und Warmluft berieseln. Langsam entspannte sie sich. Aber der Termin mit der Geschäftsleitung saß ihr schon im Nacken.

Sie betrat den Sitzungssaal um fünf Minuten zu spät. Zigarettenrauch hing in der Luft, und vier Augenpaare starrten sie ungeduldig an.

»Ich ...«, begann Laura, wurde aber sofort vom Vorstandsvorsitzenden unterbrochen.

»Setzen Sie sich, Doktor!« Wade Parker deutete auf einen der freien Stühle. »Wir haben mit Ihnen zu reden.«

Neben Parker war die Führungsspitze versammelt: der zweite Vorstand Mitchell McRae, außerdem Philip Vallone, Vorsitzender des Aufsichtsrats, und Juan de Silvera, der Vertreter des Hauptaktionärs.

Eine erwartungsvolle Spannung hing in der Luft. Laura Loncraine hatte das unbestimmte Gefühl, dass jeder der vier sie durchdringend musterte.

»Sie wissen, weshalb Sie hier sind?«, fragte de Silvera.

Ihr gefiel sein Tonfall nicht. Aber das tat wenig zur Sache. Wo finanzielle Interessen im Vordergrund standen, wurde mit harten Bandagen gekämpft.

»Teddys Tod ist Ihnen auf den Magen geschlagen.«

Sie reagierte aggressiver, als sie eigentlich wollte. Das Gefühl, vor ein Tribunal geraten zu sein, verstärkte sich. »Welche Jahreseinnahmen hat Ihnen die arme Kreatur beschert?«

Vallone schüttelte den Kopf. »Zahlen stehen nicht zur Debatte, Doktor. Abgesehen davon, dass unser Zoo einer der wenigen ist, die extraterrestrische Tiere in einer künstlichen Umgebung halten dürfen, war Teddy unbestritten der Liebling aller Terraner.«

»... vor allem der Kinder«, fügte Parker hinzu. »Vielleicht werden wir den Kadaver präparieren lassen und für Ausstellungen freigeben.«

Vor knapp fünf Jahren war das Wesen als blinder Passagier auf einem Frachter nach Terrania gelangt. Techniker hatten das halb verhungerte und verdurstete Tier erst bei Wartungsarbeiten entdeckt und entsprechend den geltenden Quarantänebestimmungen dem Zoo von Terrania übergeben. Da Intelligenztests lediglich ein instinktgeleitetes Verhalten ergeben hatten, war die Zooverwaltung nach einem halben Jahr Besitzer des Tieres geworden.

Inzwischen galt es als eine der Hauptattraktionen von Terrania. Zwei neue Hotelkomplexe gehörten ebenso der Aktiengesellschaft wie die gut florierende Herstellung und der Vertrieb von Andenken aller Art.

Erst vor wenigen Monaten war Teddy in ein neues Exoterrarium umgezogen, das ausgewählte Künstler einer Reihe fremder Welten nachgestaltet hatten. Fünf Millionen Besucher, die wohl nie in ihrem Leben die Gelegenheit erhalten würden, weiter als bis zur Mondbahn in den Weltraum vorzustoßen, waren sich seitdem gegenseitig auf die Füße getreten, nur um einen Hauch der Unendlichkeit hautnah mitzuerleben. Teddy live – das war vor allem das Gefühl, bei der Eroberung der Sterne dabei zu sein. Kein noch so perfekt gestaltetes Hologramm konnte die innere Erregung vermitteln, die Menschen Auge in Auge mit einer außerirdischen Kreatur empfanden.

»Gönnen Sie ihm wenigstens ein Ende in Frieden«, sagte Laura scharf. »Außerdem bin ich nicht zuständig für Präparierungen. Sie wissen, ich habe mein Möglichstes gegeben ...«

»Niemand macht Ihnen Vorwürfe.« Wade Parker vollführte eine entschieden ablehnende Handbewegung. »Sie missverstehen unsere Absichten.«

»Meine Herren, warum klären Sie mich nicht mit wenigen Worten auf?«

»Natürlich soll Teddy nicht sofort und auch nur für einen kurzen Zeitraum ausgestellt werden – als Ersatz sozusagen.« Juan de Silvera steckte sich eine Zigarette an und blickte sinnend einigen Rauchringen nach.

»Ersatz wofür?«

»Für zwei neue Exemplare seiner Art. Ein Pärchen, das wir zu Zuchtzwecken benutzen können.«

Entgeistert blickte die Tierärztin von einem zum anderen. »Soviel ich weiß, ist Teddys Heimatwelt unbekannt.«

»Der Flug des Frachters lässt sich rekonstruieren. Wahrscheinlich ist alles nur eine Frage des Geldes.«

»Sie wollen eine Tierfangexpedition in den Raum schicken? Die Zustimmung der Administration ...«

»... werden wir zweifellos erhalten. Immerhin sind wir in der glücklichen Lage, eine artgerechte Haltung ermöglichen zu können. Und unterschätzen Sie nicht unsere Wichtigkeit für die öffentliche Moral.«

»Noch haben wir das Kapital für Umbauten«, schränkte der Vorsitzende des Aufsichtsrats ein. »Sobald aber die Besucherzahlen sinken, wird es schwer sein, den Imageverlust gegenüber der Konkurrenz aufzuholen.«

»Wir rechnen mit zwanzig bis dreißig exotischen Tieren für unseren Zoo«, erklärte Wade Parker. »Und Sie, Miss Loncraine, werden die Fangexpedition leiten. Sie kennen die Materie, sind mit allen Problemen vertraut ...«

»Ich bin keine Exobiologin.«

»Aber eine hervorragende Tierärztin. Wie oft waren Sie bereits im Weltraum?«

»Nur im Fünfhundert-Kilometer-Orbit.«

»Umso besser. Der Ausflug wird Ihnen gefallen.«

Das Gelände der Interstellar Trade Company lag fünfzehn Kilometer südöstlich der Hauptstadt Terrania, an der äußeren Grenze des zur Bebauung freigegebenen Gebiets. Ausgedehnte Lagerhallen bildeten ein mächtiges Bollwerk gegen den unaufhörlich heranflutenden Wüstensand, aber dennoch hing ein seltsames, fast singendes Geräusch in der Luft, das Flüstern von Milliarden winziger Sandkörnchen, die sich auch ohne nennenswerten Windhauch bewegten. Unaufhaltsam drängten sie vorwärts, bildeten Dünen, überfluteten den Arkonstahl und schwangen sich auf der anderen Seite hinab auf die planierte Piste, die hin und wieder von kleinen Raumschiffen angeflogen wurde, die neue Waren brachten.

Überwiegend stammten die Güter von den anderen Planeten des Solsystems – die Interstellar Trade Company war stolzer Eigner zweier von der Flotte ausgemusterter Kaulquappen ebenso wie eines Leichten Kreuzers der STÄDTE-Klasse, wobei die kleineren Schiffe nur die Kolonien auf Mars und Venus sowie den Jupitermonden anflogen.

Wade Parker und Juan de Silvera hatten sich eingehend über die ITC informiert, und vermutlich kannten sie die letzten Bilanzen inzwischen ebenso gut wie Jean-Jacques Bancroft, der Inhaber und Gründer der Firma. Dessen beste Zeit lag allerdings fünf Jahre zurück. Momentan hatte er Mühe, tiefrote Zahlen zu vermeiden. Es hieß, dass Bancroft beide Kaulquappen bereits zum Verkauf anbot.

Sand hatte während der letzten Tage das Landefeld überflutet und die abgestellten Lastengleiter unter langsam wachsenden Dünen begraben. Der Platz zwischen den Lagerhallen wirkte verlassen. Niemand erschien, als der Rotorenlärm eines Hubschraubers die über dem Gelände liegende Stille durchbrach.

»Der Firmenwert dürfte sich in den vergangenen Jahren mindestens halbiert haben«, stellte Wade Parker unumwunden fest. »Falls der Eindruck nicht täuscht, wird hier kaum noch gearbeitet.«

»Das erleichtert unsere Verhandlungen«, sagte Juan de Silvera lächelnd. »Bancroft soll ein eigenwilliger Kauz sein.«

Der landende Helikopter wirbelte einen kleinen Sandsturm auf. Übrig blieben hundert Meter freigefegter Piste. Die Rotorblätter flappten noch leise, als Parker und de Silvera ins Freie sprangen.

Die Hitze war erdrückend: ein glühender Backofen, der auch für den Rest des Tages nicht abkühlen würde. Die Wetterkontrolle hatte erst für den frühen Abend Wolken gemeldet.

»Einsam und verlassen.« Juan de Silvera drehte sich einmal um sich selbst und musterte die nahen Gebäude. Die meisten Scheiben waren matt und grau, verschmiert vom Wüstensand und nächtlichen Regenschauern. Der Verwaltungstrakt lag links, ein unscheinbarer Anbau aus Fertigteilen, deren Verkleidung bereits abbröckelte.

Hinter einem der Fenster zeichnete sich eine Bewegung ab. Aber nur für einen Moment. Als Parker genauer hinsah, verschwand der Schatten.

»Zumindest sind wir angemeldet«, spottete er. »J.-J. konnte unser Kommen gar nicht überhören.«

Der Tresen in der Empfangshalle war unbesetzt. Es sah auch nicht so aus, als hätte während der letzten Wochen hier jemand gearbeitet. Graugelber Wüstenstaub lag millimeterdick auf den Möbeln.

»Die Bilanzen sind mies und trotzdem noch frisiert!«, behauptete de Silvera nach einem skeptischen Rundblick. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ITC überhaupt kostendeckende Geschäfte macht.«

Sie stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf.

Ein kehliges Fauchen begrüßte sie, ein kantiger Echsenschädel zuckte hinter einer Trennwand hervor. Die schuppengepanzerte Haut wirkte verdammt echt, lediglich die schlecht modulierte Stimme verriet den Roboter.

»Mister Bancroft befindet sich bedauerlicherweise in einer wichtigen Sitzung. Falls die Herren jedoch warten möchten ...«

»Sitzung mit wem?«, fragte Parker verärgert.

»Darüber darf ich keine Auskunft geben«, schnarrte der Roboter, dessen Äußeres einem weganischen Landleguan nachempfunden war.

»Will J.-J. seine letzten Kunden abschrecken?«, fragte de Silvera.

»Halt, Mister, Sie dürfen da nicht hinein!« Der Roboter wollte Parker zurückhalten, der geradewegs auf die nächste Tür zusteuerte.

»Hör mir zu, du hässliche Blechtöle!«, schnaubte der Vorstandsvorsitzende aufgebracht. »Ich muss mit Bancroft reden, und genau das werde ich jetzt tun, ob dir das passt oder nicht!«

Anklopfen und die Tür aufstoßen waren ein und derselbe Vorgang. Der Raum dahinter sah ein bisschen gepflegter aus als der Rest des Gebäudes. Mehrere Computer vermittelten den Eindruck weltmännischer Geschäftigkeit, doch die Datenkolonnen, die unablässig über die Schirme marschierten, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Mann hinter dem Schreibtisch langweilte.

»Hat Ihnen meine ...?«, J.-J. Bancroft stockte mitten im Satz.

»Wer? Ihr Vorzimmerdrache?«, fragte Parker anzüglich.

Leistete J.-J. sich dieses abscheuliche Monstrum nur, weil er zweimal verheiratet gewesen war? Beide Ehefrauen hatten zuvor als Sekretärin für ihn gearbeitet, und beide Ehen waren nach Zahlung einer sechsstelligen Abfindung geschieden worden.

Bancroft zog überrascht eine Braue hoch. Sein Alter war schwer zu schätzen, er mochte Anfang oder Mitte vierzig sein.

»Ist das Ihre persönliche Rache an Ihren Ehefrauen?«, fuhr Parker ungerührt fort.

J.-J. starrte seinen Besucher durchdringend an. »Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?«

Parker sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, entdeckte aber lediglich einen einzigen Sessel, der noch dazu keinen besonders stabilen Eindruck machte. Also blieb er stehen und verschränkte demonstrativ die Arme. Er stellte sich und seinen Begleiter vor.

»Zooverwaltung?«, wiederholte Bancroft gedehnt und kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Ich glaube nicht, dass wir schon einmal das Vergnügen hatten.«

»Erinnern Sie sich an einen Vorfall vor ungefähr fünf Jahren?«, fragte de Silvera.

Bancrofts Augen verengten sich, gleichzeitig entstand eine steile Unmutsfalte über seiner Nasenwurzel. »Warum?«, wollte er wissen.

»Weil eines Ihrer Raumschiffe damals einen blinden Passagier an Bord hatte – ein Tier, das von Wartungstechnikern gefunden wurde.«

»Hm.«

»Wir brauchen die Koordinaten aller Welten, die von Ihrem Frachter seinerzeit angeflogen wurden.«

J.-J. schwieg eine ganze Weile. Aufreizend langsam lehnte er sich zurück und musterte seine Besucher nachdenklich. Es schien ihm gar nicht aufzufallen, dass die beiden auf eine Antwort warteten. »Warum?« fragte er schließlich.

»Wir brauchen ein zweites Tier. Für Zuchtzwecke.«

Bancroft stand auf und wandte sich zum Fenster um. Er schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber doch anders. Minutenlang blickte er stumm nach draußen.

»Ich kann Ihnen keine Koordinaten nennen«, erwiderte er endlich. »Durch ein bedauerliches Missgeschick wurden seinerzeit die Datenspeicher gelöscht.«

»Sie müssen wissen, welche Welten angeflogen wurden. Zumindest existieren Aufzeichnungen darüber, Frachtbriefe, Landepapiere, Zollerklärungen ...«

»Nein.« Bancroft seufzte. »Nichts.« Er schaute immer noch nach draußen. »Gehört Ihnen der Hubschrauber? Sie werden Schwierigkeiten kriegen, sobald die LUCKY STAR landet. Das Schiff befindet sich im Anflug auf die Mondbahn.«

Falls das ein verkappter Rausschmiss sein sollte, klang er jedenfalls dilettantisch. Beide Besucher wussten, dass die LUCKY STAR, eine der beiden Kaulquappen, mit Maschinenschaden auf der Venus festlag. Der STÄDTE-Kreuzer war in den Terrania-Docks überholt worden, und nur die zweite Kaulquappe befand sich derzeit im Einsatz, war jedoch erst vor zwei Tagen zum Jupiter abgeflogen.

Genau das sagte Parker zu J.-J., dessen Gesicht bei dieser Eröffnung merklich länger wurde.

»Was wollen Sie wirklich, meine Herren? Kommen Sie von einer staatlichen Stelle?«

»Wir sagten bereits ...«

Bancroft winkte ab. »Die Konkurrenz versucht, mich aus dem Geschäft zu drängen. Welcher schmutzige Trick läuft diesmal? Sind Sie Mitarbeiter des Handelsministeriums oder des Departements für extraterrestrische Entwicklungshilfe?«

»Sie brauchen keine Konkurrenz, J.-J.«, bemerkte de Silvera geringschätzig. »Sie werfen sich selbst aus dem Rennen. Darüber sollten Sie in einer ruhigen Minute nachdenken.«

»Natürlich wären wir bereit, Ihnen für die Koordinaten eine Entschädigung zu zahlen«, sagte Parker.

»Wie viel?«

»Zehntausend Solar.«

J.-J. ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. Er stützte die Ellenbogen auf die Lehnen, das Kinn auf beide Daumen und fixierte seine Besucher.

»Ich erwähnte bereits, dass die Koordinaten infolge eines technischen Fehlers gelöscht wurden. Nicht einmal für die doppelte Summe könnte ich Ihnen Anhaltspunkte liefern.«

»Sie wollen pokern?« Parker trat an den Schreibtisch heran und warf seine ID-Karte auf die Platte. »Bedienen Sie sich! Wir haben nichts zu verbergen.«

Jean-Jacques Bancroft bedachte ihn mit einem überraschten Augenaufschlag, bevor er die Karte ins Lesegerät schob. Auf dem Bildschirm erschienen Parkers dreidimensionales Konterfei und – fälschungssicher – eine umfangreiche Auflistung persönlicher Daten. J.-J. wurde unsicher, je länger er las. Schließlich reichte er die Karte zurück. Sein Gesicht blieb ausdruckslos.

»Damit wäre dieser Punkt geklärt«, murmelte er.

»Sie fürchten die Aufdeckung illegaler Machenschaften«, sagte de Silvera ihm auf den Kopf zu. »Deshalb sollten Sie wissen, dass wir nicht daran interessiert sind, uns zum moralischen Richter aufzuspielen. Aber der Ertragseinbruch Ihrer Firma vor vier Jahren ist unverkennbar. In solchen Fällen frage ich mich immer, woran es wohl liegen mag; das ist mein Job. Ich vermute, J.-J., dass Sie Rohstoffe von nicht erschlossenen Welten importiert haben. Das geht so lange gut, bis man irgendwann kalte Füße bekommt. Der Schreck für Sie muss ziemlich groß gewesen sein, als das unbekannte Tier in Ihrem Raumschiff gefunden wurde. Derartige Vorkommnisse hinterlassen einen üblen Beigeschmack bei den Behörden. Ich möchte beinahe behaupten, für Sie war das ein heilsamer Schock. Leider schrumpfen seither Ihre Gewinne.«

»Sie haben keine Beweise!«

»Richtig. Beweismaterial wären einzig und allein die Navigationsprogramme Ihres Bordcomputers, nur sind die leider gelöscht.«

»Vielleicht«, sagte J.-J. Bancroft gedehnt, »ist das doch eine Frage des Preises.«

»Wie viel verlangen Sie?« De Silvera wirkte überaus zufrieden. Er hatte sein Gegenüber jetzt genau da, wo er ihn haben wollte.

»Das kommt darauf an.« J.-J. richtete sich kerzengerade auf. »Darf ich Ihnen ein Glas anbieten, meine Herren? Empfehlen kann ich einen venusischen Weinbrand, ein ausgezeichneter Tropfen.«

»Danke!«, wehrte Parker ab. »Uns genügt der bequeme Stehplatz.«

Minuten später saßen sie sich in einem kleinen Nebenraum gegenüber, der seit Längerem nicht mehr benutzt worden war. Bancroft bemühte sich, wenigstens die Tischplatte zu säubern.

»Machen Sie sich unseretwegen keine Umstände«, bemerkte de Silvera.

»Service ist im Preis inbegriffen. Habe ich fünfzigtausend Solar gehört?«

»Das haben Sie nicht.«

»Oh!« Bancroft ließ sich in einen der noch freien Sessel sinken. »Das ist bedauerlich.«

»Zwanzigtausend.« Parker erhöhte das Angebot. »Das ist mehr, als Sie während der letzten Jahre verdient haben.«

»Warum sind Sie so versessen auf die Koordinaten? Auf unzähligen Welten leben exotische Tiere.«

»Zu einer erfolgreichen Zucht gehören mindestens zwei Exemplare derselben Gattung.«

»... und um ehrlich zu sein, Sie verdienen sich bereits an den Eintrittsgeldern für Teddy eine goldene Nase. So ist es doch?«

Wade Parker und Juan de Silvera wechselten einen überraschten Blick. Sie hätten wissen müssen, dass J.-J. ihr Spiel durchschauen würde. Allerdings konnte er nichts von Teddys kläglichem Ende erfahren haben; Informationen darüber wurden aus gutem Grund geheim gehalten.

»Fünfundzwanzigtausend«, sagte Parker. »Das ist mein letztes Wort.«

Bancroft schwieg dazu. Er schenkte drei Gläser ein und prostete seinen Besuchern zu. »Venusischer Weinbrand stärkt das Zahlengedächtnis. Bei dreißigtausend Solar, natürlich bar auf die Hand, könnten wir handelseinig werden.«

»Das ist sehr viel Geld für ein paar Informationen.«

»Ich weiß.« J.-J. Bancroft lachte anzüglich. »Ihr Interesse nährt meinen Verdacht, dass Sie ein Vielfaches dessen als Gewinn kalkulieren.«

Im Gegensatz zu seinem Gegenüber, der Morgenluft witterte, verdüsterte sich Wade Parkers Miene schlagartig. »Ich habe dieses Katz-und-Maus-Spiel satt«, stieß er wütend hervor. »Haben Sie die Koordinaten, J.-J., ja oder nein?«

»Ja.«

»Dann biete ich Ihnen Folgendes an: Fünfzehntausend Solar bis morgen und in bar, die andere Hälfte nach erfolgreichem Abschluss unseres Unternehmens.«

»Klingt gut«, bestätigte Bancroft. »Verpflichten Sie sich schriftlich, den Rest der Summe zu bezahlen, sobald Sie Ihren zweiten Teddy eingefangen haben?«

»Wenn Sie es nicht anders akzeptieren ...« Parker nippte am Weinbrand und nickte.

»Da ist nur noch eine Kleinigkeit«, wandte J.-J. ein.

»Und die wäre?«

»Ich musste meiner Crew kündigen.« Mit einer theatralischen Geste breitete Bancroft die Arme aus. »Sie wissen schon, der Kreuzer steht in der Werft, aber die Gehälter laufen gnadenlos weiter. Ich möchte, dass Sie den Leuten für die Dauer Ihrer Expedition Arbeitsverträge anbieten – natürlich nur, soweit die Betreffenden nicht schon anderweitig Beschäftigung gefunden haben.«

»Das würde bedeuten«, auf de Silveras Stirn erschien eine steile Unmutsfalte, »dass wir auch auf Ihre CHALLENGER zurückgreifen müssen. Den früheren leichten Kreuzer. Andernfalls hätten wir keine Verwendung für Ihre Leute.«

»Ganz meine Meinung«, bestätigte Bancroft. »Sie brauchen ohnehin ein Raumschiff.«

»Das wäre das kleinste Problem.«

»Sagen Sie das nicht. Gute Schiffe im Privatbesitz sind rar gesät, und die anderen Handelsfirmen haben volle Terminkalender.«

»Dann ist es sozusagen ein Segen, dass wir an Sie geraten sind, J.-J.?« Parker konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen.

»Natürlich ist es das! Allerdings wäre da noch eine Schwierigkeit – ein kleines Problem nur, und absolut nichts Weltbewegendes ...«

Juan de Silvera atmete tief durch. »Heraus mit der Sprache!«, forderte er.

»... die CHALLENGER wurde zwar überholt, aber sie ist nicht einsatzfähig.«

»Wie sollen wir das verstehen?«, fragten Parker und der Spanier wie aus einem Mund. Ihre Recherchen hatten ergeben, dass der STÄDTE-Kreuzer in den Docks bereitstand.

»Es sind Instandhaltungs- und Wartungskosten in Höhe von 185.725 Solar zu begleichen. Allein die Überholung des Strukturkompensators hat ein kleines Vermögen verschlungen – und Sie wissen ja, dass wir ohne einen solchen das System gar nicht erst verlassen dürfen. Die Mahnung erhielt ich vor wenigen Stunden. Natürlich dient das Schiff bis zur vollständigen Bezahlung als Pfand.«

»Natürlich«, seufzte de Silvera.

»Was halten Sie davon, meine Herren, wenn Sie diese Rechnung übernehmen, mir im Gegenzug aber nur ein geringes Nutzungsentgelt vergüten?«

»Kein Entgelt!«, platzte Parker heraus. »Nicht einen Soli.«

»Und das fixieren wir schriftlich, bevor Ihnen weitere ›Kleinigkeiten‹ einfallen«, fügte de Silvera hinzu.

Jean-Jacques Bancroft holte tief Luft. »Sie wollen mich ruinieren«, klagte er.

»Davon kann kaum die Rede sein. Eher haben wir den Eindruck, dass wir Ihre Firma stückweise aufkaufen sollen.«

J.-J. lachte hell auf. »Ihnen ist hoffentlich bewusst, welchen Sachwert allein meine Raumschiffe darstellen.«

»Natürlich«, sagte Parker prompt. »Alle drei Einheiten wurden von der Solaren Flotte ausgemustert und von Ihnen nicht gekauft, sondern über Zwölfjahresverträge geleast. Während Sie in den ersten Laufzeitjahren die monatlichen Zahlungen problemlos aufbringen konnten, müssen Sie heute bereits Ihre letzten Soli zusammenkratzen. Ihre Absicht, die beiden Kaulquappen abzustoßen, ist nur der verzweifelte Versuch, die drückenden Verpflichtungen loszuwerden. Ich glaube nicht, Mister Bancroft, dass Sie zu hoch pokern sollten, denn der Ast, auf dem Sie sitzen, ist ziemlich morsch.«

»Dementsprechend habe ich nichts mehr zu verlieren. Was also soll das Gerede?«

»Dürfen wir Ihre Computeranlage benutzen? Wir setzen den Vertrag sofort auf.«

Jean-Jacques Bancroft nickte zufrieden. Ihm war klar, dass nur ein kleines Wunder die Männer zu ihm geschickt haben konnte. Dabei hatte sein Horoskop für den heutigen Tag wenig Gutes verheißen.

Beteigeuze und Sirius bedrohen Ihren inneren Frieden. Hüten Sie sich vor übereilten Geschäftsabschlüssen, deren Folgen für Sie nicht überschaubar sind. Ihre finanzielle Situation entspricht Ihrer Gemütsverfassung.

»Unsinn«, murmelte J.-J. gedankenverloren.

»Bitte?«, fragte Juan de Silvera sofort. »Was meinen Sie?«

»Nichts.« Er winkte ab. »Ich habe nur laut gedacht.«

Seine Besucher hatten einen Datenträger mitgebracht und mussten lediglich Ergänzungen vornehmen. An den Formulierungen gab es wenig auszusetzen.