PLUSpunkte -  - E-Book

PLUSpunkte E-Book

0,0

Beschreibung

400 Jahre Kompetenz für morgen Mit barockem Schwung wurde vor 400 Jahren die Universität Salzburg gegründet. Ihre Strahlkraft reichte schon nach wenigen Jahrzehnten weit über die Grenzen des Landes. Große Namen der Geschichte aus Politik, Kunst und Kultur sind mit ihr verbunden und führen Rankings der Wissenschaft und Künste an. Was man damals für das Leben lernte, hat noch heute vielfach Glanz. Preziosen der universitären Schatzkammer illustrieren die Entwicklung von Wissenschaft im Herzen Europas, eine in die Zukunft weisende Erfolgsgeschichte. "Zurück in die Zukunft" lautet daher das Motto dieser Festschrift, die Einblicke in die erfolgreiche Vergangenheit und Gegenwart ermöglicht, aber auch Ausblicke in die universitäre Zukunft eröffnet: die PLUSpunkte der Paris Lodron Universität Salzburg!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 719

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2022 Verlag Anton Pustet

5020 Salzburg, Bergstraße 12

Sämtliche Rechte vorbehalten

Lektorat: Markus Weiglein

Layout & Satz: Tanja Kühnel

Auch als gedrucktes Buch erhältlich,

ISBN: 978-3-7025-1018-3

eISBN 978-3-7025-8089-6

www.pustet.at

INHALT

Grußworte

Vorwort

Einleitung

IBenediktineruniversität (1622–1810)

IILyzeum und Theologische Fakultät (1810–1938, 1945–1962)

IIIParis Lodron Universität Salzburg – die PLUS (ab 1962)

IVThemen

1Von der „Laterna magica“ zum „Classroom of the Future“

2Die Bibliotheken der Universität

3Medizin, Heilkunst und Botanischer Garten

4Kunst im Kontext

5Die Salzburger Hochschulwochen

6Nationalsozialismus und „Wiedergutmachung“

7Die ÖH – Kritikerin und Partnerin

8Frauen in der Wissenschaft – nur gemeinsam kann es gehen

9Öffentlichkeit suchen und gestalten

10Nachhaltigkeit leben und sichern

11Strategische Internationalisierung

12Vom Abakus zur digitalen Transformation

Anhang

Endnoten

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Dank

Die Paris Lodron Universität Salzburg blickt auf eine lange Tradition zurück. Gegründet im Jahre 1622 von dem gleichnamigen Fürsterzbischof fand ihre Geschichte 1810, während der bayerischen Herrschaft über Salzburg, für 152 Jahre eine Unterbrechung. Erst 1962 gelang es, diese fortzusetzen.

Die Universität Salzburg feiert also einerseits das 400-jährige Bestehen seit ihrer Gründung und andererseits das 60-Jahr-Jubiläum seit ihrer Wiedererrichtung. Anlass genug, um mit Stolz auf die Entwicklung dieser Universität zurückzublicken. Ich konnte mich davon überzeugen, dass die Salzburger Universität eine moderne, lebendige Universität ist, die in Lehre und Forschung höchste Ansprüche erfüllt und untrennbar mit der Stadt Salzburg verbunden ist.

Mit dem Jubiläumsjahr 2022 tritt gleichzeitig ihre neue Struktur in Kraft – mit insgesamt sechs statt bisher vier Fakultäten. Eine Besonderheit ist die neue Fakultät für Digitale und Analytische Wissenschaften, mit der den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen entsprochen wird.

Ich gratuliere der Paris Lodron Universität Salzburg herzlich zu ihrem 400. Gründungstag und wünsche viel Erfolg und Energie für die zahlreichen neuen Vorhaben.

Ganz besonders viel Freude und Erfolg wünsche ich auch den Studierenden in der wunderschönen Universitätsstadt Salzburg.

Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen

Das 400-jährige Bestehen der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) beweist, wie unbeugsam eine Universität sein kann. Gegründet am 4. Oktober 1622 als einzige Benediktineruniversität im jesuitisch geprägten Heiligen Römischen Reich werden hier frühzeitig neben Philosophie und Theologie auch Rechtswissenschaften und sogar Experimentalphysik gelehrt.

Wie im vorliegenden Jubiläumsband nachzulesen ist, folgt trotz dieses Pioniergeistes 1810 eine Zäsur: Nach der Angliederung Salzburgs an das Königreich Bayern wird die PLUS aufgelöst. Mehr als 150 Jahre sollte es dauern, ehe die Universität 1962 mit der Katholisch-Theologischen und Philosophischen Fakultät wiedererrichtet und bald um die Rechts-, Natur- und Geisteswissenschaften erweitert wird.

An dieser Grundstruktur wird lange festgehalten – obwohl die Zahl von wenigen hundert Studierenden in den 1960er Jahren auf zuletzt rund 15.600 steigt. Digitale Transformation und Interdisziplinarität sind nur zwei der Herausforderungen, denen sich die PLUS heute stellen muss. Mit ihrer engen Kooperation mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität und der jüngsten Strukturreform, die der amtierende Rektor Hendrik Lehnert eingeleitet hat und die nun im Jubiläumsjahr 2022 umgesetzt wird, stellt sie wesentliche Weichen für ihre Zukunft. Für mindestens weitere 400 Jahre.

Dr. Heinz Fassmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Der Bogen über diesem Jubiläum spannt sich von den Schreibstuben und Bibliotheken der frühen Salzburger Erzbischöfe über den Glanzpunkt der Universitätsgründung von 1622 bis zur „PLUS“ von heute und morgen. PLUS: ein Akronym als Programm. Schon das historische, geistliche Salzburg war sich der Bedeutung des Geistigen für die gedeihliche Zukunft des Landes bewusst. Die äußeren Umstände haben sich geändert, die Wertschätzung für die akademische Forschung und Lehre ist geblieben.

Es ist für Salzburg von großer symbolischer und praktischer Bedeutung, dass unsere Universität seit ihrer Wiederbegründung von 1962 einen eng mit dem Stadtraum verwobenen Organismus bildet. Nach der akademisch stillen Zeit der Pandemie wissen wir die belebende Gemeinschaft der Räume von Universität und Stadt umso mehr zu schätzen.

Die vorliegende Publikation „PLUSpunkte“ bietet eine umfassende Schau auf 400 Jahre Universität und sie flankiert die Sonderausstellung dazu im DomQuartier. Monographie und Ausstellung mögen das Bewusstsein schärfen für das lebendige Miteinander der Räume dieser Stadt mit ihrer 400 Jahre jungen Paris Lodron Universität als deren geschätztem Impulsgeber.

Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer

Die PLUS verdankt ihren Ursprung wesentlich dem diplomatischen Geschick eines Abtes von St. Peter, Joachim Puechauer (1615–1626). Nachdem Versuche mit anderen Orden gescheitert waren, gelang es Abt Joachim, die selbstbewusst auftretenden Äbte des süddeutschen Raumes zu einem Rechtsverband zu einen, der auf lange Sicht personell und finanziell den Bestand der Universität garantieren konnte.

Begabte Nachwuchskräfte aus den 33 Abteien dieser „Salzburger Konföderation“ wirkten hier erfolgreich. Viele Salzburger Alumni und Professores wurden zu Äbten ihrer Heimatklöster gewählt und unterstützten später in dankbarer Verbundenheit ihre „Alma Mater Paridiana“. Das sicherte für fast 200 Jahre bis zur Auflösung der Benediktineruniversität 1810 Qualität, Wirksamkeit und Relevanz von „Salzburgs Hoher Schule“. Auch als 1962 die PLUS, nunmehr als staatliche Universität, wiederbegründet wurde, engagierten sich die Benediktiner für „ihre“ Universität – und tun das bis heute!

Als Erzabt von St. Peter, als ehemaliger Student der PLUS und als Ständiger Assistent der Salzburger Äbtekonferenz – der Nachfolgerin der einstigen „Salzburger Konföderation“ – darf ich der PLUS herzlich zum 400-Jahr-Jubiläum gratulieren und alles Gute für die Zukunft wünschen!

Dr. Korbinian Birnbacher OSB, Erzabt von St. Peter

2022 feiern wir die 400 Jahre lange Geschichte der Universität Salzburg. Der Blick in die Vergangenheit zeigt uns, wie der damalige Erzbischof von Salzburg, Paris Graf von Lodron, mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges die Universität Salzburg gründete. Er konnte die Entwicklung des Landes und der Universität Salzburg nicht vorhersehen, doch seine Taten wirken bis heute.

In der Gegenwart sehen wir die Universität als größte Bildungseinrichtung des Landes. Markenzeichen der Universität ist die forschungsgeleitete Lehre, die den Studierenden wissenschaftlich fundierte und attraktive Studienmöglichkeiten bietet. Die Zeitspanne, in der das studentische Leben durch Corona eingeschränkt ist, bleibt hoffentlich kurz.

Beim Blick in die Zukunft stellen sich besonders die jungen Menschen zuerst die Frage, wie sich das globale Klima und damit auch das Leben in Salzburg entwickeln wird. Gerade die Erfolge in der Grundlagen- und angewandten Forschung nähren aber meinen Optimismus, dass uns eine Trendwende gelingt. Innovationen werden an den Universitäten und durch den Forschungsdrang junger Menschen angetrieben. Der Wille, die Welt zum Besseren zu gestalten, ist fest in uns verankert. In diesem Sinne: Ad multos annos!

Mag. (FH) Andrea Klambauer, Landesrätin für Wissenschaft

1622, also vor 400 Jahren, wurde die PLUS als Benediktineruniversität von Fürsterzbischof Paris Lodron gegründet. Salzburg blickt stolz auf die langjährige Geschichte der Universität zurück. Das Festjahr soll aber besonders als Anlass genommen werden, in die Zukunft unserer innovativen und lebendigen Universität zu blicken.

Die Verknüpfung von Wissen und Wissenschaft ist der entscheidende Faktor für die weitere Entwicklung der Stadt Salzburg. Wissenschaft, Kunst und Forschung gehen in Salzburg Hand in Hand und sind über die Grenzen hinaus profilbildend. Das galt vor 400 Jahren und gilt auch für die Zukunft. Die PLUS ist mit ihren Fakultäten und Einrichtungen in der gesamten Stadt präsent – von der historischen Altstadt bis hin zum modernen Campus in der Science City Itzling. Die umfangreichen Ausbildungsmöglichkeiten und das Forschungs-Knowhow der Universität, zusammen mit dem Wirtschafts- und Kongressstandort Salzburg, verleihen unserer Stadt auch internationale Reputation. Trotz dieser langen Tradition ist die PLUS eine junge, lebendige und innovative Universität. Sie ist ein wichtiger Bestandteil dieser Stadt und das soll sie auch in Zukunft bleiben.

Bürgermeister DI Harald Preuner

Siegel der Benediktineruniversität, Archiv der Erzabtei St. Peter

Tradition – Profilierung – Fortschritt.

Dies sind drei Begriffe, welche die Paris Lodron Universität Salzburg, die PLUS, seit ihrer Gründung 1622 auszeichnen. Gelegen in einer sehr geschichtsreichen Landschaft wurden zahlreiche Studierende von der Strahlkraft Salzburgs angezogen und bereicherten den Universitätsstandort. Andererseits erkannte die Universität bereits im 17. Jahrhundert die Bedeutung des internationalen Austauschs, sodass eine hohe Zahl von angehenden Wissenschaftlern im Ausland studierte und gleichzeitig durch „Incomings“ eine kulturelle wie wissenschaftliche Vielfalt die traditionsreiche Stadt prägte. Der Grundstein für eine erfolgreiche Universitätsgeschichte war gelegt.

Ein Jubiläum wie jenes, das die PLUS im Jahr 2022 feiert, gibt Anlass, innezuhalten und den Werdegang, die Geschichte der Universität zu reflektieren – eine Geschichte immer mit dem Anspruch, Bewährtes zu bewahren und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig ist es im Zeitalter von akademischer Kompetition, globalen Universitätsrankings und Exzellenzansprüchen zwingend geboten, eine unverwechselbare Identität und genuine Themen zu definieren, hierauf interdisziplinäre Projekte und Studiengänge aufzubauen und somit das Profil der Universität zu schärfen. Die PLUS hat dies im vergangenen Jahr mit der Einführung und Implementierung der vier Leitmotive – Art in Context, Development & Sustainability, Digital Life und Health & Mind – eindrucksvoll getan. Eine Bündelung der universitären Aktivitäten in diesen Bereichen wird zum einen dem Standort Salzburg, seiner Tradition und dem kulturellen Kontext gerecht, zum anderen ermöglicht sie es, die Vergangenheit aufzunehmen und aus ihr zu lernen. So trat mit dem Start des Jubiläumsjahres eine neue Struktur mit sechs starken und gut definierten Fakultäten in Kraft, die für eine effizientere, inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit steht und die PLUS gut gerüstet in die Zukunft gehen lässt.

Die vorliegende Festschrift beschreibt in vorzüglicher Weise jene unterschiedlichen Handlungsstränge, die die PLUS bereits über die Jahrhunderte begleiten. Nach einem historischen Rückblick auf die Gründungszeit, das Lyzeum, die Theologische Fakultät und schließlich die Wiedergründung widmen sich einzelne Kapitel jenen Themen, die maßgeblich zur Geschichtsschreibung der PLUS beigetragen haben. Darunter sind die oben bereits angesprochene Internationalisierung, die Kunst, aber auch Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Erst im 20. Jahrhundert wurden Frauen zu Studium und Lehre zugelassen. Heute stellen sie die Mehrheit des Verwaltungspersonals und der Studierenden sowie einen großen Teil der Lehrenden – der noch weiter wachsen muss – dar. Ich bin sicher, dass wir eine umfassende, informative und hoffentlich auch unterhaltsame Festschrift präsentieren können, welche die Verbindung von Tradition mit Moderne, von Vergangenheit und Zukunftsperspektiven deutlich macht.

Eine solche Publikation, die auch die Jubiläumsausstellung im DomQuartier Salzburg begleitet, ist nur mit dem herausragenden Engagement begeisterter und begeisternder Persönlichkeiten möglich. Allem voran gebührt mein aufrichtiger Dank Christoph Brandhuber, der das Werk im besten Wortsinne federführend betreut hat. Weiters bedanke ich mich herzlich bei Elisabeth Resmann und ihrem Team im DomQuartier für die großartige Zusammenarbeit, bei Julia Goldmann und Kerstin Fuchsberger für den kreativen und unermüdlichen Einsatz in der Gestaltung des Jubiläumsjahres, dem Jubiläumskomittee für seinen Enthusiasmus und die vielen gute Ideen, bei Gabriele Pfeifer und ihrem PR-Team für die vorbildliche Organisation und Umsetzung aller Ideen sowie bei Land und Stadt Salzburg für ihre Unterstützung.

Nun bleibt mir nur noch, Ihnen allen eine spannende und bereichernde Lektüre zu wünschen und hoffe, Sie auch im Rahmen des umfangreichen Veranstaltungsprogramms im Jubiläumsjahr an der PLUS begrüßen zu dürfen. Bleiben Sie unserer Universität gewogen!

Ihr

Prof. Dr. Dr. h.c. Hendrik Lehnert, FRCP, FACP

Rektor der Paris Lodron Universität Salzburg

Einleitung

Das Universitätsjubiläum 2022 gibt Anlass, den Blick auf eine erfolgreiche Vergangenheit und eine spannende Zukunft zu lenken. Aber bereits das Gründungsjahr der Universität Salzburg zu bestimmen und damit den richtigen Zeitpunkt für das Jubiläum zu wählen, war gar nicht so einfach, boten sich doch in Hinblick auf den Gründungsprozess (1617–1625) gleich mehrere Termine dafür an. Das Jahr 1622 als Gründungsjahr zu feiern, beschlossen sowohl Rektor Heinrich Schmidinger als auch Rektor Hendrik Lehnert. In diesem Jahr lassen sich mit Eintreffen des kaiserlichen Dekretes die ersten Universitätsstudenten in Salzburg nachweisen. Außerdem steht 1622 – zugleich eine wichtige Symbolik – in einer Zahlenreihe mit der Wiedergründung 1962.

Zu weiteren Diskussionen führte die Wiedergründung 1962: Darf überhaupt ein 400-Jahr-Jubiläum gefeiert werden? Dafür spricht, dass die Universität, trotz der Herabstufung 1810 zu einem Lyzeum, das Promotionsrecht behalten hatte. Zudem bestand ab 1850 eine Theologische Fakultät im Hochschulrang, eine Art „Rumpfuniversität“. Angesichts dieser starken Kontinuität des universitären Gedankens erschien es mehr als legitim, 2022 das 400-Jahr-Jubiläum zu feiern. Allerdings sollte dabei ein Fokus auch auf der Zeit des „Interregnum“ mit seinen spannenden, inhaltlich zum Teil bis in die Gegenwart reichenden Projekten wie der medizinischen Forschung und den Hochschulwochen liegen.

Einigkeit bestand rasch darüber, eine Festschrift zu diesem Anlass herauszugeben, Die Umsetzung legten die Rektoren Heinrich Schmidinger und Hendrik Lehnert unter Zusicherung ihrer Unterstützung in meine Hände. Beiden Rektoren danke ich für das ausgesprochene Vertrauen und die konstruktive Zusammenarbeit. Rektor Heinrich Schmidinger führte zu Beginn mit mir eine Reihe von Gesprächen und stellte beim Land Salzburg einen erfolgreichen Projektantrag für die Aufarbeitung der Fotosammlung des Universitätsarchivs, um die Festschrift bebildern zu können. Mein Dank gilt dem Land Salzburg für diese Unterstützung ebenso wie Andreas Nikolai Janatsch, der als Projektmitarbeiter in detektivischer Kleinarbeit die Fotosammlung erschloss.

Bis zum Amtsende von Heinrich Schmidinger war die Stoffsammlung so weit gediehen, dass gemeinsam mit Hendrik Lehnert der programmatische Aufbau und die inhaltliche Konzeption der Publikation erarbeitet werden konnten. Ausgerichtet nach den neuen Leitmotiven spiegeln sich seine Zielsetzungen im Inhaltsverzeichnis wider, das in den Sitzungen des 2020 konstituierten Jubiläumskomitees einhellig Zustimmung fand. Drei chronologisch angeordnete Epochenkapitel werden durch zwölf Themenkapitel ergänzt. Diese „PLUSpunkte“ bekunden die Erfolgsgeschichte der Universität, behandeln schwierige bzw. kontrovers diskutierte Perioden, bieten aber auch einen Blick in die Zukunft.

Vorliegende Festschrift ist gleichzeitig Begleitbuch zur Jubiläumsausstellung im Nordoratorium des Salzburger DomQuartiers. Gemeinsam mit Elisabeth Resmann, Geschäftsführerin des Salzburger DomQuartiers, unterbreitete ich erste Ausstellungspläne dem damaligen Rektor Heinrich Schmidinger. Sein Nachfolger Hendrik Lehnert bestätigte eine Kooperationsvereinbarung, konzipierte den in Gegenwart und Zukunft weisenden Teil der Ausstellung und akquirierte bei Land und Stadt Salzburg erfolgreich Fördermittel. Auf Grundlage des von mir erstellten Gesamtkonzepts wurde Petra Zechmeister mit der Ausstellungsgestaltung betraut. Ich danke Elisabeth Resmann und Petra Zechmeister für die Bereitschaft, im gemeinsamen Austausch die Ausstellung im Nordoratorium zu gestalten. Dekane, Fachbereiche, Zentren und Abteilungen wurden im Auftrag von Rektor Hendrik Lehnert um Vorschläge für die in Gegenwart und Zukunft der Universität weisenden Teile der Ausstellung und der Festschrift gebeten, über die das Jubiläumskomitee entschied. Allen Beteiligten gilt mein Dank für Informationen und Rückmeldungen.

Dem Jubiläumskomitee ist bewusst, dass die Universitätsgeschichte nur ausschnittweise und stark verkürzt wiedergegeben werden kann. Angesichts tausender Mitarbeiter:innen und Studierender in den 400 Jahren können leider nur wenige Personen entsprechend ihren Verdiensten gewürdigt und hervorgehoben werden. Daher ist nicht zuletzt ein Ziel dieser Festschrift, weitere Arbeiten zur Universität anzuregen. Darüber hinaus haben alle Beteiligten ausführlich darüber reflektiert, dass Festschrift und Ausstellung eine subjektive und zeitabhängige Momentaufnahme der Universität sind. Diese Momentaufnahme, nicht zuletzt eine „Zeitkapsel“ für unsere Nachfolger:innen, die in einem Säkulum das 500-Jahr-Jubiläum feiern werden, steht im Schatten der Corona-Pandemie, die unseren Alltag völlig veränderte. Gerade in Ausnahmesituationen ist die Universität im Rahmen ihrer „Third Mission“ aufgerufen, das Know-how ihrer Mitarbeiter:innen in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Ein Digitalisierungsschub, der durch diese Entwicklung noch beschleunigt wurde, hat zur Folge, dass diese Publikation ebenfalls als E-Book erscheint und die Ausstellung durch ein virtuelles Zusatzprogramm ergänzt wird.

Abschließend darf ich noch dem Personenkreis meines engsten Arbeitsumfelds herzlichen Dank aussprechen: für den familiären Bereich meinen Eltern, für die dienstlichen Rahmenbedingungen Ursula Schachl-Raber, für Inspiration, Diskussion und jedwede Unterstützung Roswitha Juffinger, Beatrix Koll und Maximilian Fussl sowie für die unermüdliche organisatorische Koordination Julia Elena Goldmann. Seit nunmehr über einem Jahrzehnt trägt Irmgard Lahner als Lektorin meines Vertrauens meisterhaft und ausdauernd zur Lesbarkeit aller Texte bei. Das Bildmaterial der Festschrift verdankt sich den Fotografien von Hubert Auer sowie der Kooperation der im Dank angeführten Institutionen. Überaus professionell und entgegenkommend wurde das Buchprojekt im Verlag Anton Pustet von Gerald Klonner (Leitung), Tanja Kühnel (Grafik) und Markus Weiglein (Lektorat) betreut. Ihnen allen möchte ich – auch im Auftrag von Herrn Rektor Hendrik Lehnert – unseren großen Dank für die Beiträge zum Werden dieser Festschrift ausdrücken.

Salzburg, am Tag des Universitätspatrons Carlo Borromeo,

4. November 2021

Christoph Brandhuber

Emblem der Benediktineruniversität: Wappen und Initialen des Universitätsgründers Paris Grafen von Lodron – P(aris) A(rchiepiscopus) S(alisburgensis) F(undator), „Paris, Erzbischof von Salzburg, Stifter“ – zwischen den Heiligen Rupert (links) und Benedikt (rechts), unter der den hl. Geist symbolisierenden Taube die bekrönte Devise des Universitätspatrons, des hl. Carlo Borromeo: HVMILITAS – „Demut“, Salzburg, Altes Studiengebäude, Große Aula, Deckenbild

I.

BENEDIKTINERUNIVERSITÄT (1622–1810)

Eine Bildungsinstitution, die in den gesamten süddeutschen Raum ausstrahlen sollte, etablierte sich ab 1622 in Salzburg: die Benediktineruniversität. Salzburg war nun Residenzstadt eines souverän regierten Fürsterzbistums und Universitätsstadt. Die spezielle Verfassung der Universität mit beteiligten Stiften aus dem gesamten süddeutschen Raum förderte den grenzüberschreitenden Austausch. Ihr Renommee, das nicht zuletzt auf der engen Verbindung von Wissenschaft und Kunst gründete, sorgte für hohe Frequenz und Heranbildung von Eliten. Als die Benediktineruniversität 1810 von Bayern aufgelöst wurde, war der universitäre Gedanke so verankert, dass er weiter lebendig blieb und endlich nach 152 Jahren vergeblicher Bemühungen 1962 zur ersehnten Wiedergründung führte. Daher konnte Bundespräsident Adolf Schärf bei der feierlichen Inauguration zu Recht die Kontinuität des Wissenschaftsstandorts Salzburg betonen, knüpft doch die neue Hochschule an die Tradition unserer alten Salzburger Benediktineruniversität an.1

Gründungsversuche

Seit dem Mittelalter boten nur Petersschule und Domschule die Möglichkeit, im Fürsterzbistum Salzburg eine höhere Ausbildung zu erwerben. Die Notwendigkeit für eine Hohe Schule zeigte sich über die Jahrhunderte immer deutlicher:2 Erstes Augenmerk galt der Sicherung der „Landesheiligkeit“, für die man einen gut ausgebildeten Klerus brauchte. Zudem wollte das Fürsterzbistum seine politische Eigenständigkeit zwischen Kaiser und Papst behaupten. Die dafür unentbehrlichen juristisch gebildeten Beamten mussten wegen fehlender inländischer Fortbildungsmöglichkeiten im Ausland studieren, kehrten dann allerdings oft nicht nach Salzburg zurück, und so blieb man auf das Anwerben geeigneter Akademiker aus den Nachbarstaaten angewiesen. Schließlich versprach man sich von einer Hohen Schule wichtige Impulse für Volksbildung, Wirtschaft und Kunst. Trotzdem dauerte es bis es zur Gründung der Universität viele Jahre.3

Nur wenig bekannt ist über einen ersten Plan unter Erzbischof Burkhard II. von Weißpriach (reg. 1461–1466).4 Projektiert war die Universität im Komplex des Stiftes St. Peter, die Benediktiner sollten nach Grödig übersiedelt werden.5

Erst etwa hundert Jahre später wurde das ambitionierte Vorhaben wieder aufgenommen. Im Fürsterzbistum hatte der Protestantismus Einzug gehalten, und Salzburger Bürger schickten ihre Söhne zu evangelischen Professoren ins Ausland. Um die protestantische Lehre einzudämmen, forderte das Konzil von Trient eine Ausbildungsreform.6 Für eine rasche Umsetzung verhandelten die Salzburger Fürsterzbischöfe zunächst mit den Jesuiten und zeitweise sogar mit deren berühmtem Vertreter Petrus Canisius,7 dem Verfasser des bekannten Katechismus.8 Das Projekt scheiterte unter anderem am Widerstand des Domkapitels, das sich gegen einen neuen Orden in Salzburg zur Wehr setzte.9 Nach Abriss des Seckauer Hofes übersiedelte Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau das seit 1582 bestehende Priesterseminar in das Salzburger Kloster der Franziskaner,10 um ihnen das Universitätsprojekt anzuvertrauen: Die guten Väter unterzogen sich auch wirklich diesem Geschäfte, und fiengen sogleich öffentliche Vorlesungen an; allein, da ihr Orden die Stätigkeit des Aufenthaltes nicht erlaubte, und sie nicht immer taugliche Männer finden konnten, so geriethen ihre Schulen gar bald in’s Stocken.11 Daher kaufte Wolf Dietrich 1591 das ehemalige St. Lorenz- und Magdalena-Spital (heute: Kajetanerkirche) für das Priesterseminar. Bald genoss die Ausbildungsstätte einen so hervorragenden internationalen Ruf, dass sogar Großherzogin Maria Magdalena von Toskana 1609 um die Aufnahme eines getauften Juden bat.12 Beflügelt von diesen Erfolgen verhandelte Wolf Dietrich gegen Ende seiner Regierungszeit mit den Jesuiten in Rom über eine Universität. Für die Finanzierung gedachte er das Fürstbistum Chiemsee aufzuheben und die Einkünfte der Universität zu übertragen. Flucht und Gefangenschaft Wolf Dietrichs unterbrachen die Verhandlungen, die unter seinem Nachfolger Marcus Sitticus Grafen von Hohenems endgültig scheiterten.13 Verhandlungen mit anderen Ordensgemeinschaften misslangen ebenfalls. Erst der Beichtvater des Erzbischofs, der Kapuzinerpater Sylverius Meusburger, lenkte die Aufmerksamkeit auf das bisher unbeachtet gebliebene Stift St. Peter: Auf die Frage des Erzbischofs, ob er noch irgendwelche Türen wüsste, an die er ohne Zurückweisung klopfen möchte, antwortete er ihm: In der Tat, hochwürdigster Fürst, gibt es auch jetzt noch solche Tore; mag auch an sie als letzte geklopft werden, so hätten sie sich vielleicht doch als erste aufgetan.14

Kapuzinerpater Sylverius Meusburger, Salzburg, Kapuzinerkloster

Benediktinische Werbetour

Im Gegensatz zu St. Peter hatte man den Benediktinerorden schon früher in Betracht gezogen. Bereits Wolf Dietrich verhandelte mit dem schottischen Regensburger Abt Ninian Winzet, der unter Maria Stuart die katholische Glaubenslehre gegen den Reformator John Knox verteidigt hatte.15 Vergeblich bot ihm der Erzbischof das Stift Michaelbeuern als Dotation für die Universität an.16

Nun suchte Marcus Sitticus das Gespräch mit Abt Joachim Buechauer von St. Peter, der in Ingolstadt studiert hatte und als ehemaliger Prior des Stifts Wessobrunn die Verhältnisse in Süddeutschland gut kannte.17 Da von Beginn an klar war, dass St. Peter allein nicht alle Lehrenden stellen konnte, war man auf die Mithilfe anderer Stifte angewiesen. Mit einem Empfehlungsschreiben des Erzbischofs brach Buechauer zu einer Werbetour nach Schwaben auf.18 Seine erste Station war Wessobrunn, wo er aber keinen Heimvorteil geltend machen konnte: Der Abt blieb neutral und wollte die Entscheidung seiner Brüder im Amt ebenso abwarten wie die Äbte in Augsburg, Irsee und Ochsenhausen.19 Schlichtweg für undurchführbar hielt der Abt von Stift Weingarten das Ansinnen: Er staune, wie man einer solchen Sache wegen eine so ausgedehnte Reise auf sich nehmen könne.20 Ottobeuren läutete endlich die Wende ein: Zwar war Abt Gregor Reubi zunächst nicht anwesend, aber die Reaktion des Rektors der Klosterschule gab Anlass zur Hoffnung, die sich beim zweiten Besuch erfüllte. Zustimmung signalisierte auch der Fürstabt von St. Gallen. Man traf sogar in groben Zügen eine Vereinbarung für die anstehenden Aufgaben: Erzbischof Marcus Sitticus und Abt Joachim sollten die Privilegien für die Universität erwirken, die schwäbischen Klöster wollten für zehn Jahre Professoren stellen. Der Abt von Ottobeuren sicherte zu, die ersten Professoren schon im Herbst 1617 nach Salzburg zu entsenden. Mit diesen vielversprechenden Zusagen konnte Abt Joachim erfolgreich die Heimreise antreten.21

Salzburger Fürsterzbischöfe Marcus Sitticus Graf von Hohenems und Paris Graf von Lodron, Universität Salzburg, Altes Studiengebäude, Stuba Academica

Abt Joachim Buechauer von St. Peter/Salzburg, Kupferstich aus: Beda Seeauer, Novissimum chronicon antiqui monasterii ad sanctum Petrum Salisburgi ordinis sancti Benedicti. Salzburg 1772, S. 517, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. 1468 III

Gymnasium

Schwierige Verhandlungen folgten.22 Die Äbte verlangten die Einbeziehung des Salzburger Domkapitels, denn die Universitätsgründung sei nicht das Privatinteresse eines Erzbischofs, sondern Landessache. Doch der Erzbischof wollte als alleiniger Gründer gelten und forderte im Gegenzug für seinen finanziellen Beitrag das Recht, die Universität geistig nach seinen Ideen auszurichten.23 Begonnen werden sollte mit einem Gymnasium, aber auch mit theologischen Vorlesungen. Am 20. September 1617 wurde das erste Fundationsinstrument über das Gymnasium errichtet,24 und bereits am 16. Oktober brachen die Professoren von Ottobeuren nach Salzburg auf.25 Die Sorge vor der Missgunst der Jesuiten, die üblicherweise das Universitätsleben dominierten, überschattete die Reise: In München hätten Späher die Reisenden aufgespürt, in Ebersberg wären sie nur knapp durch ein Täuschungsmanöver entkommen, erst in Wasserburg hätten die Nachstellungen ein Ende gefunden.26 Freudig zog Abt Joachim der Reisegesellschaft entgegen und geleitete sie feierlich in die Stadt. Die Professoren sollten zunächst in St. Peter wohnen und unterrichten.27 Nach einer Antrittsaudienz beim Erzbischof in Hellbrunn wurde am 6. November 1617 das Gymnasium eröffnet.28 Schon im Januar 1618 lagen Modelle für Studiengebäude und Kirche vor.29 Den Grundstein legte Dompropst Paris Graf von Lodron am 14. Mai 1618.30 Das Sacellum wurde dem künftigen Universitätspatron, dem hl. Carlo Borromeo, einem Onkel des Salzburger Erzbischofs, geweiht.31 Da der Bau nach dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wiederholt ins Stocken geriet, konnten die Professoren ihre Wohnungen erst am 5. Januar 1621 beziehen.32

Bereits im selben Jahr plante man allen Schwierigkeiten zum Trotz zu expandieren und begründete ein Gymnasium in Radstadt. Doch aus personellen und finanziellen Gründen mussten es die Benediktiner nach drei Jahren wieder aufgeben. Dazu kamen interne Probleme. Der Rektor des Gymnasiums, P. Sylvanus Herzog, erwies sich als energisch, aber wenig verträglich. Er führte die Schule autoritär, insbesondere in Hinblick auf das klösterliche Armutsideal,33 zudem bezichtigte er einen Kollegen, daß er bei seinen chemischen Studien die Geister beschwöre und mit Geistern Verkehr pflege.34 Als schließlich seinetwegen keiner der Professoren in Salzburg bleiben wollte, sah man sich genötigt, Herzog zu versetzen. Erster Rektor der Benediktineruniversität wurde sein Nachfolger, P. Albert Keuslin.

Erfolgreicher Abschluss der Gründungsphase

Nach dem überraschenden Tod von Erzbischof Marcus Sitticus nahm dessen Nachfolger Paris Graf von Lodron die Verhandlungen mit Kaiser Ferdinand II. und Papst Urban VIII. Barberini zum Erwerb der Privilegien für die Universitätsgründung auf.35 Gegenüber dem Reichshofrat in Wien erhob der Erzbischof Einspruch gegen die zu hohen Kosten von 900 fl. Überdies akzeptierte er nicht, dass die Universität trotz der hohen Summe die Grade nur bis zum Magisterium verleihen durfte. Obwohl Paris Lodron es abgelehnt hatte, wurde das kaiserliche Privileg am 9. März 1620 in dieser Form ausgestellt. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis die Urkunde in revidierter, aber rückdatierter Form am 4. Oktober 1622 in Salzburg eintraf.36 Um die in Salzburg anwesenden Gymnasiasten zu halten, beeilte man sich mit der Verkündigung des Privilegs, die bereits am 8. Oktober erfolgte.

Kaiserliches Privileg, Salzburger Landesarchiv, OU 1620 III 09

Die feierliche Eröffnungsrede hielt P. Thomas Mariani (Tommaso Mannarino) aus dem Stift San Martino delle Scale bei Palermo. Er war einige Zeit im Dienst des Kardinals Federico Borromeo, des Gründers von Pinacoteca und Biblioteca Ambrosiana in Mailand gestanden.37 Nach vierzehnjähriger Lehrtätigkeit in Bologna, Pavia und Rom kam Mariani, der in Padua zum Doktor der beiden Rechte promoviert worden war,38 auf Vermittlung von Costantino Gaetani, Mitarbeiter des Kirchenhistorikers Kardinal Cesare Baronio,39 nach Salzburg. Hier war man dem Ausländer allerdings nicht wohlgesinnt und blieb seiner Antrittsrede demonstrativ fern.40

Päpstliches Privileg, Salzburger Landesarchiv, OU 1625 XII 17

Am 1. September 1623 schloss der Erzbischof einen Versorgungsvertrag für die Hohe Schule. Mit dem Eintreffen des päpstlichen Privilegs, das vom 17. Dezember 1625 datiert,41 war der Gründungsprozess der Benediktineruniversität endgültig abgeschlossen.

Ausbau trotz Krieg und Pest

Zum ersten Rektor der Universität wurde am 11. Oktober 1622 P. Albert Keuslin gewählt.42 Er bekleidete sein Amt nur vier Jahre. Im Jahr 1626 trat er die Nachfolge von Joachim Buechauer als Abt von St. Peter an. Der Hohen Schule blieb er weiterhin eng verbunden und förderte großzügig den Ausbau des Studiengebäudes und der Großen Aula (1631/32).43 Er starb an den Folgen einer Kaviarvergiftung, die er sich an der Neujahrstafel des Erzbischofs zugezogen hatte.44

Daniel Miller (?), Salzburg vom Mönchsberg, Detail: Altes Studiengebäude, Öl/Leinwand, 91 x 407 cm, Salzburg, Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter, Inventar-Nr. M 815

P. Odilo von Guetrat OSB (1665–1731)/Zeichner, Innenhof des Studiengebäudes, Tusche/Papier, Salzburg Museum, Inventar-Nr. 1349-49

Nur schleppend verliefen zunächst die Verhandlungen zur Erweiterung der Benediktinerkongregation, weil der bayerische Landesfürst versuchte, sie aus Sorge vor einer Konkurrenz für die bestehenden Universitäten in Ingolstadt und Dillingen zu blockieren.45 Zudem verlangte er Kriegskontributionen, da die Abteien offensichtlich Mittel für ein Bildungsprojekt im Ausland aufbringen konnten.46 Schließlich ließ sich doch Einvernehmen herstellen, wohl nicht zuletzt, weil sich der Kurfürst während des Dreißigjährigen Krieges mehrfach gezwungen sah, nach Salzburg zu fliehen.47 Auch die Universität blieb in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens nicht von den Auswirkungen der kriegerischen Ereignisse verschont. Zum Schutz von Stadt und Land vor den heranrückenden Schweden und den gleichzeitig auftretenden Bauernunruhen48 stellte man akademische Freikorps auf.49 Der Text ihres lateinischen Fahnenlieds ist überliefert.50

Frontispiz, aus: Conrad Hagger, Neues Saltzburgisches Koch-Buch, Augsburg 1719, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. R 2890 I

In den beengten Verhältnissen der von Flüchtlingen überfüllten Stadt breiteten sich ansteckende Krankheiten aus,51 die Pest grassierte auch unter den Studenten.52 Neben Krieg und Seuchen überschatteten in den nachfolgenden Jahrzehnten wiederholt Hungersnöte das Studienjahr: Wegen des Mangels an Getreide verlangte man von den ausländischen Studenten, ein proportioniertes Quantum Getreide mitzubringen. Zuletzt musste das Studienjahr früher beendet werden, damit die Studenten ehestmöglich die Stadt verlassen konnten.53

Der Abschluss des Westfälischen Friedens 1648 brachte endlich eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse. Die Universität feierte ihre „Wiedereröffnung“ und erlebte bald einen neuerlichen Aufschwung.

Unter Rektor Alphons Stadelmayr konnte der Innenhof des Studiengebäudes durch die Errichtung des Hofstallgassentrakts (1653–1655)54 geschlossen werden. Das Sacellum erhielt eine Erweiterung um die Kreuzkapelle und die ungewöhnliche Sitzgruft für die Professoren.55 Der erste Bibliotheksraum wurde eingerichtet und in der Großen Aula entstand ein spektakuläres Barocktheater.56 Mit dem Bau der Universitätskirche im Auftrag von Erzbischof Johann Ernst Graf von Thun nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach war der Gebäudekomplex abgeschlossen.57

Großzügige Schenkungen vermehrten den Besitz der Universität: So überließen Abt Urban Weber von Admont der Hohen Schule das Schloss Mönchstein, Domherr Otto Friedrich Graf von Puchheim nach seiner Wahl zum Fürstbischof von Laibach einen Weinkeller.58 Wohltätigkeitsinstitute wie das Collegium Marianum, das Collegium Rupertinum und das Collegium Virgilianum waren mit der Benediktineruniversität eng verbunden. Darüber hinaus diente das Kapellhaus der musikalischen Ausbildung begabter Knaben.59

Maurerhammer und Kelle, die Erzbischof Maximilian Gandolph Graf von Kuenburg bei der Grundsteinlegung der Wallfahrtskirche Maria Plain verwendete, dahinter sein Kardinalshut, Erzabtei St. Peter

Erzbischof Max Gandolph übertrug der Universität 1672 den Wallfahrtsort Maria Plain.60 Dort übernahmen emeritierte Benediktinerprofessoren die Betreuung der Pilger:innen.61 Bis zur Aufhebung der Benediktineruniversität wurde das Missionshaus in Schwarzach geführt.62

Organisation

Als Trägerin der Benediktineruniversität fungierte eine Konföderation von Stiften, die Abt Gregor Reubi gebildet hatte. Rund 60 Abteien entsandten Mönche als Professoren nach Salzburg.63 Ein Abtpräses, der alle drei Jahre durch die Prälaten der konföderierten Stifte gewählt wurde, leitete das Direktorium der Universität. Ihm zur Seite stand der Abt von St. Peter als Assistens perpetuus, der allerdings nie zum Präses gewählt werden konnte, sowie weitere Äbte-Assistenten aus den vier Provinzen Österreich, Bayern, Salzburg und Schwaben.64 Dem Akademischen Senat gehörten der Rektor, seine beiden Stellvertreter, der Vizerektor und der Prokanzler an, außerdem alle Dekane und Professoren. Dazu kamen noch ein Sekretär aus dem Benediktinerorden und ein Notar aus dem weltlichen Stand. Für die sogenannten Hausämter gab es den Pedell, der als Hausmeister und Gerichtsdiener fungierte, den Pulsator, der Kirchen- und Schulglocke läutete sowie die Aufsicht über das Personal führte,65 und den Ökonomen, der sich um die wirtschaftlichen Belange – vor allem der Universitätsküche – kümmerte. Der bekannteste Ökonom der Benediktineruniversität war Conrad Hagger, Verfasser des „Neuen Saltzburgischen Koch-Buchs“, einer barocken Genussbibel aus dem Jahr 1718, das 2.550 Rezepte mit 300 Kupferstichen überliefert.66

Georg Pezolt (1810–1878)/Zeichner, Johann Baptist Kuhn (1810–1861)/Drucker, Missionshaus in Schwarzach, Salzburg Museum, Inventar-Nr. 1163-49

An der Benediktineruniversität waren – sieht man von den wenigen Jahren ab, in denen eine Medizinische Fakultät existierte67 – üblicherweise 19 Lehrstühle besetzt:68

Jährlich wurde zwischen Ostern und Pfingsten eine Visitation durch den Präses abgehalten, eine Art „Controlling“, das alle Personen, Einhaltung der Statuten, Lehrtätigkeit und Wirtschaftsverwaltung überprüfte. Auf der Grundlage der Visitation wurde ein genauer Bericht erstellt, der das Programm für das nächste Jahr vorgab.69

Calendarium Academicum

Der zeremonielle Ablauf des Studienjahres war im Calendarium Academicum festgehalten. Üblicherweise begann das Studienjahr am 4. November, dem Festtag des Universitätspatrons, des hl. Carlo Borromeo. Die Vorlesungen dauerten am Vormittag von 6.45 bis 11 Uhr und am Nachmittag von 13.30 bis 17 Uhr.70 Zwei Vakanzzeiten unterbrachen das Studienjahr. Bis 1677 dauerten die längeren Ferien vom 11. Juli bis zum 10. August und die kürzeren vom 16. bis 28. Oktober.71 Daneben gab es eine Reihe von Fest- und Feiertagen, beispielsweise für die Fakultätspatrone Thomas von Aquin (Theologie, 7.3.), Ivo Hélory (Rechtswissenschaften, 19.5.) und Katharina von Alexandria (Philosophie, 25.11.). Zu diesen Anlässen gab es Festtagspredigten, am Tag des hl. Ivo hielt überdies ein adeliger Jus-Student eine Lobrede.72

Reger Austausch bestand mit den anderen Salzburger Ordensgemeinschaften, besonders mit den Franziskanern. Sie unterhielten in ihrem Kloster ein eigenes Hausstudium, in dem Theologie nach dem Franziskaner Johannes Duns Scotus unterrichtet wurde, während an der Benediktineruniversität Thomas von Aquin im Zentrum der Lehre stand.73

Triumphpforte, welche die Benediktineruniversität anlässlich der Domweihe 1628 in Auftrag gab, aus: Thomas Weiss, Basilicæ Metropolitanæ Salisburgensis dedicatio, Salzburg 1628, S. 18, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. R 1240 I

Selbstverständlich beteiligte sich die Benediktineruniversität an den Festen des Fürsterzbistums, etwa an der Domweihe (1628) und am vermeintlichen 1100-Jahr-Jubiläum der Ankunft des hl. Rupert (1682). Für die Inaugurationen von Fürsterzbischöfen verfassten Benediktinerprofessoren aufwendige Gratulationsschriften, besonders prachtvoll beispielsweise die Embleme von P. Paris Gille.74 Grund zum Feiern boten auch die hohen Gäste der Fürsterzbischöfe, für deren Unterhaltung zumeist die Universität mit einem Theaterspiel sorgte.75 Anlässlich der ersten Säkularfeier 1718 – man zählte zu dieser Zeit ab der Grundsteinlegung des Studiengebäudes – richtete die Universität ein glanzvolles Fest aus, dessen Krönung das Theaterstück „Connubium Religionis et Sapientiae in Nursio et Iovina“ war:76 In Anlehnung an Martianus Capella wurde eine allegorische Hochzeit von Religion und Weisheit gefeiert, personifiziert durch Nursius (abgeleitet von Benedikt von Nursia) und Iovina (abgeleitet von Iuvavum, Salzburg).

Christoph Lederwasch (1651–1705)/Zeichner und Stecher, Prozession anlässlich des vermeintlichen 1100-Jahr-Jubiläums der Ankunft des hl. Ruperts in Salzburg: 53. Szepterträger, 54. Professoren des Gymnasiums, 55. Professoren der Fakultäten, 56. Rektor, 18.10.1682, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. G 1550 III

Um bei so vielen Festen und Feiern den Überblick nicht zu verlieren, gab üblicherweise der Mathematikprofessor einen Kalender unter dem Titel „Ephemerides ecclesiasticae, astronomicae, historicae, ethico-politicae“ heraus.77 Besonders prachtvoll ist der „Annus Mariano-Benedictinus“, der im Auftrag der Marienkongregation entstand und für jeden Tag des Jahres den Kupferstich eines Benediktinerheiligen mit kurzer Betrachtung zeigt.

Rektoren, Dekane & Fakultäten

In den 188 Jahren ihrer Existenz leiteten 21 Rektoren die Benediktineruniversität. Sechs von ihnen erhielten anschließend die Würde eines Abtes.78 Geleitet wurde eine Fakultät von einem gewählten Dekan jeweils für die Dauer eines Studienjahres. Er war verpflichtet, über seine Amtszeit das Fakultätsprotokoll zu führen. Diese Protokolle sind zum Großteil im Universitätsarchiv erhalten und geben – je nach Überlieferungsfreude des Verfassers – mehr oder weniger detailliert Auskunft über die Fakultätsgeschichte.

Burkhard Schramann (tätig 1636–1674)/Zeichner, Georg Andreas Wolfgang (1631–1716)/Stecher, Kupfertitel, aus: Joseph Mezger, Annus Mariano-Benedictinus, Salzburg 1687, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. R 1834 I

Zur Amtstracht der Benediktinerprofessoren gehörten Talar und Barett sowie zusätzlich eine Epomis, eine Art Schärpe.79 Während die Epomis des Rektors mit Goldbrokat bestickt und reich verziert war, trugen die Professoren die Schärpen in den Farben ihrer Fakultäten:80 Lachsrot für Theologen, Scharlachrot für Juristen und Blau für Philosophen.

Die Professoren des Kollegiums vernetzten sich untereinander oder standen oft auch in verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander. Die Brüder Franz, Joseph und Paul Mezger aus dem Stift St. Peter prägten wesentlich das Universitätsleben in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. An sie erinnert noch heute der wertvolle Mezgerkelch. Rektor Franz Schmier und der Theologe Bernhard Schmier waren ebenfalls erfolgreiche Brüder.81 Zweimal beerbten Söhne ihre Väter als weltliche Rechtsprofessoren: Anton Hermes folgte seinem Vater Hermann, Franz Christoph Herz seinem Vater Franz Joseph auf die Lehrkanzel. Der Jurist Ernst Friedrich von Someting war wiederum der Schwager des Universitätsbuchdruckers Johann Baptist Mayr.82 Der Rechtsprofessor Johann Philipp Stainhauser von Treuberg meinte hingegen, Benachteiligungen darauf zurückführen zu können, dass er eine angetragene Heiratskandidatin ausgeschlagen hatte: Sie sein spitzbuben, Ich waiss wo diese passion gegen mir herkomet: weilen ich keine von Euren canalien geheirathet habe.83

Rektor P. Franz Schmier (1679–1728) in epomide, Benediktinerabtei Ottobeuren

Rektor (Goldbrokat) und Professoren der Theologie (lachsrot), des Rechts (scharlachrot) und der Philosophie (blau), Privatbesitz

Ferdinand Siegmund Amende (1656–1731)/Goldschmied, Mezgerkelch, 1700, Salzburg, Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter, Inv.Nr. O 973

An allen Fakultäten der Benediktineruniversität machten Professoren mit vielbeachteten Publikationen von sich reden. Das „Manuale parochorum“ – „Handbuch für Pfarrer“ von P. Ludwig Engel wurde beispielsweise über ein Jahrhundert lang als unentbehrliches Grundlagenwerk für jeden Pfarrhof betrachtet.84 Aus der Feder von P. Paul Mezger stammte die voluminöse „Theologia Scholastica Salisburgensis“, eine Verschriftlichung der in Salzburg gelehrten Theologie.

Kanonisches Recht, eine Verbindung von Theologie und Jus, wurde stets von einem Benediktiner gelehrt. Mit P. Celestino Sfondrati, bei dessen Vorlesungen der Hörsaal die Menge seiner Zuhörer oft nicht fassen konnte,85 wurde einer der Salzburger Kanonisten sogar zum Kardinal kreiert. Die anderen drei Professuren der Juridischen Fakultät übernahmen weltliche Professoren, die üblicherweise nach dem Dienstalter auf die jeweils höher dotierte Lehrkanzel Institutionen (400 fl.), Pandekten (600 fl.) und Codex (1.000 fl.) vorrückten.86 Finanziert wurden die Gehälter durch eine Stiftung des Erzbischofs Paris Grafen von Lodron.87 Um den Professoren einen Wohnungszuschuss gewähren zu können, wurde sie später durch Erzbischof Johann Ernst Grafen von Thun aufgestockt.88

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges sorgte vor allem der aus Köln neu nach Salzburg berufene Professor Hermann Hermes erneut für den Aufschwung der Fakultät:89 Er zog gleich eine Menge Studenten nach Salzburg, und trug wahrscheinlich sehr vieles dazu bey, daß die dasige Universität von dieser Zeit an sich mächtig emporschwang, und von den Ausländern zahlreich besuchet wurde.90 Von substanzieller Bedeutung war der Kommentar seines Kollegen Christoph Bluemblacher zur „Constitutio Criminalis Carolina“, der die Grundlage der territorialen Strafrechtspflege in Salzburg bildete und bis 1752 in sieben Auflagen erschien.91 Als originell galt Joseph Bonaventura Franz, der ein Liebhaber von unnützen Schulstreitigkeiten und zwecklosen Speculationen war. Er soll öfters im Schlafrocke und mit einer Nachtmütze auf dem Haupte ausgegangen, und in diesem poßierlichen Anzug mit einem Buche in der Hand auf der Gasse und vor den Thören der Stadt herumspaziert seyn.92

Tafel bei der Wahl der Dekane in der Stuba Academica, aus: Calendarium Academicum, Universitätsarchiv Salzburg, bA 122

Von der überaus wichtigen Gutachtertätigkeit der Juridischen Fakultät legen 20 Bände – 8.861 paginierte und 12.000 geschätzte Seiten – eindrucksvoll Zeugnis ab.93 Ein berühmtes Gutachten beschäftigte sich mit Delikten der Zauberei in Vaduz und empfahl wegen der Verfahrensmängel eine Nichtigkeitserklärung der Urteile.94

Hermann Hermes (1605–1680), Porträtstich, aus: Fasciculus juris publici, Salzburg 1697, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. 101.443 I

Johann Friedrich Pereth (1643–1722)/Zeichner, Leonhard Heckenauer (1655–1704)/Stecher, Kupfertitel, aus: Paul Mezger, Theologia Scholastica Salisburgensis, Augsburg/Dillingen 1695, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. R 1497 III

Johann Carl von Reslfeld (1658–1735)/Zeichner, Philipp Jakob Leidenhoffer (1650–1714)/Stecher, Titelkupfer, aus: Ludwig Babenstuber, Philosophia Thomistica Salisburgensis, Augsburg/Dillingen 1706, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. 1496 III

Eine Verschriftlichung der an der Benediktineruniversität vorgetragenen Philosophie stellte die „Philosophia Thomistica Salisburgensis“ von P. Ludwig Babenstuber an der Philosophischen Fakultät dar.95 Philosophie war zu dieser Zeit ein Querschnittsfach, das den heutigen Mittelschulkanon abdeckte, also auch Fächer wie Geschichte, Geographie, Mathematik und Physik. Zahlreiche Benediktinerprofessoren betätigten sich als Geschichtsschreiber,96 ganz besonders nach der Forderung von Erzbischof Max Gandolph Grafen von Kuenburg, Universalgeschichte nach ethischen und politischen Gesichtspunkten im Rahmen des Philosophiestudiums abzuhandeln. P. Simon Rettenpacher, der zudem als Dichter bekannt wurde,97 strukturierte den Stoff gemäß der Geschichtsprophetie des biblischen Buches Daniel nach den vier Monarchien der Assyrer, Perser, Griechen und Römer.98 Einen Schwerpunkt auf antike Geschichte legte sein Nachfolger Otto Aicher, ebenso der Jurist Johann Balthasar Braun, der römische Kaiserviten schrieb.99 In Hinblick auf das vermeintliche 1100-Jahr-Jubiläum der Ankunft des hl. Rupert verfassten die drei Brüder Mezger die „Historia Salisburgensis“, scheiterten aber mit ihrer These an der Quellenkritik des Mauriners Jean Mabillon.100 Der Rechtsprofessor Judas Thaddäus Zauner begann mit der „Neuen Chronik von Salzburg“, die vom letzten Rektor der Benediktineruniversität, P. Corbinian Gärtner, zum Abschluss gebracht wurde.101

InVenIt et fIerI / P. BernadrDVs StVart feCIt In LaboratorIo / MathesIs Professor sVo SaLIsbVrgensI – „[Die Uhr] erfand und ließ herstellen der Mathematikprofessor P. Bernard Stuart in seinem Salzburger Labor“, die römischen Zahlbuchstaben ergeben das Chronogramm 1735, Detail, aus: P. Bernard Stuart OSB/Entwurf, Jakob Bentele/Ausführung, Astronomische Prunkuhr für Fürsterzbischof Leopold Anton Eleutherius Freiherrn von Firmian, Gehäuse in Boulletechnik von Thomas Ableithner, Salzburg, Residenz

Ebenfalls zur Philosophischen Fakultät zählte der Mathematikprofessor, der nicht zuletzt als Experte in Fragen der Architektur galt. Im 18. Jahrhundert beteiligte sich P. Bernard Stuart an den Plänen zu Schloss Leopoldskron und konstruierte prachtvolle Uhren. Er folgte einer Berufung nach St. Petersburg, bevor er schließlich zum Abt seines Klosters gewählt wurde.102

Als Universalgelehrter brillierte Mitte des 18. Jahrhunderts P. Anselm Desing, der innovative Lehrbücher für zahlreiche Wissensgebiete verfasste.103

Studium

Zu Beginn ihres Studiums mussten sich die Studenten immatrikulieren, also handschriftlich in das Matrikelbuch eintragen. Daran war eine sozial gestaffelte Gebühr gebunden. Armen Studenten konnte sie aber komplett erlassen werden.104 Da die Universität keinen duldete, dessen Name nicht im Matrikelbuch aufschien, wurden die angehenden Studenten zwar ermahnt, sich ausnahmslos einzutragen,105 jedoch muss die überlieferte Zahl von 32.210 wohl erheblich höher angesetzt werden, denn in den von 1639 bis 1810 erhaltenen Matrikelbüchern fehlen viele Eintragungen.106 So soll etwa der Astronom Geminiano Montanari, der ab 1679 in Padua lehrte, 1656 in Salzburg promoviert worden sein.107 Sein Name scheint im Matrikelbuch nicht auf, doch eine handschriftliche Widmung seines Buches „Pensieri Fisico-Matematici“ für den Salzburger Mathematikprofessor belegt seine Beziehung zur Benediktineruniversität.108

Bereits im Barockzeitalter fielen diverse Lücken im Matrikelbuch auf. Besonders peinlich trat dies zu Tage, als Franz Ludwig Schenk von Castell 1725 anlässlich seiner Wahl zum Fürstbischof von Eichstätt einen Studiennachweis benötigte.109

Ausgesprochen beliebt war die Benediktineruniversität beim Adel. Vertreter fast der gesamten österreichischen Aristokratie studierten in Salzburg.110 Sie wohnten mit ihren Hofmeistern in der Stadt, meist direkt bei den weltlichen Professoren, die ihnen zusätzlich Privatunterricht erteilten. Der Dienst als Edelknabe in der Pagerie des Erzbischofs komplettierte ihre höfische Ausbildung, die Fremdsprachenunterricht, Reiten, Fechten und Musik einschloss.111 Zu den namhaften, im Matrikelbuch festgehaltenen Adeligen zählen die späteren Salzburger Landesfürsten Franz Anton Fürst von Harrach (1683),112 Leopold Anton Eleutherius Freiherr von Firmian (1691),113 Andreas Jakob Graf von Dietrichstein (1707)114 und Siegmund Christoph Graf von Schrattenbach (1711).115

Matrikelbuch mit Immatrikulation von Johann Georg Leopold Mozart, 07.12.1737, Universitätsarchiv Salzburg, bA 2 (Ausschnitt)

Studentenfrequenz an der Benediktineruniversität, 1639–1811, Grafik: Andreas Nikolai Janatsch

Recht unterschiedlich verliefen die Karrierewege der Absolventen. Beispielhaft sind der spätere Pestprediger Abraham a Sancta Clara (1659),116 der Diplomatiker Gottfried Bessel (1691),117 der Komponist Leopold Mozart (1737)118 und der Orientalist Jakob Philipp Fallmerayer (1809) zu erwähnen.119 Bekanntheit erlangten auch Johann Andreas von Liebenberg (1642),120 der Bürgermeister von Wien während der Zweiten Türkenbelagerung, und Kajetan Gilowsky,121 der 1794 als Jakobiner verhaftet wurde und sich im Gefängnis selbst erdrosselte.122

Den größten Zulauf verzeichnete die Universität in der Regierungszeit des Erzbischofs Franz Anton Fürsten von Harrach (1709–1727).123 Erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts brach die Zahl der Studenten infolge der von Maria Theresia und Joseph II. verhängten Auslandsstudienverbote für Österreicher empfindlich ein.124

Studienverlauf

Das Gymnasium der Benediktineruniversität umfasste eine Vorbereitungsklasse (parva schola) und fünf Schulstufen (Rudimentisten-, Grammatik-, Syntax-, Poetik- und Rhetorikklasse). Wichtigstes Unterrichtsziel war das Erlernen von Latein als Wissenschaftssprache.125 Der „Catalogus librorum“ listet die Lehrbücher im Unterricht auf. Nach den Einführungslehrbüchern der Jesuiten Manuel Álvares und Cypriano de Soarez wurden Auszüge der lateinischen Klassiker gelesen.126 Eine Salzburger Besonderheit in diesem Kanon bildete der Alexanderroman des Quintus Curtius Rufus, dessen Episoden 1709/10 im Deckenzyklus der Prunkräume der Residenz von Martino Altomonte und Johann Michael Rottmayr rezipiert wurden.127 In der abschließenden Rhetorikklasse wurde stets ein Drama von Seneca gelesen, eine der Grundlagen für das Universitätstheater.128

Catalogus librorum, 1657, Universitätsarchiv Salzburg, bA 154

Durchschnittlich 500 Schüler, die hauptsächlich aus Salzburg und seinen Nachbarländern stammten, besuchten Mitte des 18. Jahrhunderts das Gymnasium. Ab dem Jahr 1749 überliefern die „Catologi inferiorum“ ihre Leistungen. Nicht durch Noten sondern verbal nach einem vierteiligen Schema wurden Ingenium (Talent), Diligentia (Sorgfalt), Profectus (Fortschritt) und Mores (Charakterzüge) beurteilt.129

Nach dem Gymnasium war verpflichtend ein zweijähriges Philosophiestudium zu absolvieren.130 Jeweils am Jahresende fand eine Prüfung statt, deren Fragen oft aktuelle Bezüge hatten. So lautete etwa eine der Fragen 1648, im Jahr des Westfälischen Friedenskongresses, ob die Logik anzuwenden ist, wenn es um Pläne des Friedens geht?131 Bis 1634 war es üblich, die Reihenfolge beim Prüfungsantritt auszulosen, danach erfolgte sie alphabetisch. Kandidaten, die zu spät kamen, erhielten eine schlechtere Note.132 War die Prüfung bestanden, spondierten die erfolgreichen Absolventen nach dem ersten Jahr zum Baccalaureus und nach dem zweiten Jahr zum Magister philosophiae.133 Leistungsschwächere Studenten konnten ohne Titel aufsteigen, Repetenten gab es nur wenige. Bereits im Philosophiestudium übten sich die Studenten im Verteidigen von Thesen. Nachdem die Hofdruckerei kurz nach der Gründung des Gymnasiums mit Genehmigung des Landesfürsten zur Hof- und Universitätsbuchdruckerei geworden war,134 erfolgte hier die meist von Mäzenen finanzierte Drucklegung der Thesen. Daher war der Buchdruckersohn Gregor Kürner zum Erlernen seines Handwerks in die Universitätsbuchdruckerei Ingolstadt geschickt worden.135 Bis zu seiner Rückkehr wurden die ersten Thesenblätter in Padua gedruckt.136

Rudimentistenklasse des Gymnasiums im Catalogus inferiorum, 1762, Universitätsarchiv Salzburg, bA 5

Jakob Zanusi (1679–1742)/Vorlage, Johann Heinrich Störcklin (1687–1737)/Stecher, Bekanntgabe der Sponsion in der Großen Aula mit den Namen der Kandidaten in der Reihenfolge ihres Abschneidens, 1748, Universitätsarchiv Salzburg, bA 151

Zeugnis für Franz Joseph Kleinmayer, 29.11.1675, Universitätsarchiv Salzburg, A 81, 89

Nach dem zweijährigen Philosophiekurs konnten die Salzburger Studenten zwischen dem Theologie- und dem Jus-Studium wählen. Mit dem Abschluss dieser Studien war trotz bestandener Prüfungen kein Titel verbunden, Lizentiat und Doktorat mussten teuer bezahlt werden.137 Die meisten Studenten begnügten sich daher mit einer Art Kompetenzzeugnis, das den erfolgreichen Besuch der Lehrveranstaltungen und das Bestehen der Prüfungen bestätigte. Man musste nicht zwangsläufig in Salzburg studiert haben, um zum Rigorosum antreten zu können. Für Immatrikulation, Rigorosum und Promotion benötigte Prokop Diviš nur einen einzigen Tag.138 Er war der Erfinder eines Blitzableiters, der jedoch von Bauern abgerissen wurde, weil sie ihn für eine anhaltende Dürreperiode verantwortlich machten.139

Eine Reihe notwendiger Dienstleistungen verteuerte den Studienabschluss empfindlich. Die hohen Kosten senken konnten Studenten, wenn sie ihr Zeugnis selbst abschrieben, was aber gelegentlich zu Missbrauch führte. Ein Student entwendete in einem unbeachteten Moment sogar das Siegel des Rektors.140 Ein unzufriedener Absolvent schickte sein Zeugnis mit der Erklärung zurück, wenn man ihm kein besseres ausstelle, benötige er es nicht. Die Fakultät verweigerte das und bedrohte ihn wegen des angetanen Despektes mit drei Tagen im Karzer und 3 fl. Strafe.141

Sponsion, aus: Calendarium Academicum, Universitätsarchiv Salzburg, bA 122

Im Idealfall endete das Studium im Barockzeitalter mit der feierlichen Sponsion oder Promotion in der Großen Aula. Dabei wurden traditionell hl. Schrift, Schärpe (Epomis), Barett, Kette, Ring und Fackel übergeben, sowie nach einer Umarmung der Sitz im Kollegium zugewiesen.142 Schwungvolle und scherzhafte Reden wurden aus diesem Anlass gehalten, beispielsweise fragte 1661 P. Franz Mezger: Soll man während des Trinkgelages philosophieren?143 Im 18. Jahrhundert war P. Corbinian Thomas ein gefragter Promotionsredner, an dem man ein körniges ciceronianisches Latein, aber auch die Kunst zu extemporieren bewunderte, denn gar gerne vergaß er sein Manuscript in seiner Wohnung, oder unterließ die Abfassung eines solchen im Drange der Geschäfte. Jedermann weiß, wie schwierig es ist, über wissenschaftliche Fragen ohne gründliche Vorbereitung zu sprechen, und doch wußte er jedesmal unter allgemeiner Anerkennung zu einem glücklichen Ende zu kommen.144

Rektoratsprotokolle

Der Rektor war der Gerichtsherr über die Studenten und verhandelte die zivilen Rechtsfälle mit Ausnahme der sogenannten enormen Delikte, beispielsweise Mord.145 Etwa 80 Tage saß der Rektor jährlich zu Gericht. Die Rektoratsprotokolle sind heute unschätzbare Quellen über das Alltagsleben an der Universität und darüber hinaus.146 Verhandelt wurden versäumte Unterrichtsstunden, Verbalinjurien, Ruhestörungen, Zechschulden, Raufereien und Duelle. Üblicherweise bestrafte die Universitätsleitung Fehlverhalten mit dem Karzer. Für das Fehlen beim 40-stündigen Gebet mussten dagegen zwei Rosenkränze in der Aula gebetet und eine Geldstrafe entrichtet werden.147

Da die Wirtshausbesuche ein ständiger Zankapfel waren, wurde immer wieder versucht sie einzuschränken. Als allerdings Erzbischof Colloredo verfügte, dass kein Student die Wirtshäuser weder zur Kost, noch zum Trunk, am allerwenigsten zum Tanz besuchen sollte, hielt der Fakultätsrat das Gesetz für unausführbar, da man den Studenten alle Gelegenheit nehme sich zu ergötzen.148

Das Musizieren von Studenten in Wirtshäusern führte zu Konflikten mit Berufsmusikern, die um ihre Verdienstmöglichkeiten fürchteten, außerdem sah die Universitätsleitung darin eine Herabwürdigung des Musensohnes. Schulhalter beschwerten sich, wenn die Studenten sich nicht auf Nachhilfe beschränkten, sondern Kinder im Lesen und Schreiben unterwiesen.149 Zu Kritik führte 1707 ein Besuch von Studenten in Hellbrunn: Bei der Besichtigung der Raritäten habe ein Student eine Schildkroten aufgehebt und einem andern Studenten in die Tasche des Rocks geschoben.150 Beklagt wurde das Tabakrauchen von Studenten, die den Vorübergehenden mit Tabakdampf beschwerlich fallen. 1802 wurde das Rauchen gänzlich untersagt, da es der Gesundheit nachteilig ist, die Feuersgefahr vermehrt und alljährlich eine sehr beträchtliche Summe Geldes außer Landes ziehet.151

Gefälschter Stammbaum des „Prinzen Tunora“, Salzburg Museum

Den Studenten wurde keusches Leben abverlangt, dennoch kam es immer wieder zu „Unsittlichkeitsdelikten“. Ein beliebtes „Liebesnest“ scheinen die Katakomben des Petersfriedhofs gewesen zu sein, wo der Abt solch bese leith nicht nur einmal erdapet hat.152 Für gehörige Aufregung sorgte ein angehender Domherr, dem Salzburgs Damenwelt zu Füßen lag. Er musste Salzburg schließlich auf Weisung des Erzbischofs verlassen, weilen man ihm die fremde Menscher und nächtliches außgehn nicht gestatten wollte.153 Dramatisch endete die Liebesbeziehung eines Studenten mit der Henkerstochter: Weil er eine „Unehrliche“ geschwängert und mit Zauberei experimentiert hatte, wurde er mit einem „Schandmal“ gebrandmarkt und aus der Stadt gewiesen.154

Der spektakulärste Fall, der in Salzburg verhandelt wurde, betraf aber 1804 eine Schwindelei. Dem leichtgläubigen Gärtnerssohn Kajetan Treml aus Mattighofen wurde von seinen Kommilitonen eingeredet, in Wahrheit der Sohn eines Fürsten Tunora von den Strivaliinseln im Ionischen Meer (heute: Strofades) zu sein. Treml übernahm die neue Rolle mit Überzeugung, lebte auf großem Fuß und verschuldete sich mit Hilfe leichtgläubiger Geldgeber – sogar der Rektor streckte ihm die Summe von 1.300 fl. vor! Als erste Zweifel laut wurden, verfertigte der Sohn des Registrators des Domkapitels einen abenteuerlichen, angeblich von vier Emiren beglaubigten Stammbaum. Dabei fiel nicht auf, dass die vier Urgroßväter erstaunlicherweise alle Tunora hießen und zum Teil bei der Geburt ihrer Kinder etwa 100 Jahre alt gewesen wären. Josefine Grenier, Tochter des Salzburger Ingenieur-Hauptmannes Ludwig Grenier, erlag dem Charme des vermeintlich exotischen Prinzen und gebar eine uneheliche Tochter, bevor der Schwindel endlich aufflog. Treml floh, inskribierte in Innsbruck, gab sich diesmal als Graf Taufkirchen aus, floh neuerlich und wurde endlich in Ried gefangengesetzt. Ein ärztliches Attest erklärte ihn für in hohem Grade geistesarm, das Gericht verurteilte ihn daraufhin zu dreijährigem Festungsarreste in Springeisen, von dem ihm aber zweieinhalb Jahre nachgelassen wurden. Er starb als Zentral-Staatskassa-Offizial in München.155

Sykophantenstreit & Reformen

Als der Direktor der hochfürstlichen Edelknaben, Johann Baptist von Casparis, die Neffen des Erzbischofs Leopold Anton Eleutherius Freiherrn von Firmian mit den Schriften des italienischen Gelehrten Lodovico Antonio Muratori bekannt machte, führte dies zur Auseinandersetzung mit den Professoren der Benediktineruniversität.156

Muratori forderte ein auf Quellen aufbauendes Geschichtsstudium und die Pflege der historischen Hilfswissenschaften. Darüber hinaus war er ein Vertreter der von der Aufklärung beeinflussten katholischen Reformbewegung. Der Streit entzündete sich an der Predigt eines Kapuziners, der deklamierte, das Reich der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sei gleichsam in zwei Theile zwischen Gott und Maria getheilt.157 Darüber machten sich die Aufklärer lustig, was wiederum den anerkannten Kanonisten P. Placidus Böcken an die Spitze der Verteidiger der Marien- und Heiligenverehrung treten ließ.158 Als im Zuge der Differenzen die Muratorianer und schließlich der Erzbischof selbst als Freimaurer bezeichnet wurden, griff der Landesfürst hart durch und enthob die Agitatoren ihres Dienstes. Auch P. Placidus wurde angedeutet, daß man es bei Hofe gerne sähe, wenn er sich von der Universität zurückziehen würde, was er schließlich tatsächlich tat.159

Diese inhaltlichen Auseinandersetzungen fielen zeitlich mit der Errichtung eines Collegium St. Josephi et Caroli (1737) für junge Adelige im Schwabenhaus (Getreidegasse 25) zusammen. Doch es musste bereits nach drei Jahren mit einem Verlust von 40.000 fl. aufgegeben werden.160 Rektor Gregor Horner wurde daraufhin abgelöst.

Ein neuer, unter dem Eindruck der Ereignisse ausgearbeiteter Studienplan berücksichtigte ab 1741 die Naturwissenschaften deutlich stärker. Erzbischof Andreas Jakob Graf von Dietrichstein ließ einen Physiksaal einrichten und unterstützte die Forschungen zu Experimentalphysik und Naturwissenschaften von Benediktinerprofessoren,161 etwa von Frobenius Forster und Candidus Werl aus Irsee. Mit Elektrizitätslehre und Meteorologie beschäftigte sich Dominikus Beck aus Ochsenhausen,162 der hohes Ansehen genoss und Mitglied der Akademien von Löwen, München, Rovereto und Halle war. Sogar Maria Anna („Nannerl“) Mozart war der Beginn seiner Vorlesungen einen Eintrag in ihrem Tagebuch wert.163 Nach seinem Tod ließ der Abt von St. Peter eine Wachsbüste des Gelehrten anfertigen. Doch die eifersüchtigen Kollegen lehnten es ab, sein Bildnis in das Museum zu stellen, mit dem Ausdruck: wenn diesem ein Monument sollte gesetzet werden, was müßte anderen geschehen? Die Wachsbüste verblieb somit im Stift St. Peter.164

Bartholomäus Lominger (1752–1810), Wachsbüste von P. Dominikus Beck (1732–1791), Salzburg, Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter

Anerkannt waren überdies die Forschungen von P. Ulrich Schiegg, der 1784 nur drei Monate nach den Gebrüdern Montgolfier unter großem Aufsehen den ersten deutschen Heißluftballon steigen ließ und sich damit auseinandersetzte, bei Bräupfannen, Waschkesseln und Salzsudwerken Holz zu sparen. Er nahm an der Erstbesteigung des Großglockners teil und ermittelte dessen Höhe.165 Später befasste er sich mit Landvermessung, die durch den häufigen Besitzwechsel im Zuge der Franzosenkriege notwendig geworden war.166

Ausklang

Trotz durchaus ansehnlicher Erfolge sah sich die Benediktineruniversität gegen Ende des 18. Jahrhunderts anhaltender Kritik ausgesetzt, da nicht die Kirche, sondern vermehrt der Staat die Ausbildung lenken sollte. Die Mönchsorden wurden heftig attackiert. Johann Pezzl,167 der ab 1776 in Salzburg Rechtswissenschaften studiert hatte,168 schrieb aus der Erfahrung eines abgebrochenen Noviziats die „Briefe aus dem Noviziat“. Darin geißelte er die Demuts- und Frömmigkeitsübungen, zudem manche Heuchelei in den Klöstern. Er wurde daraufhin streng verhört, doch konnte er argumentieren, das Büchlein sei vom „Consistorial-Rath“ selbst gelesen und danach nicht wie in Kurbayern verboten, sondern zum öffentlichen Verkauf freigegeben worden und deshalb in den Salzburger Buchläden erhältlich.169

Auch Rektor P. Johann Damascen von Kleinmayern übte heftige Kritik an der Missachtung des Lebens in Klausur im Konvikt, wenn Weibspersonen in die Zimmer der Professoren geführet, mit Kaffee bedienet, oder mit einem Spiele unterhalten wurden. Ein besonderer Dorn im Auge war ihm P. Jakob Danzer, der seine Privatkollegien zur selben Zeit wie die Andachten der Marienkongregation hielt und eine provokante Lebensweise führte: Der Professor Danzer fing zuerst an, sich französisch zu kleiden und gebrauchte sich dieser Kleidung anfangs nur zum Spazirengehen und wenn er das Theater besuchte. Seine Kleidung war anfangs sehr simpel; weil er in dieser seiner Eitelkeit von Großen Unterstützung fand, kräuselte er bald seine Haare, endlich puderte er sich zuweilen; jetzt hält er sich seinen eigenen täglichen Friseur. Er schuf sich prächtigere und kostbarere Kleider, worunter auch prächtige und mit kleinen Perlen gestickte sind.170 Danzer wurde schließlich aus Universität und Orden entlassen.171

Kokarde aus dem Besitz von P. Corbinian Gärtner, Archiv der Erzabtei St. Peter, Akt 112/1

Erzbischof Colloredo hatte bereits 1773/74 versucht, mit einer neuen Studienordnung dem sinkenden Renommee der Benediktineruniversität gegenzusteuern.172 War noch wenige Jahre zuvor Johann Philipp Stainhauser von Treuberg angezeigt worden, weil er das Lehrbuch eines Protestanten als Grundlage für seine Vorlesungen herangezogen hatte,173 hielten nun Kant, Fichte und Reinhold durch P. Ulrich Peutinger Einzug in den Universitätslehrplan.174

Um den neuen Strömungen Rechnung zu tragen, schickte Colloredo die Patres Johann Evangelist Hofer und Corbinian Gärtner auf eine Studienreise nach Göttingen und Paris, wo sie 1789 den Sturm auf die Bastille miterlebten.175 In Salzburg trugen sie zur Verbreitung des aufgeklärten Gedankenguts ebenso bei wie der beliebte Rektor Augustin Schelle, der zusammen mit Lorenz Hübner von 1788 bis 1790 die „Oberdeutsche allgemeine Literatur-Zeitung“ herausgab.176 Eingang in höchste Kreise fand ihr Kollege P. Aegidius Jais, der als Religionspädagoge die Söhne des vorübergehend in Salzburg residierenden Kurfürsten und Großherzogs Ferdinand III. von Toskana unterrichtete.177

Trotz aller Erfolge verfügte die nachfolgende bayerische Übergangsregierung am 24. Dezember 1810 die Aufhebung der Benediktineruniversität.

Universitätsgeschichte

Bereits die Benediktineruniversität verfügte über ein Archiv, für das wichtige Dokumente handschriftlich kopiert wurden. Die Niederschrift einer Universitätsgeschichte wurde erstmals in Hinblick auf die Säkularfeier 1718 geplant, kam jedoch über eine Stoffsammlung durch P. Roman Sedlmayr aus dem Stift St. Blasien im Schwarzwald nicht hinaus. Nach seinem Tod wurde sie von P. Roman Endel ausgearbeitet und 1728, also zehn Jahre später, von P. Stanislaus Wülberz ediert.178 Der Salzburger Rechtsprofessor und Chronist Judas Thaddäus Zauner verfasste an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert Lebensbilder der Rektoren und Rechtsprofessoren. P. Magnus Sattler dehnte das Unternehmen auf eine Universitätsgeschichte mit Kurzbiografien aller Professoren samt Werkverzeichnis aus.179 Es erschien eine Reihe von Detailstudien, etwa zum Streik von 1711 und der Studentengerichtsbarkeit.180 Besonders verdient um die Erforschung der Universitätsgeschichte machte sich P. Virgil Redlich, Sohn des Historikers Oswald Redlich, der die Matrikelbücher der Benediktineruniversität edierte,181 allerdings blieb ein Registerband bis heute Desiderat. Die Gründungsphase behandelte P. Friedrich Hermann eingehend in seiner Habilitationsschrift.182 Eine Reihe von Grundlagenstudien verfasste Ägidius Kolb,183 der das Universitätsarchiv nach Urkunden, buchförmigen Archivalien und Akten ordnete. In seiner Nachfolge legten vor allem Universitätsarchivar:innen Studien vor, auch dem Benediktinerorden, insbesondere der Bayerischen Benediktinerakademie, blieb die Erforschung der Universitätsgeschichte ein stetes Anliegen. Die fortschreitende Digitalisierung wird in Zukunft wertvolle Quellen wie Matrikelbücher, Protokolle und Zeugnissammlung für eine breite Öffentlichkeit erschließen.

Roman Sedlmayr, Historia almae et archi-episcopalis Universitatis Salisburgensis sub cura PP. Benedictinorum, Bonndorf 1728, Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. R 3010 I

Johann Michael Sattler (1786–1847)/Maler, Friedrich Loos (1797–1890)/Landschaft, Johann Josef Schindler (1777–1836)/Staffage, Panorama der Stadt Salzburg, Detail: Altes Studiengebäude, 1825–1829, Öl/Leinwand, 500 x 2.700 cm, Salzburg Museum, Inventar-Nr. 1893-49

II.

LYZEUM UND THEOLOGISCHE FAKULTÄT (1810–1938, 1945–1962)

Die Napoleonischen Kriege ließen europaweit die Zahl der Studierenden sinken und führten zur Auflösung zahlreicher Universitäten im deutschen Sprachraum. Salzburg traf diese Welle an Schließungen nach mehrmaligem Herrscherwechsel erst im Jahr 1810.1 Und es sollte 152 Jahre dauern, bis die Universität 1962 wiedergegründet wurde.

Die nebeneinander, oft auch gegeneinander geführten Bestrebungen einer Neugründung waren meist im Sand verlaufen, weil neben finanziellen Schwierigkeiten politische Konflikte die Verwirklichung verhinderten.

Dass es in Salzburg dennoch dauerhaft eine höhere Ausbildung gab, verdankte die Stadt ihrer historisch gewachsenen Bedeutung als Kirchenmetropole.2 Die Theologische Fakultät sorgte für den notwendigen Priesternachwuchs, trug den Universitätsgedanken weiter und wurde damit erneut zur „Keimzelle“ einer Alma Mater.

Das bayerische Lyzeum

Als Salzburg 1810 an Bayern fiel, richtete die Bevölkerung eine Petition für den Erhalt der Universität an König Maximilian I. Joseph. Betont wurde vor allem der wirtschaftliche Nutzen der Bildungseinrichtung.3 Man eröffnete das Wintersemester und sandte das Vorlesungsverzeichnis an den Monarchen. Doch vergebens: Bayern sah den Bedarf mit seinen zwei Hochschulen in Erlangen und Landshut gedeckt.4

Das Dekret zur Aufhebung der Benediktineruniversität wurde bereits am 25. November 1810 erlassen und am 24. Dezember vom königlich bayerischen Schulrat Nikolaus Hartmann verkündet:5H(err) Rat Hartmann, heißt es im Protokoll der Theologischen Fakultät, versuchte uns durch eine Rede, die er mit schlagfertiger Zunge an uns gerichtet hielt, zu überzeugen, dass die Lyceen größeren Nutzen als die Universitäten hervorbringen würden und dass unser neues Lyceum der einstigen Universität nicht nur gleichwertig sei, sondern der Bürgerschaft sogar größeren Glanz und Berühmtheit verschaffen würde. Schließlich sollten alle Anwesenden wegen dieser großen Wohltat des bayerischen Königs ein lautes Vivat! hören lassen, doch wegen der völlig unerwarteten Aufforderung machte dies bis auf zwei oder drei Ausnahmen niemand.6

Leopold Gehmacher/Kreisingenieur, Grundriss des Erdgeschoßes des k. k. Lycealgebäudes zu Salzburg, 1829, 91,7 x 59, 3 cm, Salzburger Landesarchiv, BA IV.11.05

Der Plan des Jahres 1829 zeigt, dass sich die fünf Gymnasialklassen unter der Großen Aula befanden (45–49), in den heutigen Hörsälen der Theologischen Fakultät. Abgesehen vom Bereich des Sacellums (33–36), der Portiersloge (28), der Dienstwohnung des Hausknechts (15–16) und der Waschküche (28) waren die ebenerdigen Gewölbe zum Großteil an die Salzburger Bürgerschaft vermietet. Acht Holzhütten der in den oberen Stockwerken wohnenden Professoren (I–VIII) sind im Zugangsbereich zu den Gymnasialklassen, also direkt vor dem Antritt der Haupttreppe, eingezeichnet. In den Anbauten des Südtraktes („Zimmerhütten des Gartenstöckls“) wurden Werkzeug und Karren gelagert (54–68), zwei Räume dienten vormals als „Studentenkarzer“ (63, 65).

So rasch die Auflösung der Universität erfolgte, so zögerlich ging der Aufbau der neuen Institution vonstatten. Der Beschluss fiel zugunsten eines Lyzeums, worunter man eine an das Gymnasium anschließende höhere Schule mit einer theologischen und einer philosophischen Sektion verstand. Zur Klärung der wirtschaftlichen Basis wurde zunächst die Inventarisierung des vorhandenen Vermögens in Auftrag gegeben. Inzwischen waren die 1,5 Millionen Gulden der Benediktineruniversität auf etwa ein Drittel zusammengeschmolzen.7 Zudem konnte man nur schwer auf das nunmehr im Ausland angelegte Kapital zugreifen und schließlich waren die noch vorhandenen Lehrmittel und Sammlungen eher für Dilettanten als für Wissenschaftler geeignet.8 Ein ernüchterndes Ergebnis, das die bayerische Regierung bei der Degradierung der ehemaligen Universität zum Lyzeum nur bestärken konnte.

Professoren

Personell änderte sich zunächst wenig, aber strukturelle Veränderungen traten in Kraft.9 Die Professoren wurden nicht mehr im akademischen Senat, sondern in Professorenkonferenzen zusammengefasst. Da nun die Unterrichtssprache durchgängig Deutsch war, wurden deutsche Lehrbücher verwendet. Manch alter Professor, wie der letzte Rektor der Benediktineruniversität, P. Corbinian Gärtner,10