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Ich erwecke in diesem philosophischen Gedanken-Drama die alte platonische Tradition des vielstimmigen Gespräches wieder. Ziel ist es die gesamte Dichte und Komplexität der Diskussionen rund um das Thema Wirtschaft, Politik und Ethik abzubilden. Auch psychoanalytische Aspekte spielen mit ein. Die Inszenierung ist aufgezogen wie ein dialogreiches Theaterstück im Rahmen einer Studentenparty. Teilnehmer und Themen wechseln hin und her. Der rote Faden liegt allein in einer Art Metaebene, die nur der von oben herab schauende Leser in all diesem Wirrwar der Stimmen und im Getümmel der Argumente zu erkennen vermag.... Am Ende sprechen aus den Zeilen mehr als Zahlen und interessante, philosophische Inspirationen.... Immer und immer wieder bricht die Erkenntnis durch, dass die dunklen Mächte, die über unseren Köpfen womöglich tatsächlich ihr Unwesen treiben und uns kontrollieren und unterdrücken nicht das eigentliche Problem sind.... Viel gefährlicher sind die dunklen Mächte in uns selbst. Nicht die Illuminati und der mächtige Geldadel, der unser Leben beherrscht, sind das eigentliche Problem, sondern die Tatsache, dass wir die Illuminati als unsere Herrscher im Grunde verdient haben....
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Seitenzahl: 421
Veröffentlichungsjahr: 2018
Politeia
Eine politische Theorie in Polylogform
Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?
Joseph Goebbels
Das Haus lag in einer Wohnsiedlung. Es war schon dunkel geworden, als Eva und die anderen es erreichten. Alles wirkte stereotyp, wie in einer amerikanischen Vorstadt. Die Party war gut besucht. Einige Leute standen in kleinen Gruppen vor der Tür und unterhielten sich, andere tanzten, wieder andere verschwanden zusammen in einem der Zimmer. Auf mehreren Tischen standen Bowle und Bier. Überall waren liebevoll kleine Schälchen mit Chips aufgestellt.
Eva trank einen Schluck von der Bowle und setzte sich in die Ecke zu den Anderen, die alle um einen breiten, quadratischen Tisch herumsaßen. Ramon, ein ehemaliger Mitschüler und inzwischen Student, der einige Jahre älter war als sie, diskutierte gerade mit einigen seiner Kommilitonen.
Die Gruppe der Studierenden hatte es sich in der improvisierten Lounge gemütlich gemacht, solange die Anderen sich am Fassbier zu schaffen machten.... Dieses Nebeneinander so unterschiedlicher Welten vor dem Hintergrund der unendlich banalen, konformen und gestellten Einrichtung verlieh der Atmosphäre etwas Surreales und Groteskes. Die bizarre Absurdität der Szene wurde aber dadurch noch weiter auf die Spitze getrieben, dass ausgerechnet in dieser geistlosen Wüste typisch deutscher Gewöhnlichkeit und inszenierter Gemütlichkeit inmitten einer völlig aus dem Ruder laufenden Party, bald eine Diskussion ausbrach wie man sie wohl noch auf keiner solchen Feier, zu keiner Zeit jemals gehört hatte.
Es war eine Diskussion, die in so vielerlei Hinsicht und auf so vielen Ebenen derart subversiv war, dass man hätte meinen können, die Sprechenden hätten das Wesen des Subversiven selbst einfangen wollen – das sich ja im Grunde jeder Definition entzog, da das Subversive an sich ja das Definierende und Geregelte zu hinterfragen und aufzurütteln gedachte.
„Was wir brauchen ist Fair Trade. In den USA gibt es einen Haufen superreicher Milliardäre, die sich dafür einsetzen sollten, dass die armen Länder nicht mehr ausgebeutet werden. Diese Leute haben eine Verantwortung, der sie gerecht werden müssen. From rags to riches. Im alten Amerika war das noch normal und gehörte zum guten Ton.“
„Fair trade. Als ob das so einfach ginge! Der Freihandel ist doch ein einziges Ausbeutungssystem, dessen einzelne Komponenten, wie Banken, Geschäftsleute und Aktionärsgremien, so systemisch ineinander verwachsen sind, dass man entweder das gesamte System umstürzen muss, oder wartet bis es zusammenbricht, bevor sich da was ändert.... Diese ganze Verkaufs- und Gewinnlogik ist doch inzwischen sogar auf die Staaten übergegangen. Die EU macht doch auch ihre Ausbeuterverträge mit der dritten Welt, um dann schön billig Ressourcen importieren und teure Produkte daraus herstellen zu können – zum Beispiel Tierfutter für die Tonnen von Hühnern, deren Schenkelreste dann billig nach Afrika verkauft werden, wo sie den Bauern dort Konkurrenz machen....“
„Aber warum passiert das? Weil wir unsere billige, abgepackte Hühnerbrust vom Discounter kaufen! Es lebe die Demokratie!“
„Das ist nur zur Hälfte richtig.... Die Machtverhältnisse sind das eigentliche Problem: Wenn beispielsweise ein Konzern wie Nestle juristisch oder wirtschaftlich gegen ein afrikanisches Bauerndorf antritt, dann ist das so, als würde man einen Boxkampf veranstalten zwischen einem kleinen Schulmädchen und einem Panzer....
Die Weltbank hat 2005 eine Zahl publiziert, laut der 52 Prozent des Weltbruttosozialproduktes, also der auf der Welt erwirtschaftete Gewinn innerhalb des Kalenderjahres 2005, von fünfhundert Weltkonzernen erwirtschaftet wurde. Und diese Konzerne funktionieren nur mit sogenannter wertneutraler Profitmaximierung!
Die Frage für mich lautet daher: Schaffen wir es friedlich diese Leute loszuwerden, oder muss das kleine Mädchen die Panzerfaust aus der Schultüte holen?“
Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an, und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.
Berthold Brecht
„Da stimme ich dir sogar zu! Nur: Auf wen soll sie denn schießen? Der Punkt ist doch der: Wir sind alle viel reicher als wir glauben. Etwa zwanzig Prozent der Weltbevölkerung verfügen über genug Geld, um sich Kleider schön billig bei h&m kaufen zu können – oder lecker Nutella von Nestle, das natürlich jeden Sonntag auf dem Küchentisch steht, während man die zwanzig Euro für den Museumsbesuch im Griechenlandurlaub nicht zahlen will, weil einem das dann zu teuer ist und man noch zum Strand will, um schön braun zu werden und Vitamin D zu tanken.... Aber die leckere Dorade und den Cocktail im 3-Sterne-Hotel gönnt man sich für 30 Euro.... Auf die Kultur wird geschissen, auch wenn die Nutzung des fantastischen kulturellen Angebotes dem griechischen Staat gute Einnahmen bringen würde – denn die Kulturstädten sind mit das Einzige, das Griechenland noch nicht an den internationalen Finanzmärkten verschachert hat.... Würde man das wirklich durchrechnen, wären das hochgerechnet auf 26 Millionen Touristen pro Jahr, wenn diese im Schnitt sagen wir mal spaßeshalber 100 Euro mehr für Kultur ausgäben, nach Abzug für Personal und dergleichen, so in etwa eine Summe von mehr als eine Milliarden Euro – großzügig gerechnet.... Zum Vergleich: In den Jahren 2013 bis 2017 betrug die Neuverschuldung Griechenlands in realen Zahlen ausgedrückt pro Jahr etwas weniger als eine Milliarde.... Da könnte man ja mal drüber nachdenken.... Aber das ist halt schwierig, wenn man vollgefressen und besoffen ist und angeblich so wenig Geld hat, weil man ein kleiner Fisch ist, der nichts zu melden hat und sowieso nicht ändern kann....“
„Naja.... Also schau mal her: Donald Trump hat den Verteidigungshaushalt der USA im Jahr 2017 um 89 Milliarden Dollar pro Jahr erhöht, auf insgesamt 700 Milliarden Dollar.... Angesichts dieser Zahlen scheinen die Griechenland-Rechnereien, die du da aufstellst, wie Tropfen auf dem heißen Stein.“
„Die Frage ist nur: Warum hat Trump das getan? Wer hat denn Angst vor Terroristen? Ist das gerechtfertigt? Ist die Bedrohung so groß? Es sterben jedes Jahr in Deutschland ebenso viele Menschen an der Grippe wie weltweit Menschen an Ebola und Terroranschlägen zusammen.... Ebola: 8000 Tote. Terror: 26000 Tote.... Grippe in Deutschland: Mindestens 20000, aber vermutlich sind es eher 40000.... Von Zigaretten, Alkohol und Medikamentenmissbrauch will ich gar nicht anfangen....“
„Das stimmt....“
„Und noch eins – dass nämlich die gerade erwähnte, fette Dorade auf dem Teller der Touristen sich zuvor an den Überresten der Leichen in einem untergegangenen Flüchtlingsboot satt gefressen hat, daran denkt man nicht – und so eine makabre Situation ist angesichts der Zahlen gerade in Griechenland, wo so viele Flüchtlinge vor der Küste umkommen, durchaus im Bereich des Möglichen – auf 100 Doraden kommt da bestimmt eine, die wenig vorher den Augapfel irgendeines kleinen afrikanischen Negerjungen vertilgt hat.... Aber wie gesagt: Daran denkt man nicht.... So wie man nicht daran denkt, dass die Vitamin-D-Produktion des Körpers nach einer Stunde Sonnenbad abbricht und durch das Baden im Salzwasser komplett unterbunden wird – was bedeutet, dass die Menschen im Endeffekt im Urlaub zwar dreimal so braun werden wie daheim, aber weniger Vitamin D produzieren.... So ist das mit den Fakten und Daten....
Wie auch immer.... Worüber wir hier sprechen ist die globale Konsumentenklasse, deren geschätztes Vermögen sich auf einhundertfünfundachtzig Billionen Dollar beläuft – der mitteleuropäische Tourist.... Kein Milliardär der Welt kann da mithalten – obwohl er in der Regel mit genau dieser Klasse sein Vermögen macht. Denn die großen Besitzenden sind alles Leute, die genau dieses Klientel bedienen. Sie kommen alle aus denselben Branchen: Telekommunikation, Einzelhandel, Unterhaltung, Agrarsektor.“
„Das ist wahr.“
„Diese fünfhundert großen Superfirmen, von denen immer alle reden, stellen alle Dinge für die breite Masse her – das gilt auch für Monsanto und Foxconn. Also muss sich erst die Masse bewegen. Wir müssen uns bewegen, nicht die anderen.
Nehmen wir Deutschland als Beispiel. Etwa fünfzig Millionen Deutsche verdienen eigenes Geld, sind also nicht Rentner oder Kinder. Abzüglich aller Kosten für Lebensmittel, Windeln, Gas, Strom, Miete und Steuern, bleiben pro Person im Schnitt um die tausend dreihundert Euro zur freien Verfügung.... Gut.... Statistik ist immer so eine Sache. Das heißt: Bei vielen werden es auch nur vierhundert sein....
Scheiß drauf. Die Frage lautet: Wofür wird das Geld ausgegeben? Tattoos, Nagellack, Eyeliner, Coca Cola, das neue Handy von Apple, Zigaretten, Klamotten, Spielekonsolen und natürlich Schuhe! Niemand schaut auf das Etikett und ob die Schuhe aus Cambocha und somit aus Kinderarbeit stammen, oder nicht.... Zwar kosten die Schuhe sonst, wenn fair gehandelt, statt zwanzig etwa fünfzig Euro, aber das ist ja – mal wieder – zu viel.... Für das Geld kann man dann lieber noch mal schön essen gehen – aber niemand fragt wie die Tiere, die für die Burger geschlachtet worden sind, gehalten wurden..... So spricht das Ego der typischen Mama von heute. Und wenn Mama dann von Tochter konfrontiert und hinterfragt wird, dann schnaubt sie bloß: Das machen doch alle so. Sei nicht so undankbar. Außerdem haben wir als Familie eh schon so wenig.“
„Ja. Ja.... Die Moral der kleinen Leute....“
„Die depressive, übergewichtige Tochter aber stopft sich vor lauter Frust das nächste Nutellabrötchen ins Maul.....
Tja. Die Konzernchefs von Nestle reiben sich derweil die Hände und lachen sich einen bei dem Gedanken, dass die dummen Hühner vielleicht sogar noch zu McDonalds oder KFC oder Burger King watscheln und Schlange stehen, um sich für dreizehn Euro überteuerte Scheiße zu kaufen, während sie noch Kalorien zählen und sich einreden, das sei alles gar nicht so schlimm..... Die depressive, übergewichtige Tochter kramt nochmal vor dem Rausgehen in der Tasche herum, findet zwanzig Cent und schmeißt sie in den Behälter in dem das Geld für die Kinder in der dritten Welt gesammelt wird.... Mutter sagt nur: Das bringt sowieso nichts! Die Tochter schaut sich traurig um und spricht in sich hinein: Mein Herz tut weh, aber ich weiß nicht wieso....“
„Wie auch immer.... Zurück zu den Zahlen: Etwa zwanzig Prozent der Weltbevölkerung verfügen über genug Geld, um sich Kleider schön billig bei h&m kaufen zu können....“
„Ja. Genau.... Das sind zusammengenommen über sechzig Milliarden Euro! In einem Monat! Soviel hat Bill Gates in seinem ganzen Leben verdient. Diese extrem heftige Kapitalkraft fließt Monat für Monat in, oder besser gesagt durch unsere Wirtschaft. Das meine ich mit Masse.
Diese Masse! Das sind wir – die Konsumenten, die Kunden. Wenn die Bedürfnisse dieser Masse sich verändern, dann müssen die Unternehmen darauf reagieren.“
„Ach nein.... Du hast es doch selber gerade schon angesprochen: Die reichen Länder der EU zahlen ihren Bauern Subventionen in Höhe von mehr als 390 Milliarden Dollar, also mehr als eine Milliarde pro Tag. Das tun sie, damit die Bauern ihre Produkte weiter exportieren können. Der so generierte Überschuss geht vor allem in die südliche Hemisphäre, insbesondere nach Afrika. So kommt das fette Geld in die europäische Brieftasche. Das sind die ganz dicken Moneten.“
„Ja und?“
„Ich will damit sagen, der Fehler liegt im System! Dakar zum Beispiel, die Hauptstadt vom Senegal, ist das Zentrum des Landwirtschaftsmarktes von Westafrika – auch bekannt als der Sandaga Markt.... Eben genau dort wird der von uns, hier in Europa durch Subvention produzierte, Überschuss verkauft – zu einem Drittel des Preises der einheimischen Produkte....“
„So krass?“
„Google es, Mann! Die Preise sind im Internet abrufbar!“
„Is ja gut. Ich glaub dir ja.“
„Die Folge ist: Die Bauern gehen in Afrika reihenweise Pleite. Das Problem ist: Da unten gibt es so gut wie keine andere Berufsgruppe als verfickte Bauern und die können auch nichts anderes als verfickte Bauern zu sein, weil sie in ihrem verfickten Leben nichts gelernt haben außer zu fressen und Felder zu bewirtschaften....
So, und jetzt geht die Scheiße erst richtig los.... Ich will es mal ganz verkürzt und vereinfacht zusammenfassen: Was macht Merkel, um Arbeitsplätze zu sichern und den deutschen Export zu steigern, weil Deutschland eben durch den Export seinen Wohlstand erhält? Natürlich! Die Subventionen erhöhen! Was machen die afrikanischen Bauern? Klar! Flüchten! Wohin: Nach Spanien! Warum? Weil es dort Landstriche mit Millionen von Gewächshäusern gibt auf denen Personal mit landwirtschaftlicher Erfahrung gesucht wird.... Wem gehören die Gewächshäuser? Nestle und Co! Was passiert mit dem Gemüse, das dort angebaut wird? Das wird nach Afrika verschifft und von Dakar aus weiterverkauft zu einem Drittel des dortigen Preises. Was macht Nestle mit dem Gewinn? Maschinen bauen, die dafür sorgen, dass weniger Arbeiter in den Gewächshäusern gebraucht werden. Was macht der Arbeiter, der so seinen Job verliert? Flüchten! Wohin? Deutschland! Und was macht der deutsche Bauer, wenn der Flüchtling vor seiner Tür steht? Er spuckt ihm ins Gesicht und schreit: Geh nach Hause, du Schnorrer!“
„Naja.... Das ist jetzt aber alles ziemlich verkürzt dargestellt.“
„Mag sein.... Aber im Wesentlichen läuft es so ab! Auf dieselbe Weise könnte man über Syrien sprechen und die Hintergründe analysieren....“
„Ja.... Ich verstehe deine Argumentation durchaus, aber du bist eigentlich nicht auf meinen Punkt eingegangen! Ich setze eben genau bei dem deutschen Bauern und seinem Gewissen an. Denn in jedem von uns steckt ein Stück von dem Bauern, der sagt: Geh nach Hause, du Schnorrer.... Wie gesagt: Im Schnitt bleiben tausend dreihundert Euro übrig.... Mir ist klar, dass du jetzt sagen wirst, das sei eine Milchmädchenrechnung....“
„Das ist ja auch eine Milchmädchenrechnung! Da hast du ganz recht.... Dieser Betrag von tausend dreihundert Euro ist ein reiner Durchschnittswert. Am Ende beschränkt sich die wirkliche Kapital- und Kaufkraft auf einen winzig kleinen Personenkreis von vielleicht fünf bis zehn Prozent. Das ist in den letzten Jahren unter unserer Bundesregierung immer schlimmer geworden, da nämlich die Reallöhne nicht gestiegen sind, dafür aber Mehrwertsteuer, Inflation und die Vermögen der Besserverdienenden – die dann Bioprodukte kaufen und auf der Straße die Nase rümpfen, wenn dein gerade erwähntes Mädchen aus der Unterschicht mit ihrem Nutellabrötchen an ihnen vorbeigeht....
Diese fünf Prozent sind dann die umweltbewussten und selbstgefälligen Söhnchen und Töchterchen der Besserverdienenden, die ganz stolz sind, weil sie ihre ersten Aktien gekauft haben von dem Geld, das ihre Eltern ihnen vermacht haben – durch Schenkung versteht sich – um der neu eingeführten Erbschaftssteuer zu entgehen – zu allem Überfluss sind es dann auch noch Aktien von Gewächshäusern in Spanien.... Großartige Rendite! Tolles Geschäft! Ja, ja.... Früh übt sich.... Das System ist gerecht....“
„Ja schon, aber diese Söhnchen und Töchterchen mit ihrem aufgesetztem Umweltbewusstsein, ihrem Mode-Veganismus und ihrer Weltverbesserermoral werden doch von den Massen nicht verurteilt wegen ihrer Vordergründigkeit, sondern sogar noch bejubelt und gefeiert. Das ist doch das Kranke – dass alle sich daran orientieren und auch so sein wollen! Jeder will reich werden, sich eine Jacht kaufen und zwei Tage die Woche vegan leben und aller Welt seine tollen Veggie-Meals auf Instagramm zeigen, und alle sollen sagen: Ja. Das ist eine echte Alternative zum Mainstream! Total individual.... Richtig cool. Daumen hoch!“
„Das liegt aber am System, das den Menschen so konditioniert!“
„Nein! Das liegt am Einzelnen, der sich mit dem System ideologisch identifiziert!“
„Deshalb muss sich das System ändern!“
„Das tut es aber erst dann, wenn sich der Einzelne ändert!“
„Wir drehen uns im Kreis.“
„Das erste Hindernis ist das Zinssystem.“
„Das ist wahr. Da sind wir uns doch mal einig! Sag ich doch: Das Zins-Systeeeem muss sich ändern! Verstehst du? Das System!“
„Nicht bloß ändern.... Abschaffen! Komplett abschaffen.... Da sind wir dann wieder beim Thema Eigenverantwortung. Jeder muss sich dafür einsetzen und das begreifen und vielleicht sogar wie die Leute von Occupy Wallstreet dafür auf die Straße gehen!“
„Das geht zu weit. Das kann man nicht einfach so abstellen, von heute auf morgen. Da kann man nicht einfach so auf den Notaus-Schalter drücken und alles ist wieder gut – vor allem, weil die Welt vor der Erfindung des Geldes und des Zinses auch nicht gerade ein Paradies war.... Aber selbst wenn man sich dazu entscheidet etwas zu ändern, braucht man Zwischenschritte und die muss man diskutieren....“
„Wir müssen erstmal klären, wo Zinsen überhaupt überall in unserem System relevant sind.“
„Wir zahlen ständig Zinsen, denn bei allem, was wir kaufen sind etwa dreißig Prozent Zinsen drauf gerechnet. Wir merken das gar nicht. Über diese Zinsen finanzieren die Verkäufer nämlich ihren Selbsterhalt. Sie sind dauernd gezwungen die Preise zu erhöhen, um ihre Bankschulden bezahlen zu können, die sie durch Kredite angehäuft haben, um sich dadurch ein Investitionskapital zu verschaffen, das es ihnen ermöglichen sollte sich eine Existenz aufzubauen – so wie Menschen ohne Kapital das eben machen.“
„Menschen beziehungsweise Unternehmen mit Kapital machen das auch so.... Wer zu viel Kapital hat, muss ja bekanntlich Schulden aufnehmen und investieren, denn sonst nutzt er sein Kapital nicht und es verliert an Wert – Stichwort Inflation.
Investmentzwang. Wenn die Eigenkapitalquote stimmt, gibt dir die Bank gerne den Kredit – und die Banken erwarten nicht viel Eigenkapital von Investoren.... Ist das schlecht? Ich weiß nicht....“
„Eben. So ist das System. Es ist auf Verschuldung regelrecht hin programmiert – bis hinein in die Kennzahlen der Banken und Kreditinstitute und die Bilanzierung am Jahresende.... Deshalb gibt es ja überhaupt Schwankungen auf dem Markt....“
„Die Schwankungen gibt es, weil Menschen dumme Dinge tun....“
„....wie die reichen Investoren, die erst den Kurs von Bitcoins hochtreiben, dann Schuldscheine kaufen, die in Bitcoins zurückgezahlt werden müssen und dann den Markt mit ihren Bitcoin-Aktien überschwemmen, um den Preis runterzudrücken und die Schuldscheine mit Gewinn zurückzahlen zu können – und zwar an die armen Teufel, die diese Bitcoin-Clubs gegründet haben und die über kurz oder lang alles verlieren werden, weil die Scheiße ne riesige Spekulationsblase ist.“
„So was kann aber auch schief gehen und funktioniert nur bei instabilen Kursen.... Außerdem ist das, was du da sagst, eine Unterstellung und normale, nicht-wirtschaftsinterne Menschen können das alles gar nicht mehr nachvollziehen.“
„Diese Trottel. Als ob Bitcoins langfristig als Währung taugen würde. Das Gold hat man ja gerade deshalb als Standard aufgegeben, weil es begrenzt war. Es ist doch klar, dass das nicht funktionieren kann.... Das Ding wird einfach verschwinden. Ein paar Mächtige wollten da was testen und sehen wie es ankommt.... Wie sagt man so schön im Aktiengeschäft....“
„Lege niemals alle Eier in einen Topf.“, sagten beide gleichzeitig und lachten.
„Die Kennzahlen zu ändern allerdings, kann ziemlich krasse Folgen haben.... Man könnte ja den IFRS als alleinverbindlich in Deutschland einführen. Das gäbe nen ordentlichen Schub für die Steuern.“
„Und die Schwankungen würden noch größer werden. Und der Markt noch unübersichtlicher für den Kleinanleger – und heute ist ja infolge der europäischen Zinspolitik jeder gezwungen Kleinanleger zu sein....“
„Das ist es doch gerade, Mann! Egal, was man tut, profitieren werden auf lange Sicht gesehen nur diejenigen, die diesen Scheiß verstehen und sich auf keinen Unsinn einlassen, weil sie die Dinge und Entwicklungen einordnen und prüfen können, da sie gelernt haben mit den Zahlen zu jonglieren.“
„So wie wir....“
„Eben.... Dazu kommt, was ich vorhin gesagt habe: Wir zahlen ständig Zinsen, denn bei allem, was wir kaufen sind etwa dreißig Prozent Zinsen drauf gerechnet. Wir merken das gar nicht. Über diese Zinsen finanzieren die Verkäufer ihren Selbsterhalt. Sie sind dauernd gezwungen die Preise zu erhöhen, um ihre Bankschulden bezahlen zu können, die sie durch Kredite angehäuft haben, um sich dadurch ein Investitionskapital zu verschaffen, das es ihnen ermöglichen sollte sich eine Existenz aufzubauen.
Das ist ein Zinsen- und Schuldkreislauf zu Gunsten der Banken und auf Kosten des kleinen Mannes. Bankschulden sind Zinsschulden. Aber das müsste nicht so sein.“
„Wow! Du meinst das echt ernst, oder? Du willst wirklich die Zinsen abschaffen? Bist du wahnsinnig? Sollen die Banken etwa Geld verteilen ohne Risikoabsicherung? Wo soll das hinführen?“
„Das tun sie doch jetzt schon, du Hegel! Genau das ist es doch! Die deutsche Bank hat de facto kaum Eigenkapital. Ich meine gerade mal vier Prozent! Eine Eigenkapitalquote von vier Prozent! Diese Bank dürfte sich nach ihren eigenen Kriterien keinen Kredit mehr ausstellen!“
„Das ist wahr.... Scheiße! Das ist wahr!“
„Das wäre ja auch alles kein Problem, wenn sie beispielsweise Kleinkredite ausgeben würde, oder in große Infrastrukturprojekte, oder den Auf- und Ausbau von Hospitzen investieren.... Doch das tut sie nicht – sie macht lieber Geschäfte mit Herstellern von Nuklearwaffen! Mehr als 3,5 Milliarden Euro, laut einer Studie von 2013.“
„Das weiß ich auch. Das ist scheiße, ohne Frage.... Aber deswegen muss man doch nicht gleich das ganze Zinssystem abschaffen.... Ich schaffe ja auch nicht die Autobahnen ab, nur weil der CO2-Ausstoß so hoch ist.... Stattdessen führe ich vielleicht ein Tempolimit ein, oder Umweltplaketten..... Oder IRFS! Banken und Unternehmen würden dadurch mehr in die Verantwortung gezogen werden.... Wie gesagt: Ich bin mehr so der Typ für die Zwischenschritte.... Eine kleine Forderung hier.... Dann noch eine da.... Und am Ende vielleicht ein in vielen Schritten eingeführtes Trennbankensystem. Hehe....
Die Politik der kleinen Schritte. Ganz altmodisch. Es hängt alles miteinander zusammen und wenn ich solche radikalen Veränderungen umsetze, dann gefährdet das die Stabilität der Gesetze und Normen und damit die Planbarkeit für Investoren und Unternehmen. Deutschland gilt als stabil und der rechtliche Rahmen als sicher – das ist einer der Hauptgründe seines internationalen Erfolges.... Wenn Deutschland sich nicht mehr berechenbar verhält und plötzlich alles, wofür es steht, umwirft, dann hat niemand was davon.... Ich verstehe ja die Gedanken und Ansätze hinter all deinen Argumenten, aber gib den Dingen Zeit. Es dauert eine Kultur zu verändern. Auch wenn es heute schneller abläuft als vor zweihundert Jahren und auch wenn sich die Dinge sichtbar beschleunigen, so geht es doch nicht alles in wenigen Jahren vor sich – du musst bei solchen Dingen eher in Jahrzehnten denken.... Nur soviel solltest du mir zugestehen. Manchmal muss man ganz simpel und nüchtern konstatieren, dass die Dinge Zeit brauchen.... Diese Anabolika-Lösungen sind politisches Gift, so richtig und ehrenhaft die Ziele auch sein mögen.... Es mag sich dumm und schlicht anhören, aber manchmal gilt die alte Weisheit doch: In der Ruhe liegt die Kraft!“
„Okay.... Gut.... Von mir aus: Machen wir das mit dem IRFS.... Aber den Klimawandel hältst du mit deinen kleinen Schritten nicht auf! Da brauchst du bessere Strategien und musst in größeren Dimensionen denken als mit diesem klassischen Liberalismus....“
„Ja gut....“
„Genau dasselbe gilt auch für die Banken. Was ich will, ist folgendes: Es soll langfristig, natürlich nach diversen Zwischenschritten, nur noch eine einzige, staatliche Bank geben.“
„Sag ich doch: Trennbankensystem.“
„Ja. Stimmt. Gut. Aber ich will wirklich mehr. Eine einzige, staatliche Bank, die Geld an Investoren verteilt, nach einem bestimmten Satz, wenn diese nachweisen können, dass das Projekt in das sie investieren wollen wirtschaftlich valide ist und Rückhalt in der Bevölkerung genießt.“
„Okay.... Und was ist, wenn in diesem Ein-Bank-System einer in sein Eigenheim finanzieren will und nicht in irgendein gemeinnütziges Projekt?“
Der andere grinste: „Tja.... Du kennst mich.... Ich bin im Grunde genommen nichts anderes als ein gemeiner und räudiger Kommunist! Ich scheiße auf die Spießer und den Mittelstand.... Außerdem kann er das ja privat finanzieren.... Fragt sich nur wie er das langfristig mit der von mir vorgesehenen Erbschaftssteuer von bis zu dreißig Prozent verbinden will....“
„Wow.... Hahahaha.... Jetzt geht’s los! Da will einer Deutschland brennen sehen!“
Der Andere lachte und setzte hinzu: „Nein ehrlich.... Das Bundeverfassungsgericht ist auf meiner Seite und hat die aktuelle Gesetzgebung für verfassungswidrig erklärt.... Außerdem entwickelt es sich doch genau so wie es Marx vorhergesehen hat: Großkonzerne kaufen alle Wohnungen auf und bündeln jegliches Kapital.... Da ist es doch besser, wenn der Staat das Kapital einbehält und reguliert – technologisch ist das doch heute überhaupt gar kein Problem mehr!“
„Das verstehe ich auch bis zu einem gewissen Grad.... Aber selbst wenn dir das gelingt, wie soll dann Wohnen aussehen? Wie soll dann Wohnraum verteilt werden, wenn es keinen freien Markt mehr gibt und alles der Staatsbank gehört? Nach welchen Kriterien soll das ablaufen? Was für Rechte hat der Einzelne dann noch in diesem neuen, angeblich besseren System? Kann er Anspruch erheben in einer bestimmten Region zu wohnen, oder kann die Regierung sagen: Nein. Tut uns leid. Diese Region ist schon verplant. Sie müssen woanders hin.“
„Mein Gott! So ist es doch jetzt auch, Mann! So funktioniert doch der Wohnungsmarkt! Deswegen ziehen Menschen um, oder suchen sich neue Arbeit.... Es kann doch heute auch nicht jeder einfach überall wohnen wo er will – es sei denn natürlich er gehört zur Wohlstandselite von fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung.... Diese Leute müssten natürlich in meinem System kürzer treten und sich dem Proletarier-Standard anpassen.... So ist das eben! Warum denn auch nicht, verdammt noch mal!“
„Ich habe einfach nicht das Gefühl, dass das so einfach ist.“
„Gefühl! Wenn ich das schon höre! Gefühl am Arsch!Als die Revolutionäre der französischen Revolution den Monarchisten sagten, es sei fairer und besser für das Volk, den König abzusetzen, haben ihre Gegner auch geantwortet: Wir haben nicht das Gefühl, dass das so einfach ist. Es ist so einfach. Kopf ab! Fuck you, middle class!“
„Die Mittelschicht kann sich ja auch ändern….“
„So wie der König von Frankreich?“
„Ach, jetzt komm mir bloß nicht mit der spätrömischen Dekadenz.... Es gibt definitiv auch andere Firmen und Alternativen. Fair Trade und solche Dinge. Das sind gute Konzepte. Die Menschen müssen sich eben dafür entscheiden und dann wird sich auch ganz viel im Geist ändern und infolgedessen auch in der Kultur.... Solidarität....“
„Solidarität! Die Arschlöcher sollen erstmal solidarisch und vollständig ihre Steuern zahlen! Welcher Richter und welcher Staatsanwalt steht nicht in irgendeiner internen und streng geheimen Kartei für Steuersünder?“
„Ach.... Ja.... Ich weiß, was du meinst, aber....“
„Wenn uns spätere Generationen fragen: Warum habt ihr da mitgemacht und euch nicht empört? Was werden wir antworten?“
„Also.... Noch einmal zu den kleinen Schritten....“
„Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind unter zehn Jahren an Hunger und alle vier Sekunden verliert ein Mensch sein Augenlicht wegen Vitamin-A-Mangel.... Und komm mir jetzt nicht mit diesen gefälschten Lobby-Statistiken von wegen, 2013 habe es weniger Hungertote gegeben als jemals zuvor..... Den Fuck glauben doch nur die Idioten, deren Aufmerksamkeitsspanne pro Tag gerade mal zu drei Zeilen Spiegel-Online reicht.... Die Zahl der Opfer sinkt nicht – sie steigt.... Nach Hochrechnungen können wir theoretisch bis zu zwölf Milliarden Menschen weltweit ohne Probleme ernähren. Geht es darüber, wird es schwieriger – aber auch das wäre machbar.... Das heißt: Das System ermordet Kinder, damit es funktioniert! Was ist das also für ein System? Was sagt das alles über uns?“
„Das interessiert doch keine Sau. Die Menschen, die du bekehren willst, die sind in ihrem Geist so klein, dass du es dir nicht einmal entfernt vorstellen kannst. Glaubst du denn, du wirst so irgendjemanden verändern? Das wird nicht passieren.“
„Das behauptest du.“
„Marx sagt: Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“
„Ich sehe es genau anders herum.“
„Ich dachte du wärst Marxist, du Hegel.“
„Ich sagte, ich sei Kommunist, du alter Fatalist!“
„Lieber Fatalist und dafür Realist, als Kommunist und dafür angepisst.“
„Lieber angepisst und Optimist, als Realist und dafür Pessimist.“
„Lieber Pessimist und Materialist, als Optimist und Idealist.“
Beide lachten....
Der selbst ernannte Kommunist begann erneut: „Wie gesagt: Die alten Systeme des Denkens sowie der Politik haben sich verändert und auch die Begriffe haben sich verändert.... Du weißt aber, denke ich, worauf ich hinaus will, oder? Es kann sich ändern!“
„Klar.... Ich verstehe schon, was du sagen willst: Die Hoffnung stirbt zuletzt.... Aber ich bin und bleibe realistisch. Das Gebet der Masse ist immer dasselbe. Ich habe die Befürchtung manche Dinge werden sich nie ändern – egal wie oft die Begriffe auch vertauscht werden mögen.... Kulturen und Normen ändern sich in der Geschwindigkeit einer Weinbergschnecke, aber wenn sie sich ändern, dann gleich um 180 Grad. Oder sie drehen sich im Kreis und fallen rücklings um.... Aber vorhersehen und berechnen wie kulturelle Entwicklungen ablaufen können weder Wirtschaftswissenschaftler, noch Sozialarbeiter, noch Mathematiker, Physiker, Biologen und am wenigsten die Theologen.... Sie sind alle gescheitert an jenem diffusen Etwas, das sich da entwickelt und so seltsame Wege geht und das wir Kultur nennen. Ist es nicht verrückt: Über das, was am wichtigsten und bedeutungsvollsten und schützenswertesten ist im Leben der Menschen, wissen wir so gut wie gar nichts.... Wir schwärmen und philosophieren andächtig über unsere Kultur und wollen sie verteidigen, aber wenn uns einer fragt, was sie ausmacht, so fällt uns keine Antwort ein.... Sehr seltsam....“
„Mag ja alles sein, aber um noch einmal zum Thema zurückzukommen: Das Hauptproblem ist doch, dass der Kunde sich klar machen müsste, woher sein neues T-Shirt kommt. Es müsste so eine Art Siegel geben.... Ein Sticker mit zwei sich schüttelnden Händen vor einem Globus und unten drunter steht in blauer Schrift fair trade guaranteed oder so.... Ein Signal, um die Menschen aufmerksam zu machen, das europaweit rechtlich geschützt ist, sodass niemand es straflos missbrauchen kann. So etwas ließe sich auch leicht überprüfen, an Hand der Verträge – entweder sie sind fair oder nicht....
Wir müssen uns und andere aufklären und unsere Kaufgewohnheiten langfristig ändern. Das ist der Weg. Schritt für Schritt....“
„Das gibt es doch alles! Von Social Audits bis hin zu Multi-Stakeholder-Initiativen.... Es kümmert sich nur keiner drum – außer den so genannten Gutmenschen....“
„Die so genannten....“
„Ja. Die so genannten.... Denn dass es empirische Untersuchungen darüber gibt, die belegen, dass Integration, Fairtrade, Verteilungsgerechtigkeit, sozialer Wohnungsbau und all diese Dinge einen enormen gesellschaftlichen und langfristig auch finanziellen Stabilitätsfaktor für Ökonomien und Staaten bilden – das will der von WOW und Game of Thrones verseuchte Dummkopf unserer Tage, der sich aus eigener Schuld seine Lebensperspektive bereits versaut hat und keinerlei Einsicht zeigt, nicht hören.... So wie er nicht hören will, dass jeder Euro, der für Flüchtlinge ausgegeben wird, 100 Prozent Rendite bringt – und das innerhalb von fünf Jahren.“
„Woher hast du die Zahl?“
„Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der London School of Economics aus dem Jahr 2016. Grundlage waren die Zahlen vom IWF.“
„Lügenpresse, würde dein Dummkopf jetzt sagen.“
„Genau.... Auch wenn das tausendmal in Frankfurt nachgerechnet wird und auch wenn faktisch das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2017 um 2,2 % höher war als im Vorjahr und auch wenn nachweislich die Zahl der Opfer des RAF-Terrors verhältnismäßig betrachtet viel alarmierender war, als die Zahl der Opfer, die durch die paar Spinner unter den Flüchtlingen verursacht wurde, so lässt sich der Dummkopf von heute dennoch nicht beirren.
Aber um zum Thema zurückzukommen. Natürlich hast du völlig recht: Diese Dinge mit dem Fairtrade ließen sich auch ohne weiteres durch den Druck der Öffentlichkeit verbessern, da ja eben alle Strukturen bereits vorhanden sind – zumindest, was den öffentlichen Beschaffungsmarkt angeht, denn das Problem ist ja klar: Öffentliche Verwaltungen kaufen in den meisten Bundesländern immer noch zum billigsten Preis ein. Stichwort: Global sourcing und Einkaufsoptimierung. Das heißt im Klartext: Die Bundesrepublik Deutschland, beziehungsweise, besser gesagt, die Kommunen, betreiben selbst unfairen Handel – und nicht irgendwelche Zocker an der Börse.... Was soll man da von den Unternehmen erwarten....“
„Dann ist es ein Problem des Föderalismus. Wie immer in Deutschland!“
„Auch.... Aber es hängt vor allem von der Infrastruktur der sozial engagierten Gruppen und Initiativen ab und wie diese von der Bevölkerung gefördert und unterstützt werden....“
„Ja.... Das ist natürlich wahr. Aber genau das habe ich ja eigentlich gesagt! Es gibt Gruppen wie Greenpeace oder das Eine-Welt-Netz-NRW, die auch viele Leute gut finden, aber immer noch zu wenige fördern....“
„Eben.... Die Menschen gehen lieber ins Fitnessstudio und gleich danach in die Kneipe, regen sich über die Flüchtlinge auf und geben Geld für dumme Kinobesuche aus, als dass sie sich mit dem komplexen Regelwerk des deutschen Beschaffungsmarktes auseinandersetzen oder wenigstens ein Informationsvideo ansehen.... Ein Video über die Frage, was faire öffentliche Beschaffung ist, bekommt auf YouTube in sieben Monaten gerade mal lächerliche 400 Klicks.... Hab ich selbst gesehen.... Und das Video ist richtig gut.“
„Dabei hängt das Thema ja auch so stark mit der Flüchtlingskrise zusammen.“
„Ja, Mann.... Eben. Der Beschaffungsmarkt und die damit verbundenen Handelsketten sind ja Mitursache für Migrationsbewegungen aufgrund von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und mangelndem Klimaschutz.... Anders gesagt: Solange es dem deutschen Verbraucher egal ist und er nicht sein pedantisches Talent einmal nutzt, um bei Behörden und auf den einschlägigen Internetseiten nachzufragen, wie denn die Güter der öffentlichen Verwaltung beschafft wurden, solange wird sich auch nichts ändern....“
„Bei jedem kleinen Scheiß lässt der Deutsche einen Pups und einen Kommentar ab, aber wenn es mal wirklich wichtig wäre und etwas bringen würde, dann nicht.... Was wollen die Menschen denn noch? Stell dir vor, die Deutschen würden ihre ganze obsessive, nörgelnde Halsstarrigkeit nutzen, um den öffentlichen Institutionen auf die Finger zu schauen....“
„Gnade uns Gott.... Dann würde sich wirklich etwas ändern. Dann bekämen die deutschen Beamten die Bürger, die sie verdienen und würden erleben, was sie selbst jahrzehntelang anderen angetan haben.“
„Eben. Aber sie tun es ja nicht! Bis auf wenige Ausnahmen, die einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleitet haben, dass in einigen Bundesländern tatsächlich der Gesetzgeber Mindeststandards eingeführt hat, die ein Beschaffungsunternehmen im Auftrag öffentlicher Träger einhalten muss.... Das geht nur mit Engagement und Hartnäckigkeit.... Wenn all die zwangsneurotischen, überängstlichen, paranoid-misstrauischen Hater da draußen sich mal hier, an solchen Stellen quasi konstruktiv abreagieren würden, dann wäre uns allen geholfen! Aber das tun sie ja nicht.“
„Sie wollen einfach nur hetzen und die Hand aufhalten, aber keinen Einsatz zeigen....“
„Und dann wundern sich am Ende alle, wenn wir wieder im Nationalismus oder Kommunismus landen.... Was wir brauchen ist konstruktiver Hass!“
„Die Hater brennen ja wenigstens noch für etwas, aber den meisten Leuten ist das alles scheißegal, solange es fürs Schnitzel reicht.... Niemand fragt, woher das Schnitzel kommt und alle wundern sich, wenn irgendwann ein hungriger Flüchtling vor dem Fenster im Restaurant steht und auf unseren fetten, vollgefressenen Wanst starrt und die Welt nicht mehr versteht und eine Pumpgun nimmt und uns unseren Wanst durchlöchert.... Wie kommt er nur dazu? Wo wir doch so viel für ihn und seine Kultur getan haben! Ich sage nur: Bomben für Syrien!“
Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist. Ach, dass du kalt oder heiß wärest! Also, weil du lau bist und weder heiß noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
Offenbarung 3:15
„Genau so ist es. Was nicht bedeutet, dass die Terroristen Recht haben.“
„Auf keinen Fall.... Darum geht es ja nicht.... Es ist einfach: Wir fühlen uns für nichts verantwortlich, außer für unseren Bauch – und falls sich doch mal hin und wieder, für die eine oder andere Sekunde etwas in uns regt – abends vor dem Fernseher, wenn die Nachrichten laufen und wir gerade in der Stimmung sind für ein wenig Mitgefühl und Sentimentalität – dann wird nach kurzer Zeit die Faulheit über die Erkenntnis triumphieren und wir bleiben einfach vor dem Fernseher sitzen und sagen uns: 'Was kann ich da schon gegen tun. Ich bin doch nur ein Einzelner' – während wir uns die Flusen aus dem Bauchnabel puhlen und darauf warten, dass Frauentausch endlich anfängt, oder irgendein anderer Schrott, den wir dann im Internet kommentieren oder bei Facebook posten.... Dafür ist immer Zeit.
So sind die Leute. Entweder sie schauen sich romantische Liebesfilme an in denen es nur um das private Glück geht und wenn überhaupt, dann nur am Rand soziale Probleme angesprochen werden, oder sie schauen die Sportschau und regen sich auf, weil irgendein Typ irgendein Ding nicht richtig getroffen und dadurch der Verein nächstes Jahr zehn Millionen Euro weniger zur Verfügung hat.... Oder sie machen sich über die Asozialen im Dschungelcamp lustig, die eigentlich bloß das Spiegelbild ihrer eigenen Asozialität sind. Oder sie schauen sich Actionfilme und Kriminalgeschichten an, in denen das Gute siegt und die einem das Gefühl geben: Das wird schon... All das schauen sich die Leute an, aber wirklich etwas tun, wollen sie nicht – dafür sind ja die Politiker verantwortlich....
Wenn du allerdings wirklich etwas tun willst, dann musst du vorher erstmal richtig hinsehen. Die meisten Leute aber schauen nur, doch sie sehen nicht!“
„Wie soll ich denn richtig hinschauen? Was ist denn die richtige Perspektive?“
„Ich sage: Es ist genau andersherum, als es der einfache Mann von der Straße behauptet: Die Masse wird niemals etwas bewegen und das Kollektiv besitzt keine Macht. Nur der Einzelne kann etwas bewegen. Und zwar nicht irgendein Einzelner, sondern ein ganz bestimmter. Nämlich Du! Du bist ganz allein und höchst persönlich für all das, was in deinem Land schiefläuft, verantwortlich. Nicht die Politik, nicht die Menschen, nicht die Lobbyisten, nicht Mama, nicht Papa, nicht der Lehrer, nicht die Gesellschaft und nicht der Staat. Die trifft alle keine Schuld. Die sind völlig schuldlos. Der einzig Verantwortliche bist du. Und sonst niemand! Wegen deiner Faulheit, deinem Wegschauen und deiner Ignoranz sterben Kinder! Du bist schuld!
Es sind all die Widersprüche in deinem Leben, die dich lauwarm, lethargisch und verantwortungslos machen! Wer nicht denkt, macht sich schuldig!“
„Ziemlich hart.... Was meinst du mit Widersprüchen?“
„So sind die Menschen. Erst kaufen sie bei Aldi Bananen für 69 Cent, um Geld für den Urlaub zu sparen und gehen danach zu McDonalds und bestellen ein Happy Meal für die ganze Familie mit der Begründung, dass man sich ab und an mal was gönnen muss. Sie beschweren sich über ihr geringes Gehalt und dass sie sich nichts leisten können und lassen sich dann von ihrem Weihnachtsgeld ein neues Tattoo stechen. Sie regen sich darüber auf, dass niemand kritisch ist und kaufen zwei Minuten später die Bildzeitung. Sie weinen über die Bilder von toten Flüchtlingskindern am Mittelmeer und kaufen sich danach, als Trostpflaster für all die Bitterkeit in der Welt, ein neues Smartphone, dessen Produktionsbedingungen maßgeblich für die Flüchtlingskrise verantwortlich sind – Stichwort Beschaffungsmarkt.... Sie wissen all das und schämen sich – doch kurz darauf schreiben sie ihrem Partner oder ihrer Partnerin versaute Text-SMS, während sie eigentlich von der großen Liebe träumen und sich einen ganz anderen Partner wünschen.... Und dann nennen sie all das Selbstverwirklichung.
Was willst du diesen Leuten erzählen? Die kaufen höchstens mal Fair-Traide-Schockolade, wenn sie sich in kurzen Momenten geistiger Klarheit tatsächlich mal aus gutem Grund ein wenig schuldig fühlen und unbewusst glauben, sie müssten einen Ausgleich schaffen – aber nur manchmal, weil die Schocki sonst einfach auf Dauer viel zu teuer ist – und eine Tafel Schokolade pro Woche einfach nicht genug.... Danach rennen sie dann alle zusammen ins Fitnessstudio, weil sie Übergewicht haben und aussehen wollen wie irgendein Superstar, den sie abgöttisch bewundern und über den sie gnadenlos herziehen, wenn in seinem Leben etwas schiefläuft.“
„Diese marode Kultur ändert sich gerade.“
„Ja stimmt. Das ändert sich vor allem in den Kreisen derjenigen, die genug in der Tasche haben, um sich etwas so kostspieliges wie ein Gewissen leisten zu können....
Dennoch geht es den meisten im Endeffekt am Arsch vorbei, wo ihr Futter genau herkommt. Es gibt tausende heimische oder ausländische Produkte, die nicht unter tier-, menschen- oder umweltverachtenden Bedingungen hergestellt worden sind. Trotzdem steht nicht auf jedem davon fair trade drauf, und wenn es so wäre, dann würde es wahrscheinlich Wochen dauern bis es jemand bemerkt....
Interessant wird es erst dann wieder, wenn die Menschen an den Seuchen krepieren, die so etwas wie Massentierhaltung oder Gentechnik mit sich bringen – dann reagieren sie.... Vorher nicht.... Aber nur, wenn es ihre eigenen Kinder sind, oder die ihrer Nachbarn, die an der Scheiße krepieren.“
„Ja.... Aber es liegt eben an den Menschen selbst.... Wir brauchen ein gemeinsames Ideal wie das der Menschenrechte, um ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln – als Alternative zur Seuche.“
„Menschenrechte.... Darum kümmert sich doch keiner. Ist ja auch klar, wieso! Diese seltsame Erfindung der gleichen Rechte für alle Menschen aus der französischen Revolution ist gerade mal zweihundert Jahre alt. Das ist einfach noch zu wenig Zeit, um sich wirklich ins Gewissen einzufleischen. Da ist die Steinzeitgenetik eben zu stark – das Tier im Menschen wurde einfach noch nicht überwunden.... Solche Entwicklungsschritte dauern halt. So gesehen wird das nichts mit Fair Trade in den nächsten paar Millionen Jahren. Es sei denn, jemand dreht am Zeitregler der Evolution. Wer aber sollte das tun – das weiß allein Gott, oder höchstens noch die Humangenetiker....“
„Bunte Sticker allein reichen nicht aus – das gebe ich ja zu. Es müssten abschreckende Bilder auf Packungen gezeigt werden, von irgendwelchen verhungernden Kindern oder so. Es müsste eine politische Kampagne stattfinden, die quasi Werbung dafür macht Fair-Trade-Produkte auch zu kaufen. Greenpeace macht doch so etwas, oder nicht?“
„Aber diese Kampagne muss wiederum finanziert werden. Und zwar vom Staat. Und da hast du dann wirklich ein Problem mit den Wirtschaftsinteressen der oberen Zehntausend. Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass die typisch deutsche Hausfrau auf der Kellogspackung am Sonntagmorgen beim Frühstück gerne verkümmerte und verarmte, asiatische Kindersklaven sehen möchte, die irgendwelche Weizenfelder bewirtschaften müssen – obwohl zugegebenermaßen das in der Tat die Realität ins Wohnzimmer holen würde. Denn genau so ist es ja im Grunde genommen bei vielen Produkten – angefangen bei Tablets, Smartphones oder Laptops....“
„Aber du sagtest doch, der Einzelne sei verantwortlich und nicht die Unternehmen und Lobbyisten.“
„So ist es ja auch. Ich frage dich: Was kaufst du? Was konsumierst du? Wofür setzt du dich ein? In welcher Gruppe bist du tätig, die mehr will als zu hassen, oder Spaß zu haben? Was hast du geliked, das Richtung Denken und Geist und Liebe und Verantwortung geht und darum dieses Land besser zu machen versucht für alle – und nicht nur für dich und deine Familie? Was sagt dein Profil über deinen Charakter aus? Wo beziehst du Stellung und wo zeigst du Gesicht? Bist du wirklich zum Denken und zur sachlichen Stellungnahme bereit? Oder bist du angepasst und postest lieber noch ein Katzenvideo, oder besserst deinen Beziehungsstatus auf, oder schreibst einen Kommentar über deine persönlichen Gefühle wegen irgendeines Fotos irgendeines Obdachlosen, anstatt zu fragen, wie es dazu kommen konnte und wie man etwas ändern kann? Wo wirst du öffentlich und wo zeigst du Mut? An welcher sozial relevanten, oder geistig ansprechenden Diskussion hast du dich in letzter Zeit beteiligt?
Bist du heiß? Willst du etwas verändern? Willst du vor deinen Freunden Position beziehen? Was tust du? Was bist du bereit aufzugeben? Kannst du deinen Stolz und deine Arroganz überwinden, oder hältst du dich für unantastbar und über jeden Zweifel erhaben? Denkst du wirklich über die Argumente Anderer nach, oder wehrst du dich deinem Bauchgefühl entsprechend einfach gegen jede Kritik? Überlegst du, bevor du antwortest, oder brüllst du deinen Laptop an, wenn sich etwas nicht so schmeichelhaft und schön anhört wie du es gewohnt bist? Fängst du mit deiner Kritik bei dir selbst an, oder suchst du nur das Schlechte im Anderen? Musst du mich hassen, nur weil ich dir diese unangenehmen Fragen stelle?
Wo zeigst du Zivilcourage fernab von Hass und Anprangerung, durch wahrhaftige und selbstkritische Aufklärung und Mut zum Bekenntnis? Stehst du für etwas? Stellst du Fragen, suchst du nach Lösungen, die allen dienen, oder nach solchen, die nur deinen Status Quo sichern sollen? Denkst du groß, oder verlierst du dich an Details auf die du Andere dann reduzierst?
Oder anders gefragt: Brennst du für die Wahrheit und das Gute, oder bist du bloß eine lauwarme und aufgewärmte Kartoffel?
Was wirst du antworten, wenn deine Kinder und Enkel dir diese Fragen eines Tages stellen werden?
Kleiner Tipp zum Schluss: Wenn du jetzt sofort eine Antwort parat hast, dann hast du mich nicht verstanden.“
Ein andere, dritte Sprecherin wandte sich hinzu und sagte, während sie sich schon von der Diskussion abwandte: „Ach, es ist alles so scheiße. Das Problem ist doch, dass wir unsere eigenen Probleme nicht in den Griff bekommen. Europa! Wenn ich das schon höre.... Das ist ein Minderheitenprojekt, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht.
Ich sage ja nicht, wir sollen es auflösen. Aber das kann doch so nicht mehr weitergehen. Warum gab es keinen Schuldenschnitt für die Griechen? Warum unterstützt die Regierung die alte, marode, konservative Partei in diesem Land, die hauptverantwortlich war für die Korruption, die Griechenland ins Elend gestürzt hat. Wir haben doch nicht Griechenland gerettet, sondern die Banken.... Und niemand hat sich mit den griechischen Bürgern und Opfern solidarisiert.... Niemand hat nach den Hintergründen gefragt und nach den Geschichten der Menschen, die dort unten leben.... Das ist es ja: Die Menschen fragen eben nicht! Wir leben in einer Zeit in der Google uns alles beantworten kann, doch es nützt uns nichts, da niemand mehr weiß, was wirklich wichtig ist und wie man eine Frage stellt?“
Doch die Stimme blieb ungehört und verhallte. Stattdessen setzten die beiden anderen ihre Diskussion fort.
„Oder man unterstützt die Gewerkschaften in solchen Ländern wie Taiwan oder Indonesien. Es wäre dann zwar wieder nur eine Politik der kleinen Schritte, aber mit der Zeit täte sich was.“
„Gewerkschaften in Indonesien – dass ich nicht lache. Da brauchen wir erst mal Betriebsräte bei Aldi oder Kick. Wenn da eine Filiale aufmuckt, dann schmeißen die einfach die ganze Meute raus, reißen das Ding ab, bauen direkt daneben ein neues hin und stellen wieder neues Personal ein, das diesmal die Schnauze hält. So läuft das."
„Wie wäre es denn mit einer internationalen, nicht privat organisierten Kontrollinstanz, sowohl in der dritten Welt, als auch in der ersten Welt, die sich darum kümmert, dass gewisse Bedingungen eingehalten werden müssen, wie beispielsweise ein langsam ansteigender, gestaffelter Lohnanstieg, oder die Gewährleistung eines Mindestanteils an Landesbewohnern in leitenden Positionen, oder dass die Unternehmens- an eine Gewerkschaftsgründung gekoppelt wird. Verpflichtend, versteht sich! Dazu kommen dann Mindestlohn und Kündigungsschutz.“
„Also eine Art globale, kommunistische Partei? Guter Ansatz!“
„Das kann natürlich auch demokratisch gewählt sein. Nur absolut transparent. Statt dem gläsernen Menschen, brauchen wir die gläserne Politik.“
„Ich weiß nicht. Ich kann mich nur wiederholen: Da müsste die Menschheit schon kurz vor dem Untergang stehen, bevor sie sich auf so etwas einigt.“
„Oder man macht so eine Art Modellprojekt an einem bestimmten Unternehmensstandort.“
„Hat es auch schon gegeben, in Südafrika, und ist gescheitert.“
„Warum?“
„Nicht aus wirtschaftlicher Sicht – das muss man zugeben. Das Problem war einfach, dass es dort zur Zeiten der Apartheid gegen geltendes Recht verstoßen hatte Tarifverträge mit den Schwarzen zu machen. Ich weiß von einer Firma, die das gemacht hat, worauf der Inhaber enteignet wurde. Die Firma ist dann versandet, genauso wie das gesamte Land.
Eigentlich war das ein gutes Unternehmen mit stabiler Leistung – das einzige Unternehmen, das auch während der Aufstände noch produziert hat. Klar, es war ja auch alles in bester Ordnung für die Arbeitskräfte. Warum hätten die protestieren sollen?“
„Dann liegt es also doch nur an den Gesetzen. Möglich ist es also über Sanktionen und Handelsembargos vielleicht…“
Er wurde unterbrochen: „Diese Firma war ein Einzelding. Die persönliche Entscheidung eines herausragenden Unternehmers. Ein Musterbeispiel – zweifelsohne. Aber eher die Ausnahme.
Weißt du: Die meisten Lobbyisten und Manager sind maßlos geizig und skrupellos. Und das müssen sie auch sein, wenn sie am Markt mithalten wollen. Die wollen doch keine unabhängigen Staaten als Handelspartner, die wahrscheinlich sogar noch Forderungen stellen. Schau dir Coca Cola an: Die arbeiten sogar mit der kolumbianischen Regierung zusammen, um die Bewohner des Landes auszuquetschen. Und allen ist es egal.“
„Was ist mit Chiquita – dem Unternehmen, das sich in den 80ern komplett umgestellt hat, um die Preise zu erhöhen und die Arbeiter dadurch besser zu bezahlen – weil die Leute auf die Straße gegangen sind und Druck gemacht haben. Schau dir mal die Kursentwicklung der Firma an! Hätten die nicht auf Fair Trade umgestellt und ihr Firmenkonzept geändert, dann wären die heute pleite.“
„Eben. Das war in den 80ern! Da hatten die Menschen noch Herz. Heute aber nicht mehr....“
Ein hagerer, eher zurückhaltender Kerl mit kurzen, schwarzen Haaren und randloser Brille wendete nun vorsichtig von der Seite ein: „Das ist nicht korrekt. Die realen Zahlen sind eindeutig. Ganz ohne Spekulation über mögliche Ursachen oder dergleichen, muss man feststellen: Zwischen 2009 und 2012 ist die ganze Fair-Trade-Branche um 334% gestiegen. Die Zahl der Kleinbauernfamilien und Beschäftigten auf Plantagen im Fairtrade-System stieg bis Ende 2016 auf 1,66 Millionen.
Da entsteht ein Markt. Punkt. Das ist einfach so.... Auch wenn heute nur zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung als Zielgruppe gelten können, so muss man sagen: Die Zukunft ist grün und sie wächst. Ob das nun gut oder schlecht, verlogen oder ehrlich ist, kann ich nicht sagen. Aber Fakt ist: Fair Trade boomt. Schichtübergreifend.... McDonalds verkauft übrigens gleichzeitig Jahr für Jahr weniger....
Zu den Flüchtlingen möchte ich auch noch etwas sagen: Die werden sich noch als wahrer Goldesel erweisen. Selbst wenn nur ein kleiner Teil dieser sehr durchwachsenen Gruppe unterschiedlich gebildeter Menschen einigermaßen vernünftig arbeitet und alle Zahlen der London School of Economics um die Hälfte des prognostizierten Wertes gekürzt werden müssen, so bleibt eine Rendite von fetten 50 % übrig – Kosten für die Erhöhung des Polizeiaufwandes und öffentlich finanzierte Therapiestunden für Vergewaltigungsopfer sind da bereits mit eingerechnet.“
„Krasse Ansicht. Ich finde es heftig, das so zu sehen.,“ meinte nun der selbst ernannte Realist und führte sich dadurch ohne es zu merken selbst ad Absurdum, was er auch durch die Antwort des Anderen sofort zu spüren bekam. Dieser meinte nun nämlich:
„Ich dachte, du seist Realist! Was glaubt du wie Volkswirtschaften über Jahrzehnte am Laufen gehalten werden. Denkst du ein Verwalter oder ein Politiker ist nicht gezwungen solche Dinge zum langfristigen Gesamtwohl in Kauf zu nehmen, wenn es eben gerade keine belgischen jungen Facharbeiter auf dem globalen Arbeitsmarkt gibt? Solche Dinge werden einfach durchgerechnet und die paar Vergewaltigungen werden in Kauf genommen.... Die Weiber werden ja nicht ewig rumjammern und überlebt haben sie es auch – immer noch besser als Deutschlands Existenz aufs Spiel zu setzen. Bei einem Familienschnitt von 1,4 Kindern muss man sich was einfallen lassen.... Die Leute nehmen diese Zahl einfach nicht ernst genug.... Ich sage: Wären die Flüchtlinge wirklich nicht rentabel, so hätten wirklich wichtige Leute sich bereits darum gekümmert, dass sie wieder verschwinden.... Aber die Biester sind jung und arbeitswillig genug, um verheizt werden zu können und allzu lange wird man sie ja auch nicht brauchen – nur bis sie wegrationalisiert sind.... So läuft das, und das ist auch gut so.... Die Welt ist eben kein Ponyhof. So ist das eben mit den Zahlen und der Realität. Das sogenannte wahre Leben ist allein inszeniert für alle die kleinen Leute, die zu schwach sind für die Theorie und diesen Mindfuck hinter der Moral nicht ertragen können.“
Der Realist schluckte, schloss die Augen und nickte einsichtig, während der Andere fortfuhr: „Dazu kommt: Wenn die BRICs-Staaten eine Handelsunion aufbauen, an der dann auch unser Europa mitbeteiligt ist, und neue Infrastrukturprojekte wie die Weltlandbrücke, oder der Ausbau der Seidenstraße in Gang kommen, und wenn die Chinesen ihre neuen Kernreaktoren bauen, dann haben wir bald einen Wirtschaftsboom wie es ihn noch nie gegeben hat. Noch nie!“
„Du setzt also auf Atomkraft. Das ist nicht das schlechteste, worauf man wetten kann – international gesehen zumindest....“
„Ich bin durchaus skeptisch, was das Vertrauen in die Atom-Technologie angeht, aber Tatsache ist, dass man inzwischen Reaktoren bauen kann, die nur noch 10% des früheren radioaktiven Mülls produzieren. Das ist so. Ganz einfach.... Die Chinesen bauen die Dinger auf dem Meer, irgendwo vor der Küste.... Minimiertes Risiko.“
„Die Chinesen.... Das ist doch alles Scheiße.“
„Die Chinesen sind die besten Verwalter und Kolonialisten, die die dritte Welt je gesehen hat. Denn sie bauen Straßen, Wohnungen und Krankenhäuser für die Arbeiter – während die EU die Elfenbeinküste mit brutalen Fischerei-Knebelverträgen ausbeutet.... Wie gesagt: Ich sehe nur die Zahlen beziehungsweise die Ergebnisse.
Ich meine: Natürlich ist das, was China macht, ökonomischer Kolonialismus. Und klar vertreten die nur Eigeninteressen.... Aber um es mal ganz drastisch auf den Punkt zu bringen: Immerhin lassen die Schlitzaugen die Nigger nicht verhungern!