Politiker haben kurze Beine - Erich Koch - E-Book

Politiker haben kurze Beine E-Book

Erich Koch

0,0

Beschreibung

"Politiker haben kurze Beine" - dieser Titel ist angelehnt an das Sprichwort: Lügen haben blonde Beine. Viele Leute gehen heute nicht mehr wählen, weil sie wissen, egal, wen sie wählen, man wählt immer das größere Übel. Ich gehe immer wählen. Ich will selbst bestimmen, von wem ich die nächsten Jahre angelogen werde. Politik verdirbt den Charakter - sofern man einen hat. Lassen Sie sich in eine satirische Betrachtung unserer Politiker und ihrer wahltagorientierten Politik hineinführen und lachen Sie mit den einfachen, zum Teil skurrilen Angehörigen eines kleinen badischen Dorfes über die Tücken des Alltags und der abriebigen Ehen; Sie wissen ja, eine gute katholische Ehe ersetzt das Fegefeuer. Die Evangelischen haben Pech gehabt. Die kommen direkt in die Hölle. Oder war es umgekehrt? Sie werden feststellen, Lachen macht das Leben erträglicher. Und bei uns im Dorf gibt es viel zu lachen. Nicht nur über Politiker. Obwohl, manchmal könnte man das Heulen kriegen, wenn man sie sieht. Viel Spaß!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 318

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ich danke Gott, dass er mir die Gabe gegeben hat,

Menschen zum Lachen zu bringen.

Erich Koch, Jahrgang 1948, ist Buch- und Theaterautor. Mit seinen satirischen Büchern „Das Beste aus Telefonsex und 100 andere Sachen“ (5. Aufl. 2013), „Die Schule des Lebens“ sowie „Frauen telefonieren länger“ hat er inzwischen Tausende von Lesern zum Lachen gebracht. Jährlich feiern viele Hundert Bühnen mit seinen Komödien große (Lach-)Erfolge. Besuchen Sie ihn doch mal auf seiner Homepage: www.erich-koch-online.de.

Erich Koch

Politiker haben

kurze Beine

Satirische Geschichten aus

(m)einem badischen Dorf

Lindemanns Bibliothek

herausgegeben von Thomas Lindemann

Titelbild unter Verwendung eines Fotos von

www.iStockphoto.com (Petro Perutskyi)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise,

ohne Genehmigung des Verlages nicht gestattet.

2. Auflage © 2013 · Info Verlag GmbH

www.infoverlag.de

Lindemanns Bibliothek · Band 129

ISBN 978-3-88190-906-8

Vorwort

Ich war im Sommer 2009 in Österreich, im walzergeschwängerten, verschrammelten Wien. Allerdings wurden die vernuschelten Walzermelodien von rhythmischen Betonmeißeln in der ganzen Stadt überbrüllt. In einer notdürftig restaurierten Trambahn aus der k. u. k.-Monarchie habe ich bei 35 Grad im Schatten in der nationalen Kronenzeitung gelesen, eine wissenschaftliche Untersuchung habe ergeben, dass die kaiserlosen Österreicher zu wenig lachen. Das haben sie mit uns Deutschen gemein. Naja, nicht ganz. Beim Lachen der kaffeehausabhängigen Österreicher klingt immer ein wenig Schmäh mit. So lässt sich das Leben auch in der überfüllten, staubigen Kärntner Straße leichter ertragen.

Über was soll man auch lachen? Dass die ehemalige, deutschsprachige, reisefreudige Gesundheitsministerin sich das dienstliche Auto im privaten Urlaub in Spanien klauen lässt? Und dass der Chauffeur seinen Sohn mitnehmen durfte, weil ja jemand den dienstlichen PC und das Handy bedienen musste?

Dass die in Wien an die abgezockten Touristen verkauften „echten Wiener Schnitzel“ innerhalb von drei Minuten serviert werden und hauptsächlich aus Panade bestehen?

Dass selbst beinahe Fünf-Sterne-Hotels in Deutschland im Sommer Zimmer ohne Klimaanlage zur rennbahnigen Straßenseite als Verwöhnwochenende vermieten?

Dass uns die Politiker für dumm verkaufen? Gut, das müssen sie ja, sonst werden sie nicht gewählt. Intelligente Menschen wählen keine automatisierten oder gegelten Dummschwätzer. Und sie wollen sich nicht als Stimmvieh missbrauchen lassen.

Deshalb gehen ja immer weniger nicht wiederkauende Menschen zur Wahl. Nicht nur in Deutschland. Sie haben erkannt, dass, egal wen sie wählen, sie immer das größere Übel wählen. Ich bin bisher immer wählen gegangen. Ich wollte selbst bestimmen, von wem ich die nächsten Jahre angelogen werde.

In Afrika versuchen die Völker gerade, ihre alten, korrupten Säcke los zu werden. Wir dürfen sie wählen. Deutschland erwache! Holt die alten Schuhe heraus und zeigt den abgelaufenen Politikern die Sohle.

Oder sollen wir darüber lachen, dass die abgezockten Bankmanager, die ihre Bank und viele ahnungslose Anleger in den Ruin getrieben haben, trotz schriftlicher Verabredung auf ein begrenztes Honorar nach Rettung mit unseren Steuergeldern von den spendenabhängigen Politikern heimlich wieder Millionen an „Sonderzahlungen“ zugemauschelt bekommen? Das Finanzministerium hat die fünfundzwanzig Millionen Bonuszahlungen an Mitarbeiter der verstaatlichten HRE damit verteidigt, dass man damit gute Mitarbeiter halten wolle. Man müsse eine „Bad Bank“ aufbauen, in der Giftpapiere von 185 Milliarden Euro ausgelagert werden sollen. Übrigens, die HRE hat nach eigenen Angaben mit ihren guten Mitarbeitern in den ersten neun Monaten 2011 vor Steuern nur 1,1 Milliarden Euro Verluste gemacht. Davon allein im dritten Quartal – also nach der Bonuszahlung – 408 Millionen Euro!

Wie gesagt, die Politiker müssen uns für dumm verkaufen. Sie sitzen ja in den Aufsichtsräten der Pleitebanken. Aber in diesen Aufsichtsgremien herrscht anscheinend ein System des organisierten Nichtwissens. So haben auch Stoiber und Beckstein vom Kauf der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) nichts wissen wollen dürfen müssen. Und seit beide ihren Ministerpräsidentenposten verloren haben, sind sie so beliebt wie nie bei der vergesslichen Konsumgesellschaft. Die Merkel sollte sich ein Beispiel daran nehmen.

Macht macht einsam. Und einsame Menschen verlieren den aufgezwungenen Kontakt zum devot aufschauenden Volk. Einsame Menschen treffen seltsame Entscheidungen. Red Bull verleiht Flügel. Die narzisstischen Politiker müssen das Zeug literweise jeden Tag in sich hinein schütten, so weit haben sie schon die eidesstattlich gelobte Bodenhaftung verloren. Ihre vergoldeten Flügel werden übrigens von den Lobbyisten gesponsert.

Was war das für ein Aufschrei nach dem Massaker von Winnenden! Jeder sich wichtig glaubende Politiker beeilte sich, mit betretener, besserwissender Miene vor laufender Kamera zu versichern, er werde sich für ein schärferes Waffengesetz einsetzen. Der pulverdampfende Berg spuckte nach großen Wehen einen nassen Furz aus, und die Waffenlobby hat die Flügel tonnenweise mit Red Bull übergossen.

Und wie hat die Regierung aufgeschrien, als der Finanzmarkt von den Bankern vernichtet wurde und die für ein schönes Rentnerleben angelegten sicheren Fonds der Kleinanleger im Sand der Börsenwüste verschwanden.

Die Banken stoßen sich gerade mit dem billigen Geld der Bundesbank auf Kosten der Kleinanleger gesund. Doch das Geld der Kleinanleger hat sich so pulverisiert, dass es selbst die Regierung nicht mehr finden können will. In der Krise muss jeder Opfer bringen, der sich keinen guten Rechtsanwalt leisten kann. Unser Staat ist täterorientiert. Opfer müssen selbst schauen, wie sie sich helfen können. Schließlich kann sich die Regierung nicht um Peanuts kümmern.

Doch die Bundeskanzlerin lässt ihre Wähler nicht im Stich. Die Merkel hat sich selbst zum Symbol der Krise aufgeschwungen. Ihr Gesicht ist das Gesicht der Krise geworden. Und das sieht nicht gut aus.

Endlich hat die Regierung ein neues Verbraucherschutzgesetz gegen die Verbraucher herausgebracht. Die Lobbyisten der freien Anlageberater haben wochenlang mit Red Bull gefeiert. Das hyänige Finanzministerium steht an der Seite der Banken, das FDP- verseuchte Wirtschaftsressort an der der freien Vermittler. Dem Kleinanleger bleibt die dioxinbeschädigte Verbraucherministerin, die eh nichts zu sagen hat. Wie sagte schon Tacitus? „Je korrupter ein Staat, desto mehr Gesetze braucht er!“

Im Augenblick ist übrigens Wahlkampf! Jeder Politiker verspricht uns gerade, das für das Wohl des Volkes zu tun, was er in den letzten knapp vier Jahren nicht getan hat. Es ging einfach nicht! Er hätte ja gern, aber Red Bull! Sie verstehen?

Und sobald sie in der wirkungslosen Opposition sind, wissen sie, was gut für das Volk ist. Da halten sie staatstragende Reden und scheuen keine Kamera. Und da sie in der Minderheit sind, lehnen sie jede aufgezwungene Diätenerhöhung pro forma ab. Doch wehe, sie kommen an die Regierung. Dann trifft sie der Tsunami von Red Bull! Dann tritt auch kein Minister mehr vor die Kamera, wenn Plusminus, FAKT, Monitor, WISO, Frontal 21 oder Report unangenehme Fragen stellen. Schließlich soll man ihr frisch lobbyiertes Gesicht nicht mit Arroganz, Inkompetenz, Schlamperei, Volksentfremdung, Besserwisserei, Selbstherrlichkeit, Unverständnis, Korruption, Volksverdummung, Zynismus oder Ignoranz in Verbindung bringen können.

Oder sollen wir darüber lachen, dass wir immer länger arbeiten müssen, um die wuchernden Diäten, die ständig wachsenden Auslandsherumflüge unserer Volksverschmäher und die dienstlich-privaten Urlaube unserer sich nichts vorwerfen (zu) müssenden Reise-Politiker zu finanzieren? Heute, am 01.09.10, hat die Regierung mit dem Beschluss des Sparpakets den Rentnern, Arbeitslosen, Hartz IV-Empfängern und Alleinerziehenden den Krieg erklärt. Die Gewerkschaften haben erklärt, ab sofort wird zurückgeschossen. Die alternativlose Merkel hat erklärt, es müssten eben alle ihren Beitrag leisten, die keine Lobby haben.

Und um ihre miserable Regierungspolitik noch als Wundertüte unter das Volk zu bringen, hat sich die Regierung für 2010 die Kleinigkeit von 56,6 Millionen Euro für PR-Maßnahmen genehmigt. 14 Prozent mehr als letztes Jahr. Daran lässt sich schon ermessen, wie miserabel das Regierungsprogramm sein muss.

Doch der Höhepunkt kommt noch. Die Regierung will den Regelsatz für die Hartz IV- Empfänger um fünf Euro erhöhen! Die Westerwelle soll vehement mit dem Seehofer dafür gekämpft haben. Warum sollen die eh schlecht ernährten Hartzer nicht eine Schachtel Zigaretten im Monat mehr rauchen können? Denken Sie an unsere Alterspyramide! Da wäre es gut, ein paar unverbesserliche Tabakschlotzer würden zusätzlich das Zeitliche segnen.

Wussten Sie, dass jährlich ca. 3.000 unschuldige Nichtraucher durch Passivrauchen sterben? Meist auch schon schwächliche Rentner. Warum sollte die Regierung diesen Bonuseffekt nicht auch noch mitnehmen?

Diese Leute haben jedes Maß verloren und keinen Anstand mehr. Das behauptet jedenfalls die Opposition. Sie will bei den nächsten Wahlen wieder die Regierung stellen. Die Raucherlobby will ihren Wahlkampf unterstützen.

Ich könnte mich totlachen, wenn ich die verzweifelten Bemühungen unserer volksfremdelnden Politiker sehe, die Preisabsprachen bei Benzin, Öl, Gas und Strom zu bekämpfen. Weiß doch jeder, dass, je höher der Preis ist, um so mehr Steuern für den Staat anfallen. In Deutschland bestimmt die Stromlobby, wann der Regierung die Lichter ausgehen.

Finden Sie es lustig, dass in der Wurst keine Wurst und im Käse kein Käse drin ist?

Und dass die EU mit der Freigabe der Verpackungsnormen der Lebensmittelindustrie den Freischein für Betrügereien geradezu in die Warenkörbe gelegt hat, animiert uns zu Lachsalven! Und dass wir mit neuen Sparleuchten so herrlich mit Quecksilber vergiften werden, zaubert uns ein Lächeln auf die brechenden Augen. Rentner zittern oft. Da kann leicht mal eine Birne zu Bruch gehen.

Aber wenigstens die Renten sind sicher. So sicher, wie die Öllieferungen aus Gazpromland. In Deutschland tickt eine aufgepamperte Zeitbombe!

Die Gefahr für Deutschland lauert nicht am Hindukusch. Sie hat sich in die mit schlecht bezahlten Pflegern unterbesetzten Altersheime verkrochen. Die Gefahr für Deutschland sind seine zähen Rentner! Sie sterben nicht mehr mit Übergabe des schwarz eingerahmten, leicht angekohlten, bakterienverseuchten Rentenbescheids! Die verhartzten Rentner sind das Massengrab, das sich Deutschland selbst gräbt, wenn nicht die Schweinegrippe endlich die Alterspyramide wieder auf den Hintern setzt. Deshalb wartet die sondergeimpfte Regierung ganz ruhig auf die verzögerte Auslieferung des nebenwirksam erhöhten Impfstoffs. Die Politiker trinken sich in der Zwischenzeit mit Red Bull immun. Das hat keine nachweisbaren Nebenwirkungen bei Politikern.

Damit Sie trotzdem etwas zu lachen haben, habe ich dieses Buch geschrieben; auch für die heurigen Österreicher. Glauben Sie mir, die ÖBB ist nicht schlechter als die Grillzüge der Deutschen Bahn, und auch die Riesenbaustelle in der Kärntner Straße in Wien wird eines Tages einer anderen weichen.

Lachen Sie, und Sie leben länger. Das könnte Ihre ganz persönliche Rache an unseren Politikern werden. Lesen Sie jeden Tag eines meiner vier Bücher, und Sie werden steinalt.

Einen kleinen Trost habe ich noch für Sie. Schon der berühmte österreichische Satiriker Johann Nestroy wusste: Der Mensch is guat, nur die Leut san a Gsindl!

Es gab zu seiner Zeit auch schon nur von sich überzeugte Leute, die mutwillig Politik machten. Eine stark mutative Rasse.

Mich müssen Sie jetzt entschuldigen. Ich muss zur Wahlveranstaltung in den „Bären“. Es gibt Freibier und Red Bull aus Eimern mit langen Röhrchen!

Die Protagonisten (m)eines badischen Dorfes kennen Sie ja schon aus den drei anderen Büchern. Da aber Männer nach Alkoholentzug ein sehr schlechtes Kurzzeitgedächtnis haben, stelle ich sie Ihnen nochmals vor:

Unser Stammtisch im Bären

Ichund mein Hund Hasso; verheiratet mit Klara;

gesegnet mit den in Euro zu unterhaltenden KindernMichael– zweiter VornameKarlheinz– undGenoveva

Bärenwirtund seine Hündin, eine echte Pudeldame

Kellnerin,schlagfertig, weiter Ausschnitt, enges Mieder

Alwin, geheiratet von Sieglinde – grüne, spitzmundige Lehrerin

Simon, singt für Alkohol und andere desinfizierende Flüssigkeiten fakultativ das „Wolgalied“

Norbert, sterilisierter Nachbar von Agnes; war verheiratet mit Elfriede

Alfred Backstein, SPD-Mitglied, mein Nachbar und leidend mit Irma verheiratet

Thomas, hinkender Bruder von Alfred

Gerhard, Chef der CDU und mit Ludmilla verheiratet

Ottmar Grundel, Totengräber, hat immer eine Schaufel dabei; seine Frau Lioba hat ein Holzbein, das manchmal ausschlägt; ihre Schwester schielt beidseitig

Hubert, Kioskbesitzer und letzter Priemer im Dorf

Uwe, Weinhändler und Chef der Freien Wähler; verpanscht mit Trine

Aristoteles Blutrausch, einäugiger, ganzkörperbehaarter Metzger

Wilma, seine Frau, versetzt ihren Mann oft in einen Blutrausch

Pfarrer, gelegentlich am Stammtisch, meist bei Freibier und Ochsen am Spieß

Aschenmann, Oberbrandmeister, löscht bei Bedarf

Karl Schmuser, Konditor und verheiratet mit Julchen

Stanislaus Krähahn, Geflügelvermehrer, verheiratet mit Alma

Paul, verheiratet mit Mina und Experte für „Sex im Alter“

Zebedeus Zausel, nur „Zeus“ gerufen, Schwanen- und Ententick

Max Stangenfresser, arbeitet im OP;

seine Frau Gertrud wiegt zwei Zentner

Sepp, unser instinktiver Bürgermeister;

verheiratet mit Kunigunde

Boris Schmalzdarm, Vorsitzender der Metzgerinnung,

Schwager des Blutrausch; verschmalzt mit Waltine

Oskar, Chef der Imker, verheiratet mit Maja

Frieder, mein grüner Freund

Horst, mein rockiger Nachbar, sieht nach zehn Bier aus wie Mick Jagger

Pilzmarie, wartet nachts auf verirrte Männer

Das restliche, erwähnenswerte Dorf

EdwinGrünkohl, leidgeprüfter Biobauer mit zeitweise offener Jauchegrube

Lydia, seine Frau, behandelt mit Eigenurin

Gustav, Edwins Opa, genannt „Ben Hur“

Esmeralda Wurmer, verbissenes SPD-Mitglied

Walburga Spitzgras, ehemalige Vorsitzende des Jungfrauenbundes

Emanuel Gnadenstock, Dirigent der Blaskapelle, verwitwet mit Kunigunde

Urschula, spitzenbewehrte Polin, arbeitet als Friseurin

Costas Knether, Masseur und Schwiegersohn eines Leichenbestatters

Opa, meiniger, lebt zeitweise im Ochsen und bei den Witwen Essigwein, Sahneschmalz, Grünspan ...

Didi Hinterklamm, schwuler Ausputzer unserer Fußballmannschaft und einziges FDP-Mitglied, war mal mit Franziska verheiratet

Konrad, genannt Kongo, australischer Einwanderer; verheiratet mit Lotusblüte

Franz, altbadischer Nachbar und Computerexperte

Herr Teufel, unser Elektromeister

Lothar Schnüffel, Dorfpolizist; überwacht von seiner Frau Gisela

Egon, Kollege von Lothar, versetzt Frauen in Trancezustände

Knut, zweifach erfolgreicher Witwer, liiert mit einer Trapezkünstlerin

Agnes, Telefonfreundin meiner Frau, hat zwei Nummern; ihr Mann arbeitet bei Telekom

GiselaundLuzia, telefonische Ausweichfreundinnen meiner Frau

Esmeralda Schmäh, zugezogen aus Wien

Hrdlidzcek, Bauunternehmer, verwandt mit der Witwe Schmäh

Laurentius Heim, Kassenwart des Stammtischs, in 2. Ehe mit Paula Schläfer verheiratet

Max Mastdarm, Lieferant von Schweinsdärmen

Wilma und Gerda, Kaffeefahrtteilnehmerinnen

Samuel Wondraczeck, genannt Timo, verkauft Rheumadecken

Eugen Lubinsky, hält während der Veranstaltung die Ausgangstür zu

Mehlwurm, Bäcker, berühmt für seine Höhlenbrötchen

Amanda Zittergras, hat Kakteen und den „Grünen Daumen“

Herbert, Vertreter für Damenunterwäsche

Edelgard, seine Frau und Nudistin

Manfred, Drogist

Waldemar, könnte der Zwillingsbruder von Wehner sein

Pfarrköchin, das horizontale Gewissen des Dorfes

Schwiegermutter, meinige, Einmachexpertin

Tante Laura, lebt in einem schwäbischen Altenheim

Karl Potenz, genannt „Nuttenkarl“, großer Fan von Sankt Pauli

Hubert Niederschlag, hat schlechten Ehevertrag mit Lisbeth

Ernst Briefle, Postbote und Hochzeitslader

Hans Hobele, Schreinermeister

Ladislaus Zitter, unser ehemaliger Dorfarzt

Vasily Pillenschabe, Apotheker; lispelt

Romeo Handwarm, unser neuer Dorfarzt

Eduard Rumpel, betreut die Kläranlage und liest Witwen Märchen vor

Mia Bartlos, lässt mit 89 noch Vorsorgeuntersuchungen machen

Lucius Steinschleifer, Juwelier

Karl-Theodor Schlupfloch, Dauer-Hartzer; verheiratet mit Sibylle

Das restliche Dorfkann nicht lesen.

Das Lächeln von Bamberg

Meine von mir selbstlos geliebte, zeitlose, schwarz getönte Frau hat nach mehreren schmerzhaften Anläufen endlich ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Als sie bei der nicht abgeschotteten Passstelle ihr ungefähres Geburtsdatum für einen neuen, überteuerten, nur digital zu fälschenden Personalausweis angeben musste, stand unbemerkt die lauernde Pfarrköchin hinter ihr. Diese hat Fledermausohren und die staatlichen Geburtswehen im benachbarten Konfirmationsregister nachgeprüft, um dann die Geburtsaustrittsdaten beim Metzger Blutrausch wie fette Wurstsuppe verteilen zu können.

Für weibliche Frauen ist es schwer, diesen in die zweite Hälfte des hundertjährigen Ehelebens führenden Geburtstag zu feiern. Wenn sie ihn gegen eine Brust straffende Schwangerschaft eintauschen könnten, würden sie den erniedrigenden Geburtstag für den gekauften Samen eines Geniespenders opfern. Es ist ja auch einfacher, mit über fünfzig Jahren noch ein Kind großzuziehen. Der flüssigkeitsbewusste, mit einem leichten Schlaf gestrafte Ehemann muss eh zehnmal nachts raus.

Der letztendlich nicht aufzuhaltende fünfzigste Geburtstag bringt leicht labile Frauen auch ohne Orangenhaut zum essenziellen Nachdenken. Sie stellen sich unterzuckert morgens mit einer lauwarmen Tasse Kaffee und einer halben Zigarette unrasiert vor den Spiegel und fragen das abgetünchte Zerrbild:

„Bin das ich?

War das schon alles?

Warum wirken die Diätpillen nicht?

Muss ich heute ins Nagelstudio?

Gibt es ein Leben nach dem Fünfzigsten?

Wieso habe ich geheiratet?

Wie heißt noch mal mein Mann?“

Ein durchtrainierter, körperbewusster Mann weiß, dass er mit fünfzig Jahren viele sexuelle Wünsche noch nicht ausgelebt hat und der Sinn des Lebens nicht in den eigenen vier weiß getünchten Wänden eingeschlossen ist. Er verbreitet sich in vielen heimeligen Wirtschaften und im tiefen Ausschnitt der Kellnerin des „Bären“. Ein Mann sucht dort keine Probleme, wo sie nicht sind. Eine gepflegte Glatze und ein für schlechte Zeiten angelegter Bierbauch können durchaus erotische Effekte haben, wenn sie pekuniär stark untermauert werden. Schauen Sie sich doch mal um in der Welt des dekadenten, doktorlosen Adels und des schnell verdienten Geldes.

Meine verträumte Frau vermisst weniger guten Sex als das Ambiente. Plötzlich träumt sie von Fünf-Sterne-Hotels mit Seeblick und einem teuer aussehenden Ober, der ihr gut parfümiert französisch den Stuhl rückt, ehe sie sich badisch mit einem lasziven Augenaufschlag darauf einschweben lässt. Im badischen „Bären“ gibt es nur eine oberkörperbetonte bayrische Kellnerin, und die lässt uns einfache Männer ohne Aufschlag träumen, dass wir mit ihr in den unterwäscheverzauberten Himmel schweben werden. Aber einen Stuhl hat sie uns noch nie gerückt.

Meinem leidend verheirateten Nachbarn Alfred Backstein hat sie mal den Stuhl auf den Kopf gehauen, als er sich nach zehn Halben unter ihrem Rock versteckt hat, weil er angeblich dort seinen röchelnden Tinnitus nicht mehr hörte. Alfred gehört der abgewrackten SPD an.

Für die nächsten zwei Wochen hatte er seinen schwindligen Tinnitus mit dem eintönigen Brummen in seinem geschwollenen Schädel übertönen können, weil seine angeschwollene Frau ihm bei seiner mitternächtlichen Heimkunft noch die mit echtem Schweinefett eingefettete Bratpfanne als biologisches Allheilmittel mehrfach angeboten hat.

Sie hatte von seiner ungewöhnlichen Heilmethodensuche durch die allgegenwärtige Pfarrköchin erfahren, die alles durch die nur halb geschlossenen Fensterläden des „Bären“ auf den schon eingeschlafenen Zehenspitzen mitbekommen hatte. Es half Alfred nicht, dass er behauptete, sein einbeiniger Zwillingsbruder sei unter den engen Rock der Kellnerin gekrochen. Sein Bruder Thomas hinkt zwar, hat aber eingerissene Ohren, und er war zu dieser Zeit im Urlaub in Österreich. Er hat dort für die nächste Theateraufführung in unserem Dorf nuscheln gelernt.

Außerdem hatte die mit männlichen Ausreden vertraute Pfarrköchin alles mit der gesponserten Kamera des Sittlichkeitsvereins zoomig festgehalten. Seither schließen wir fast alle Läden im „Bären“ ganz, und Alfred hat immer seinen Hund dabei. Den hat er mit einem heimlich entwendeten, selbst gestrickten BH der Pfarrköchin auf deren starken Eigengeruch trainiert. Sobald sie draußen vor dem als Falle ausgelegten, nur halb geschlossenen Fenster einen ausklappbaren Stuhl aufstellte, ließ Alfreds Heino, sein hungrig gehaltener Rottweiler, ein leises, aber durchaus erwartungsfrohes Winseln hören. Alfred ließ ihn wohltätig zur gut geölten Hintertür hinaus und belohnte ihn für die erbeutete Kamera mit einer erkalteten Bratwurst. Seit den letzten furchtbaren Schmerzensschreien vor sechs Wochen ist die angesäuerte Pfarrköchin nicht mehr gesehen worden. Wahrscheinlich hat sie jetzt den wahren Sinn ihres kurzatmigen Lebens erkannt: Bleibe im Pfarrhaus und nähre den Pfarrer redlich.

Der Spruch ist abgeleitet aus der Bibel. Dort steht: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Alfred musste ihn einhundertmal schreiben, ehe er wieder zum Stammtisch durfte. Genau genommen lautet der Spruch: Hör auf Gott, bleibe im Lande und nähre dich redlich. Alfred hat „Gott“ durch „Irma“ ersetzen müssen. Sie hat gegenüber Alfred verlauten lassen, das komme für ihn auf das Gleiche heraus. Er müsse nur den rechten Glauben haben.

Während die meist gleichgültig, zufrieden dahinlebenden, selbstlosen Männer mit dem fünfzigsten Geburtstag erschreckt feststellen, dass ihre zu verbessernden Ehehälften unheimlich alt geworden sind, erschrecken spiegelsüchtige Frauen über sich selbst.

Männer versuchen, ihre lebergefettete Haut durch vermehrte Zufuhr von galliger Flüssigkeit – herbes Pils – zu glätten, Frauen stürzen sich in Kosmetikstudios und ruinieren ihre Männer mit brustgeöffneten Frustkäufen im überdufteten Baumarkt für Frauen. Douglas hat eine eigene Pflegeserie für vernachlässigte Frauen über fünfzig aufgelegt. Ein Renner!

Elfriede hat an ihrem fünfzigsten Geburtstag – nach den bierunterstützten Aufzeichnungen ihres wortkargen Mannes muss es aber der vierundfünfzigste gewesen sein – sämtliche Möbel auf den Müll fahren lassen. Norbert ist Altertumsforscher und fast verzweifelt. Er sagte, die Möbel seien höchstens acht, maximal zweiundzwanzig Jahre alt gewesen. Praktisch wie neu! „Glühgut“, wie man bei uns im Badischen sagt.

Elfriede behauptete, sie habe sich daran satt gesehen. Daran sieht man, dass Frauen nicht logisch denken können.

Norbert ist seit über dreißig Jahren verheiratet. Er sagt doch auch nicht, er habe sich an Elfriede satt gesehen, geht dann ins Möbelhaus und kauft ein neues Polster!

Elfriede wollte ein neues Ambiente! Sie hat es bekommen. Auf der Fahrt ins Möbelhaus hatte sie einen durch die Vorhersehung arrangierten Unfall. Einem Möbelwagen hat sie die ultimative Vorfahrt genommen. Elfriede fuhr einen Mercedes mit Automatik.

Nach der kurz gehaltenen, regnerischen Beerdigung fand im trockenen „Bären“ eine große Leichenfeier statt. Sie wurde oft durch Bravorufe auf den Spender und Neuwitwer unterbrochen. Norbert hatte die Möbel zurückbekommen, da sie noch nicht verschrottet worden waren, und mit dem Mercedes hat er die Abwrackprämie eingelöst.

Das schlichte Grab von Elfriede hat er besonders weit weg von der bedrohlichen Auferstehungskirche anlegen lassen. Außerdem hat er Elfriede nur bis zum Bauch eingraben lassen. So könne sie ihr Grab selbst pflegen und sich ihr eigenes Ambiente gestalten.

Dass Frauen nicht logisch sind, möge Ihnen auch dieses Beispiel verdeutlichen. Statistisch gesehen, kaufen normal alternde Frauen im Jahr für 440 Euro ein, Männer für 200 Euro, wobei die-se Einkäufe zur Hälfte auch durch Frauen getätigt werden. Sie werden sagen, eine Statistik lügt. Sie haben natürlich Recht. Es wurden auch Mädchen mitgezählt, die gar nicht einkaufen dürfen, weil sie noch nicht die Scheckkarte bedienen können. Wenn man nur verheiratete Frauen berücksichtigt hätte, käme man auf den gleichen Betrag, aber im Monat. Bei den resistent modeunabhängigen Ehemännern würde sich der Betrag auf 20 Euro reduzieren, im Jahr.

Wenn ein in langer Ehe ergrauter, an Körpergröße schrumpfender Mann ausnahmsweise eine neue Hose braucht, geht er in die Hosenabteilung, in der ein älterer Mann bedient, zieht eine in seiner Wunschgröße oben liegende Hose an, geht widerwillig zur Kasse und bezahlt mit Schmerzen in der Magengegend. Dabei tröstet ihn, dass diese letzte Hose ihn einmal im heimeligen Sarg schmücken wird. Dann verlässt er auf dem kürzesten Weg das sitz-unfreundliche Kaufhaus, um sich von dem Unterdruck auf der alkoholfreien Lunge zu befreien. Und Frauen?

„Erich, ich fahre in die Stadt.“

„Mit meinem Auto?“

„Es ist unser Auto. Schließlich habe ich die Farbe ausgesucht.“

„Musst du zum Arzt?“

„Was soll ich beim Arzt?“

„Was weiß ich! Ihr Frauen seid doch immer krank.“

„Ich bin nicht krank.“

„Und was ist mit deiner Hammerzehe?“

„Das war nur ein Hühnerauge. Das ist doch schon längst ausgeheilt.“

„Du hinkst aber immer noch.“

„Weil ich heute Nacht über deine Hausschuhe gestolpert bin, die du überall herumliegen lässt.“

„Und darum gehst du zum Arzt?“

„Ich gehe nicht zum Arzt.“

„Nicht? Warum willst du dann in die Stadt?“

„Ich gehe mit Agnes shoppen.“

„Ist Agnes krank?“

„Männer! Wir gehen einkaufen!“

„Einkaufen? Was brauchst du denn?“

„Nichts Bestimmtes.“

„Ist das teuer?“

„Das weiß ich doch nicht. Wir schauen uns nur mal um.“

„Du brauchst nichts und gehst einkaufen?“

„Ja, vielleicht finde ich etwas Schönes“

„Du suchst doch nichts. Warum willst du dann etwas finden?“

„Erich, das verstehst du nicht.“

„Was gibt es da nicht zu verstehen? Du brauchst nichts, gehst aber einkaufen, weil du vielleicht etwas Schönes findest, was du nicht gesucht hast. Das ist doch nicht logisch.“

„Wenn ich etwas Schönes finde, brauche ich es auch.“

„Warum?“

„Weil es mich hübsch macht.“

„Du bist mir hübsch genug.“

„Ich weiß, wenn es nach dir ginge, könnte ich die Kleider meiner Mutter auftragen.“

„Alte Sachen werden irgendwann wieder modern. Es kommt alles wieder.“

„Erich, es ist zwecklos, mit dir darüber zu reden.“

„Klara, dein Schrank ist voll mit Klamotten.“

„Genau! Uraltes Zeug.“

„Ich habe gar nicht gewusst, dass Frauenkleider ein Verfallsdatum von einem halben Jahr haben.“

„Lass dein blödes Gerede. Gestern habe ich vier Säcke für die Altkleidersammlung hergerichtet.“

„Altkleidersammlung? Aber nichts von mir?“

„Doch, von dir sind auch ein paar Sachen dabei.“

„Aber nicht meine grüne Weste!“

„Nein, die habe ich schon vor vier Wochen weggegeben.“

„Spinnst du?! Die war noch wie neu!“

„Die hast du mit in die Ehe gebracht. Die Farbe war scheußlich!“

„Die Weste hat meine Mutter eigenhändig mit ihren abgearbeiteten Fingern in vielen schlaflosen Stunden mit gichtigen Schmerzen gestrickt.“

„So sah sie auch aus.“

„Was willst du damit sagen?“

„Dass man das Heulen bekommen konnte, wenn du damit he-rumgelaufen bist. Agnes sagt, damit hättest du wie ein verlauster Wanderprediger ausgesehen.“

„Agnes soll sich lieber um ihren verlausten Hund kümmern. Der sieht aus wie eine tiefergelegte, gefärbte Ratte und scheißt uns immer ins Erdbeerbeet.“

„Ich bringe dir eine neue Weste mit.“

„Ich will keine neue Weste.“

„Dann eben nicht. Ich muss jetzt los.“

„Was hast du denn noch alles von mir weggeworfen?“

„Nur das, was weg musste.“

„Solange die Sachen noch gut sind, muss man sie nicht wegwerfen.“

„Erich, ich habe jetzt keine Lust, mit dir darüber zu diskutieren.“

„Ja, wenn ihr Frauen merkt, dass ihr im Unrecht seid, gehen euch die Argumente aus.“

„Was hat shoppen mit Recht zu tun?“

„Viel! Es ist nicht rechtens, Geld auszugeben, wenn man das Gekaufte nicht benötigt. Das erfordert allein schon der Respekt vor dem, der das Geld im Schweiße seines Angesichts und mit durstigem Magen erarbeitet hat.“

„Das Geld ist von meiner Mutter. Sie wollte mir eine Freude machen.“

„Ich verbiete deiner Mutter, dir eine Freude zu machen!“

„Erich, mach dich nicht lächerlich.“

„Wenn du schon nichts brauchst, dann kaufe es von unserem Geld.“

„Natürlich brauche ich noch Geld von uns. Die fünfhundert Euro von Mutter reichen doch höchstens für die Schuhe und das kleine Schwarze.“

„Ich denke, du brauchst nichts.“

„Wir müssen ja bestimmt mal wieder auf eine Party.“

„Auf welche Party?“

„Was weiß ich? Wird der Bürgermeister dieses Jahr nicht 50?“

„Was hat das mit uns zu tun?“

„Wir werden doch sicher eingeladen.“

„Natürlich. Aber wir können nicht hingehen.“

„Warum?“

„Weil du meine grüne Weste in die Altkleidersammlung gegeben hast. Die hatte ich immer zum Grillen bei Sepp an.“

„Ja glaubst du denn, der Bürgermeister macht zu seinem Fünfzigsten ein Grillfest? Erich, wo lebst du denn? Kunigunde hat mir erzählt, sie lässt eine Cateringfirma aus Paris einfliegen.“

„Kunigunde soll das gesagt haben? Sepp hat gesagt, er feiert im ,Bären‘, basta!“

„Sepp weiß es noch nicht.“

„Was?“

„Das mit der Cateringfirma. Das ist eine Überraschung von seiner Frau. Die Feier im „Bären“ findet eine Woche später für das übrige Dorf statt. Die richtige Feier findet an seinem Geburtstag im Schloss statt.“

„Im Schloss?“

„Ja, im Schloss. Das kann man für solche Zwecke mieten. Und wir sind natürlich eingeladen.“

„Ich habe nichts anzuziehen.“

„Keine Angst, ich habe dir einen Smoking bestellt.“

„Was hast du?“

„Es ist Frackzwang.“

„Was für ein Zwang?“

„Erich, überlass das alles mir. Zum Friseur musst du aber auch noch.“

„Ich war doch erst gestern.“

„Das Fest ist ja erst in sechs Wochen. Und dein Bart muss weg. Der macht dich um zehn Jahre älter.“

„Mein Bart bleibt!“

„Erich, willst du uns ruinieren?“

„Was hat mein Bart damit zu tun?“

„Ich habe mit Agnes um einen Rolls-Royce gewettet, dass du deinen Bart abmachst.“

„Bist du übergeschnappt?“

„Nein, nicht, was du jetzt schon wieder meinst.“

„Nicht? Ah, du nimmst Drogen. Diese Tabletten, die du in deinem Nachttisch versteckt hast.“

„Was hast du in meinem Nachttisch zu suchen?“

„Meine Socken in den Nationalfarben.“

„Deine Socken waren noch nie in meinem Nachttisch.“

„Ich habe sie dort auch nicht gefunden.“

„Die Tabletten brauche ich für meine Haut.“

„Haut? Sind die zum Einreiben?“

„Nein, die wirken von innen. Sie glätten die Haut und entfernen Falten.“

„Da habe ich aber noch nichts davon bemerkt.“

„Ich nehme sie auch erst seit sechs Wochen.“

„Ab welcher Woche wirken sie denn?“

„Was weiß ich. Das kommt darauf an, wie tief die Falten sind und wie sehr die Haut schon vom Ärger mit dem Ehemann beansprucht worden ist.“

„Wenn man wüsste, ab welcher Woche sie wirken, könnte man bis zu der Woche warten und dann die Tabletten nehmen.“

„Erich, mach mich nicht wahnsinnig. Ich muss los.“

„Und was ist mit dem Rolls-Royce?“

„Den kann man mieten. Damit fahren wir vor dem Schloss vor, wenn du deinen Bart abnehmen lässt.“

„Ich lasse meinen Bart nicht abnehmen. Auch nicht für einen Jaguar!“

„Dann fahren Agnes und ihr Mann mit dem Rolls-Royce vor, und du musst es bezahlen.“

„Ich?!“

„Natürlich, so haben wir gewettet.“

„Was kostet das denn?“

„Mit Chauffeur 2.500 Euro. Er bringt uns auch wieder nach Hause.“

„2.500 ...? Spinnst du?“

„Wieso? Du brauchst dir doch nur den Bart abzunehmen. Das kleine Opfer wirst du doch für mich bringen können.“

„Das ist Erpressung.“

„Papperlapapp! Männer muss man zu ihrem Glück zwingen.“

„Mein Glück hängt nicht von einem Rolls-Royce ab.“

„Aber meines. Und wenn ich nicht glücklich bin, bist du es auch nicht.“

„Wer sagt das?“

„Ich! Bis ich zurück bin, bist du rasiert! Und wage es ja nicht, mich zu blamieren.“

„Zu welchem Arzt wolltest du noch mal?“

„Erich, ich gehe shoppen.“

„Entschuldige, jetzt erinnere ich mich. Du brauchst ja nichts.“

„Genau, Agnes und ich gehen nur ein wenig schauen.“

„Das kostet ja nichts.“

„Gut, dass du mich daran erinnerst. Ich muss die Scheckkarte mitnehmen.“

„Die Scheckkarte?“

„Natürlich, vielleicht finde ich ja etwas.“

„Dann freue dich dran und lass es hängen.“

„Erich, ich muss los. Außerdem muss ich noch eine Fliege für dich kaufen.“

„Fliege? Für was brauche ich eine Fliege?“

„Für deinen Smoking.“

„Ich habe keinen Smoking.“

„Herr, warum hast du den Männern nicht ein klein wenig mehr Hirn gegeben? Die meisten Frauen hätten dir dafür von ihrem Hintern gern etwas abgegeben.“

„Also, noch mal ganz langsam. Du gehst einkaufen, weißt aber nicht, was du brauchst.“

„Ich weiß, was ich brauche.“

„Was denn?“

„Was Schönes.“

„Und wenn du nichts findest?“

„Wenn man nicht sucht, kann man nichts finden.“

„Ich denke, du suchst nichts.“

„Erich, nach der Feier im Schloss lasse ich mich scheiden. Tschüss!“

Finden Sie darin eine Spur von Logik? Es gäbe viel weniger Elend auf der verheirateten Welt, wenn wir alle noch nackt he-rumlaufen würden. FKK ist das Ergebnis einer zwingenden Logik. Da war uns die DDR weit voraus. Es war nicht alles schlecht dort.

Sehen Sie sich das Elend von Ottmar Grundel, unserem beidhändigen Totengräber, an. Sein sargähnlich unterkellertes Haus steht direkt am witwenfreundlichen Friedhof. Plötzlich will Lioba, seine Tonurnen brennende Frau, von dort wegziehen. Und das, obwohl sie ein geschnitztes Holzbein aus gebeiztem Birkenholz hat und nicht mehr gut zu Fuß ist. „Wenn sie mal stirbt, hätte sie es nicht weit“, sagt Ottmar. „Den Weg hätte sie auch mit ihrem Holzbein schaffen können. Die Tonurne hätte ich ihr gern hinterher getragen.“

Auch für Ottmar wäre ein mutwilliger Wegzug eine ungeheuere Arbeitserschwernis. Wenn er ein erwartungsfreudiges Grab ausgehoben hat, trinkt er gern noch ein paar Flaschen Bier am offenen Grab und bespricht sich ausführlich und leise mit dem leberverhärteten Toten, auf welcher Seite dieser seinen mostigen Kopf liegen haben will.

Er sagt, die meisten Toten wollten mit dem Gesicht nach der von ihrem Haus abgewandten Seite begraben werden, falls ihre Frauen noch leben. Sie wollen nicht mit ansehen müssen, wie sich ihre Frauen die Fernbedienung des Fernsehers unter den Nagel reißen und ihre Bierdeckelsammlungen in den Müll werfen.

Ottmar sagt, es sei wichtig, den Willen der den Gnadentod gestorbenen Männer zu erfüllen, da sie sonst spuken müssten. Viele hastig eingesargten Toten verrieten ihm zum Dank dafür, wo sie das vor ihren Frauen verborgene Schwarzgeld versteckt hätten. Das muss stimmen, da Ottmar, wenn viele Männer sterben, immer genügend Geld hat, um im „Bären“ die Totenbesprechungen fortzusetzen. Ottmar betrachtet die Tatsache, dass Frauen von Geburt an länger leben, als Gottes Segen. Nur bei seiner Frau hat er damit einige Schwierigkeiten.

Wenn er anschließend erfüllt nach Hause gehe, sei er schon vielen abgestorbenen Geistern begegnet. Meist ist es aber seine Wutfrau, die ihn mit ihrem Holzbein abholt, an dem sie immer eine kleine Weidenrute befestigt hat. Diese ist nicht gebeizt, aber in Wasser eingelegt worden, weil sie dann besser zieht.

Und obwohl der Weg für sie viel beschwerlicher werden würde, will Lioba an ihrem fünfzigsten Geburtstag zu ihrer schielenden Schwester ins bucklige Oberdorf ziehen. Deren Mann, er hieß Franz Weinbrenner, ist weinselig die Treppe hinuntergefallen und hat sich somit dem weiteren Martyrium einer fleischlosen Ehe mit einem ergebenen Seufzer entzogen.

Ottmar befürchtet, sich gegen zwei Frauen auch mit seiner Grabschaufel nicht durchsetzen zu können. Seine Befürchtungen sind sicher berechtigt. Der Schaufelstiel sieht schon etwas morsch aus. Seine plattnasige Schwägerin, die als Mädchen bei den Jungs mitringen durfte, sammelt jeden Herbst Weidenruten, aus denen sie im Winter wunderschöne Körbe und Peitschen macht. Da sie beidseitig schielt, wird sie von den Bauern oft beim Bezahlen betrogen. Das ganze Dorf ist gespannt, wie die Sache ausgehen wird.

Meine douglasgestählte Frau wünschte sich zum gefühlten fünfzigsten Geburtstag einen SUV. Ein ungewöhnlicher Wunsch einer dahinreifenden Frau, die sich von Zigaretten, Kaffee, Cognac, Käsesahnetorten und Cola ernährt. Vielleicht macht der Bärenwirt eine Ausnahme und lässt sie mal mit am Stammtisch sitzen. Eigentlich sind Frauen bei uns am Stammtisch nicht zugelassen. Ich nehme an, dass sie nach drei Halben ihrem Wunsch sehr nahe gekommen sein wird.

Sie wolle endlich eben in ein Auto steigen können und nicht mehr so tief sitzen müssen. Als ich ihr zu bedenken gab, dass man im Suff überhaupt nicht Auto fahren sollte und die Stühle im „Bären“ alle die gleiche Höhe hätten, erfuhr ich, dass SUV ein gebärmutterfreundliches, hochbeiniges Auto ist.

Seit wann interessieren sich aufgenagelte Frauen für Autos, wenn kein gut aussehender Mann darin sitzt? Sie faselte etwas von royalem Ambiente und von ihrer frisch abgesaugten Freundin, die sich letzte Woche zur Belohnung einen SUV gekauft habe. Es sei ein fantastisches Fahrgefühl.

Die Gefühle von silberblickigen Frauen sind nicht leicht einzuschätzen. Unsere Kassenlage jedoch sehr wohl. Nach dem Kauf des SUVs befinden wir uns in einer Lage, die unweigerlich dazu führt, dass man beim Betreten der Bank vom Personal mit Namen begrüßt wird und nach dem Gesundheitszustand gefragt wird. „Wie geht es Ihnen, Herr Koch? Was macht die Arbeit? Sie arbeiten doch noch? Wie geht es der holden Gattin? Kommen Sie mit den Raten klar? Wir können den Kredit gerne aufstocken oder die Raten strecken.“ Seither mache ich Homebanking!

Ich mag dieses Auto nicht! Ein Auto, das mich bei seinem Anblick sofort an meine Promillegrenze erinnert, weckt in mir einen natürlichen inneren Widerstand. Vor allem, wenn ständig meine Frau damit durchs Dorf fährt und jeder Freundin hupend zuwinkt. Ich sitze auf dem erhöhten Beifahrersitz und komme mir vor wie Prinz Philipp neben der langsam verwesenden Queen. Nur dass die im Auto einen BH trägt.

Gerhard, der Chef unserer einstimmigen CDU-Fraktion, ist verzweifelt. Seine nicht nur politisch aktive Frau hat ihm eröffnet, dass sie mit Eintritt in die zweite Hälfte ihres Lebensjahrhunderts sich von allen sittlichen Bahnschranken befreien werde.

Gerhard glaubte, sie wolle den Papagei verkaufen und aus dem Jungfrauenbund austreten. Im hormonfeindlichen Jungfrauenbund kann man auch nach der erzwungenen Eheschließung als beratendes Mitglied verbleiben. Da der Pfarrer der geschlechtsneutrale Ehrenvorsitzende ist, besteht eigentlich keine Gefahr, dass es zu ehewidrigen Handlungen kommt. Jedoch hetzt die Pfarrköchin unsere Frauen ständig gegen uns auf, indem sie behauptet, Alkohol mache Männer impotent. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Gut, wenn man bedenkt, dass die Geburtenrate in Deutschland ständig nach unten zeigt, könnte ein Körnchen Wahrheit daran sein.

Der „Bärenwirt“ behauptet, das Gegenteil sei der Fall. Durch die Mitgliedschaft im sterilen Jungfrauenbund nehme der Anteil der unfruchtbaren Tage der fruchtigen Ehefrauen überproportional zu. Wenn ich mir so die Frauen in unserem Dorf betrachte, halte ich diese These für wahrscheinlicher. Manche tragen ihre Unfruchtbarkeit offen zur Schau.

Ludmilla verbleibt allerdings abgerüstet im Jungfrauenbund. Sie trägt ab sofort keinen BH und keine Unterhose mehr. Das könnte durchaus eine neue Erotik ins muffige Schlafzimmer spülen. Ein wenig fahles Licht und alte, rote Tapeten sollten die nötige Stimulanz erzeugen können. Ich spreche da aus Erfahrung. Ein Hotel in Wien hatte genau diese aus dem Kamasutra stammenden, männlichkeitsfordernden Eigenschaften.

Doch Ludmilla hat Körbchengröße 110, und ihre Unterhose hat Gerhard manchmal als Netz benutzt, um im abgelaichten Dorfteich alte Karpfen zu fangen. Und bei uns im Dorfteich gibt es riesige Karpfen.

Wenn Ludmilla in einer halbdurchsichtigen Bluse an lauen Sommerabenden wippend am schwülen Dorfteich vorbeigeht, schnappen sogar die Karpfen und die mit Ferngläsern bewaffneten Rentner, die dort zahnlos auf den Bänken sitzen, nach Luft.

Besonders, wenn vom nahen Bauernhof von Edwin Grünkohl schwere Mistdämpfe herüberziehen, riecht man das neue Parfüm bei Ludmilla nicht. Sie lässt sich von Edwins Frau mit Eigenurin gegen ihre entzündeten Brustwarzen behandeln und überdeckt die heilenden Gerüche mit überteuerten Gerüchen aus der Welt des Adels. Sie behauptet, Sissi habe bereits dieses Parfüm gegen ihre neidische österreichische Schwiegermutter benutzt.

Gerhard hat seine inzwischen geschlechtslose Schwiegermutter angefleht, ihre kurzberockte Tochter wieder zur Vernunft zu bringen. Wenn Ludmilla so weiter mache, werde ein imperatives Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet. Aber appellieren Sie mal bei übergewichtigen Frauen an Vernunft. Sie finden keinen Widerhall. Bei höckernasigen, großwarzigen Schwiegermüttern ernten Sie höchstens ein höllisches, gelbzahniges Gelächter.

Seine verbitterte Schwiegermutter gibt natürlich ihm die Schuld. Sie hat nur eine kleine, verhartzte Witwenrente und muss sich jeden Tropfen Parfüm vom bissigen Mund absparen. Er habe mit seinem Geiz, seiner Sauferei und seinen Schafen ihre Tochter in den Wahnsinn getrieben. Gerhard hält ein paar Schafe, da vor Jahren der Rasenmäher kaputt gegangen ist und er für das zwanzig Jahre alte Gerät bei ALDI keine Ersatzteile mehr bekommen hat.

Ein gescherter Wanderschäfer kam gerade vorbei und hat ihm bei Ludmillas Anblick spontan zwei Schafe geschenkt. Er hat ihm geraten, die neugeborenen Lämmer wegen der Kälte die ersten Wochen im Schlafzimmer unterzubringen. Seither schläft Ludmilla getrennt von ihm.

Als Zeichen ihrer neuen Bereitschaft für ein besseres Leben hat sie ihre Unterhose und ihren BH an die Fensterläden des Schlafzimmers genagelt. Gerhard wird wohl den Vorsitz bei der CDU verlieren. Nicht wegen seiner Schafe. Wir können es nicht hinnehmen, dass seine Frau unsere Frauen auf weiterführende Gedanken bringt und die Rentner vom Dorfteich vertreibt.

Was nagelstudioabhängige Frauen denken, verbirgt sich dem ahnungslosen Gehirn eines harmoniebedürftigen Ehemannes meist. Norbert ist mit Elfriede verheiratet und sterilisiert. Elfriede will keine Kinder, die Norbert ähnlich sehen.

Das kann jeder im Dorf verstehen. Mit seiner schiefen, großlöchrigen Boxernase und seinen abstehenden, leicht schuppigen Segelohren vermittelt Norbert den Eindruck einer Kreuzung aus einem Wolpertinger und einem australischen Flughund. Und wenn man sich vorstellt, dass die Kinder vielleicht noch seinen vorgewölbten Entengang und den chronischen Schluckauf erben würden, hätte man spätestens jetzt ein evangelisches Verhütungsmittel erfinden müssen.

Norbert musste sich daher freiwillig sterilisieren lassen. Elfriede, seine aufgezwungene Ehefrau, nimmt oral nichts zu sich, was ihren Hormonhaushalt künstlich beeinflussen könnte, und Norbert ist angeblich gegen die Geschmacksvariationen der Kondome allergisch. Besonders intensiver Erdbeergeschmack hat sich verheerend bei ihm im Schlafzimmer ausgewirkt.

Elfriede schwört stimulierend auf frische Erdbeeren mit Sahne und lässt sich von Franz, meinem altbadischen Nachbarn, im schwülen Sommer immer taufrische Erdbeeren vom Feld mitbringen. Franz pflückt selbst, und nachdem sich Elfriede ausgezogen hatte, hat er mit steifer Sahne die kurz angefrorenen Erdbeeren auf den strategisch wichtigen Punkten bei Elfriede befestigt. Da sie gerade fünfzig geworden war, hat er mit fünfzig Erdbeeren einen Lehrpfad für seine Zunge angelegt.