Pompeji - Robert Harris - E-Book

Pompeji E-Book

Robert Harris

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Pompeji, 79 n. Chr., reichste Stadt der römischen Weltmacht, Oase der Schönen und Mächtigen: Der junge Wasserbaumeister Attilius kommt einer skrupellosen Verschwörung auf die Spur, doch seine Nachforschungen werden überschattet von den unheimlichen Vorzeichen einer drohenden Apokalypse.

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Seitenzahl: 525

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Das Buch

Auch im Sommer des Jahres 79 n. Chr kommen die Reichen und Schönen wieder aus Rom nach Pompeji, Stadt der Ausschweifungen und der Intrigen. Doch dann bebt die Erde, und der mächtige Aquädukt Aqua Augusta, der das Wasser von den Hängen des Vesuvs zu den Küstenstädten führt, versiegt. Attilius, aus Rom entsandter neuer Wasserbaumeister, soll den Schaden beheben. Die Zeit drängt, denn Wasser bedeutet nicht nur Leben, sondern für den skrupellosen Geschäftsmann Ampliatus vor allem Geld und Macht. Ausgerechnet dessen Tochter Corelia kommt einer Verschwörung auf die Spur und bittet Attilius um Hilfe. Während die beiden fieberhaft dunkle Machenschaften aufdecken, sendet die Natur weitere Vorboten drohender Gefahr.

Der Autor

Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Seine Romane Vaterland, Enigma, Aurora, Pompeji, Imperium, Ghost, Titan, Angst, Intrige, Dictator, Konklave, München, Der zweite Schlaf, Vergeltung und zuletzt Königsmörder wurden allesamt internationale Bestseller. Er lebt mit seiner Familie in Berkshire.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDer AutorWidmungVorbemerkung des AutorsMARS - 22. August
Conticinium - [04.21 Uhr]Hora undecima - [17.42 Uhr]Hora duodecima - [18.48 Uhr]Vespera - [20.07 Uhr]Nocte intempesta - [23.22 Uhr]
MERKUR - 23. August
Diluculum - [06.00 Uhr]Hora quarta - [09.48 Uhr]Hora quinta - [11.07 Uhr]Hora sexta - [12.00 Uhr]Hora septima - [14.10 Uhr]Hora duodecima - [18.47 Uhr]Vespera - [20.00 Uhr]Nocte concubia - [22.07 Uhr]
JUPITER - 24. August
Hora prima - [06.20 Uhr]Hora quarta - [10.37 Uhr]Hora sexta - [12.57 Uhr]Hora nona - [15.32 Uhr]Vespera - [20.02 Uhr]
VENUS - 25. August
Inclinatio - [0.12 Uhr]Diluculum - [06.00 Uhr]Hora altera - [07.57 Ihr]
DankNachweiseCopyright

Für Gill

Vorbemerkung des Autors

Die Römer unterteilten den Tag in zwölf Stunden. Die erste, hora prima, begann bei Sonnenaufgang. Die letzte, hora duodecima, endete bei Sonnenuntergang.

 

Die Nacht wurde in acht Wachen unterteilt – Vespera, Prima fax, Concubia und Intempesta vor Mitternacht und Inclinatio , Gallicinium, Conticinium und Diluculum danach.

 

Die Wochentage wurden nach Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn und Sonne benannt.

 

Pompeji umfasst einen Zeitraum von vier Tagen.

 

In der vierten Augustwoche des Jahres 79 n. Chr. ging die Sonne über dem Golf von Neapel um 6.20 Uhr auf.

 

»Die amerikanische Überlegenheit in allen Belangen der Naturwissenschaft, Wirtschaft, Industrie, Politik, des Handels, der Medizin, Technik, des gesellschaftlichen Lebens, der sozialen Gerechtigkeit und natürlich des Militärwesens war total und unzweifelhaft. Selbst Europäer, die noch unter den Qualen eines verletzten Chauvinismus litten, blickten ehrfurchtsvoll auf das glänzende Beispiel, das die Vereinigten Staaten der Welt gaben, als das dritte Jahrtausend anbrach.«

 

Tom Wolfe, Hooking Up

 

»Da ergibt sich denn, dass auf dem ganzen Erdkreise und so weit das Gewölbe des Himmels reicht, Italien das schönste und daher mit Recht den obersten Platz alles Erschaffenen behauptende Land ist. Es ist die zweite Regentin und Mutter der Welt durch seine Männer, Frauen, Feldherren, Soldaten, Sklaven, Vortrefflichkeit der Künste, ausgezeichneten Genies …«

 

Plinius, Historia naturalis

 

»Wie können wir unsere Hochachtung einem Wassersystem verweigern, das im 1. Jahrhundert n. Chr. die Stadt Rom mit erheblich mehr Wasser versorgte, als 1985 nach New York City gelangte?«

 

A. Trevor Hodge, Roman Aqueducts & Water Supply

MARS

22. August

Zwei Tage vor dem Ausbruch

Conticinium

[04.21 Uhr]

»Es hat sich herausgestellt, dass zwischen der Gewalt eines Ausbruchs und der Länge der voraufgegangenen Ruhezeit ein enger Zusammenhang besteht. Fast alle großen Ausbrüche in geschichtlicher Zeit ereigneten sich bei Vulkanen, die jahrhundertelang geruht hatten.«

 

Jacques-Marie Bardintzeff, Alexander R. McBirney Volcanology

Sie verließen den Aquädukt zwei Stunden vor Sonnenaufgang und erklommen bei Mondschein die Berge oberhalb des Hafens – sechs Männer, einer hinter dem anderen, mit dem Wasserbaumeister an der Spitze. Er hatte sie selbst aus den Betten geworfen – mit noch steifen Gliedern und mürrischen, verschlafenen Gesichtern –, und jetzt hörte er, wie sie sich hinter seinem Rücken beklagten. Ihre Stimmen trugen in der warmen, stillen Luft weiter, als ihnen bewusst war.

»Ein Hirngespinst«, murmelte jemand.

»Knaben sollten bei ihren Büchern bleiben«, sagte ein anderer.

Er ließ seine Schritte länger werden.

Lass sie schwatzen, dachte er.

Schon jetzt konnte er spüren, wie sich die Hitze des Morgens aufbaute, Vorbote eines weiteren Tages ohne Regen. Er war jünger als die meisten Männer seines Trupps und auch kleiner: gedrungen, muskulös, mit kurz geschnittenem braunem Haar. Die Stiele der Werkzeuge, die er auf der Schulter trug – eine schwere Bronzehacke und eine Holzschaufel – scheuerten an seinem von der Sonne verbrannten Hals. Trotzdem zwang er sich, mit seinen nackten Beinen so weit auszuholen, wie es ging. Er kletterte schnell von einem sicheren Punkt zum nächsten, und erst als er sich hoch über Misenum befand, an einer Stelle, an der sich der Pfad gabelte, entledigte er sich seiner Last und wartete darauf, dass die anderen ihn einholten.

Er wischte sich mit dem Ärmel seiner Tunika den Schweiß von den Augen. Was für einen flimmernden, fiebrigen Himmel die hier im Süden hatten! Selbst jetzt, kurz vor Tagesanbruch, wölbte sich eine gewaltige Halbkugel von Sternen bis zum Horizont hinab. Er konnte die Hörner des Stiers sehen und den Gürtel und das Schwert des Orion; da waren Saturn und der Große Bär und auch das Sternbild, das sie den Winzer nannten und das immer für Caesar am zweiundzwanzigsten Tag des August aufging, gleich nach dem Fest der Vinalia; Zeichen dafür, dass die Zeit für die Traubenernte gekommen war. Morgen Nacht würde der Mond voll sein. Er streckte die Hand himmelwärts, wobei sich seine plumpen Finger schwarz und scharf vor den funkelnden Sternbildern abzeichneten – er spreizte sie, ballte sie, spreizte sie abermals –, und einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, dass er der Schatten, das Nichts war; das Licht war die Substanz.

Vom Hafen unten kam das Klatschen der Ruder, die Nachtwache war zwischen den vertäuten Triremen unterwegs. Die gelben Laternen zweier Fischerboote funkelten auf dem Golf. Ein Hund bellte, ein anderer antwortete. Und dann die Stimmen der Arbeiter, die langsam den Pfad unterhalb von ihm heraufkamen: der grobe lokale Akzent des Aufsehers Corax – »Seht euch das an – unser neuer Aquarius winkt den Sternen zu!« – und das Schnaufen und Keuchen der Sklaven und freien Männer, die in diesem Moment gleichrangig waren in ihrem Groll, wenn auch in nichts sonst.

Der Wasserbaumeister ließ die Hand sinken. »Bei so einem Himmel«, sagte er, »brauchen wir wenigstens keine Fackeln.« Plötzlich war er voll neuer Tatkraft, bückte sich nach seinem Werkzeug und packte es sich wieder auf die Schulter. »Wir müssen weiter.« Er schaute in die Dunkelheit hinein. Der eine Pfad würde sie nach Westen bringen, um den Rand des Kriegshafens herum. Der andere führte nach Norden, auf den Küstenort Baiae zu. »Ich denke, hier sollten wir abbiegen.«

»Er denkt«, höhnte Corax.

Der Wasserbaumeister war schon am Vortag zu dem Schluss gekommen, dass es am besten war, den Aufseher zu ignorieren. Wortlos kehrte er dem Meer und den Sternen den Rücken zu und begann, die schwarze Masse der Bergflanke hinaufzusteigen. Was war Führerschaft schließlich anderes als die blinde Wahl einer Route und die selbstsichere Behauptung, dass die Entscheidung auf Vernunft beruht hat?

Hier war der Pfad steiler. Er musste ihn seitwärts hinaufklettern, manchmal seine freie Hand benutzen, um sich hochzuziehen; wenn seine Füße abrutschten, prasselten Schauer von losen Steinen in die Dunkelheit. Die Leute hielten diese braunen, von sommerlichen Buschfeuern versengten Berge für trocken wie Wüsten, aber der Wasserbaumeister wusste es besser. Dennoch spürte er, wie seine frühere Gewissheit ins Wanken geriet, und er versuchte sich zu erinnern, wie der Pfad im Gleißen der gestrigen Nachmittagssonne ausgesehen hatte, als er ihn zum ersten Mal erkundet hatte. Der gewundene Pfad, kaum breit genug für ein Maultier. Die Streifen von versengtem Gras. Und dann, an einer Stelle, an der das Gelände ebener wurde, Flecken von blassem Grün in der Schwärze – Anzeichen von Leben, bei denen es sich, wie sich herausstellte, um Efeu handelte, der sich an einem Felsbrocken hinaufrankte.

Nachdem er eine Anhöhe halb hinaufgestiegen und wieder hinabgeklettert war, blieb er stehen und drehte sich langsam im Kreis herum. Entweder hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, oder der Tagesanbruch war jetzt nahe, was bedeutete, dass es fast zu spät geworden war. Die anderen waren hinter ihm stehen geblieben. Er hörte ihr schweres Atmen. Noch so eine Geschichte, die sie in Misenum erzählen konnten – wie ihr neuer, junger Aquarius sie aus den Betten geworfen und dann mitten in der Nacht in die Berge geführt hatte, und das alles nur wegen eines Hirngespinstes . In seinem Mund war ein Geschmack nach Asche.

»Haben wir uns verirrt, hübscher Knabe?«

Wieder die höhnische Stimme von Corax.

Er machte den Fehler, den Köder zu schlucken. »Ich suche nach einem Felsbrocken.«

Jetzt versuchten sie nicht einmal, ihr Gelächter zu unterdrücken.

»Er rennt herum wie eine Maus im Nachttopf.«

»Er muss hier irgendwo sein. Ich habe ihn mit Kreide markiert.«

Noch mehr Gelächter – und er wirbelte herum und musterte sie: den gedrungenen und breitschultrigen Corax; den langnasigen Becco, der Gipser war; den rundlichen Musa, dessen Spezialität das Verlegen von Ziegelsteinen war; und die beiden Sklaven, Polites und Corvinus. Sogar ihre undeutlichen Gestalten schienen ihn zu verspotten. »Lacht. Gut. Aber eines verspreche ich euch: Entweder wir finden ihn vor Tagesanbruch, oder wir sind morgen Nacht wieder hier, dich eingeschlossen, Gavius Corax. Aber sieh zu, dass du dann nüchtern bist.«

Schweigen. Dann spuckte Corax aus und trat einen halben Schritt nach vorn. Der Wasserbaumeister machte sich auf einen Kampf gefasst. Seit er in Misenum angekommen war, schien es darauf hinauszulaufen. Keine Stunde war vergangen, in der Corax nicht versucht hatte, ihn vor den Männern herabzusetzen.

Und wenn wir kämpfen, dachte der Wasserbaumeister, wird er gewinnen – es steht fünf gegen einen –, und sie werden meine Leiche über die Klippe werfen und sagen, ich wäre im Dunkeln ausgerutscht. Aber wie würde das in Rom aufgefasst werden – wenn nach weniger als vierzehn Tagen ein zweiter Aquarius der Aqua Augusta verschwand?

Einen langen Augenblick starrten sie sich an. Nicht mehr als ein Schritt war zwischen ihnen. Sie standen so nahe beieinander, dass der Wasserbaumeister den schalen Wein im Atem des Älteren riechen konnte. Plötzlich schrie einer der anderen – es war Becco – aufgeregt und zeigte mit der Hand.

Hinter der Schulter von Corax, kaum sichtbar, war ein Felsbrocken, in der Mitte deutlich mit einem dicken weißen Kreuz markiert.

 

Der Wasserbaumeister hieß Attilius – Marcus Attilius Primus, um seinen vollen Namen zu nennen, aber er hatte nichts dagegen, einfach Attilius genannt zu werden. Er war ein praktischer Mensch und hatte nie viel übrig gehabt für die Phantasienamen, die sich viele seiner Landsleute zulegten (»Lupus«, Panthera«, »Pulcher« – »Wolf«, »Leopard«, »Schöner« – wem zum Teufel wollten sie damit etwas vormachen?) Und außerdem – welcher Name war ehrenhafter in seinem Beruf als der der Attilier, ihres Zeichens Wasserbaumeister seit vier Generationen? Sein Urgroßvater war von Marcus Agrippa aus der Ballisten-Abteilung der Zwölften Legion »Fulminata« rekrutiert und zum Bau der Aqua Julia verpflichtet worden. Sein Großvater hatte den Anio Novus geplant. Sein Vater hatte die Aqua Claudia vollendet, sie über sieben Meilen hinweg in weiten Bögen auf den Esquilin geführt und am Tage ihrer Einweihung dem Kaiser wie einen silbernen Teppich vor die Füße gelegt. Und jetzt war er mit seinen siebenundzwanzig Jahren in den Süden, nach Campania, gesandt und mit der Befehlsgewalt über die Aqua Augusta betraut worden.

Eine Dynastie, auf Wasser gebaut.

Er schaute in die Dunkelheit. Oh, die Augusta war ein wahrlich grandioses Bauwerk – eine der größten Leistungen der Wasserbaukunst, die es je gegeben hatte. Es war eine Ehre, für sie verantwortlich zu sein. Irgendwo da draußen, an der gegenüberliegenden Seite des Golfs, hoch oben in den Kiefernwäldern auf den Bergen des Apennin, fing der Aquädukt die Quellen des Serinus ein und beförderte das Wasser westwärts – in gewundenen unterirdischen Leitungen, auf mehrgeschossigen Bogenarkaden über Schluchten, in breiten Kanälen durch Täler –, die ganze Strecke bis hinunter in die Ebenen von Campania, dann um die andere Seite des Vesuv herum, nach Süden zur Küste bei Neapolis und schließlich auf dem Rücken der Halbinsel Misenum zu der staubigen Hafenstadt, eine Entfernung von rund sechzig Meilen, mit einem ganz leichten Gefälle von nur etwa fünf Fingerbreit auf hundert Ellen. Sie war der längste Aquädukt der Welt, noch länger als die großen Aquädukte Roms, und viel komplizierter, denn während ihre Schwestern im Norden nur eine Stadt speisten, versorgte der gewundene Hauptstrang der Augusta, die so genannte Matrix, nicht weniger als neun Orte am Golf von Neapolis: zuerst Pompeji am Ende einer langen Abzweigung, dann Nola, Acerrae, Atella, Neapolis, Puteoli, Cumae, Baiae und schließlich Misenum.

Und genau das war das Problem, dachte der Wasserbaumeister. Sie musste zu viel leisten. Rom hatte mehr als ein halbes Dutzend Aquädukte, und wenn einer versiegte, konnten die anderen den Mangel ausgleichen. Aber hier unten gab es keine Reserve, zumal während der jetzigen Dürre, die nun schon den dritten Monat andauerte. Brunnen, die Generationen mit Wasser versorgt hatten, waren zu Staubröhren geworden. Flussbetten hatten sich in Pfade verwandelt, auf denen die Bauern ihr Vieh zum Markt trieben. Selbst die Augusta wies Anzeichen von Erschöpfung auf. Der Wasserstand in ihrem riesigen Reservoir sank von Stunde zu Stunde, und es war dieser Umstand, der ihn vor Sonnenaufgang in die Berge getrieben hatte, zu einer Zeit, in der er eigentlich im Bett liegen sollte.

Aus dem Lederbeutel an seinem Gürtel holte Attilius einen kleinen Block aus Zedernholz hervor, in den an einer Seite eine Kinnstütze eingeschnitzt war. Die Oberfläche des Holzes war von der Haut seiner Vorfahren geglättet und poliert. Angeblich hatte Vitruv, der Architekt des Göttlichen Augustus, seinem Urgroßvater das Stück Holz als Talisman geschenkt, und der alte Mann hatte behauptet, dass der Geist Neptuns, des Wassergottes, in ihm lebte. Attilius hatte für Götter nichts übrig; Knaben mit Flügeln an den Füßen, Frauen, die auf Delphinen ritten, Graubärte, die in Wutanfällen Blitze von Bergesgipfeln herabschleuderten – das waren Geschichten für Kinder, nicht für Männer. Er glaubte stattdessen an Steine und Wasser und an das tägliche Wunder, das sich ereignete, wenn man zwei Teile gelöschten Kalk mit fünf Teilen Puteolanum – dem roten Sand dieser Gegend – vermischte und so eine Substanz erhielt, die unter Wasser zu etwas abband, das härter war als Fels.

Und dennoch – nur ein Narr konnte leugnen, dass man auch Glück haben musste, und wenn dieses Erbstück es ihm bringen konnte … Er fuhr mit dem Finger an der Kante entlang. Einen Versuch war es allemal wert.

Seine Vitruv-Pergamente hatte er in Rom zurückgelassen. Nicht, dass das etwas ausmachte. Seit seiner Kindheit waren sie ihm eingehämmert worden, während andere Jungen sich mit Vergil beschäftigten. Noch immer wusste er ganze Passagen auswendig.

»Kennzeichen der Stelle aber, an welchen Bodenarten Wasser zum Vorschein kommt und gefunden werden kann, sind: zarte Binsen, wilde Weiden, Erlen, Keuschlamm, Schilf, Efeu und andere Gewächse der Art, welche ohne Feuchtigkeit nicht gedeihen können …«

»Corax, dort drüben hin«, befahl Attilius. »Corvinus hierher. Becco, nimm den Stab und markiere die Stelle, die ich dir zeige. Und ihr beiden anderen haltet die Augen offen.«

Corax warf ihm im Vorbeigehen einen bösen Blick zu.

»Später«, sagte Attilius. Der Aufseher stank ebenso stark nach Groll wie nach Wein, aber sie konnten ihren Streit austragen, wenn sie wieder in Misenum waren. Jetzt mussten sie sich beeilen.

Ein grauer Dunst hatte die Sterne ausgelöscht. Der Mond war untergegangen. Fünfzehn Meilen weiter östlich wurde, ungefähr in der Mitte des Golfs, die bewaldete Pyramide des Vesuv erkennbar. Hinter ihr würde die Sonne aufgehen.

»Man lege sich, noch ehe die Sonne aufgegangen ist, in der Gegend, in welcher man Wasser sucht, das Gesicht gegen die Erde gewendet, auf den Boden, und indem man das Kinn auf die Erde setzt und fest stützt, sehe man über jene Fläche hin. So wird nämlich, wenn das Kinn unbeweglich steht, das Auge nicht unstet höher streben …«

Attilius kniete sich auf das versengte Gras, beugte sich vor und richtete den Holzblock in einer Linie mit dem fünfzig Schritt entfernten Kreidekreuz aus. Dann bettete er das Kinn in die Einkerbung und breitete die Arme aus. Die Erde war noch warm von gestern. Als er sich ausstreckte, legten sich Ascheteilchen auf sein Gesicht. Kein Tau. Siebenundachtzig Tage ohne Regen. Am Rande seiner Sichtlinie sah er Corax eine obszöne Geste machen. Er schob den Unterleib vor und zurück – »Unser Aquarius hat keine Frau, also versucht er es stattdessen mit Mutter Erde zu treiben!« –, und dann verdunkelte sich rechts von ihm der Vesuv, und ein Licht schoss aus seinem Rand hervor. Eine Hitzewelle traf Attilius’ Wange. Als er über die Bergflanke schaute, musste er die Hand heben, um sein Gesicht gegen das gleißende Licht abzuschirmen.

»An der Stelle nun, an welcher man Dünste sich kräuselnd in die Luft erheben sieht, da schlage man einen Schacht hinab, denn an einem trockenen Ort kann sich dieses Anzeichen nicht finden …«

Man sieht es schnell, pflegte sein Vater ihm zu sagen, oder man sieht es überhaupt nicht. Er versuchte, den Boden rasch und methodisch abzusuchen, und ließ seinen Blick von einem Abschnitt zum nächsten wandern. Aber es schien alles miteinander zu verschwimmen – verdorrtes Braun und Grau und Streifen rötlicher Erde, die schon jetzt in der Sonne zu flimmern begannen. Seine Augen trübten sich. Er stützte sich auf die Ellbogen, wischte beide Augen mit dem Zeigefinger ab und ließ das Kinn wieder sinken.

Da!

Es war so dünn wie eine Angelschnur, nicht »sich kräuselnd« oder »sich erhebend«, wie Vitruv versprochen hatte, sondern dicht über dem Boden dahinzuckend, als wäre ein Haken an einem Felsbrocken hängen geblieben und jemand ruckte an der Schnur. Es kam im Zickzack auf ihn zu. Und verschwand. Er rief und zeigte – »Dort, Becco, dort!« –, und der Maurer trabte auf die Stelle zu. »Etwas zurück. Ja. Da. Markiere die Stelle.«

Er rappelte sich hoch und eilte auf die Männer zu, wischte sich die rote Erde und die schwarze Asche vom Vorderteil seiner Tunika. Lächelnd hielt er den Zauberblock aus Zedernholz hoch über seinen Kopf. Die drei hatten sich um die Stelle versammelt, und Becco versuchte, den Pfahl in die Erde zu rammen, aber der Boden war zu hart, um ihn weit genug hineinzutreiben.

Attilius war begeistert. »Habt ihr es gesehen? Ihr müsst es gesehen haben. Ihr wart näher daran als ich!«

Sie starrten ihn verständnislos an.

»Es war merkwürdig, ist euch das aufgefallen? Es ist so aufgestiegen.« Er machte in der Luft mit der flachen Hand eine Reihe von waagerechten Hackbewegungen. »Wie Dampf aus einem Kessel, an dem man rüttelt.«

Er schaute von einem zum anderen, mit einem Lächeln, das zuerst selbstsicher war und dann verschwand.

Corax schüttelte den Kopf. »Deine Augen spielen dir Streiche, hübscher Knabe. Hier oben gibt es keine Quelle. Das habe ich dir gesagt. Ich kenne diese Berge seit zwanzig Jahren.«

»Und ich sage dir, ich habe sie gesehen.«

»Rauch.« Corax stampfte mit dem Fuß auf die trockene Erde, und eine Staubwolke stieg auf. »Ein Buschfeuer kann tagelang unter der Erde weiterbrennen.«

»Ich kenne Rauch. Ich kenne Wasserdampf. Das war Wasserdampf.«

Sie taten so, als hätten sie nichts gesehen. Anders konnte es nicht sein. Attilius ließ sich auf die Knie nieder und klopfte auf die trockene rote Erde. Dann fing er an, mit den bloßen Händen zu graben, schob seine Finger unter die Steinbrocken und warf sie beiseite, riss an einer langen, verkohlten Wurzel, die sich nicht lösen wollte. Etwas war hier zum Vorschein gekommen. Da war er ganz sicher. Weshalb war der Efeu so rasch wieder zum Leben erwacht, wenn es keine Quelle gab?

Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Holt das Werkzeug.«

»Aquarius …«

»Holt das Werkzeug!«

 

Sie gruben den ganzen Vormittag, während die Sonne langsam über dem blauen Glutofen des Golfs aufging und sich aus einer gelben Scheibe in einen weißen Gasstern verwandelte. Der Boden knarrte und straffte sich in der Hitze wie die Sehne von einer der riesigen Belagerungsmaschinen seines Urgroßvaters.

Einmal kam ein Junge vorbei, der eine ausgemergelte Ziege an einem Seilhalfter in Richtung Stadt führte. Er war der einzige Mensch, den sie sahen. Misenum selbst lag dem Blick verborgen direkt hinter dem Rand der Klippe. Gelegentlich drangen seine Geräusche zu ihnen herauf – Befehlsrufe von den Exerzierplätzen, Hämmern und Sägen aus den Werften.

Auf dem Kopf einen alten, tief ins Gesicht gezogenen Strohhut, arbeitete Attilius am härtesten von allen. Selbst wenn die anderen sich gelegentlich davonschlichen, um sich in jedem Fleckchen Schatten, das sie finden konnten, auszuruhen, fuhr er fort, seine Hacke zu schwingen. Der Stiel war glitschig von seinem Schweiß und schwer festzuhalten. An seinen Händen bildeten sich Blasen. Die Tunika klebte an ihm wie eine zweite Haut. Aber er wollte vor den Männern keine Schwäche zeigen. Sogar Corax hielt nach einer Weile den Mund.

Die Grube, die sie schließlich aushoben, war zwei Mann tief und so breit, dass zwei von ihnen darin arbeiten konnten. Und es war tatsächlich eine Quelle da, aber sie zog sich zurück, sobald sie in ihre Nähe kamen. Sie gruben. Zuerst wurde die rötliche Erde auf dem Grund der Grube feucht. Dann dörrte die Sonne sie wieder aus. Sie trugen eine weitere Schicht ab, und es passierte wieder dasselbe.

Erst um die zehnte Stunde, als die Sonne bereits ihren Zenit überschritten hatte, gestand sich Attilius die Niederlage ein. Er beobachtete, wie ein letzter Wasserfleck schrumpfte und verdunstete, dann warf er seine Hacke über den Rand der Grube und kletterte selbst hinaus. Er nahm seinen Hut ab und fächelte sich das brennende Gesicht. Corax saß auf einem Felsbrocken und beobachtete ihn. Erst jetzt fiel Attilius auf, dass er barhäuptig war.

»Bei dieser Hitze gerät dein Gehirn ins Kochen«, sagte der Wasserbaumeister. Er entkorkte seinen Schlauch, schüttete ein wenig Wasser in seine Hand und befeuchtete sich das Gesicht und den Nacken. Dann trank er. Das Wasser war heiß – so wenig erfrischend, als würde er Blut trinken.

»Ich bin hier geboren. Die Hitze macht mir nichts aus. In Campania nennen wir das kühl.« Corax räusperte sich und spuckte aus. Dann deutete er mit dem Kinn auf die Grube. »Was machen wir damit?«

Attilius warf einen Blick darauf – eine hässliche Wunde in der Bergflanke, umgeben von großen Haufen Erde. Sein Monument. Seine Torheit. »Wir lassen alles, wie es ist«, sagte er. »Sorg dafür, dass die Grube mit Planken abgedeckt wird. Wenn es regnet, wird die Quelle sprudeln. Du wirst es erleben.«

»Wenn es regnet, brauchen wir keine Quelle mehr.«

Ein logischer Standpunkt, musste Attilius zugeben.

»Wir können von hier aus eine Rohrleitung verlegen«, sagte er nachdenklich. Wenn es um Wasser ging, war er ein Romantiker. In seiner Phantasie nahm plötzlich eine ländliche Idylle Gestalt an. »Wir könnten diese ganze Bergflanke bewässern. Dann wäre es möglich, hier Zitronenbäume anzupflanzen. Oliven. Der Hang könnte terrassiert werden. Weinstöcke …«

»Weinstöcke!« Corax schüttelte den Kopf. »Also sind wir jetzt Bauern! Hör zu, junger Experte aus Rom. Lass dir eines sagen. Die Aqua Augusta ist seit mehr als einem Jahrhundert nicht versiegt. Und sie wird auch jetzt nicht versiegen. Nicht einmal unter deiner Verantwortlichkeit.«

»Hoffen wir’s.« Der Wasserbaumeister leerte seinen Schlauch. Er spürte, wie die Demütigung ihn erröten ließ, aber die Hitze verbarg seine Scham. Er rammte den Strohhut fest auf seinen Kopf und bog die Krempe herunter, um sein Gesicht zu schützen. »Also gut, Corax, ruf die Männer zusammen. Für heute sind wir hier fertig.«

Er griff nach seinem Werkzeug und machte sich auf den Weg, ohne auf die anderen zu warten. Sie konnten sich ihren Rückweg selbst suchen.

Er musste aufpassen, wohin er die Füße setzte. Bei jedem Schritt huschten Echsen in das dürre Unterholz. Es ist hier eher wie in Afrika als wie in Italien, dachte er, und als er den Küstenpfad erreichte, tauchte unterhalb von ihm Misenum auf, im Hitzedunst flimmernd wie eine Oasenstadt und, so kam es ihm vor, im Takt mit den Zikaden pulsierend.

Das Hauptquartier der kaiserlichen Westflotte war ein Triumph des Menschen über die Natur, denn eigentlich hätte es hier überhaupt keine Stadt geben dürfen. Es gab keinen Fluss, der sie mit Wasser versorgen könnte, und nur wenige Brunnen oder Quellen. Dennoch hatte der Göttliche Augustus entschieden, dass das Reich einen Hafen brauchte, von dem aus das Mittelmeer kontrolliert werden konnte, und hier war sie, die Verkörperung römischer Macht: die silbrig glitzernden Scheiben des inneren und des äußeren Hafens, die goldenen Rammsporne und die fächerförmigen Hecks von fünfzig Kampfschiffen im gleißenden Licht der Spätnachmittagssonne, der staubige braune Exerzierplatz des Ausbildungslagers, die roten Ziegeldächer und die weiß gekalkten Mauern der zivilen Stadt oberhalb des Mastenwalds der Werft.

Zehntausend Seesoldaten und weitere zehntausend Zivilisten lebten eng zusammengepfercht auf einem schmalen Streifen Land ohne nennenswerte Wasservorkommen. Erst der Aquädukt hatte Misenum möglich gemacht.

Hora undecima

[17.42 Uhr]

»Für die Vorhersage von praktischer Bedeutung ist die Frage, wie viel Zeit vergeht zwischen dem Einschießen von neuem Magma und einer darauf folgenden Eruption. Bei vielen Vulkanen kann diese Zeitspanne Wochen oder Monate betragen, aber bei anderen scheint sie wesentlich kürzer zu sein, vielleicht nur Tage oder Stunden.«

 

Volcanology

In der Villa Hortensia, dem großen Landsitz an der Küste nördlich von Misenum, bereitete man sich darauf vor, einen Sklaven zu töten. Er sollte den Muränen vorgeworfen werden.

Das war kein ungewöhnliches Verfahren in diesem Teil Italiens, in dem viele der großen Landsitze am Rande des Golfs von Neapolis ihre eigenen ausgedehnten Fischfarmen hatten. Der neue Besitzer der Villa Hortensia, der Millionär Numerius Popidius Ampliatus, hatte die Geschichte vom Aristokraten Vedius Pollio, der zur Zeit des Augustus ungeschickte Dienstboten, die Geschirr zerbrochen hatten, zur Strafe in sein Muränenbecken zu werfen pflegte, zum ersten Mal als Junge gehört, und er zitierte sie oft als perfekte Untermalung dafür, was es bedeutet, Macht zu haben. Macht, Phantasie, Verstand und einen gewissen Stil.

Als dann, viele Jahre später, auch Ampliatus in den Besitz einer großen Fischfarm gelangt war – nur ein paar Meilen entfernt von Vedius Pollios damaliger Villa in Pausilypon – und als einer seiner Sklaven gleichfalls etwas von großem Wert vernichtet hatte, fiel ihm natürlich die alte Geschichte wieder ein. Ampliatus war selbst als Sklave geboren; so, dachte er, musste ein Aristokrat sich verhalten.

Der arme Kerl war bis auf sein Lendentuch entkleidet worden, und nun wurde er mit auf dem Rücken gefesselten Händen zur See hinuntergeführt. Mit einem Messer wurden seine Waden aufgeschlitzt, damit genügend Blut floss, und man übergoss ihn mit Essig, der, wie es hieß, die Muränen verrückt macht.

Es war Spätnachmittag und sehr heiß.

Die Muränen hatten ihr eigenes großes Becken, in einiger Entfernung von den anderen Fischen, und man erreichte es über einen schmalen Steg, der in den Golf hineinragte. Muränen waren berüchtigt für ihre Angriffslust, mit Körpern, so lang wie die von Männern und so dick wie ein Menschenrumpf, mit flachen Köpfen, breiten Mäulern und rasiermesserscharfen Zähnen. Die Fischfarm der Villa war hundertfünfzig Jahre alt, und niemand wusste, wie viele Muränen in dem Labyrinth aus Tunneln und finsteren Nischen im Boden des Beckens lauerten, bestimmt Dutzende, wahrscheinlich hunderte. Die älteren Muränen waren riesig, und mehrere von ihnen trugen Schmuck. Eine, an deren Rückenflosse ein goldener Ohrring saß, war angeblich ein Liebling des Kaisers Nero gewesen.

Dem Sklaven, der bestraft werden sollte, flößten die Muränen ein ganz besonderes Entsetzen ein, denn – Ampliatus genoss die Ironie – es war seit langem seine Aufgabe gewesen, sie zu füttern, und er schrie und strampelte, noch bevor er auf den Laufsteg gezwungen wurde. Er hatte die Muränen jeden Morgen in Aktion gesehen, wenn er ihnen ihr Futter aus Fischköpfen und Hühner-Eingeweiden zuwarf – wie die Wasseroberfläche zuckte und brodelte, sobald die Tiere das Blut im Wasser schmeckten und wie sie dann aus ihren Verstecken hervorschossen, um ihr Futter kämpften und es in Stücke rissen.

Um die elfte Stunde kam Ampliatus trotz der drückenden Hitze aus der Villa, um zuzuschauen, begleitet von seinem halbwüchsigen Sohn Celsinus, seinem Hausverwalter Scutarius, ein paar Geschäftsfreunden (die ihm aus Pompeji gefolgt und seit Tagesanbruch in der Hoffnung auf ein Mahl geblieben waren) und einer Schar von fast hundert seiner anderen männlichen Sklaven, für die das Beobachten des Spektakels seiner Meinung nach eine heilsame Lehre sein würde. Seiner Frau und seiner Tochter hatte er befohlen, im Haus zu bleiben; das war kein Anblick für Frauen. Ein großer Stuhl wurde für ihn hingestellt und kleinere für seine Gäste. Er wusste nicht einmal den Namen des Missetäters. Der Mann gehörte zu einer ganzen Schar von Sklaven, die Ampliatus zusammen mit den Fischbecken übernommen hatte, als er, früher im Jahr, die Villa für eine knappe Million gekauft hatte.

Alle möglichen Arten von Fischen wurden – mit gewaltigem Kostenaufwand – an der Küste vor der Villa gehalten: Sägebarsche mit ihrem wollweißen Fleisch; Meeräschen, deren Becken hohe Wände haben mussten, damit sie nicht in die Freiheit sprangen; Plattfische und Seepapageien und Goldbrassen, Neunaugen und Meeraale und Seehechte.

Aber die bei weitem kostbarsten von Ampliatus’ Wasserschätzen – er zitterte schon bei dem Gedanken, wie viel er für sie bezahlt hatte, und dabei mochte er nicht einmal Fisch – waren die delikaten Meerbarben, notorisch schwer zu halten, in Farben von Blassrosa bis Orange. Und genau die hatte der Sklave umgebracht – ob aus Bosheit oder Unfähigkeit, das wusste Ampliatus nicht, und es kümmerte ihn auch nicht, denn ihr Anblick war schrecklich gewesen: Im Tod dicht zusammengedrängt, wie sie es im Leben gewesen waren, ein vielfarbiger Teppich auf der Oberfläche des Beckens, hatte man sie früher am Nachmittag entdeckt. Ein paar hatten noch gelebt, als Ampliatus der Schauplatz gezeigt wurde, aber sie waren gestorben, noch während er sie betrachtete, drehten sich in den Tiefen des Beckens wie Blätter, trieben nach oben und schaukelten neben den anderen tot im Wasser. Vergiftet, alle miteinander. Zum gegenwärtigen Marktpreis hätten sie sechstausend pro Stück gebracht – eine Meerbarbe war fünfmal so viel wert wie der elende Sklave, der für sie zu sorgen hatte –, und jetzt konnte man sie nur noch verbrennen. Ampliatus hatte das Urteil selbst gesprochen: »Werft ihn den Muränen vor!«

Der Sklave schrie, als sie ihn zum Beckenrand zerrten und stießen. Es sei nicht seine Schuld, schrie er. Es sei nicht das Futter. Es sei das Wasser. Sie sollten den Aquarius holen.

Den Aquarius!

Ampliatus kniff die Augen zusammen, um sie vor dem Gleißen des Wassers zu schützen. Es war schwierig, die Gestalten des sich heftig wehrenden Sklaven und der beiden Männer auszumachen, die ihn festhielten; wie auch der vierte, der einen Bootshaken wie eine Lanze hielt und ihn dem zum Tode Verurteilten in den Rücken stieß, waren sie kaum mehr als undeutliche Schemen im Hitzedunst und im Funkeln des Wassers. Ampliatus hob in der Art der Kaiser den Arm, mit geballter Faust und waagerecht ausgestrecktem Daumen. Er kam sich gottähnlich vor in seiner Macht, doch er empfand auch simple menschliche Neugierde. Einen Augenblick lang wartete er und genoss das Gefühl, dann drehte er abrupt das Handgelenk und reckte den Daumen erdwärts. Hinein mit ihm!

 

Die verzweifelten Schreie des Sklaven, der an den Rand des Fischbeckens getrieben wurde, hallten von der Küste über die Terrassen, über das Schwimmbecken und in das stille Haus, in dem sich die beiden Frauen versteckt hatten.

Corelia Ampliata war in ihr Schlafzimmer gelaufen, hatte sich auf ihr Lager geworfen und sich ein Kissen auf den Kopf gedrückt, aber auch so konnte sie den Schreien nicht entkommen. Im Gegensatz zu ihrem Vater kannte sie den Namen des Sklaven – Hipponax, ein Grieche –, und auch den Namen seiner Mutter, Atia, die in der Küche arbeitete und deren Wehgeschrei, sobald man mit der Hinrichtung begonnen hatte, sogar noch schrecklicher war als das ihres Sohnes. Außerstande, die Schreie länger als ein paar Augenblicke zu ertragen, sprang Corelia wieder auf und rannte durch die verlassene Villa, um die verzweifelte Frau zu finden, die in dem von Arkaden umgebenen Garten an einer Säule zusammengesunken war.

Als sie Corelia vor sich sah, ergriff Atia den Saum des Gewandes ihrer jungen Herrin und sank schluchzend zu ihren beschuhten Füßen nieder, wieder und wieder sagte sie, dass ihr Sohn unschuldig sei und was er ihr zugerufen habe, als man ihn fortführte – es sei das Wasser, das Wasser, irgendetwas stimme nicht mit dem Wasser. Warum nur wolle ihm niemand zuhören?

Corelia strich Atia über die grauen Haare und versuchte, sie mit sanften Lauten zu beruhigen. Etwas anderes konnte sie kaum tun. Ihren Vater um Gnade zu bitten hatte keinen Sinn – das wusste sie. Er hörte auf niemanden, schon gar nicht auf eine Frau, und von allen Frauen am allerwenigsten auf seine Tochter, von der er bedingungslosen Gehorsam verlangte – eine Einmischung von ihr würde den Tod des Sklaven nur umso sicherer herbeiführen. Auf Atias Flehen konnte sie nur erwidern, dass es nichts gab, was sie tun könne.

Plötzlich riss sich die alte Frau – die in Wirklichkeit erst in den Vierzigern war, aber, Corelia wusste, dass Sklavenjahre doppelt zählten, mindestens wie sechzig aussah – los und wischte sich mit dem Arm die Tränen ab.

»Ich muss jemanden finden, der uns hilft.«

»Atia, Atia«, sagte Corelia sanft. »Wer sollte dir helfen?«

»Er hat nach dem Aquarius gerufen. Hast du es nicht gehört? Ich werde den Aquarius holen.«

»Und wo ist er?«

»Vielleicht unten beim Aquädukt, wo die Wasserleute arbeiten.«

Atia stand jetzt aufrecht da, zitternd, aber entschlossen, und sah sich hektisch um. Ihre Augen waren rot, ihre Kleidung und ihr Haar in Unordnung. Sie sah aus wie eine Wahnsinnige, und Corelia erkannte sofort, dass niemand auf sie hören würde. Man würde sie auslachen oder sie mit Steinen vertreiben.

»Ich komme mit«, sagte sie, und als ein weiterer Entsetzensschrei von der Küste heraufdrang, raffte Corelia ihre Röcke mit einer Hand zusammen und ergriff mit der anderen das Handgelenk der alten Frau. Zusammen liefen sie durch den Garten, am leeren Pförtnerhocker vorbei und durch den Seiteneingang hinaus in die grelle Hitze der öffentlichen Straße.

 

Der Endpunkt der Aqua Augusta war ein riesiges unterirdisches Reservoir, ein paar hundert Schritte südlich der Villa Hortensia, in den Abhang oberhalb des Hafens hineingehauen und seit Menschengedenken Piscina mirabilis – Becken der Wunder – genannt.

Von außen betrachtet war nichts Wundervolles an der Piscina, und die meisten Bewohner von Misenum gingen daran vorbei, ohne einen zweiten Blick auf sie zu werfen. Sie sahen nur ein niedriges Gebäude aus roten Ziegelsteinen mit einem flachen Dach, von blassgrünem Efeu überrankt, einen Häuserblock lang und einen halben breit, umgeben von Werkstätten und Speichern, Schenken und Wohngebäuden, versteckt in den staubigen Nebenstraßen oberhalb des Kriegshafens.

Erst nachts, wenn die Geräusche von der Straße und die Rufe der Händler verstummt waren, war das leise, unterirdische Donnern fallenden Wassers zu hören, und nur wer das Gelände betrat, die schmale Holztür aufschloss und ein paar Stufen in die eigentliche Piscina hinabstieg, konnte das Reservoir in seiner vollen Pracht würdigen. Die gewölbte Decke ruhte auf achtundvierzig Pfeilern, jeder mehr als fünfzig Fuß hoch – wenn auch der größte Teil von ihnen unter Wasser lag –, und das Echo des einströmenden Wasser war so laut, dass es einem durch Mark und Bein ging.

Der Wasserbaumeister konnte stundenlang hier stehen, lauschend und in Gedanken versunken. Für ihn war der Widerhall der Aqua Augusta kein dumpfes, stetiges Dröhnen, sondern das Spiel einer riesigen Wasserorgel, die Musik der Zivilisation. Im Dach der Piscina gab es Luftschächte, und nachmittags, wenn die schäumende Gischt ins Sonnenlicht emporschoss und zwischen den Pfeilern Regenbogen tanzten – oder abends, wenn er für die Nacht abschloss und das Licht seiner Fackel auf der glatten schwarzen Oberfläche aussah wie Gold auf Ebenholz –, in solchen Momenten hatte er das Gefühl, sich überhaupt nicht in einem Reservoir zu befinden, sondern in einem Tempel, geweiht dem einzigen Gott, an den zu glauben sich lohnte.

Als Attilius am Ende jenes Nachmittags von den Bergen herunterkam und das Gelände erreichte, war sein erster Impuls, den Wasserstand im Reservoir zu überprüfen. Das war für ihn zu einer Besessenheit geworden. Doch als er die Tür öffnen wollte, stellte er fest, dass sie verschlossen war, und ihm fiel ein, dass Corax den Schlüssel an seinem Gürtel trug. Er war so erschöpft, dass er ausnahmsweise nicht weiter darüber nachdachte. Das ferne Plätschern der Aqua Augusta war deutlich zu hören – das Wasser lief noch, das war alles, was zählte –, und als er später dazu kam, sein Verhalten an jenem Nachmittag zu überdenken, gelangte er zu dem Schluss, dass er sich im Grunde keinerlei Vernachlässigung seiner Pflichten vorzuwerfen hatte. Es gab nichts, was er hätte tun können. Für ihn persönlich hätten die Dinge eine andere Wendung genommen, das stimmte – aber das spielte im größeren Zusammenhang der Ereignisse kaum eine Rolle.

So kam es, dass er der Piscina den Rücken kehrte und sich auf dem menschenleeren Gelände umsah. Am Vorabend hatte er Anweisung gegeben, es aufzuräumen und zu fegen, während er fort war, und er stellte befriedigt fest, dass das geschehen war. Für ihn hatte ein aufgeräumter Platz etwas Beruhigendes. Die ordentlichen Stapel von Bleiplatten, die Amphoren mit Kalk, die Säcke mit Puteolanum, die Tonrohre  – diese Anblicke waren ihm seit seiner Kindheit vertraut. Und ebenso die Gerüche – die Schärfe des Kalks, die Staubigkeit gebrannten Tons, der den ganzen Tag in der Sonne gelegen hatte.

Er ging in den Schuppen, ließ sein Werkzeug auf den Boden fallen und lockerte seine schmerzenden Schultern, dann wischte er sich das Gesicht mit dem Ärmel seiner Tunika ab und trat auf den Platz hinaus, als die anderen ankamen. Sie steuerten geradewegs auf den Trinkbrunnen zu, ohne ihn zu beachten, tranken nacheinander und spritzten sich Wasser auf ihre Köpfe und Körper – zuerst Corax, dann Musa, danach Becco. Die beiden Sklaven hockten geduldig im Schatten und warteten, bis die Freien fertig waren. Attilius wusste, dass er im Laufe des Tages an Ansehen verloren hatte. Aber noch konnte er mit der Feindseligkeit dieser Männer leben. Er hatte schon mit Schlimmerem gelebt.

Er rief Corax zu, dass die Männer für heute Feierabend machen konnten, und wurde mit einer höhnischen Verbeugung belohnt. Dann stieg er die schmale Holztreppe zu seinem Quartier hinauf.

Der Platz war rechteckig. An der Nordseite erhob sich die Mauer der Piscina mirabilis. Im Westen und Süden standen Schuppen und die Büros der Aquädukt-Verwaltung. Im Osten hatte man ein Wohnhaus errichtet; im Erdgeschoss befanden sich die Sklavenunterkünfte, die Wohnung des Aquarius lag darüber. Corax und die anderen Freien lebten in der Stadt bei ihren Familien.

Attilius, der Mutter und Schwester in Rom zurückgelassen hatte, hoffte, sie zu gegebener Zeit nach Misenum nachkommen zu lassen und ein Haus zu mieten, um das seine Mutter sich kümmern konnte. Fürs Erste jedoch schlief er in dem engen Junggesellenquartier seines Vorgängers Exomnius, dessen spärliche Besitztümer er in das kleine, unbenutzte Zimmer am Ende des Korridors gebracht hatte.

Was war mit Exomnius passiert? Natürlich war das Attilius’ erste Frage gewesen, nachdem er in der Hafenstadt eingetroffen war. Aber niemand hatte eine Antwort gewusst, und wer eine wusste, dachte nicht daran, sie ihm zu liefern. Seine Fragen wurden mit mürrischem Schweigen beantwortet. Allem Anschein nach war Exomnius, ein Sizilier, der fast zwanzig Jahre lang für die Aqua Augusta verantwortlich gewesen war, an einem Morgen vor zwei Wochen einfach fortgegangen, und seither hatte niemand wieder etwas von ihm gehört.

Normalerweise wäre die Behörde des Curator Aquarum in Rom, die für die Aquädukte in den Regionen eins und zwei (Latium und Campania) zuständig war, willens gewesen, mit der Ernennung eines Nachfolgers eine Weile zu warten. Doch angesichts der Dürre und der strategischen Bedeutung der Aqua Augusta sowie der Tatsache, dass der Senat in der dritten Juliwoche die Sommerpause angetreten hatte und die Hälfte seiner Mitglieder in ihren Villen rund um den Golf herum Ferien machte, hatte der Curator es für angebracht gehalten, sofort für Ersatz zu sorgen. Die Vorladung hatte Attilius an den Iden des August erreicht, in der Abenddämmerung, als er gerade mit einer Routinearbeit am Anio Novus fertig geworden war. Acilius Aviola, der Curator Aquarum, hatte ihn in seiner offiziellen Residenz auf dem Palatin persönlich empfangen und ihm die Bestallung angeboten. Attilius sei intelligent, tatkräftig und pflichtbewusst – der Senator wusste, wie man einem Mann schmeichelte, wenn man etwas von ihm wollte – und habe weder Frau noch Kinder, die ihn in Rom festhielten. Könne er am nächsten Tag abreisen? Und natürlich hatte Attilius sofort angenommen, denn dies war eine großartige Gelegenheit, seine Karriere voranzutreiben. Er hatte sich von seinen Angehörigen verabschiedet und war in Ostia an Bord der Fähre gegangen, die täglich verkehrte.

Erst gestern hatte er begonnen, seiner Mutter und Schwester einen Brief zu schreiben. Er lag auf dem Nachttisch neben dem harten Holzbett. Attilius war kein großer Briefschreiber. Ein paar allgemeine Sätze – Ich bin angekommen, die Reise war gut, dasWetter ist heiß –, geschrieben in seiner Schuljungenschrift, mehr hatte er nicht zustande gebracht. Was er nicht erwähnte, war die Unruhe, die ihn plagte: das bedrückende Verantwortungsgefühl, seine Befürchtungen wegen der Wasserknappheit, die Einsamkeit seiner Stellung. Aber sie waren Frauen – was wussten sie schon davon? –, und außerdem hatte man ihm beigebracht, nach den Grundsätzen der stoischen Philosophie zu leben: keine Zeit mit Unsinn zu vergeuden, seine Arbeit ohne Murren zu verrichten, sich selbst treu zu bleiben, unter allen Umständen, selbst bei starken Schmerzen, beim Tod eines Angehörigen, bei Krankheit, und ein einfaches Leben zu führen: Ein Feldbett und ein Umhang zum Zudecken mussten genügen.

Er setzte sich auf die Bettkante. Philo, sein Haussklave, hatte ihm einen Krug Wasser und eine Schüssel hingestellt, etwas Obst, einen Laib Brot, eine Karaffe Wein und eine Scheibe harten Weißkäse. Attilius wusch sich sorgfältig, verzehrte das Essen, mischte etwas Wein mit dem Wasser und trank. Dann streckte er sich auf dem Bett aus, zu erschöpft, um auch nur die Schuhe und seine Tunika auszuziehen, schloss die Augen und glitt schon im selben Augenblick in jenen Bereich zwischen Schlafen und Wachsein, in dem seine tote Frau immer gegenwärtig war und ihre Stimme ihn anrief – flehend, eindringlich: »Aquarius! Aquarius!«

 

Seine Frau war erst zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, als er zugeschaut hatte, wie ihr Körper den Flammen des Scheiterhaufens übergeben wurde. Diese Frau war jünger – vielleicht achtzehn. Trotzdem steckte noch genug von dem Traum in seinem Bewusstsein, und die junge Frau im Hof sah Sabina so ähnlich, dass sein Herz einen Sprung tat. Dasselbe dunkle Haar. Dieselbe weiße Haut. Dieselbe Üppigkeit der Figur. Sie stand unter dem Fenster.

»Aquarius!«

Ihr lautes Rufen hatte einige der Männer aus dem Schatten gelockt, und als Attilius am unteren Ende der Treppe angekommen war, hatte sich ein Halbkreis aus glotzenden Schaulustigen um die junge Frau gebildet. Sie trug eine lose weiße Tunika, am Hals und an den Ärmeln weit offen – ein Gewand, das man normalerweise nur in privaten Räumen trug und das etwas mehr von der milchweißen Rundlichkeit ihrer Arme und Brüste zeigte, als eine respektable Dame in der Öffentlichkeit zu zeigen gewagt hätte. Jetzt sah er, dass sie nicht allein war. Eine Sklavin begleitete sie – eine magere, zitternde ältere Frau, deren schütteres graues Haar zur Hälfte hochgesteckt war und ihr zur anderen über den Rücken fiel.

Die Jüngere war atemlos und plapperte etwas von einem Becken mit Meerbarben, die an diesem Nachmittag im Fischbecken ihres Vaters gestorben waren, und Gift im Wasser und einem Mann, der gerade den Muränen vorgeworfen wurde, und dass er sofort mitkommen müsse. Es war fast unmöglich, all ihre Worte zu verstehen.

Er hob die Hand, um sie zu unterbrechen, und fragte sie nach ihrem Namen.

»Ich bin Corelia Ampliata, die Tochter von Numerius Popidius Ampliatus, aus der Villa Hortensia.« Ihre Worte klangen ungeduldig, und bei der Erwähnung ihres Vaters bemerkte Attilius, wie Corax und einige der Männer Blicke tauschten. »Bist du der Aquarius?«

Corax sagte: »Der Aquarius ist nicht hier.«

Der Wasserbaumeister ignorierte ihn. »Ja, ich bin für den Aquädukt verantwortlich.«

»Dann komm mit mir.«

Sie begann, auf das Tor zuzugehen, und schien überrascht, als der Aquarius ihr nicht sofort folgte. Jetzt begannen die Männer, über sie zu lachen. Musa äffte das Schwingen ihrer Hüften nach und warf geziert den Kopf zurück: »Oh, Aquarius, komm mit mir …!«

Sie drehte sich um, mit Tränen ohnmächtigen Zorns in den Augen.

»Corelia Ampliata«, sagte Attilius geduldig und nicht unfreundlich, »ich kann es mir vermutlich nicht leisten, Meerbarben zu essen, aber soweit ich weiß, sind es Meerestiere. Und für das Meer bin ich nicht zuständig.«

Corax grinste. »Hast du das gehört? Sie hält dich für Neptun!«

Es gab noch mehr Gelächter. Attilius befahl ihnen mit scharfer Stimme, still zu sein.

»Mein Vater lässt einen Sklaven töten. Der Sklave hat nach dem Aquarius geschrien. Mehr weiß ich nicht. Du bist seine einzige Hoffnung. Kommst du nun mit oder nicht?«

»Warte«, sagte Attilius. Er deutete mit einem Kopfnicken auf die ältere Frau, die die Hände vors Gesicht geschlagen hatte und gesenkten Hauptes weinte. »Wer ist das?«

»Das ist seine Mutter.«

Die Männer waren jetzt still.

»Verstehst du nun?« Corelia streckte die Hand aus und berührte seinen Arm. »Komm mit«, sagte sie leise. »Bitte.«

»Weiß dein Vater, wo du bist?«

»Nein.«

»Misch dich nicht ein«, sagte Corax. »Das ist mein Rat.«

Und ein kluger Rat, dachte Attilius, denn wenn ein Mann jedes Mal eingreifen würde, wenn er davon hörte, dass ein Sklave grausam behandelt wurde, dann hätte er weder Zeit zum Essen noch zum Schlafen. Ein Seewasserbecken voll toter Meerbarben? Das ging ihn nichts an. Er musterte Corelia. Aber andererseits – wenn der arme Kerl tatsächlich nach ihm verlangt hatte.

Omen, Vorzeichen, Auspizien …

Wasserdampf, der zuckte wie eine Angelschnur. Quellen, die in die Erde zurückkehrten. Ein Aquarius, der sich in Luft aufgelöst hatte. Hirten, die behaupteten, auf den unteren Hängen des Vesuv Riesen gesehen zu haben. In Herculaneum hatte eine Frau angeblich ein Kind mit Flossen anstelle von Füßen zur Welt gebracht. Und jetzt war in Misenum ein ganzes Becken voller Meerbarben verendet, im Laufe eines einzigen Nachmittags und ohne ersichtlichen Grund.

Jemand musste endlich versuchen, eine Erklärung für diese Vorgänge zu finden.

Er kratzte sich am Ohr. »Wie weit ist diese Villa entfernt?«

»Bitte. Nur ein paar hundert Schritte. Gar nicht weit.« Sie ergriff seinen Arm, und er ließ es zu, dass sie ihn mitzog. Diese Corelia Ampliata war keine Frau, der man sich leicht widersetzen konnte. Vielleicht sollte er sie wenigstens zu ihrer Familie zurückbegleiten. Für eine Frau ihres Alters und ihres Standes war es alles andere als sicher, auf den Straßen eines Kriegshafens unterwegs zu sein. Über die Schulter forderte er Corax auf, ihm zu folgen, aber Corax zuckte nur die Achseln. »Misch dich nicht ein!«, rief er – und dann war Attilius, bevor er recht wusste, was geschah, durch das Tor auf die Straße hinausgegangen, und die anderen waren nicht mehr zu sehen.

 

Es war ein oder zwei Stunden vor Anbruch der Dämmerung, die Zeit, zu der die Menschen in diesem Teil des Mittelmeerraums langsam aus ihren Häusern herauskamen. Nicht, dass die Stadt viel von ihrer Hitze eingebüßt hatte. Die Steine glichen Ziegeln frisch aus dem Brennofen. Alte Frauen saßen auf Hockern neben ihren Haustüren und fächelten sich Luft zu, während die Männer trinkend und schwatzend an den Theken standen. Vollbärtige Thraker und Dalmatier, Ägypter mit goldenen Ringen in den Ohren, rothaarige Germanen, olivenhäutige Griechen und Kilikier, große, muskelbepackte Nubier, kohlschwarz und mit vom Wein blutunterlaufenen Augen – Männer aus allen Teilen des Imperiums, alle von ihnen verzweifelt genug oder ehrgeizig genug oder dumm genug, fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens an den Riemen der Galeeren zu verbringen, um Bürger Roms zu werden. Von irgendwo in der Unterstadt, in der Nähe der Küste, drangen die Töne einer Wasserorgel herauf.

Corelia stieg die Stufen schnell hinauf. Sie raffte ihre Röcke mit beiden Händen; ihre weichen Hausschuhe machten keinerlei Geräusch auf den Steinen. Die Sklavin rannte voraus, und Attilius lief hinterher. »›Nur ein paar hundert Schritte‹«, murmelte er. »›Gar nicht weit‹ – ja, aber die ganze Strecke bergauf!« Er schwitzte so sehr, dass ihm die Tunika am Rücken klebte.

Endlich gelangten sie auf ebenes Gelände, und vor ihnen lag eine lange, hohe Mauer, rötlich gelb und mit einem eingelassenen Torbogen, über dem zwei schmiedeeiserne Delphine hochsprangen, um sich zu küssen. Die Frau eilte durch das unbewachte Tor, und Attilius blickte sich kurz um und folgte ihr. Im selben Moment trat er aus der lauten, geschäftigen, staubigen Wirklichkeit in eine stille Welt aus Blautönen, die ihm den Atem raubte. Türkis, Lapislazuli, Indigo, Saphir – jedes Edelsteinblau, das Mutter Natur je erschaffen hatte, erhob sich in Schichten vor ihm, von kristallenen Untiefen über tiefes Wasser und einen scharf umrissenen Horizont bis zum Himmel. Die Villa selbst lag am unteren Ende einer Reihe von Terrassen, mit der Rückfront zur Bergflanke und der Fassade zum Golf, einzig und allein für dieses herrliche Panorama erbaut. An einer Mole war ein zwanzigrudriges Luxusboot vertäut, karminrot und goldfarben gestrichen und mit dazu passenden Teppichen auf dem Deck.

Ihm blieb kaum die Zeit, etwas außer diesem überwältigenden Blau wahrzunehmen, bevor sie wieder unterwegs waren und Corelia ihn die Treppe hinabführte, vorbei an Statuen, Springbrunnen, bewässerten Rasenflächen, über einen Fußboden mit einem Mosaik von Meeresgetier und hinaus auf eine Terrasse mit einem Schwimmbecken, gleichfalls blau, das sich in Richtung See erstreckte. Ein aufblasbarer Ball drehte sich langsam am gefliesten Beckenrand, wie mitten in einem Spiel vergessen. Plötzlich fiel ihm auf, wie verlassen das große Haus wirkte, und als Corelia auf die Balustrade deutete und er die Hände vorsichtig auf die Steinbrüstung legte und sich vorbeugte, sah er, weshalb. Der größte Teil des Haushalts hatte sich am Ufer versammelt.

Es dauerte eine Weile, bis er die ganze Szenerie in sich aufgenommen hatte. Wie erwartet war der Schauplatz eine Fischfarm, aber die Anlage war viel größer als vermutet – und alt, ihrem Aussehen nach zu schließen vermutlich in den dekadenten letzten Jahren der Republik angelegt, als das Halten von Fischen Mode geworden war –, eine Reihe von auf die Felsen gesetzten Mauern, die rechteckige Becken umschlossen. Tote Fische trieben auf der Oberfläche von einem der Bassins. Um das am weitesten entfernte Becken drängte sich eine Schar von Männern, die auf etwas im Wasser starrten, etwas, das einer von ihnen mit einem Bootshaken anstieß. Attilius musste die Augen abschirmen, um es erkennen zu können, und als er genauer hinschaute, spürte er, wie sich eine große Leere in seinem Magen ausbreitete. Die Szene erinnerte ihn an den Moment des Tötens im Amphitheater – die Stille, die erotische Komplizenschaft zwischen Menge und Opfer.

Hinter ihm gab die alte Frau ein Geräusch von sich – ein leises Aufheulen vor Kummer und Verzweiflung. Attilius trat einen Schritt zurück und wandte sich kopfschüttelnd zu Corelia um. Er wollte weg von diesem Ort, zurück zu den ordentlichen, simplen, praktischen Belangen seines Berufs. Hier gab es nichts, was er tun konnte.

Doch sie stand ihm im Wege, dicht vor ihm. »Bitte«, sagte sie. »Hilf ihr.«

Ihre Augen waren blau, sogar noch blauer, als die von Sabina es gewesen waren. Sie schienen das Blau des Golfs einzufangen und auf ihn zurückzuwerfen. Er zögerte, biss die Zähne zusammen, drehte sich um und schaute wieder aufs Meer hinaus.

Schließlich zwang er sich, den Blick vom Horizont zu lösen, wobei er das, was am Becken passierte, bewusst mied, ließ ihn zum Ufer zurückwandern und versuchte, die ganze Szenerie mit einem professionellen Auge zu betrachten. Er sah hölzerne Schleusentore. Eisengriffe, mit denen sie angehoben werden konnten. Metallgitter über einigen der Becken, die verhindern sollten, dass die Fische entkamen. Laufstege. Rohre. Rohre.

Einen Moment blieb er unbeweglich stehen, dann drehte er sich abermals um und betrachtete die Bergflanke. In ihrem Steigen und Fallen würden die Wellen durch die Metallgitter schwappen, welche unterhalb der Wasseroberfläche in die Betonmauern der Becken eingelassen waren, und verhindern, dass das Wasser stagnierte. So viel wusste er. Die Rohre jedoch – er legte den Kopf in den Nacken, begann zu verstehen – mussten Süßwasser vom Land bringen, damit es sich mit dem Meerwasser mischte und es brackig werden ließ. Wie in einer Lagune. Einer künstlichen Lagune. Perfekt zum Halten von Fischen. Und die am schwierigsten zu haltenden Fische, eine den ganz Reichen vorbehaltene Delikatesse, waren Meerbarben.

Er fragte leise: »Wo ist der Aquädukt mit dem Haus verbunden?«

Corelia schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht.«

Die Leitung muss gewaltig sein, dachte er. Bei einer Anlage dieser Größe …

Er kniete neben dem Schwimmbecken nieder, schöpfte eine Hand voll des warmen Wassers, kostete es, runzelte die Stirn, ließ es im Mund kreisen wie ein Weinkenner. Soweit er es beurteilen konnte, war es sauber. Aber das brauchte nichts zu bedeuten. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zuletzt den Ausfluss des Aquädukts kontrolliert hatte. Nicht seit dem Vorabend, kurz bevor er sich schlafen legte.

»Wann sind die Fische gestorben?«

Corelia warf einen Blick auf die Sklavin, aber die war für die Welt verloren. »Ich weiß es nicht. Vielleicht vor ungefähr zwei Stunden.«

Zwei Stunden!

Er sprang über die Balustrade auf die darunter liegende Terrasse und machte sich auf den Weg zur Küste.

 

Unten am Wasser hatte das Spektakel nicht gehalten, was es versprochen hatte. Aber wovon konnte man das heutzutage schon behaupten? Ampliatus hatte in letzter Zeit immer öfter das Gefühl, einen Punkt erreicht zu haben – war es das Alter oder der Reichtum? –, an dem die Erregung der Vorfreude köstlicher war als die Leere der Erleichterung. Das Opfer schreit, das Blut spritzt, und dann – was? Nur ein weiterer Tod.

Das Beste war der Anfang gewesen: die gemächliche Vorbereitung, gefolgt von der langen Zeit, in der der Sklave lediglich im Wasser trieb, das Gesicht dicht über der Oberfläche – sehr still, weil er bei dem, was unter ihm war, keinerlei Aufmerksamkeit erregen wollte –, mit sanften, konzentrierten Bewegungen unter Wasser. Amüsant. Trotzdem hatte sich die Geschichte bei der Hitze in die Länge gezogen, und in Ampliatus kam der Gedanke auf, dass diese Sache mit den Muränen überschätzt wurde und Vedius Pollio doch nicht so modisch gewesen war, wie er geglaubt hatte. Aber nein: Auf die Aristokratie war immer Verlass! Gerade als er im Begriff war, dem Ort des Geschehens den Rücken zu kehren, hatte das Wasser angefangen zu zucken, und dann war – plopp! – das Gesicht verschwunden wie der Senkschwimmer eines Fischers, nur um für eine Sekunde mit einem komischen Ausdruck der Überraschung wieder aufzutauchen und dann endgültig zu verschwinden. Im Rückblick war dieser Gesichtsausdruck der Höhepunkt gewesen. Danach war alles ziemlich langweilig und in der Hitze der untergehenden Sonne schwer zu ertragen gewesen.

Ampliatus nahm seinen Strohhut ab, fächelte sich das Gesicht und schaute seinen Sohn an. Anfangs hatte es so ausgesehen, als blickte Celsinus starr geradeaus, aber beim zweiten Hinschauen merkte man, dass seine Augen geschlossen waren, was typisch war für den Jungen. Zuerst schien er immer zu tun, was von ihm verlangt wurde. Aber dann begriff man, dass er nur mechanisch mit seinem Körper gehorchte; seine Aufmerksamkeit war woanders. Ampliatus stieß ihm den Finger in die Rippen, und Celsinus’ Augen öffneten sich ruckartig.

Woran dachte er? Vermutlich an irgendwelchen östlichen Unsinn. Ampliatus gab sich selbst die Schuld. Als der Junge sechs war – das war vor zwölf Jahren gewesen –, hatte sein Vater in Pompeji auf eigene Kosten einen Tempel bauen lassen, der der Isis geweiht war. Man hätte es nicht gern gesehen, wenn er, ein ehemaliger Sklave, einen Tempel für Jupiter, den Besten und Größten, oder Mutter Venus oder sonst einen der heiligen Schutzgötter gebaut hätte. Aber Isis war Ägypterin, eine Göttin für Frauen, Friseure, Schauspieler, Parfümmischer und dergleichen. Er hatte den Bau im Namen von Celsinus gestiftet mit dem Ziel, den Jungen einst in den Stadtrat von Pompeji zu befördern. Und es hatte funktioniert. Bloß hatte er nicht damit gerechnet, dass Celsinus die Sache ernst nehmen würde. Aber genau das tat er, und zweifellos dachte er auch jetzt daran – an Osiris, den Sonnengott, Gemahl der Isis, der jeden Abend bei Sonnenuntergang von seinem tückischen Bruder Seth, dem Bringer der Dunkelheit, erschlagen wird. Und daran, wie alle Menschen, wenn sie sterben, vom Herrscher über das Reich der Toten beurteilt werden und, wenn sie für würdig befunden werden, ins ewige Leben eingehen und am Morgen wieder auferstehen gleich Horus, dem Erben des Osiris, der rächenden neuen Sonne, dem Bringer des Lichts. Glaubte Celsinus tatsächlich an diesen kindischen Blödsinn? Glaubte er wirklich, dass zum Beispiel dieser halb aufgefressene Sklave bei Sonnenuntergang aus dem Totenreich zurückkehren und bei Tagesanbruch Rache nehmen würde?

Ampliatus war im Begriff, ihn genau das zu fragen, als er von einem Ruf hinter ihren Rücken abgelenkt wurde. Die versammelten Sklaven wurden unruhig, und Ampliatus drehte sich auf seinem Stuhl herum. Ein Mann, den er nicht kannte, kam die Stufen von der Villa herunter, schwenkte einen Arm über dem Kopf und rief etwas.

 

Die Prinzipien der Technik waren einfach, universal, unpersönlich – ob in Rom, in Gallien oder in Campania –, und genau das gefiel Attilius daran. Noch während er die Treppe hinablief, stellte er sich das vor, was er nicht sehen konnte. Die Hauptleitung des Aquädukts verlief vermutlich in dieser Anhöhe hinter der Villa, ungefähr drei Fuß unter der Oberfläche, in nordsüdlicher Richtung, von Baiae hinunter zur Piscina mirabilis. Derjenige, der vor mehr als einem Jahrhundert, als die Aqua Augusta gebaut wurde, Besitzer der Villa gewesen war, hatte höchstwahrscheinlich zwei Abzweigungen legen lassen. Die eine speiste eine große Zisterne für das Wasser, das im Haus, für das Schwimmbecken und die Springbrunnen im Garten gebraucht wurde; wenn es im Hauptstrang zu einer Verunreinigung kam, würde es, je nach Fassungsvermögen der Zisterne, bis zu einem vollen Tag dauern, bevor sie hier angelangt war. Die andere Abzweigung jedoch leitete vermutlich einen Teil des Wassers der Augusta direkt zu den Fischbecken; wenn es irgendein Problem mit dem Aquädukt gab, würde es sich hier sofort bemerkbar machen.

Direkt vor ihm nahm jetzt die Szenerie der Tötung Gestalt an: der Herr des Hauses – vermutlich Ampliatus –, der sich verwundert von seinem Stuhl erhob, die Zuschauer, die dem Becken den Rücken zugewandt hatten – alle Augen ruhten auf ihm, als er die letzten Stufen hinunterhetzte. Er rannte auf den Steg der Fischfarm, wurde langsamer, als er sich Ampliatus näherte, hielt aber nicht an.

»Zieht ihn heraus!«, schrie er, als er an ihm vorbeieilte.

Mit wütendem Gesicht rief Ampliatus ihm von hinten etwas zu, und Attilius drehte sich, immer noch laufend, um, ging rückwärts weiter und hob die Hände. »Bitte. Zieht ihn schnell heraus!« Ampliatus stand mit offenem Mund da, aber dann hob er, immer noch Attilius anstarrend, langsam die Hand – eine vieldeutige Geste, die dennoch eine Kette von Handlungen in Gang setzte, als hätten alle nur auf ein solches Zeichen gewartet. Der Hausverwalter legte zwei Finger an den Mund, pfiff dem Sklaven mit dem Bootshaken zu und machte mit der Hand eine Aufwärtsbewegung. Der Sklave fuhr herum, stieß mit dem Ende seiner Stange in das Aalbecken, bekam etwas zu fassen und zog es heraus.

Attilius war fast bei den Rohren. Aus der Nähe betrachtet, waren sie größer, als es von der Terrasse aus den Anschein gehabt hatte. Terrakotta. Ein Paar. Durchmesser mehr als ein Fuß. Sie kamen aus dem Abhang, überquerten die Rampe gemeinsam, trennten sich am Ufer und verliefen dann in entgegengesetzten Richtungen am Rande der Fischfarm entlang. In jedes der Rohre war eine primitive Kontrollplatte eingesetzt – ein loses, gut zwei Fuß langes, quer durchgeschnittenes Stück Terrakotta –, und als er die Platten erreicht hatte, konnte er sehen, dass eine davon bewegt und nicht wieder ordentlich eingesetzt worden war. Ein Meißel lag in der Nähe, als wäre derjenige, der ihn benutzt hatte, gestört worden.

Attilius kniete nieder und rammte den Meißel in den Spalt, bewegte ihn auf und nieder, bis er fast vollständig eingedrungen war, dann drehte er ihn, damit die flache Seite ihm genügend Raum bot, seine Finger unter die Abdeckung zu schieben und sie freizuhebeln. Er hob sie heraus und kippte sie um, ohne Rücksicht darauf, wie schwer sie fiel. Sein Gesicht war direkt über dem fließenden Wasser, und er roch es sofort. Aus dem beengten Raum des Rohrs entlassen, war der Geruch so stark, dass er sich fast übergeben hätte. Der unverwechselbare Gestank nach Fäulnis. Nach faulen Eiern.

Der Brodem des Hades.

Schwefel.