Post Anthropozän - Karl-Heinz Haselmeyer - E-Book

Post Anthropozän E-Book

Karl-Heinz Haselmeyer

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Beschreibung

Durch eine Symbiose von Mensch und Technik wird die Umweltkrise überwunden und auf der Erde können sich natürliche Gleichgewichte etablieren. Ein großer Teil der Menschheit hat an dieser Entwicklung keinen Anteil und lebt friedlich dem natürlichen Ende entgegen.

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Seitenzahl: 47

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Fast berührte die Sonne den Horizont, den sie mit einer imposanten Mischung von Rottönen überzog. Die Farbenpracht spiegelte sich in der leicht bewegten See. Es wehte ein schwacher Wind. Nun war die schönste Tageszeit, oben an der Uferpromenade etwas entlang zu schlendern, um nach der Hitze des Tages noch vor dem Dunkelwerden die Lungen mit frischer Luft zu füllen. Das Hochdruckgebiet, das sich schon über eine Woche kaum verlagert hatte, brachte Hitzerekorde, die tagsüber keinen Aufenthalt im Freien duldeten. Vorerst waren es noch wenige Personen, die sich aus den temperierten Zimmern ihres Wohnblockes herauswagten. Das war nicht verwunderlich, denn in dieser Wohnanlage wohnten alte und sehr alte Menschen, die mit ihrer Gesundheit vorsichtig umgehen mussten.

Diese Siedlung war für Leute gebaut worden, die den aktiven Teil ihres Lebens hinter sich haben, und war auf die Bedürfnisse von Personen mit altersbedingten Behinderungen zugeschnitten. Alle Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen waren in den Wohnblöcken voll automatisiert und leicht erreichbar. Die Wohnanlage wurde mit allem Lebensnotwendigem versorgt, war aber sonst autark und die Verwaltung und Organisation oblag der Verantwortung der Einwohner ohne Rücksicht auf ihr Alter.

Zur Landseite war die Uferpromenade mit Büschen und Bäumen bepflanzt, zwischen denen in kurzen Abständen überdachte Bänke eingefügt waren. Die Promenade zog sich in einer Höhe von fast zehn Metern an einem schmalen Strand entlang.

Die zum Teil hochbetagten Bewohner dieser strandnahen riesigen Siedlung gehörten zu der übergroßen Mehrheit der Weltbevölkerung, denn 75 Prozent der Menschen waren deutlich über 70 Jahre alt. Diese Generation stammte meist noch aus den Katastrophenjahren, in denen die Weltbevölkerung auf mehr als 10 Milliarden angestiegen war. Danach war durch einen starken Rückgang der Geburtenrate die Weltbevölkerung schon auf 8,5 Milliarden geschrumpft und befand sich weiterhin in einem erheblichen Rückgang.

Obwohl die angestrebte Bevölkerungsdichte noch lange nicht erreicht war, hatte man die feste Erdoberfläche aufgeteilt in eine Hälfte, die von Menschen genutzt wurde, und eine andere Hälfte, in der sich die Biodiversität wieder erholen und frei ausdehnen konnte. Die Gebiete waren gegeneinander durch Absperrmaßnahmen gesichert. Diese Aufteilung war durch den Fortfall von Flächen der landwirtschaftlichen Produktion möglich geworden, denn die Ernährung der Menschheit war durch großtechnische Prozesse gesichert.

Eine Gruppe Männer, die aus dem Eingang ins Freie getreten waren, scharten sich um eine temperamentvolle Frau, die mit heftiger Gestik das Gespräch zu leiten schien. Gerda Hofer war in vergangener Zeit eine bekannte Schriftstellerin und Poetin gewesen, der man ihre 97 Lebensjahre nicht anmerkte. Einer ihrer Begleiter, ein großer schlanker Mann mit einem wirren weißen Haarkranz, der den braungebrannten Schädel umkränzte, legte ihr freundschaftlich seine Hand auf die Schulter. „Ist es nicht geradezu traumhaft, dieser stimmungsvolle Sonnenuntergang, den wir ohne jegliche Not genießen können? Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen, nichts droht uns außer dem Zahn der Zeit und doch machen wir uns oft Sorgen. Sorgen um das, was einmal sein wird, wenn wir nicht mehr da sein werden.“ Strafend schaute Gerda Hofer den Sprecher an: „Verdirb nicht die schöne Stimmung, es ist nicht nur die Sorge um die Zukunft, es ist das Gefühl gänzlich nutzlos zu sein. Niemand braucht uns, wir werden versorgt, bis wir endgültig Platz machen.“ Lachend erwiderte der Angesprochene: „So nutzlos bist du wohl nicht, wir brauchen dich, ich freue mich schon jetzt darauf, dass du uns nach dem Abendessen wieder eines deiner Gedichte vorliest.“

Für die Verbreitung von Literatur und Poesie war in der modernen Gesellschaft kein Platz mehr vorhanden außer in der digitalen Welt, aus der diese Generation ausgegrenzt war. Es gab keine Druckmedien, weder Buchverlage noch Zeitschriften. Alle Kulturzweige waren von der die digitale Welt beherrschenden jüngeren Generation auf digitale Medien beschränkt. Gerda Hofer konnte ihre Gedichte nur in ihrem kleinen Bekanntenkreis vortragen. „Kurt hat ganz recht“, schaltete sich ein sehr korpulenter Mann mit einem gewaltigem grauen Bart, der bis auf die Wölbung seines dicken Bauches reichte, in das Gespräch ein. „Es mangelt uns an nichts, wir sind frei und gleichberechtigt. Als ich Kind war, hatten wenige Prozent der Menschheit fast alles und große Teile der Menschheit hungerten. Wir können uns dem Netz anschließen und uns dort einbringen oder wir können, wofür wir uns entschieden haben, ohne Einbindung in die KI bis zum Ende weiterleben, versorgt werden wir in jedem Fall.“ „Ich kann mir auch kein besseres Leben vorstellen“, bemerkte Gerda Hofer, „aber sind wir nicht die letzten wirklichen Menschen mit unbeeinflusster Persönlichkeit? Es dauert nicht mehr so lange, dann sind wir nicht mehr da und die wenigen Neugeborenen auf der Erde werden in die Symbiose mit der KI hineingeboren werden. Sie werden nicht einmal mehr etwas lernen müssen, sie werden alles ohne Anstrengung erhalten. Wenn wir nicht mehr da sind, ist die Erde nicht mehr überbevölkert und kann sich weiterhin erholen, aber die Menschen haben dann ihre Eigenständigkeit verloren. Lasst uns zurückgehen, es sind zu viele Menschen hinausgekommen, es gibt Gedränge auf der Promenade und außerdem gehen die Lichter schon an, es wird schon dunkel.“

In vergangenen Jahrzehnten waren große Veränderungen vor sich gegangen. Die jüngeren Generationen und kleine Teile der älteren waren mit der KI zu einer Einheit verschmolzen. Man sah es gleich an dem Käppi, das sie auf kahlgeschorenem Kopf trugen. Sie waren fest verbunden mit dem riesigen Datennetz, das ihnen unendliche Ressourcen zur Verfügung stellte. Die Kappe stellte den Zugang zu dem digitalem Netz her und war außerdem die Schnittstelle zwischen den Vorgängen in menschlichen Gehirnen und den Vorgängen in den künstlichen Neuronen, die die Künstliche Intelligenz hervorbrachten. Ein externer Zugang zu der KI war nicht mehr vorgesehen.