PR-Terminus Paket (Band 1 – 12) - Perry Rhodan - E-Book

PR-Terminus Paket (Band 1 – 12) E-Book

Perry Rhodan

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Beschreibung

Das Jahr 1523 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Am äußersten Rand des Sonnensystems, zwischen den Kleinstplaneten des Kuipergürtels, wird Perry Rhodan mit einem unheimlichen Rätsel konfrontiert. Neun Obelisken, die trotz des Kunstlichts der Raumfahrer keine Schatten werfen, schweben in einem Kreis. Sie sind uralt – und niemand weiß etwas über sie. Doch in Perry Rhodan werden Erinnerungen wach, die ihn gedanklich zurück in die Vergangenheit versetzen. Vor 1500 Jahren hatte die Menschheit mit Wesen zu tun, die überall in der Milchstraße ihre Machenschaften betrieben. Der Begriff "Terminus" ist damit aufs Engste verbunden. Terminus bedeutet aber auch, auf das 35. Jahrhundert alter Zeitrechnung zu blicken – auf die Zeit des Solaren Imperiums, auf den Angriff der Antiterranischen Koalition und auf die Begegnung der Menschen mit einem verborgenen Imperium ... Perry Rhodan-Terminus: zwölf spannende Science-Fiction-Romane!

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Cover

Vorwort

Nr. 1 – Zeitspringer

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Solsystem, Kuipergürtel, 5. September 1523 NGZ

1. Solsystem, Kuipergürtel, 30. Oktober 3430 alter Zeitrechnung

2. Solsystem, Neptunbahn, 30. Oktober 3430

3. Terra, Imperium-Alpha, 30. Oktober 3430

4. Imperium-Alpha, 30. Oktober 3430

5. Imperium-Alpha

6. Imperium-Alpha

7. Imperium-Alpha, 30. Oktober 3430

8. Imperium-Alpha, 30. Oktober 3430

9. Imperium-Alpha, 31. Oktober 3430

10. Imperium-Alpha, 1. November 3430

Lesermagazin

Nr. 2 – Flucht durch Terrania

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Terra, Terrania

2. Terrania, Imperium-Alpha

3. Terrania, Khooloi Town

4. Terrania, Imperium-Alpha

5. Terrania, Khooloi Town

6. Terra

7. Terrania, Khooloi Town

8. Terrania, Imperium-Alpha

9. Terrania, Khooloi Town

10. Terrania, Imperium-Alpha

11. Terrania, Aldebaran City

12. Aldebaran City, Botschaft Dabrifa

13. Aldebaran City, Botschaft Dabrifa

14. Aldebaran City, Botschaft Dabrifa

15. Terrania, Imperium-Alpha

16. Aldebaran City, Botschaft Dabrifa

Lesermagazin

Nr. 3 – Konfrontation auf Mimas

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Terrania, Imperium-Alpha

2. Vergangenheit Juki Leann, Southside

3. Vergangenheit Juki Leann, Nosmo

4. Vergangenheit Juki Leann, Southside

5. Terrania, Imperium-Alpha

6. Mimas

7. Mimas

8. Vergangenheit Juki Leann, Terrania

9. Vergangenheit Juki Leann, Southside

10. Mimas

11. Mimas

12. Vergangenheit Juki Leann, Sydney

13. Vergangenheit Juki Leann, Southside

14. Vergangenheit Juki Leann, Muraj

15. Vergangenheit Juki Leann, Muraj

16. Vergangenheit Juki Leann, HARDWIRE

17. Vergangenheit Juki Leann, Nosmo

18. Mimas

19. Mimas

20. Mimas

21. Mimas

22. Mimas

23. Mimas

24. Vergangenheit Juki Leann, Lepso

25. Vergangenheit Juki Leann, Nosmo

26. Vergangenheit Juki Leann, Nosmo

27. Mimas

28. Mimas

29. Mimas

30. Mimas

Lesermagazin

Nr. 4 – Kampf um Merkur

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Entdeckt

2. Bestien

3. Mimas

4. Ich, Darius, Teil 1

5. Terra, Imperium-Alpha

6. Ich, Dasius, Teil 2

7. Ich, ...?

8. Abstecher nach Terrania

9. Merkur, Nordpol

10. Ich, Darren

11. Ich, ...?

12. Gehe denn ins Licht

13. Imperium-Alpha,

Lesermagazin

Nr. 5 – Im Sonnenpalast

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. CART RUDO, Merkurbahn

2. CART RUDO, Boscyksystem

3. CART RUDO, Boscyksystem

4. CART RUDO, Olymp

5. Olymp, 15. November 3430

6. HAYHONDOR, Olymp

7. HAYHONDOR, Normonsystem

8. HORSA

9. Nosmo, Woogan-Park

10. Nosmo, Sonnenpalast

11. Nosmo, Sonnenpalast

12. Nosmo, Sonnenpalast

13. Nosmo, Sonnenpalast

Epilog: Tatka-Taro, 21. November 3430

Lesermagazin

Nr. 6 – Carusos Maske

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Dr. Preptons Trauma

2. Eine Aufgabe

3. Heimlicher Besuch

4. Orgien, Orgien!

5. Auf ein Wort

6. Acht Tage zuvor

7. Bewerbung mit Nebenwirkungen

8. Der Traum des Ashton Prepton

9. Das Chaos der Zeit

10. Taumel durch die Zeit

11. Ein Vario dreht durch

12. Der Traum zerplatzt

13. Rückkehr

14. Rückkehr in die Normalität

Lesermagazin

Nr. 7 – Die geheime Werft

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Aufbruch von Olymp

2. Das geheimnisvolle System

3. Das dunkle Wrack

4. Stand der Dinge

5. Kämpfe im Weltraum

6. Vorstoß nach Arcane 2

7. Planet unter roter Sonne

8. Die geheime Werft

9. Überraschungen

10. In der Geisterstadt

11. Die Zentralpositronik

Lesermagazin

Nr. 8 – Finale für Arcane 2

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Arcanesystem, CART RUDO

2. Geisterstadt, Arcane 2

3. CART RUDO

4. Unbekanntes Raumschiff

5. Im Shift, Arcane 2

6. Residenz der Planetenverwalterin

7. Wüste, Arcane 2

8. Unter Sen Viyalis Residenz

9. Wüste, Arcane 2

10. Sammelstelle der Planetarier

11. Im Bahnhof, Arcane 2

12. Sen Viyalis Residenz

13. CART RUDO

14. Über Arcane 2

15. CART RUDO

16. Unbekanntes Schiff

Lesermagazin

Nr. 9 – Gestohlene Erinnerung

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Blecherne Erinnerungen

2. Sie haben es mir versprochen!

3. Der Unbekannte

4. Die Augen öffnen

5. Erwachen

6. Einschleusung

7. Vergesslichkeit

8. Und täglich grüßt Galbraith Deighton!

9. Bericht Galbraith Deighton

10. Flucht durch TROSS

11. Um den Verstand gebracht

12. Die Diagnose

13. Ein Schlaf ohne Erwachen?

14. Wo wir sind

Lesermagazin

Nr. 10 – Spur nach Nirgendwo

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: TERMINUS-ALPHA

1. CART RUDO

2. CART RUDO

3. 17-F, Rot-12-37

4. CART RUDO

5. YOGUL

6. YOGUL

7. YOGUL

8. CART RUDO

9. Terminussystem

10. CART RUDO

11. BERT HEFRICH

12. TROSS

13. BERT HEFRICH

14. TROSS

Epilog: TERMINUS-ALPHA

Lesermagazin

Nr. 11 – Schachmatt

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. HEER, 8. Dezember 3430

2. TROSS, Tage zuvor

3. HEER, 8. Dezember 3430

4. TERMINUS-ALPHA

5. TERMINUS-ALPHA

6. TROSS, Tage zuvor

7. TERMINUS-ALPHA

8. CART RUDO, Stunden zuvor

9. TERMINUS-ALPHA

10. CART RUDO, Stunden zuvor

11. TERMINUS-ALPHA

12. CART RUDO, Stunden zuvor

13. TERMINUS-ALPHA

14. CART RUDO, Stunden zuvor

15. TERMINUS-ALPHA

16. CART RUDO

17. TERMINUS-ALPHA

Lesermagazin

Nr. 12 – Der Plan der Cynos

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. TERMINUS-ALPHA

2. TERMINUS-ALPHA

3. TERMINUS-ALPHA

4. TERMINUS-ALPHA

5. SCHMIEDE

6. SCHMIEDE

7. Terminussystem

8. Terminussystem

9. CART RUDO

10. CART RUDO

Epilog: Solsystem, Kuipergürtel

Lesermagazin

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Welt von PERRY RHODAN spielt in der Zukunft, in den meisten unserer Romane zumindest. Sie beschreibt eine Geschichte der Menschheit, die in der Gegenwart beginnt und bis in diese Zukunft reicht. Unsere Helden erreichen das Ende der Zeit und andere Universen, sie durchreisen den Kosmos mit riesigen Raumschiffen, sie überwinden den Raum zwischen den Sternen und erreichen Dimensionen, die wir uns in der »wirklichen Welt« gar nicht vorstellen können.

Das gilt auch für unsere Miniserie PERRY RHODAN-Terminus. Sie spielt gut 1500 Jahre in der Zukunft, weit entfernt also von unserer Gegenwart. Mit riesigen Raumschiffen werden die Leerräume zwischen den Sternen überwunden, die Zukunft steht der Menschheit buchstäblich offen.

Seit dem Aufbruch ins All haben sich die Terraner – wie man die Bewohner der Erde und ihre Nachkommen nennt – über die Milchstraße ausgebreitet. Zahlreiche Welten sind besiedelt worden, neue Sternenreiche sind entstanden. Doch die Bewohner vieler Kolonialwelten fühlen sich der Erde nicht mehr verbunden – sie bilden die Antiterranische Koalition.

Perry Rhodan, der als Großadministrator das Solaren Imperium regiert, will einen Bruderkrieg verhindern. Er ruft am 30. Oktober 3430 den Fall Laurin aus, Ergebnis eines langen Planes. Das gesamte Sonnensystem wird fünf Minuten in die Zukunft versetzt – alle Angreifer laufen ins Leere.

Was dann geschieht, möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Das steht schließlich in den zwölf Romanen der Miniserie ...

Die Autoren servieren dabei eine packende Mischung aus Action und interstellaren Verwicklungen. Die Geschichten spielen auf den Planeten und Monden unseres Sonnensystems, aber auch in den Tiefen der Milchstraße. Höhere kosmische Mächte wie Superintelligenzen und Kosmokraten tauchen nicht auf, fremde Galaxien oder gar Universen werden nicht zum Schauplatz der Handlung.

Es erwartet Sie ein spannendes Universum, ein Kosmos der Abenteuer und Überraschungen. Viel Vergnügen bei PERRY RHODAN-Terminus wünsche ich schon jetzt!

Klaus N. Frick

Nr. 1

Zeitspringer

Die Vergangenheit wird lebendig – uralte Obelisken weisen den Weg

Uwe Anton

Das Jahr 1523 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit Jahrtausenden reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben zahlreiche Planeten besiedelt.

Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All geleitet hat, fliegt zu einem Kleinstplaneten am äußersten Rand des Sonnensystems. Dort haben Archäologen eine rätselhafte Entdeckung gemacht – Rhodan stößt auf eine mysteriöse Grabstätte.

Der Fund stellt eine Verbindung zu Rhodans Vergangenheit her – es geht mehr als eineinhalb Jahrtausende zurück. In der späten Phase des Solaren Imperiums ist die Menschheit in verfeindete Sternenreiche zersplittert, es droht ein gigantischer Bruderkrieg.

Immer wieder treten besondere Menschen auf. Sie verfügen über Begabungen, die sie aus der Masse hervorheben. Auf zwei von ihnen trifft Rhodan – es sind die ZEITSPRINGER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner wird von seiner Vergangenheit eingeholt.

Juki Leann – Die Spionin macht eine unglaubliche Erfahrung.

Darren Zitarra – Der Schwarzgardist verachtet die Terraner.

Renier Bievre – Der Hyperphysiker streitet sich mit Gucky.

Gucky

Prolog

Solsystem, Kuipergürtel

5. September 1523 NGZ

»Da ist er! Orcus!« Der Kommandant der ALLAN D. MERCANT zeigte auf das Hologramm vor Perry Rhodan. In der dreidimensionalen Darstellung war ein nackter, unregelmäßig geformter Felsbrocken zu sehen, der sich nur dank der Aufhellung durch die Bordpositronik vom dunklen All abhob.

Rhodan fröstelte. Der Plutino im Kuipergürtel schien eine Kälte auszustrahlen, die durch die Hülle des Schlachtkreuzers der MARS-Klasse nach ihm griff und bis in seine Knochen drang. Selbstredend eine Täuschung, doch das Kuiper Belt Object kam ihm auf Anhieb unheimlich vor.

Und seltsam vertraut.

Rhodan kniff die Augen zusammen. Hatte er diesen Gesteinsklumpen mit einem Durchmesser von 917 Kilometern schon einmal gesehen? Das mochte durchaus sein, Rhodan war bereits etliche Male in diesem äußersten Randbereich des Sonnensystems gewesen. Er hatte sich zuweilen, wenn seine knappe Zeit es erlaubte, sogar in einen Raumjäger gesetzt und war ein paar Stunden geflogen, ohne festes Ziel, nur zum Vergnügen. Aber das war lange her, und er bezweifelte, dass er sich an einen bestimmten Himmelskörper erinnern konnte. Für das ungeschulte menschliche Auge sahen sie alle gleich aus.

Der Kuipergürtel war ein anspruchsvolles Übungsgelände, wenn man auf die Unterstützung der Bordpositronik verzichtete, um die Sinne zu schärfen und das Reaktionsvermögen zu verbessern. In dieser ringförmigen, relativ flachen Region, die sich im Solsystem außerhalb der Neptunbahn in einer Sonnenentfernung von 30 bis 50 Astronomischen Einheiten nahe der Ekliptik erstreckte, bewegten sich schätzungsweise 70.000 Objekte mit mehr als 100 Kilometern Durchmesser und unzählige kleinere. Wobei die Trümmer des schon lange zerstörten Pluto nicht mal eingerechnet waren.

Irgendwann waren in diesem Raumgebiet bei einer kosmischen Katastrophe zwei große Himmelskörper kollidiert und zersplittert, oder die örtliche Masse der Materie hatte bei der Entstehung des Solsystems von vornherein nicht ausgereicht, um sich zu einem Planeten zusammenzuballen. Die größten Gebilde des Kuipergürtels konnte man fast als Kleinplaneten bezeichnen, aber eben nur fast. Zu Ehren der untergegangenen neunten Welt des Sonnensystems hatte man sie Plutinos genannt.

Der Kommandant gab ein Zeichen, und der Pilot des 500 Meter durchmessenden Kugelraumers verlangsamte die Fahrt weiter. Die ALLAN D. MERCANT näherte sich einem Bereich des Gürtels, in dem extrem viele Planetoiden ihre Bahn zogen, kroch praktisch nur noch durchs All.

Trotzdem spürte Rhodan, dass er immer nervöser wurde.

Er atmete tief ein. Es besteht nicht die geringste Gefahr, sagte er sich. Absolut kein Grund zur Besorgnis. Die Schutzschirme der MERCANT drängen alle Objekte, die die Hülle beschädigen könnten, sanft zur Seite.

Doch seine Unruhe legte sich nicht.

»Wenn wir verhindern wollen, dass es zu weiteren Kollisionen kommt«, äußerte der Kommandant, »solltest du jetzt in die Mini-Space-Jet umsteigen. Sie ist startbereit.«

Rhodan nickte, obwohl die Aussicht, sich Orcus in einem noch kleineren Raumfahrzeug zu nähern, erneut Unbehagen in ihm hervorrief. Aber nur der Kollision eines Planetoiden mit Orcus hatten sie die Entdeckung überhaupt zu verdanken, wenn er es richtig verstanden hatte, deshalb sollten sie nun lieber keine neuen heraufbeschwören.

Orcus. Irgendwie passend ... In der römischen Mythologie einer der Namen für den Gott der Unterwelt. Ein anderer war Pluto gewesen.

Als die Menschen des 20. Jahrhunderts alter Zeitrechnung die äußeren Zwergplaneten des Sonnensystems entdeckt hatten, mussten sie ihnen bedrohlich vorgekommen sein. Kein Wunder, diese Objekte waren damals sehr, sehr weit entfernt und geheimnisvoll gewesen, und was der Mensch nicht kannte, hatte er automatisch als Bedrohung angesehen.

Unsinn!, rief Rhodan sich zur Ordnung. Das Unbekannte ist nicht per se gefährlich! Was ist nur los mit dir? Er straffte sich. »Gehen wir. Wen hast du als Piloten abgestellt?«

»Selbstverständlich werde ich dich persönlich nach Orcus bringen, Perry.«

Rhodan nickte. Selbstverständlich.

Der Kommandant der ALLAN D. MERCANT ließ es sich nicht nehmen, den Chauffeur für einen potenziell Unsterblichen zu spielen. Rhodan kannte diese Reaktion.

Offensichtlich genoss Mario Weiss jede Sekunde seiner Gegenwart. In den nächsten Jahrzehnten würde er seinen Familienangehörigen, Freunden und Kollegen unentwegt erzählen, wie nah er einer lebenden Legende gewesen war.

Rhodan gönnte es ihm.

Er setzte sich in Bewegung, und der Kommandant trottete ihm hinterher.

*

Im Nahortungs-Holo wurde Orcus immer größer. War der Plutino eben noch in seiner Gesamtheit zu sehen gewesen, konnte Perry Rhodan nun Details der Oberfläche ausmachen. Einer schroffen, atmosphärelosen Oberfläche mit scharfkantigen, für die Größe des Himmelskörpers unverhältnismäßig hohen Gebirgszügen, denen keine Erosion etwas anhaben konnte. Die einzige Gefahr für die Unveränderlichkeit des Zwergplaneten stellten Kollisionen mit kleineren Gesteinsbrocken dar, die wie Orcus auf einer ewigen Bahn um die Sonne durch das leere, lebensfeindliche All rasten. Wenn sich ihre Wege zur unpassenden Zeit zufällig kreuzten, was häufiger geschah, als man denken mochte, kam es zu Zusammenstößen wie jenem neulich.

Gelassen und souverän ging Kommandant Weiss in den Landeanflug über. Für ihn war es ein Routineflug, er verspürte wohl kaum die Beklemmung, die in Rhodan immer stärker wurde, je näher er Orcus kam.

Konnte es sein, dass er plötzlich stark schwitzte?

Erneut fragte er sich nach dem Grund für seine unerklärliche Beunruhigung, durchforstete seine Erinnerungen nach irgendwelchen Hinweisen auf Orcus, fand aber keine. Das Gefühl, den Plutino zu kennen, wurde trotzdem immer stärker. Er war schon einmal hier gewesen, vielleicht vor langer Zeit, aber sosehr er sein Gehirn zermarterte, ihm wollte nicht einfallen, wann das gewesen war.

Ein Stück voraus fiel Rhodan ein Bodengebiet von einigen Hundert Quadratmetern Größe auf, das viel zu eben war, als dass es natürlichen Ursprungs sein konnte. Dies war das Ziel ihres kleinen, wendigen Beiboots.

Seine Unruhe wurde noch stärker. Er gestand sich ein, froh zu sein, dass die ALLAN D. MERCANT nur wenige Flugminuten entfernt wartete und in ein paar Minuten vor Ort sein konnte.

Aber was sollte schon passieren? Das Sonnensystem war seit Jahrtausenden erforscht. Vom Verstand her konnte Rhodan ausschließen, dass dort vorn unbekannte Gefahren lauerten.

Die Space-Jet setzte am Rand eines kürzlich geschaffenen Landefelds auf. Rhodan erkannte in einiger Entfernung kleine, flache Gebäude.

Die provisorischen Forschungsstätten der Archäologen, die mich informiert haben, dachte er. Sie schienen leicht ins Bläuliche verfärbt zu sein. Die Wissenschaftler hatten einen Schutzschirm über ihre Entdeckung gespannt, um sie vor Beschädigungen zu schützen, etwa vor weiteren Asteroideneinschlägen.

Oder damit das, was sich unter dem Schirm befindet, nicht herauskann?

Rhodan lächelte leicht. Genug war genug. Wenn er sich nicht zusammenriss, würde er ein Nervenbündel sein, noch bevor er mit einem der Archäologen sprechen konnte. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Was brachte ihn hier nur aus der Ruhe?

»Ich gehe raus«, sagte er zu Weiss. »Die Experten erwarten mich sicher schon.«

»Selbstverständlich begleite ich dich. Ich werde unseren hohen Gast doch nicht allein über Orcus stampfen lassen.« Weiss warf einen Blick auf das dritte und letzte Besatzungsmitglied der Space-Jet. »Wolf Wesel hält hier die Stellung.«

Selbstverständlich, dachte Rhodan. Doch er schwieg, ließ Weiss die paar Schritte zur Schleuse vorangehen, schloss seinen Raumanzug, den SERUN, während er ihm folgte.

Zischend entwich Restluft aus der Schleusenkammer, kondensierte im eisigen Vakuum über Orcus. Die Positronik seiner Schutzmontur nahm Kontakt mit dem Rechner der kleinen Forschungsstation auf und handelte eigenständig, erfasste das Ziel, aktivierte das Anzugtriebwerk und beschleunigte. Rhodan schwebte über die schroffe Oberfläche hinweg zur eingeebneten Fläche, passierte die Strukturlücke des Paratronschirms und näherte sich den Gebäuden.

Eine Gestalt flog ihnen entgegen, von einem einfacheren Raumanzug vor der Kälte und Luftlosigkeit des Alls geschützt, und landete sanft auf der glasierten Oberfläche. Rhodans SERUN setzte einen Meter vor ihm auf.

»Willkommen auf Orcus«, begrüßte sie der Mann. »Es freut mich, dass du so schnell auf meine Nachricht reagiert hast.«

Rhodan brauchte einen Sekundenbruchteil, um sich zu sammeln. Das Gesicht unter dem transparenten Helm kam ihm genauso bekannt vor wie der Plutino bei der ersten Annäherung.

*

»Professor Jonathaon Voss?« Als Perry Rhodan den Namen aussprach, dämmerte es ihm. Er war im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende immer wieder Personen mit dem Nachnamen Voss begegnet, deren Vornamen alle mit dem Buchstaben »J« begannen und die sich wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelten. Und alle hatten es beruflich weit gebracht.

Rhodan war hierüber schon vor geraumer Zeit stutzig geworden und hatte Nachforschungen angestellt. Die männlichen Angehörigen dieser Familie Voss besaßen offenbar dominante Gene, die ihr Aussehen bestimmten. Noch nach Generationen schien es sich bei allen, denen er begegnet war, um Klone eines einzigen Originals zu handeln. Und bei ihren Vornamen setzten sie auf gewisse Traditionen.

Lass dich nicht ins Bockshorn jagen, ermahnte er sich. Daran ist nichts Geheimnisvolles. Das hast du schon vor Jahrhunderten überprüft.

Voss nickte. »Der bin ich.«

Rhodan stellte kurz den Kommandanten der ALLAN D. MERCANT vor und kam dann zur Sache. »Deine Nachricht war eindeutig und klar formuliert. Aber ich würde alles gern noch mal aus deinem Mund hören. Was ist auf Orcus geschehen?«

»Aufgrund einer kürzlich erfolgten Kollision mit einem kleineren Kuiper Belt Object haben terranische Wissenschaftler mehr oder weniger zufällig eine Entdeckung gemacht«, erläuterte Voss. »Patrouillenschiffe haben minimale, aber unerklärliche Energieemissionen geortet und sind der Sache nachgegangen. Der Einschlag des Trümmerstücks auf Orcus hat zufällig einen Hohlraum im Innern des Plutinos freigelegt. Darin haben wir etwas gefunden, das man im Solsystem eigentlich nicht erwarten kann. Du hast die Holoaufzeichnungen gesehen ...«

»Ja. Ich weiß, was mich erwartet. Deshalb bin ich sofort gekommen. Habt ihr mittlerweile neue Erkenntnisse gewonnen?«

Der Archäologe schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Wir wollten erst deine Einschätzung abwarten. Die ganze Sache scheint sehr brisant zu sein.«

»Sehr gut. Du hast völlig richtig gehandelt, Jonathaon.«

Sie ließen die niedrigen Gebäude rechts hinter sich liegen und näherten sich einem klaffenden Riss in einer schroffen Felswand, die sich fast genau 34 Meter über die Oberfläche erhob, wie Rhodans SERUN-Positronik in ein Datenholo links oben in seinen transparenten Helm einblendete. Starke Scheinwerfer erhellten die Öffnung, als wäre die Sonne keine Milliarden, sondern lediglich einige Millionen Kilometer entfernt.

Die extreme Helligkeit hätte Rhodans Anspannung lindern sollen, bewirkte aber genau das Gegenteil. Er spürte, wie seine Magengrube sich zusammenzog. Wahrscheinlich beschleunigte sich auch sein Pulsschlag, und sein Blutdruck schoss in die Höhe. Wenn sich das nicht änderte, würde die Anzugpositronik ihn in ein paar Minuten darauf hinweisen und zu einer Medikamenteninjektion raten.

Voss flog voran in die Höhlenöffnung, die wegen der Beleuchtung durch die zahlreichen Flutlichtlampen alles andere als bedrohlich wirkte. Auch das Innere des Durchgangs war grell erleuchtet. Hier gab es keine Schatten, aus denen geheimnisvolle Phantome kriechen konnten.

Nach ein paar Sekunden erreichte ihre Gruppe den eigentlichen Hohlraum, den der Aufprall des Asteroiden freigelegt hatte. Nun erblickte Rhodan mit eigenen Augen, was er bislang nur in den Holos gesehen hatte.

Er fragte sich, ob die Vergangenheit ihn wieder einmal einholte, wie es schon so oft geschehen war.

*

Die Höhle wurde ebenfalls vom Licht starker Scheinwerfer erhellt. Die harte künstliche Illumination verlieh dem Bild, das sich vor Perry Rhodan ausbreitete, eine Realität, die schon wieder fremdartig und surreal anmutete. Die Objekte in der Kaverne warfen scharf umrissene Schatten, die sich klar und überdeutlich wahrnehmen ließen.

Zumindest die meisten Objekte.

Denn um einen Sockel aus einem Material, bei dem es sich um Hyperkristalle zu handeln schien, die in einem dumpfen, roten Licht leuchteten, schwebten zu einem Kreis angeordnet neun Obelisken von etwa zweieinhalb Metern Größe. Sie warfen keine Schatten. Das hatten ihm bereits die Holos verraten, und deshalb war Rhodan sofort hierhergeeilt.

Er hatte etwas Ähnliches schon einmal gesehen. Es war ein Kreis der Gräber, wie er ihn vor fast 200 Jahren im Sternhaufen Arphonie entdeckt hatte. Nachdem er die Hologramme der Archäologen von Orcus betrachtet hatte, waren ihm die Ereignisse von damals so lebendig erschienen, als wären sie gerade erst geschehen.

In jenem Sternhaufen war Rhodan verstärkt auf Fundstätten gestoßen, die auf die Cynos hinwiesen. Ihrem Volk war er erstmals im November 3441 alter Zeitrechnung während der Konferenz der Immunen auf dem Planeten Dessopato begegnet. Mit drei schwarz gekleideten Delegierten hatten sie an der Konferenz teilgenommen.

Später war offenbar geworden, dass Cynos durch Paramodulation jede beliebige Gestalt annehmen konnten und über unterschiedlich stark ausgeprägte parapsychische Kräfte verfügten. Sie verwandelten sich nach ihrem Tod zudem in Obelisken, die keine Schatten warfen. Aber der Großteil ihrer Geschichte war widersprüchlich geblieben und nach wie vor nicht restlos aufgeklärt.

Nun entdeckten die Terraner zufällig am Rand des eigenen Sonnensystems weitere solche Obelisken? Was hatten die Cynos hier zu schaffen gehabt? Dass sie ihre Anwesenheit verborgen gehalten hatten, wunderte Rhodan bei all der Geheimnistuerei nicht, die sie betrieben. Doch jeder Zweifel war ausgeschlossen. Auch wenn es einige geringe Unterschiede gab, es handelte sich bei diesen Gebilden eindeutig um schattenlose Überreste verstorbener Cynos.

Was haben wir hier gefunden?, fragte sich der Terraner. Eine Cyno-Grabstätte am Rand des Solsystems ...

Dahinter steckte mehr, viel mehr, das wusste er mit absoluter Sicherheit. Plötzlich war es wieder da, dieses uralte Gefühl, das Kribbeln auf der Haut, das sich manchmal einstellte, wenn er Geheimnissen auf der Spur war.

Aus dem Augenwinkel sah Rhodan, dass Professor Voss sich in Bewegung setzte, zu den schattenlosen Objekten hinübergehen wollte. Instinktiv streckte er einen Arm aus, hielt ihn zurück.

»Berühre die Obelisken lieber nicht«, riet er zur Vorsicht. »Tote und versteinerte Cynos müssen nicht unbedingt endgültig tot sein!«

»Das glaube ich dir gern«, erwiderte der Professor. »Du hast in dieser Hinsicht mehr Erfahrung als ich. Aber wir haben diese Obelisken bereits vor einigen Tagen entdeckt, und einige meiner Kollegen ebenso wie ich selbst haben sie schon mehrfach berührt. Sie zeigten bislang keinerlei Aktivität.«

»Ansonsten habt ihr die Artefakte noch nicht genauer untersuchen können?«

»Nein. Dafür hatten wir noch keine Zeit. Wir haben dich umgehend über den Fund informiert. Aber sie scheinen harmlos zu sein. Wenn es sich bei den Obelisken tatsächlich um Cynos handelt, sind sie seit langer Zeit tot.«

Rhodan aktivierte sämtliche Ortungsinstrumente seines SERUNS. Selbstverständlich hatten die Archäologen die Fundstätte, die vielleicht schon seit Jahrzehntausenden unbeschädigt in der luftleeren Höhle existierte, nicht unter eine Sauerstoffatmosphäre gesetzt, sondern im Originalzustand belassen, lediglich den Schutzschirm darübergespannt.

Die Instrumente zeigten keinerlei Emissionen an, welcher Art auch immer.

Rhodan schüttelte den Kopf. Er hätte sich denken können, dass der Professor und seine Kollegen bei der Entdeckung der Obelisken genauso gehandelt hatten. Wäre etwas dabei herausgekommen, hätte Voss ihn längst darüber informiert.

Zögernd trat er einen Schritt vor, dann einen weiteren, näherte sich vorsichtig dem Kreis der schwebenden Obelisken. Er wartete geradezu darauf, dass etwas geschah, doch seine Hoffnung – oder Befürchtung – erfüllte sich nicht.

Er streckte einen Arm aus, berührte einen der Obelisken.

Nichts.

Womit hatte er gerechnet? Dass eine Stimme aus dem Jenseits erklang, ihn im Kreis der Toten eines uralten, rätselhaften Volks willkommen hieß? Lächerlich.

Er ging vorsichtig weiter zu dem Sockel aus Hyperkristall, streckte den Arm wieder aus, berührte auch ihn.

*

Der Schlag warf ihn zwei Meter weit zurück, bevor die SERUN-Positronik reagierte und seinen Flug abfing.

Abrupt veränderte sich die Umgebung. Perry Rhodan war nicht mehr in einer Kaverne im Plutino Orcus am Rand des Solsystems. Er schwebte ein paar Hundert Meter über einem Planeten, schaute auf eine weite Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte.

Auf ein riesiges Feld, auf dem Tausende von Obelisken standen, die keinen Schatten warfen.

Schier endlos dehnte sich das Feld unter ihm aus. Die Zahl der Obelisken konnte Rhodan nicht mal ansatzweise abschätzen.

Im nächsten Augenblick löste sich das Bild wieder auf.

Dafür strömten mehr oder weniger verständliche Gedanken auf ihn ein wie eine Flutwelle. Einen Augenblick lang begriff er, was soeben geschehen war, wieso der Sockel aus Hyperkristallen erst auf ihn reagiert hatte und nicht bereits auf die Archäologen, die ihn entdeckt hatten.

Es musste an den Emissionen seines Zellaktivators liegen. Oder an den Überresten seiner Aura als Ritter der Tiefe. Woran auch immer, es musste etwas sein, das nur er ausstrahlte.

Diese Erkenntnis währte lediglich einen Sekundenbruchteil, dann wurde sein Verstand von Erinnerungen überschwemmt. Mit Brachialgewalt stellten sie sich ein, spülten Dämme hinweg, die sie bislang zurückgehalten hatten. Sie waren schon seit langer Zeit vorhanden gewesen, doch etwas hatte sie zuvor unterdrückt, im Zaum gehalten.

Entsetzt erkannte Rhodan, dass man mit seinem Gedächtnis gespielt, ihn manipuliert hatte. Die Erkenntnis schmerzte, verletzte ihn zutiefst. Er verspürte Hilflosigkeit, wollte sich dagegen auflehnen, doch es war ein längst verlorener Kampf, den er nicht erneut aufnehmen konnte.

Die Erinnerungen rissen ihn mit, führten ihn in eine lange vergangene Zeit zurück, in der die Menschheit im Zwielicht, am Abgrund gestanden hatte. Und in dieser Sekunde wurde ihm klar, was damals wirklich geschehen war. In dieser Sekunde wurden die Eindrücke konkret, setzten sich zu einem stimmigen Bild zusammen, und er erhielt alle Antworten.

1.

Solsystem, Kuipergürtel

30. Oktober 3430 alter Zeitrechnung

»Sind Sie nervös?« Wloto Gribsen lachte spöttisch. Es klang nicht nach freundlichem Aufziehen, denn der zynische Unterton war kaum zu überhören.

Juki Leann musterte ihn mit schlecht verborgenem Zorn. Ihr Führungsoffizier hatte nie Zweifel daran gelassen, dass sie und Darren Zitarra seiner Meinung nach noch feucht hinter den Ohren waren. Einmal hatte er sogar durchblicken lassen, dass die Schwarze Garde sie nur auf diese Mission geschickt habe, weil Leann entfernt mit Seiner Weisheit verwandt war.

Zitarra sträubte sich innerlich, verzichtete aber auf eine Antwort. Das war auch gut so. Er war keineswegs so diplomatisch oder geduldig wie sie, und es war nicht ratsam, mit einem derartigen Vorgesetzten über den Umgang miteinander zu streiten.

Vor allem nicht während eines schwierigen Auftrags, der sie mitten ins Feindesland führte und nun einem ersten kritischen Höhepunkt entgegenstrebte.

Sie entschloss sich, Gribsens Frage einfach zu ignorieren. »Was sagen die Instrumente?«

»Sehen Sie selbst nach. Sie können die Anzeigen doch lesen, oder?«

Leann schüttelte den Kopf. Warum legte Gribsen es darauf an, sie permanent zu provozieren? Seit sie sich an Bord der WOOGAN-237 befanden, brachte er zum Ausdruck, dass er etwas gegen Zitarra und sie hatte. Zumindest, dass sie ihm als Besatzungsmitglieder eines schnellen, aber winzigen Transpluto-Systemkreuzers, in dem es keinerlei Privatsphäre gab, zu unerfahren waren.

Sie warf einen Blick auf die Displays. Die WOOGAN-237 näherte sich dem Pluto. Das war der kritische Augenblick. Auf dem Zwergplaneten befand sich eine Quarantänestation.

Dort wurden Raumfahrer und Tiere interniert, die von unbekannten und daher als potenziell gefährlich eingestuften Welten kamen. Erst wenn sichergestellt war, dass sie keine gefährlichen Krankheitserreger einschleppten, wurde ihnen die Weiterreise zu den inneren Planeten des Solsystems gestattet. Die eigentlich nichtmilitärische Anlage verfügte jedoch auch über eine leistungsfähige Ortungszentrale. Dort war daher die Gefahr einer Entdeckung in der ersten Phase ihrer Mission am größten.

»Wir haben nichts zu befürchten«, sagte Darren Zitarra gelassen. »Der Geheimdienst Seiner Huldvollen Duldsamkeit arbeitet seriös. Man wird uns nicht entdecken.«

Juki Leann runzelte die Stirn. War Zitarra wirklich so ruhig und unbesorgt, wie er sich gab? Oder spielte er nur seine Rolle des gut aussehenden, aber arroganten Frauenhelden? Wen wollte er damit beeindrucken?

Dich natürlich, Juki!, dachte die Agentin. Entweder er kommt nicht aus seiner Haut heraus oder er hat es auf dich abgesehen!

Sie verzog das Gesicht. Bevor sie sich mit ihm einlassen würde ...

Aber sie durfte ihn nicht unterschätzen. Er war nicht dumm und legte manchmal eine instinktive Sicherheit an den Tag, die fast unheimlich war. Wie gerade eben. Er schien gespürt zu haben, dass sie wegen der Annäherung an Pluto besorgt war, und versuchte auf seine ureigene plumpe Art, ihre Befürchtungen zu zerstreuen.

Dabei gab die allgemeine Lage jeden Anlass zur Besorgnis. Bereits ihre Mission machte klar, dass die Antiterranische Koalition einen Angriff auf das Solsystem plante. Die Flotten der drei freien terranischen Sternenreiche, des Imperiums Dabrifa, der Zentralgalaktischen Union und des Carsualschen Bundes, waren aufmarschiert oder sammelten sich an den vorgesehenen Positionen.

Der Angriff stand kurz bevor, und die WOOGAN-237 bildete die Vorhut. Zumindest war sie eine der Einheiten, die man als erste Aufklärungsspitze vorausgesandt hatte. Weder Shalmon Kirte Dabrifa noch die Ertruser Nos Vigeland, Runeme Shilter und Terser Frascati, die als Triumvirat den Carsualschen Bund beherrschten, noch Kartch Tain, Roser Sakilate und Fereth Haynesto, die drei führenden Kalfaktoren der ZGU, waren so dumm, 80.000 Raumschiffe in die Schlacht zu schicken, ohne zuvor dafür Sorge zu tragen, dass dieser Kampf einen erfolgreichen Ausgang nahm.

Gribsen, Zitarra und Leann hatten die ehrenvolle Aufgabe erhalten, als Spähkommando zu Aufklärungszwecken heimlich ins Solsystem einzufliegen. Sie sollten die Verteidigungsmöglichkeiten des Systems ausspionieren sowie die Forschungszentren, in denen die terranische Paratrontechnologie weiterentwickelt wurde, durch das Belauschen des intrasolaren Datenfunks ausfindig machen. Dann würden sie den eintreffenden Invasoren exakte Ziele für Raumlandestreitkräfte angeben können.

Hierzu sollten die drei Agenten mit ihrem Transpluto-Systemkreuzer – so nannte man astronomisch einen Asteroiden, dessen exzentrischer Orbit die Plutobahn kreuzte – den Saturn und seine Monde passieren. Dort vermutete der Geheimdienst die Forschungsanlagen für das terranische Paratronprojekt. Ihre Mission war die Zielmarkierung, um einer schnellen Eingreiftruppe, die mit Transitionsraumern anfliegen sollte, einen Handstreich gegen die Forschungsanlagen zu ermöglichen. Geheimdienstinformationen zufolge wollten die Terraner einen systemumspannenden Paratronschirm errichten, und das musste unter allen Umständen verhindert werden.

Juki Leann lächelte schwach. Das alte Spiel ... Rein und wieder raus, bevor die Terraner überhaupt merkten, was los war. Für den beabsichtigten Kommandoeinsatz mussten die Truppen der Antiterranischen Koalition wissen, in welcher Anlage genau sich die Paratronprototypen und die isolierten Projektpositroniken befanden.

Also hörte das dabrifanische Agententrio den Datenfunk zwischen den Rechnersystemen des Forschungsverbunds ab und dechiffrierte ihn. Die empfindlichen Funkempfänger der WOOGAN-237 liefen auf vollen Touren, bekamen – hoffentlich! – alles mit, was sich hier draußen tat, ganz am Rand des Solsystems.

Die Schwarze Garde, der Auslandsgeheimdienst des Imperators Dabrifa, hatte bereits einiges an Aufklärungsarbeit geleistet und vermutete die Anlage auf dem Saturntrabanten Calypso. Ihre zweite Aufgabe war, den Aufbau des Paratronschirms um diesen Mond zu verhindern: mit Bunkersprengraketen, die sie aus heiterem Himmel gegen die Projektoren auf seiner Oberfläche abfeuern sollten.

Der genaue Zeitpunkt des Angriffs auf das Solsystem war ihnen aus Gründen der Geheimhaltung allerdings nicht bekannt.

»Nicht mehr lange«, sagte Wloto Gribsen, »und wir haben das derzeit Schwierigste geschafft. Danach haben wir erst mal ein paar Stunden Ruhe. Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, dass ich früher öfter beruflich auf Terra war? Die Schwarze Garde hatte mir mühsam eine Tarnung im Import-Export-Geschäft aufgebaut. Dann hat einer meiner Untergebenen einen lächerlichen Fehler gemacht, und der ganze Spionagering ist aufgeflogen ...«

»Ja, haben Sie«, knurrte Zitarra unfreundlich.

Leann verstand ihren Führungsoffizier einfach nicht. Manchmal verhielt er sich wie der letzte Idiot, manchmal wirkte er geradezu rührend besorgt um die beiden ihm zugeteilten Agenten. Sie vermutete, dass er diese alte Geschichte zum wiederholten Mal zum Besten gab, um ihnen etwas von ihrer Nervosität zu nehmen.

»Und? Hat die Schwarze Garde Ihren unfähigen Mitarbeiter liquidiert?«, fuhr Zitarra fort. »Das haben Sie noch nicht erzählt.«

»Liquidiert?« Gribsen runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie denn darauf?«

»Sie kennen die Gerüchte doch.«

»Nein. Nicht, dass ich wüsste. Jedenfalls hatte ich dort einen alten Kumpel in der Botschaft, mit dem ich oft in Atlan Village unterwegs war. Raif Brestekin, der immer für ... transparente Frachtfolien gesorgt hat.«

»In Atlan Village?«

Leann wusste, was Atlan Village war. Sie hatte fast ein Jahrzehnt auf Terra gelebt. Sie verfolgte das Gespräch nicht weiter, konzentrierte sich auf die Instrumente der WOOGAN-237. Oder versuchte es zumindest.

Es gelang ihr nicht. Vielleicht hat Darren Zitarra ebenfalls Mist gebaut?, glitten ihre Gedanken wieder zu dem Frauenhelden ab. Sie kannte ihn erst seit Kurzem, beide waren eigens für diese Mission zusammengebracht worden.

Und sie kamen nicht miteinander klar, so viel hatte sie schnell herausgefunden.

Es wunderte sie, dass die Schwarze Garde sie gemeinsam auf diese Mission geschickt hatte. Sie hatten zu viele Differenzen, zu viele ungelöste Probleme wegen ihrer Lebensweise, ihrer sozialen Stellung.

Doch sie hatten diese Schwierigkeiten beide verschleiert, weil der dabrifanische Geheimdienst es angeblich ahndete, wenn Agenten zuließen, dass ihre persönlichen Angelegenheiten dem Dienst in den Weg kamen – mit Strafen eines Spektrums, das bis zur Liquidierung reichte.

Vielleicht hatte Zitarra wirklich etwas getan, das den Unmut seiner Vorgesetzten erregt hatte? Vielleicht war ihre Mission eine Reaktion darauf?

Leann hielt das durchaus für möglich. So ging die Schwarze Garde häufig vor. Es wäre in Zeiten eines Ressourcen- und Personalmangels dumm, einen teuer ausgebildeten Agenten nutzlos zu liquidieren. Man schickte ihn stattdessen einfach auf eine Mission, die mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich verlaufen würde. So konnte er wenigstens noch etwas für das Imperium und Seine Weisheit tun ...

Aber mich doch nicht, dachte sie. Sie war die Tochter einer angesehenen Botschafterin, die sogar mit Imperator Dabrifa verwandt war, wenn auch nur äußerst entfernt. Was das betraf, hatten Wloto Gribsens unverschämte Bemerkungen einen Nerv getroffen.

Es gab tatsächlich einige Vorfälle in ihrer jüngeren Vergangenheit, die in den entsprechenden Kreisen Aufsehen, wenn nicht sogar Unmut erregt haben konnten.

Sie verdrängte die düsteren Gedanken, hauptsächlich den an ihren Vater, und versuchte erneut, sich zu konzentrieren. Die rudimentäre Ortung verriet, dass sie in den Bereich der Pluto-Erfassung vorgestoßen waren.

Jetzt gilt es!, dachte sie.

Die Schwarze Garde hatte alles getan, um den Transpluto-Systemkreuzer ortungssicher zu machen. Aus Gründen des Ortungsschutzes war ihr Kleinstraumschiff energetisch fast »tot«, ein nachtschwarzes Ellipsoid mit Magnetfeldantrieb, unsichtbar auch für Massetaster. Außerdem verwendeten sie nur passive Sensoren, keine aktive Ortung.

Wie hatte ihr technischer Ausbildungsleiter gleich am Anfang der Vorbereitungen für die Mission gesagt? »Der Ortungsschutz ist stets passiv, die Ortungsabwehr stets aktiv. Zum Beispiel ein Störsender – der verrät eure Anwesenheit sofort!«

Deshalb waren ihnen keinerlei Tastungen möglich und vermittelten die Ortungsgeräte nur grobe Informationen über den aktuellen Aufenthaltsort. Sie mussten sich völlig auf die Technik der WOOGAN-237 verlassen und darauf, dass der angelegte Kurs, auf dem sie sich im freien Fall bewegten, sie an ihr Ziel brachte.

Sie vertraute den Berechnungen der dabrifanischen Wissenschaftler durchaus. Der eingeschlagene Weg würde ihr Spionageboot durch das äußere Solsystem bis zur Bahn des Saturn führen, auf dessen Monden sich die Forschungszentren befanden. Der Flug würde bei ihrer derzeitigen Geschwindigkeit fast vier Tage dauern. Mit dem Abhören hatten sie zudem längst begonnen.

Dennoch war die Situation unangenehm, mehr als nur unbehaglich. Leann kam sich hilflos vor, obwohl sie eigens dafür ausgebildet worden war, mit solchen Gegebenheiten umzugehen.

Sie machte sich nichts vor. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Und nicht nur ihre; Darren Zitarra und Wloto Gribsen reagierten wahrscheinlich deshalb so gereizt, weil sie auf diese Weise ihre Anspannung wenigstens zum Teil abbauen konnten.

Ein leiser Piepton erklang, wurde schnell lauter. Die Passivortung teilte mit dem geringstmöglichen Energieaufwand mit, dass die eingehenden Tastimpulse der Pluto-Station stärker wurden.

»Piep ... piep ... piep ...«

Leann schloss die Augen, atmete tief durch, versuchte, den Ton zu ignorieren.

»Es kann nichts passieren«, murmelte sie so leise, dass die beiden anderen sie nicht hören konnten. »Der Kuipergürtel ist die perfekte Tarnung für uns. Die WOOGAN-237 fällt unter den Tausenden bekannten Objekten dieser Region nicht weiter auf ...«

Hoffte sie zumindest.

Gebannt starrte sie auf die Bildschirme. Der Pluto kam nun in Sicht, ein verwaschener, dunkler Fleck vor einem noch dunkleren Hintergrund. Um sich abzulenken, rief sie sich die Daten in Erinnerung. Mit 2374 Kilometern Durchmesser war er der größte der Plutinos, die wiederum die größten und bekanntesten Objekte des Kuipergürtels waren.

Die drei anderen sind Charon mit 1208 Kilometern, Orcus mit 917 und Ixion mit 617. Wissen, das man ihr in der kurzen Vorbereitungszeit gnadenlos eingepaukt hatte. Von Hypnoschulung hielt die Schwarze Garde nicht viel.

»Piep ... piep ... piep ...«

Der dunkle Fleck wurde etwas größer, blieb aber so verschwommen, dass sie von seiner Oberfläche keine Einzelheiten erkennen konnte. Unwillkürlich löste der Anblick des Zwergplaneten wieder tiefe Beklemmung in ihr aus. Eine für Menschen absolut lebensfeindliche Welt, in früheren Zeiten der Inbegriff allen planetaren Schreckens. Kein Wunder, dass man ihn nach dem Gott der Unterwelt benannt hatte.

»Piep ... piep ... piep ...«

Sie spitzte die Ohren, konnte aber nicht sagen, ob der Piepton noch immer lauter oder bereits wieder leiser wurde.

Auch Darren Zitarra und Wloto Gribsen schwiegen nun. Selbst ihr Führungsoffizier konnte seine Unruhe nicht mehr verleugnen, und die Selbstsicherheit war von Zitarra abgefallen wie alte Kleidung aus Papier.

»Piep ... piep ... piep ...«

Ja! Nun war sie ganz sicher! Das Geräusch wurde wieder leiser. Und auch auf den Bildschirmen schien der Pluto endgültig an ihnen vorbeigezogen zu sein, wurde wieder kleiner.

Sie hatten es geschafft, den kritischen Moment überstanden. Alles war ruhig geblieben, wie sie gehofft hatten. Unentdeckt setzten sie den Flug zum Saturn fort.

Juki Leann atmete tief aus.

»Na, habe ich es nicht gesagt?« Darren Zitarras Stimme klang wieder so selbstsicher wie vor geraumer Weile.

»Richtig kritisch wird es erst, wenn wir den Kuipergürtel verlassen haben und in das eigentliche Solsystem vordringen«, erwiderte sie leise. »Dann verlieren wir den Ortungsschutz, den die KBOS uns geben.«

»Die KBOS?«, fragte Gribsen.

»Die Kuiper Belt Objects«, sagte sie. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht. Als gut ausgebildete und vorbereitete Agentin kannte sie ihr Einsatzgebiet.

Ihr Führungsoffizier sah sie nachdenklich an, verbiss sich aber jeden Kommentar.

*

Die Zeit verstrich quälend langsam. Juki Leann war noch nie gut darin gewesen, in aller Seelenruhe abzuwarten. Untätigkeit zerrte stärker an ihren Nerven als an denen der meisten anderen Menschen, vermutete sie.

Wie viele Stunden waren vergangen, seit die WOOGAN-237 den Pluto passiert hatte? Sie wusste es nicht, wollte es gar nicht wissen.

Die Enge an Bord stellte in zunehmendem Maß eine Belastung dar. Das Raumboot war diskusförmig, hatte einen Durchmesser von vierzig und eine Höhe von lediglich zwölf Metern. Es war komplett aus Kohlenstoffnanostreifen gefertigt, extrem leicht und amagnetisch. Seine Energie bezog es von einem Null-Emissions-Schwarzschildreaktor, als Antrieb diente ein dynamischer Magnetfeldtreiber. Der Dabrifa-Geheimdienst hatte die kleine Spionageeinheit bereits vor Jahren beim Solsystem in Stellung gebracht.

Man konnte sich an Bord einfach nicht aus dem Weg gehen. Vielleicht hätte sie sich auf ein anderes Deck, in einen anderen kleinen Raum zurückziehen können – wäre da nicht ihre Ladung gewesen. Denn ihr Transpluto-Kreuzer führte diesmal 144 Raum-Boden-Bunkersprengraketen mit Desintegratorvorsatz mit, die einiges an Platz beanspruchten. Die Sprengsätze arbeiteten ausschließlich chemisch, weil alle Großeinrichtungen des Solsystems über Abschirmungen verfügten, die atomare Explosionen verhinderten oder zumindest extrem dämpften.

Vor ihnen wurde gerade Orcus auf den Bildschirmen sichtbar. Oberflächendetails konnte Juki Leann nicht erkennen. Sie passierten den Plutino mit viel zu großem Abstand.

Sie näherten sich ihm schnell, befanden sich kurz auf gleicher Höhe, dann blieb er hinter ihnen zurück.

»Wann verlassen wir den Kuiper...« Darren Zitarra hielt mitten im Satz inne. »Was ist das?«, fragte er.

Leann sah es ebenfalls. Plötzlich erfüllte eine seltsame Lichterscheinung die kleine Zentrale ihres Spionageboots. Zuerst schien lediglich die Luft aus sich heraus zu leuchten, dann glühte sie dunkelrot auf.

»Verdammt!« Wloto Gribsen schickte dem Ausruf einen Fluch hinterher, bevor er feststellte: »Sämtliche Instrumente schlagen durch!«

Die Agentin blickte auf die Displays. Die Passivortung verzeichnete einen Hyperenergieausschlag mit gigantischer Feldstärke!

Kaltes Entsetzen durchdrang sie. Ging nun doch etwas schief? War etwas völlig Unerwartetes eingetreten, auf das sie sich keinen Reim machen konnten?

»Was geschieht hier?«, fragte sie leise.

»Anzüge schließen!«, befahl Gribsen.

Die Bildschirme zeigten nur noch einander überlappende Farbschleier.

Die Lichterscheinungen wurden stärker. Das dunkelrote Glühen schien sich plötzlich zu bewegen. Sein Wallen durchdrang die Zentrale. Und zweifellos das gesamte Schiff!, dachte Leann fassungslos. Sie waren nirgendwo mehr sicher. Das Phänomen war allumfassend.

Die Lichtwellen veränderten sich, die Farbe wechselte zu Hellrot, zu Gelb, dann zu Hellgrün und schließlich zu Weiß. Sie waren so intensiv, dass Leann die Augen schließen musste, sonst wäre sie wegen der unerträglichen Sinneseindrücke verrückt geworden.

Das Raumboot wurde wie von der Faust eines Titanen gepackt, schien emporgerissen zu werden.

Was geschieht hier?, dachte Leann erneut. Etwas passiert mit uns! Sie hatte das Gefühl, dass ihr Innerstes nach außen gekehrt wurde, und öffnete die Augen wieder, um nicht jede Orientierung zu verlieren, um den Eindruck abzuschütteln, hilflos und ohne Schutzanzug im All zu treiben.

Was sie sah, brachte sie fast vollends um den Verstand. Die WOOGAN-237 schien durchsichtig zu werden, sich aufzulösen, jede Substanz zu verlieren. Aber der Spuk währte nur einen Sekundenbruchteil, dann setzte das Schiff sich wieder zusammen.

Leann spürte, wie eine unglaubliche, unerklärliche Kälte in ihren Körper drang, ihn ausfüllte bis in die Knochen.

2.

Solsystem, Neptunbahn

30. Oktober 3430

Die Welt war von grauen Schleiern verdeckt.

Juki Leann blinzelte, aber die Schleier blieben, ließen sich nicht vertreiben.

Sie atmete frische, reine Luft. Hatte sie im letzten Augenblick ihren Raumanzug geschlossen, oder hatte er das automatisch selbst getan, als die Katastrophe begann?

Katastrophe? Welche Katastrophe?

Sie blinzelte erneut. Die Schleier wurden etwas dünner und durchsichtiger, und ihre Erinnerung kehrte langsam zurück.

Das Licht ... das rote Glimmen ... Es war noch immer da, überall, umgab sie auf allen Seiten und auch über und unter ihr. Und die Geräusche ... Hatte sie Geräusche gehört? Wenn nicht, tat sie es nun.

Einen auf- und abschwellenden, alles durchdringenden Ton.

Eine Alarmsirene, wurde ihr klar. Entweder stammte der Alarm von ihrem Raumanzug oder aber von den Schiffssystemen, das konnte sie nicht unterscheiden.

Sie versuchte, sich auf den Ellbogen hochzudrücken, doch es gelang ihr nicht. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Brustkorb, sie fiel wieder zurück. Erst nachdem sie mehrmals tief durchgeatmet hatte und die Stiche auf ein erträgliches Maß abgeflacht waren, wagte sie es erneut.

Diesmal gelang es. Mühsam setzte sie sich auf.

Das schwache Leuchten, das sie sah, stammte von den Wänden der Zentrale, der Decke und dem Boden. Sie glühten geradezu.

Langsam klärte sich ihr Blick. Darren Zitarra lag keine zwei Meter von ihr entfernt auf dem Boden. Auch sein Raumanzug war geschlossen. Er schien ebenfalls überlebt zu haben, hob langsam einen Arm, winkelte ein Bein an.

Im Funkempfänger hörte sie ein leises Stöhnen. Offensichtlich war es ihm nicht besser ergangen als ihr.

Frauen sind eben zäher als Männer, dachte sie. Deshalb bin ich vor ihm erwacht!

Oder er war schwerer verletzt als sie ...

Dann entdeckte sie Wloto Gribsen.

Sie kniff die Augen zusammen, schloss sie dann ganz, als sie die zusammengekrümmte Gestalt an der gegenüberliegenden Wand erspähte, glaubte zuerst an eine optische Täuschung. Etwas war in ihrem Gehirn durcheinandergeraten. Die Synapsen hatten Aussetzer oder überfluteten ihr Gehirn mit Trugbildern.

Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie es noch immer.

Wloto Gribsens Körper schien zu ...

Zu fluktuieren. War das der richtige Ausdruck?

Sein Raumanzug flimmerte wie ein Gold- und Silberregen am Jahrestag des Imperators. Dann wurde er halb durchsichtig, drohte sich aufzulösen, verfestigte sich nach ein paar Sekunden aber wieder.

War sie schlimmer lädiert, als sie annahm? Hatte sie Wahnvorstellungen?

Sie rutschte zurück, wollte sich an der Wand hinter ihr hochdrücken. Ein hässliches Knistern warnte sie. Sie überprüfte die Anzugsysteme, stellte fest, dass sich vor geraumer Zeit der Schutzschirm des Raumanzugs automatisch aktiviert hatte.

Sie las die Anzeigen. Die Temperatur in der Zentrale der WOOGAN-237 betrug 211,7 Grad Celsius, stieg weiterhin an. Ohne den Schutzschirm wäre sie längst tot.

»Was ist passiert?«

Sie zuckte zusammen, als sie Darren Zitarras Stimme hörte, drehte den Kopf zu ihm. Er kniete auf dem Boden, stemmte sich langsam hoch, sah sich um.

Was er kann, kann ich auch!, dachte Leann, rollte sich auf den Bauch, kam auf die Füße, taumelte kurz, fing sich wieder.

»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Irgendwas muss die WOOGAN getroffen haben.«

»Eine neue Waffe der Terraner?«

Leann zuckte mit den Achseln. Dann fiel ihr ein, dass Zitarra diese Geste nicht sehen konnte. »Ich habe keine Ahnung. Was ist mit Gribsen?«

Sie traten zu ihrem Führungsoffizier.

»Verdammt«, murmelte Zitarra

Einen Moment lang war der ältere Dabrifaner mitsamt seinem Anzug so transparent, dass die glühende Wand hinter ihm durchschimmerte, dann stabilisierte er sich wieder.

Glühte die Wand wirklich? Oder war das nur ein Spiel des roten Lichts, welches das Spezialschiff der Schwarzen Garde durchdrang?

Zitarra taumelte zum Instrumentenpult und fluchte. »Alles hinüber. Fast alle Systeme sind ausgefallen.«

Wir werden ersticken, an Sauerstoffmangel sterben!, dachte Leann.

»Der Sauerstoff ist kein Problem«, erriet Zitarra erneut ihre Gedanken. »Aber das Eindämmungsfeld des Schwarzschildreaktors fluktuiert, weil die Kristallmatrix durch artverwandte Hyperenergien verschoben wurde.«

»Also der Paratronschirm im Innern des Reaktors?«

»Gut aufgepasst, Leann. Deshalb dringt Gammastrahlung nach draußen und wird uns spätestens in einer Stunde gegrillt haben. Bis dahin laufen die Schutzschirme unserer Einsatzanzüge noch, danach werden sie überfordert sein.«

»Eine Stunde«, flüsterte Leann.

»Außerdem heizt die Strahlung die Wandung der WOOGAN bis zum Rotglühen auf. Die Schiffshülle hat schon über achthundert Grad.«

»Was ist mit den Bomben?«

»Sie liegen ebenfalls unter Schutzschirmen. Die Bordpositronik handelt richtig intelligent, pumpt sämtliche verfügbare Energie in die Schirmsysteme. Die werden noch anderthalb Stunden halten. Dann geht hier alles hoch.«

Leann mochte Zitarras verknappende Ausdrucksweise nicht besonders, aber in diesem Fall war sie angemessen. Besser hätte man es nicht ausdrücken können.

»Wo sind wir?«

»Wir treiben schwer beschädigt und hilflos im All, auf Höhe der Neptunbahn.«

»Funktioniert das Funkgerät noch?«

»Ja. Warum?«

Leann zögerte. Ihr Vorschlag würde Zitarra nicht gefallen. »Lebend sind wir für das Imperium Dabrifa mehr wert als tot.«

Zitarra trat einen Schritt zurück und dann zwei Schritte vor.

Selbst durch die Scheibe des Raumhelms konnte sie sehen, dass sein Gesicht sich verzerrte. »Wollen Sie etwa vorschlagen, dass wir aufgeben sollen? Einen Funkspruch an die Terraner absetzen und um Rettung bitten?«

»Ja, die Terraner werden uns verhaften und einsperren«, sagte sie langsam. »Aber da werden wir schon einen Weg finden, um zu entkommen.«

Er schnaubte. Sie glaubte, Verachtung in dem gutturalen Geräusch zu hören.

»Wollen Sie lieber einfach aufgeben?«, bedrängte sie ihn. »Einen sinnlosen Tod sterben, ohne zu versuchen, das Beste aus der Situation zu machen? Wir sind erledigt. Und sowieso ... Wenn die Antiterranische Koalition gesiegt hat, wird man uns befreien und als Helden feiern!«

»Nein. Man wird uns als Verräter brandmarken und zum Tode verurteilen! Wir schieben das unausweichliche Ende nur um ein paar Tage hinaus!«

Das unausweichliche Ende ... Aus irgendeinem Grund musste sie an ihren Vater denken, dem ein ähnliches Schicksal bevorstand, falls die inoffiziellen Berichte zutrafen. Und daran zweifelte sie nicht.

»Zitarra, wir ...«

»Leann, das kommt nicht infrage!«

Bevor sie etwas erwidern konnte, ließ ein lautes Stöhnen im Funkempfänger Leann zusammenzucken. Sie fuhr herum, schaute zu Wloto Gribsen.

Sein Körper zeigte erneut Auflösungserscheinungen. Nachhaltiger als die vorigen Male.

Sie trat näher zu ihm. Als sie noch zwei Schritte entfernt war, spürte sie einen heftigen Schlag, der sie zurückwarf. Sie riss die Augen auf und wollte schreien, kam aber nicht mehr dazu.

Erneut senkte sich Dunkelheit über sie.

*

Juki Leann konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, und als sie die Augen aufschlug, sah sie einwandfrei. Nichts war verschwommen. Die Wände der Zentrale leuchteten in einem dunkleren Rot als noch vor wenigen Minuten.

»Was ist passiert?«, fragte sie.

Darren Zitarra griff nach ihr, und sie ließ zu, dass er ihr auf die Füße half. »Die Instrumente meines Raumanzugs verraten, dass Gribsen unsichtbare Emissions-Stoßfronten ausstrahlt, die verhindern, dass wir an ihn herankommen. Und jetzt fragen Sie mich bitte nicht, was das zu bedeuten hat. Ich habe keine Erklärung dafür. Sie etwa?«

Entsetzt sah sie Zitarra an. »Nein«, flüsterte sie.

Er zeigte auf ihren wieder sichtbaren Führungsoffizier. »Ich glaube, es ist so weit«, sagte er. »Er macht es nicht mehr lange.«

Sie drehte sich zu Gribsen um.

Der Körper des älteren Gardisten wurde abermals transparent, doch diesmal verfestigte er sich nicht wieder. Sie vermochte kaum noch seine Umrisse zu erkennen.

Ein weiteres Stöhnen entrang sich seiner Kehle, dann löste sich Wloto Gribsen langsam auf. Er zerbröselte geradezu, zerfiel in einzelne Partikel, die wie Rauchschwaden in der Zentrale verwirbelten, nach und nach unsichtbar wurden, einfach verschwanden.

Rückstandslos.

Nach wenigen Sekunden war nichts mehr von ihm übrig. Als hätte es ihn niemals gegeben, als wären Leann und Zitarra nur zu zweit zu dieser Mission aufgebrochen.

*

»Was ...« Leann verstummte nach dem ersten Wort. Was ist gerade passiert?, dachte sie. Was hat das alles zu bedeuten?

Denken konnte sie es, aussprechen nicht. Es hätte zu lächerlich geklungen. Zu trivial. Ihre Mutter wäre sehr ungehalten gewesen, hätte sie so etwas gesagt.

»Dieser verrückte Angriff«, murmelte sie. »Ahna hat sich dagegen ausgesprochen.«

»Was?«

»Ahna. Meine Mutter. Sie war dagegen, dass Dabrifa, Vigeland und Tain den Konflikt mit Rhodan permanent geschürt haben. Sie hat dem Imperator von einem Feldzug gegen das Solsystem abgeraten.«

»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Zitarra. »Das klingt nach ...«

»... nach Hochverrat? Machen Sie sich nicht lächerlich! Meine Mutter hat diese Dinge offiziell mit Seiner Weisheit besprochen.«

»Sie stammen doch von der Heimatwelt des Imperators, oder? Und sind mit ihm verwandt ...«

»Nur sehr entfernt.«

»Und trotzdem sind Sie dem Imperium gegenüber so kritisch eingestellt?«

»Mein Geburtsort hat keinen Einfluss auf mein Denkvermögen. Ich ...«

Darren Zitarra hob eine Hand. »Ich will nichts mehr davon hören! Das klingt trotzdem nach ...« Ein leises Ping ertönte. Zitarra hielt inne und schaute auf die wenigen noch funktionsfähigen Bordinstrumente. »Man hat uns entdeckt«, sagte er nach wenigen Sekunden.

Leann verspürte eine abstruse Hoffnung. Auch wenn ihre Mission gescheitert war – ihr war es lieber, die nächsten Jahre in terranischer Gefangenschaft zu verbringen, als einen sinnlosen Tod zu sterben.

Außerdem stachelte etwas sie an. Sie wollte unbedingt herausfinden, was mit der WOOGAN-237 geschehen war.

Sie beugte sich zu Zitarra, blickte über seine Schulter. »Was ...« Sie verstummte, konnte auf dem Bildschirm nichts erkennen.

»Sehen Sie es nicht?« Zitarra deutete mit dem durch den Raumanzug klobig wirkenden Zeigefinger auf das Display. »Genau da!«

Die kärglichen Reste der Ortung vermittelten nur einen höchst undeutlichen Eindruck. Leann identifizierte einen ... einen schwarzen Schatten in der noch schwärzeren Dunkelheit des Alls. »Ist das ...?«

»Ja«, bestätigte Zitarra. »Ein Raumschiff. Man hat uns nicht nur entdeckt, man schickt sogar jemanden, um uns aus dem All zu fischen.«

Etwas störte Leann an dem gesamten Szenario. Wenn sich tatsächlich ein Raumschiff näherte, wie Zitarra vermutete, konnte das kein Zufall sein. Das Solsystem war riesig, und die WOOGAN-237 war gegen eine Ortung fast perfekt geschützt.

Entweder die Terraner wussten, dass ein gegnerisches Agententeam auf einer Spionagemission im Solsystem unterwegs war, und sie kannten dessen ungefähre Position ... Oder genau am Standort der WOOGAN-237 war etwas geschehen, von dem Leann und Zitarra keine Kenntnis hatten, und der Feind hatte genau dorthin Aufklärungsschiffe geschickt.

»Verdammt«, sagte Zitarra. »Der Angriff auf das Solsystem steht unmittelbar bevor, das ist doch klar. Zu Testzwecken wird die Schwarze Garde kaum jemanden hierherschicken. Und das heißt ...«

Der Angriff ist fehlgeschlagen, dachte Leann. Irgendwie hatte Perry Rhodan Wind davon bekommen. Und einen Trumpf in der Hand, von dem sie nichts wussten.

Gleichzeitig erschütterte sie, dass Zitarra noch immer Feuer und Flamme für den Angriff war. Er hatte bei der Einsatzbesprechung mit fester Überzeugung davon gesprochen, die Verantwortung zu erkennen, die sie mit ihrer Mission trugen. Es müsse ein für alle Mal gelingen, den Terranern das Handwerk zu legen ...

Und diese Auffassung vertrat er augenscheinlich weiterhin, obwohl die WOOGAN-237 nur noch ein verschmorter Klumpen aus Kohlenstoffnanostreifen war.

Er ging lieber in den Tod als in Gefangenschaft.

»Das Raumschiff nähert sich unserer Position!«, rief er. »Es wird größer. Es ist ... eine kleine, schwarze Kugel! Ein Haluterschiff!«

»Ein Haluterschiff?« Obwohl sie fast zehn Jahre auf Terra gelebt hatte, hatte sie nie einen Haluter gesehen. Es gab nur sehr wenige von ihnen, und sie flanierten nicht im Einkaufszentrum nebenan. Sie waren für Leann eine Art Mythos, Wesen aus einer Großstadtlegende, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, ihren terranischen Freunden beizustehen.

Sie starrte auf den Bildschirm, sah in der Vergrößerung, wie eine Gestalt das fremde Schiff verließ, gekleidet in einen hellroten Raumanzug.

»Er will uns entern!«, sagte Zitarra. »Aber noch ist nicht aller Tage Abend! Wir werden uns nicht ergeben!«

»Sind Sie ...« Leann hielt mitten im Satz inne. Verrückt, hatte sie sagen wollen. Welche Chance hatten sie gegen einen unbesiegbaren Haluter, in einem Raumschiff, das in – sie sah auf die Uhr – nicht einmal zwanzig Minuten explodieren würde?

Nein, korrigierte sie sich. Die WOOGAN-237 macht es vielleicht noch knapp eine Stunde. In neunzehn Minuten wird mein Schutzschirm seine Funktion einstellen, und ich werde ... gegrillt, wie Zitarra es so schön ausgedrückt hat.

»Wir werden dem Haluter einen Denkzettel verpassen!« Unter Zitarras Helmscheibe perlten Schweißtropfen auf seiner Stirn. »Wenn wir schon sterben müssen, nehmen wir ihn mit.« Ohne eine weitere Erklärung drehte er sich um und verließ die Zentrale.

*

Drei Minuten später kehrte Darren Zitarra zurück. Der Haluter in dem roten Raumanzug hatte sich im Licht der automatisch aufgeflammten Bordscheinwerfer der WOOGAN-237 inzwischen bis auf dreihundert Meter genähert.

»Wo waren Sie?«, fragte Juki Leann. »Was haben Sie vor?«

»Im Bug«, sagte Zitarra nur.

Leann runzelte die Stirn. Die Zentrale der WOOGAN-237 befand sich in der Mitte des Raumboots. Im Bug war der überschwere Raketenwerfer für zielsuchende Bunkersprenger installiert, von denen sie genau 144 Stück mitführten.

»Und was haben Sie jetzt vor?«

»Warten Sie ab.« Zitarra hockte sich vor den Bildschirm.

Im Funkempfänger knisterte es, dann erklang eine tiefe Stimme. Irgendwie war es dem Haluter gelungen, die Frequenz zu ermitteln, auf der Leann und Zitarra kommunizierten.

»Mein Name ist Icho Tolot«, vernahm Leann eine Stimme, bei der es sich wegen der Verzerrungen, die der Empfänger verursachte, durchaus auch um die eines Terraners hätte handeln können. »Ihr Raumer wird in schätzungsweise vierzig Minuten verglühen. Wenn Sie überleben wollen, sollten Sie sich ergeben und das Schiff verlassen.«

Vierzig Minuten. Dann würde das Eindämmungsfeld des Schwarzschildreaktors zusammenbrechen.

Eine halbe Stunde, nachdem ihr Raumanzug nicht mehr über die nötige Energie verfügte, um den Schutzschirm aufrechtzuerhalten. Sie würden es nicht mehr erleben.

»Kommen Sie, und holen Sie uns!«, antwortete Zitarra.

»Wie Sie wünschen«, gab Icho Tolot zurück. Der berühmte Icho Tolot, der beste Freund, den die Terraner jemals gehabt hatten.

Leann sah auf dem Bildschirm, wie der Haluter in dem roten Raumanzug beschleunigte und sich der WOOGAN-237 weiter näherte. Sekunden später verschwand er aus dem Erfassungsbereich der Aufnahmegeräte.

Ein Ruck ging durch ihr Raumfahrzeug, und ein deutlich vernehmbares Knirschen. Tolot musste die Schleuse im Bauch des Spionageboots, direkt unterhalb der Zentrale, mit brachialer Gewalt geöffnet haben.

Eine Sekunde später riss ein heftiger Schlag die beiden Agenten fast von den Füßen.

»Wir haben ihn erwischt!«, rief Darren Zitarra. »Wir sind aufgeflogen und müssen auf unsere Tarnung keine Rücksicht mehr nehmen! Wir werden sterben, aber wir haben Icho Tolot mit in den Tod genommen!«

Leann wurde schwindlig. »Wie haben Sie das geschafft?«

Zitarra grinste. »Ich habe mich nicht geschlagen gegeben!«

Sein Patriotismus, sein unbedingter Glaube an das Imperium Dabrifa, erregte Übelkeit in Juki Leann. Er ging lächelnd in den Tod, um ...

»Ich habe eine Falle in der Schleuse der WOOGAN improvisiert!«, unterbrach Zitarra ihren Gedankengang. »Mit einem Hyperenergiegenerator, der das Schirmfeld des Haluters geknackt hat! Und dann habe ich eine Bombe gezündet. Tolot ist tot! Jetzt können wir mit den Raumanzügen zu seinem Schiff fliegen und ...«

Der Zentraleboden über der Schleuse wurde aufgerissen, als bestünde er aus Papier. Eine riesenhafte Gestalt schoss durch die Öffnung, viel zu groß für den kleinen Raum. Mit ihren vier Armen durchbrach ihr Kopf die Decke mit der gleichen spielerischen Leichtigkeit, stand dann vor ihnen, griff nach ihnen.

»Darauf habe ich gewartet!« Zitarra riss seinen Thermostrahler hoch und schoss.

Leann wollte ihm zurufen, sich zu ergeben, doch ihr blieb keine Zeit dafür. Die rötliche lichtschnelle Spur des eigentlich unsichtbaren Strahls prallte von dem Haluter ab, obwohl er nicht durch einen Schirm geschützt wurde, wie Leann in diesem Sekundenbruchteil erkannte. Den hatte der Hyperenergiegenerator anscheinend tatsächlich geknackt.

Sie hatte noch nie einen Haluter gesehen, doch sie wusste um die Fähigkeit dieser Wesen zur Strukturverhärtung. Sie konnten dank ihres speziellen Metabolismus ihre Körperstruktur auf molekular-atomarer Basis willentlich umwandeln. Ihre Körper wurden dann härter als Terkonit, und es bedurfte schon eines schweren Schiffsgeschützes, um einem schwarzen Riesen in diesem Zustand gefährlich werden zu können.

Ein Handstrahler war nicht dazu imstande.

Icho Tolot stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, das Leanns Funkempfänger fast überlastete, und breitete das obere Armpaar aus. Weitere Teile der Decke zerstoben wie Seidenpapier.

Als Tolot einem Ungeheuer gleich auf sie zusteuerte, riss sie ebenfalls den Strahler hoch und feuerte instinktiv, obwohl sie es eigentlich besser wissen musste.

Auch dieser Strahl verpuffte wirkungslos.

In seinen beiden unteren Armen hielt Tolot eine Waffe, die so groß war, dass Leann sie wahrscheinlich nicht einmal hätte umfassen können. Schneller, als sie reagieren konnte, löste er sie aus.

Wenigstens benutzt er nur einen Paralysator, dachte sie, als sie zusammenbrach und keinen Finger mehr rühren konnte.

Ihr Gehirn indes arbeitete weiter, und so beobachtete sie, wie der Haluter sie ergriff. Mit ihr in den Handlungs- und Zitarra in den Greifarmen stürmte Tolot durch die Bresche der Zerstörung, die er geschlagen hatte.

In der Schleuse der WOOGAN-237 rannte er einfach weiter und ließ sich von seinem Schwung ins All tragen, während das Antriebsaggregat seines Raumanzugs schon vollen Schub gab und sie dem tiefschwarzen Kugelraumer vor ihnen entgegenjagten.

Icho Tolot warf sich Leann über die Schulter, um seine Handlungsarme wieder für andere Dinge nutzen zu können. Von diesem Augenblick an sah sie nur einen roten Raumanzug, bis der Haluter sie schließlich in der Schleuse seines schwarzen Raumers sanft auf den Boden legte.

3.

Terra, Imperium-Alpha

30. Oktober 3430

Darren Zitarra konnte Juki Leann zwar sehen, aber nicht mit ihr sprechen. Sie saß auf einer schlichten, fest in die Wand eingelassenen Pritsche in der Zelle, die seiner gegenüber lag. Prallfelder verhinderten, dass auch nur das winzigste Geräusch zu ihm drang. Bei ihr würde es zweifellos nicht anders sein.

Leann schaute starr nach vorn, genau wie er. Nachdem er in der Zelle erwacht war, hatte er versucht, sich per Zeichensprache mit ihr zu verständigen, doch sie hatte nicht darauf reagiert. Dann wurde ihm klar, warum nicht, und er hatte den Versuch sofort wieder aufgegeben.

Als Agenten der Schwarzen Garde hatten sie eine geheime Kommunikation entwickelt, eine Art Morsekode erfunden. Aber der würde nicht lange geheim bleiben, wenn sie ihn benutzten. Er hatte zwar keine Kameras oder andere Aufzeichnungsgeräte bemerkt, doch Leann vermutete offensichtlich, dass sie vorhanden waren, und damit hatte sie zweifellos recht.

Die Terraner zeichneten jede Bewegung der beiden Agenten auf, um sie mit ihren Positroniken zu analysieren und auf diese Weise mehr über die Gefangenen herauszufinden. Er musste davon ausgehen, dass man sie genau beobachtete und den Kode nach ein paar Minuten geknackt hätte.

Aber es gab eine andere, etwas einfallsreichere Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren, ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Er senkte den Blick und schaute auf die Ansätze der Tätowierungen auf seinem Handrücken. Noch war es indes zu früh hierfür; sie mussten erst mehr über ihre Umgebung und aussichtsreiche Fluchtmöglichkeiten erfahren. Es wäre nicht hilfreich, mit der verwöhnten Tochter aus reichem Haus lediglich ein kleines Pläuschchen darüber zu halten, wie es ihr ging.

Zitarra konnte nicht sagen, wohin man sie gebracht hatte, vermutete aber: nach Imperium-Alpha, dem Schaltzentrum der Macht des Solaren Imperiums. Dort gab es Spezialisten, die versuchen würden, ihnen sämtliche Informationen aus der Nase zu ziehen.

Genau deshalb hatte er Leanns Vorschlag, sich zu ergeben, abgelehnt. Die Foltermethoden der Terraner waren sogar im Imperium Dabrifa gefürchtet. Er bezweifelte nicht, dass die Verhörexperten der Terraner Leann und ihn früher oder später brechen würden, wahrscheinlich eher früher als später.

Man hatte ihnen sämtliche Besitztümer abgenommen, sie nackt ausgezogen, gescannt und durchleuchtet, um nach Gegenständen zu suchen, die ihnen vielleicht operativ eingepflanzt worden waren. Anschließend waren sie in lächerliche orangefarbene Overalls gesteckt und in die Zellen gesperrt worden.

Sein Allzweck-Armbandgerät war das Erste gewesen, das man entfernt hatte. Daher konnte Zitarra nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen war, bis nun zwei uniformierte Soldaten des Solaren Imperiums den Gang des Zellentrakts betraten. Doch nicht er war ihr Ziel, sondern Leann.

Die Wärter schalteten, ohne dass er genau sah, wie sie es machten, das Prallfeld aus und forderten Leann offensichtlich auf, sie zu begleiten. Zitarra konnte nicht verstehen, was sie sagten; denn das Feld, das seine Zelle umgab, blieb bestehen.

Leann erhob sich widerstandslos und begleitete die beiden. Was hätte sie sonst tun sollen? Wäre sie der Aufforderung nicht nachgekommen, hätten die Wachsoldaten sie mit einem Schocker von der Pritsche hochgejagt und gewaltsam mitgezerrt.

Die Männer führten Leann ab. Zweifellos zum ersten Verhör, dachte Zitarra.

Vielleicht konnte er auf Zeit spielen. Er hatte rudimentäre Kenntnisse über die übliche Prozedur. Sinnvolle Verhörmethoden sahen eine Kombination aus Ruhe und Sicherheit mit schlagartiger Verunsicherung und Destabilisierung vor. Also strenge Einzelhaft, dann ein Verhör mit Hypnostrahlerandrohung und wieder Einzelhaft. Irgendwann würde man Leann und ihm die versteckte Möglichkeit der Kommunikation bieten – und diese dann belauschen.

So etwas dauerte Tage. Womöglich konnte er den Ablauf so lange hinauszögern, bis die Flotten der Antiterranischen Koalition jeden Widerstand im Solsystem hinweggefegt und Terra eingenommen hatten.

Vielleicht wussten die Terraner aber auch, dass der Angriff auf ihre Heimat unmittelbar bevorstand, und würden deshalb wesentlich brachialere, dafür umso schnellere Methoden einsetzen.

Er konnte nur abwarten und jeweils der Situation entsprechend reagieren.