Pride-Poesie - A. Kraft - E-Book

Pride-Poesie E-Book

A. Kraft

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Beschreibung

Beim Lyrikvideo-Wettbewerb "Pride-Poesie" sind über zwei Dutzend wortgewaltige Kurzfilme mit sehr vielseitigen Gedichten über die Liebe und Lebensweisen von homo-, bi-, trans-, inter-, asexuell und genderqueeren Menschen entstanden. Das Buch vereint auf 186 Seiten die humorvollen, nachdenklichen sowie emotionalen Beiträge von 25 deutschsprachigen Autor*innen. Einige von ihnen sind bereits etabliert, manche bei deutschsprachigen Poetry-Slams unterwegs, andere wiederum Neuentdeckungen, doch viele von ihnen selbst queer, was den Eindruck, den "Pride-Poesie" hinterlässt, zutiefst authentisch macht. "Pride-Poesie" ist ein Gemeinschaftsprojekt von zwei gemeinnützigen Vereinen, die seit vielen Jahren queere Kunst und Kultur fördern: Neue Medien in Kooperation mit homochrom.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 98

Veröffentlichungsjahr: 2022

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alle Lyrikvideos des Wettbewerbs unter

pride-poesie.com

»Pride-Poesie« wurde im Rahmen von »Neustart Kultur« der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Literaturfonds e.V. gefördert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2022 Neue Medien e.V.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Sämtliche Rechte liegen bei den Autor*innen.

Alle Rechte vorbehalten. / All rights reserved.

Herausgeber: Martin Wolkner & Michael Zgonjanin

Lektorat, Satz & Gestaltung: Martin Wolkner

Druck & Distribution:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN 978-3-347-55744-4 (Taschenbuch)

ISBN 978-3-347-55745-1 (gebundene Ausgabe)

ISBN 978-3-347-55746-8 (E-Book)

»Bis an meinen Tod werde ich es mir zum Ruhme anrechnen,

daß ich am 29. August 1867 zu München in mir den Muth fand, […]

der Hydra der öffentlichen Verachtung

einen ersten Lanzenstoß in die Weichen zu versetzen.«

Karl Heinrich Ulrichs

(1825–1895)

pride

poesie

Vorwort

Queere Wortkunst, die die

Vielfalt der Liebe und Lebens-

weisen hinter dem nicht sehr

kurzen Kürzel LSBTIAQ sichtbar

macht, das ist »Pride-Poesie«.

Weltweit erinnern die Prides,

in Deutschland oft Christopher

Street Days, kurz CSDs, genannt,

an den signalgebenden Aufstand

von nicht-heterosexuellen Men-

schen gegen Polizeiwillkür im New

Yorker Stonewall im Jahre 1969.

In Europa geht die Menschen-

rechtsbewegung aufgrund der

Gesetzgebungen sogar zurück

bis ins neunzehnte Jahrhundert.

Noch vor Forscher Hirschfeld

machte der uranistische Jurist,

der Schriftsteller Karl Heinrich

Ulrichs, erster Schwuler der Welt

und Vater der Homo-Hochzeit,

sich für eine Liberalisierung

des Paragraphen 175 stark.

Letztlich wurde Homosexualität

in Deutschland bis 1994 weit

über 450 Jahre lang bestraft.

Doch schließlich fanden diese

ersten Entwicklungen des Selbst-

bewusstseins Andersfühlender

dann auch entsprechenden Aus-

druck, etwa in der chiffrierbaren Lyrik.

Dass mit dieser Dichter*

innen einen ehrlichen Einblick in

homo-, bi-, trans*, inter-, asexuelle

sowie queere Liebes- und Lebens-

welten gewähren, hat eine lange,

reiche Tradition. Poesie ist wichtiger

Bestandteil des kulturellen Erbes

in vielen Teilen der Welt, ob Rumi,

Hafis, Sappho oder Kaiser Jianwen

von Liang, ob Sarmad Kashani,

Rimbaud oder Audrey Lorde.

Nach dem klassizistischen Winckel-

mann brachte jenes Jahr in Arkadien

schließlich erstmals offenen schwulen

Stolz, oh Kyllenion!, vor Fridolins heim-

licher Ehe, Frühlings Erwachen, der Liebe

Lust und Leid der Frau zur Frau,

Homosexualität, du deutsches Kind,

in Sitte und Recht, der fromme

Tanz am Zauberberge.

Heutzutage sind CSDs bzw. Prides

nicht nur Demonstrationen für die

rechtliche wie soziale Gleichstellung,

sondern ebenfalls Kundgebungen

positiver, selbstbewusster LSBTIAQ-

Lebensentwürfe mit vielfältigen Kunst-

und Kulturveranstaltungen. Dies

unterstützt und fördert »Pride-

Poesie«, denn heute muss nicht

mehr – kann aber noch – chiffriert werden.

Darum wollen wir das

Gedicht, den freisten, prägnan-

testen Gebrauch von Sprache,

Urahn des Raps und Slams,

aus seinem Schattendasein

zwischen der allgegenwärtig

plärrenden Popmusik und

Television herausheben,

in ein modernes Gewand

kleiden und Wortakrobat*

innen für ihre queere Kunst

eine leicht zugängliche Platt-

form bieten: das Lyrikvideo.

Die Bild-Ton-Werke, im Rahmen

dieses Wettbewerbs entstanden,

sind bereits online zu sehen,

aber die Beiträge eben auch

in purer, ungebeugter Wort-

gewalt in dieser Anthologie

nachzulesen.

Schön, dass du dich nun

der »Pride-Poesie« zuneigst …

Martin Wolkner

Dortmund im Oktober 202

Näechtliche Fragen unter dem Lichtschatten des Monds

A. Kraft

Ich weiß es nicht, wie es weitergehen wird in naher Zukunft. Für den Moment habe ich es in meiner Hand. Mein Mobiltelefon so leuchtend hell wie draußen der Mond. Jenseits jeglicher Vernunft. So spiele ich Suchhund, ganz gespannt. Ich frage mich, ob es sich lohnt.

Die Hand zückt zum Gerät. Ein kurzer Blick auf den Monitor. Ich vergewissere mich nur. Es ist wie ein Magnet. Wieder versinke ich in einem substanzlosen Moor. Wie ein perfides Schauspiel der Natur.

Wieder nichts. Aber auch ich spare jedes Wort. Denn ich agiere nicht, ich werde reagieren. Wohl ist es eine Weise des Verzichts. Kein Widerspruch, keine zurück-bleibende Leere. Bezahlt wird es mit Zeit, bis es in mir rumort. Seit jeher sieht man mich so fungieren. Doch langsam schließt sich diese Schere.

Dies war schon in der Schule so. Seilhüpfen mit den Mädchen und mit den Püppchen spielen tat ich gern. Künstlerisch begabt hab ich so manche Geschichten poeti-siert. In der Oberstufe dann, brannte mein Herz für den einen oder andern lichterloh. Es blieb in den Gedanken, dem Handeln jedoch fern. Ich verhielt mich weiter reserviert.

Und dann – es kommt mir gar nicht so viel Jahre her. Hatte nicht mehr erwartet, dass es so noch kommen mag. Was sich nur in Träumen und Gedanken abspielte – in jener Nacht ward es Wirklichkeit. Seitdem komme ich nicht mehr umher. So lange hatte ich gewartet auf diesen Tag. Es kam anders und ohne Zärtlichkeit.

Doch missen möchte ich es nicht. Nie fühlte ich mehr frohgemut. Denn es blieb nicht bei dem einen Male. Voller Passion fühlte ich nun nach langem Schatten wieder Licht. Es waren Tage, welche taten dem Herzen so gut. Es beschützte jedoch nicht die Liebe vor Kabale.

Wild und ungestüm wollt' ich all die verlorenen Jahre wettmachen. Nicht alles würde ich so wiederholen. Nicht jeden wiedersehen wollen. Was haben sie gemacht aus mir, all diese Sachen? Stumpf und begierig wurde die Liebe auf leisen Sohlen. Gibt's neues Glück, muss man auch zollen.

Es rückte in die Mitte meines Lebens. Hinweg vom Lande suchte ich die Metropole. Die Arbeit suchte ich mir nebenbei. Doch die jahrelange Unterweisung war nicht ver-gebens. Zerstreuung regierte bei mir statt Kohle. Egal der Ort, egal der Broterwerb, denn ich war frei.

Ich war begehrt, wo gleich ich weiß, dass die Blüte der Schönheit nicht ewig weilt. Vielen Menschen ich begegnete, doch niemand nannte ich mein Freund. Frei war ich wie ein Vogel – doch auch von jedem Kumpan oder Getreuen. Nie war ich jemand, der lauthals zum Himmel schreit. Oder gesellig mit der Clique teilt einen Joint. Man nannte mich nur diesen einen Scheuen.

Doch nun, was wär' ich nur ohne all die lieben Männer? Ein Einsamer ohne viel Freud. Stets allein? Vermutlich schon! Denn nie war ich ein Frauenkenner. Verloren, wenn man ist unter viel Leut'. Ein König, alleine auf dem Thron.

Als sich dann doch nette Bekanntschaften hervortun. Nicht nur für das Gemach, auch für die Mußestunde. Sprach ich auch mal wie ein Mädel oder schlimmer. Erwies es sich doch stets als opportun. Nie nannte mich jemand 'ne Tunte. Und Gesellschaft fand ich immer.

Probieren wollt' ich's aber schon. Was mit all den vielen Männern niemals war geglückt – mit dieser Frau kam die Verbundenheit. Doch nicht lange hielt die Eintracht. Es lag nicht an der Erektion. Zu ungewohnt die Zweisamkeit. Am Ende fehlte sie mir sehr, nie hätt' ich mir das ausgedacht.

Es blieb und bleibt im Hier und Jetzt die Heimlichkeit. Ob Vater, Mutter oder sonst wer. Nie kam zu Wort, was ich so trieb. War man besorgt um meine Männlichkeit? Tat ich mich wohl selbst damit am meisten schwer. Was ich denn favorisier', nie sagte ich, es sei ein Glied.

Ob ich denn nicht alleine sei? Ob ich nicht Verlangen nach einer hätt'? Oder nicht mal eine eigene Sippschaft möchte gründen? Mit der Zeit verging die ganze Rederei. Es war mir recht, so war es nett. Was sollte ich auch groß verkünden?

Ich zog von Ort zu Ort, auch außer Land. Nie blieb ich lang. Ein Suchen nach dem einen Kavalier. Die Fernweh wich, die Sehnsucht blieb markant. Es war ein Drang. Was ich fand, war jedoch immer nur ein Souvenir.

Fand ich zusammen mit Adonis oder andren Flammen Minuten voller Glück. Des Öfteren auch ein zweites Wiedersehen. Meist blieb es doch ein Einzelspiel. Viele wollte ich zwar nicht, nichtsdestotrotz war man begierig auf mein Stück. Sie konnten jedoch lange flehen. Dass meine Götzen treten an mich, war mein Ziel.

Doch diese Art ist auch 'ne Last. Wie soll es also weitergehen? Kein Kumpan und kein Gemahl an meiner Seite. Und das Alter, es kennt keine Rast. Dabei nur als Betrachter weitersehen? Da bedarf es sich der Umsicht auf weiter Breite.

Kein Schwester- oder Brüderlein, der Vater tot. Die Mutter hängt am Tropf, deren Eltern alt und Greis. Und so kam mir der Gedanke, mit dem Lebensabend. Ohne Anhang dazustehen, das wäre eine große Not. Da kam der Plan, da kam die Tat, von der auch niemand weiß. Ich traf mich mit zwei jungen Damen an einem Sonnabend.

Die Frauen, sie liebten sich so sehr. Nur eines fehlte zu dem Glück, sie offenbarten einen Klageruf. Gerne trug ich dazu bei. Helfend reichte ich die Hand, in ihr das Ovulum, testikulär.. Zunächst da blieb es beim Versuch. Gott war'n wir froh, als zu Ende ging die Hexerei.

Erzogen wird er nun zur Toleranz. Wohl behütet und auch sehr geliebt. Ist eine Zusammenkunft von uns auch selten. Geschuldet ist es der Distanz. Nie will ich jemand hören müssen, dass ich ihn mied. Gern würd' ich's allen stolz vermelden.

Eines Tages wird auch mir das letzte Stündlein schlagen. Ob ich an meinem Lebensabend, noch mit jemand bin verbunden? Man fragt sich, wird man auch einmal vermisst? Dies muss ich mich dann nicht mehr fragen. In meinen letzten Lebensstunden. Doch keiner mag zu wissen, wie die Welt in Zukunft ist.

Wo immer noch ein mancher um sein Leben bangen muss, weil er seinesgleichen liebt. So hoff' ich frohen Muts, man erkenne überall, dass diese doch nicht sündigen. Auch nicht im Namen einer Religion. Lang davor bin ich ganz gewiss derjenige, der etwas kundgibt. Und voller Stolz werd' ich's verkündigen: Das ist mein Kind, das ist mein Sohn.

Julian

Clara Brill

Julian mag am liebsten Nudeln mit Sahnesoße und ein klein bisschen Chilli.

In der Dorfkneipe trinkt er freitags drei Bier und 'nen Willi.

Seine Haare sind braun, seine Augen sind braun,

sein Bart ist weniger Bart als Flaum,

was er bedauert. Dienstags trauert er jedes Jahr, wenn Kirchweih endet,

er hat viel seiner Zeit auf dem Dorfplatz verschwendet,

dort die erste Kippe geraucht, zum ersten Mal den Notarzt gebraucht,

am nächsten Wochenende trotzdem gefeiert,

die Hausordnung der Dorfschule runtergeleiert,

wenn er wieder was angestellt hatte. Beim Fußballtraining trifft er nur die Latte,

den Pfosten oder schießt ganz vorbei, er übt sich lieber im Geschrei am Spielfeldrand

und löscht den Brand mit kaltem Bier, lautem Jubeln da und Buhrufen hier.

Weil sein Vater es so will, spielt er, meistens schief und etwas schrill,

aber treu ergeben seit Jahren bei den Fanfaren des Musikvereins.

Trompete war eigentlich nie seins. Er hätte lieber Geige gelernt oder Klavier.

Aber hier im Dorf spielt man ein Blasinstrument und deshalb erkennt Julian auch alle Weihnachts-, Oster-, St. Martinslieder jedes Jahr an den Feiertagen wieder, wenn er mit den anderen Männern und Frauen die Umzüge begleitet, und jeden zweiten Sonntag geht er in die Kirche, weil es seiner Oma eine Freude bereitet.

Julian ist hier geboren, aufgewachsen und zuhause,

jeder kennt ihn und er kennt sie.

Und nie käme man auf die Idee, wenn man sich das ganze so von außen betrachtet, es könnte anders sein. Denn Julian ist doch genau wie wir anderen hier im Dorf, oder nicht?

Dass sich hinter seinem unscheinbaren, stets freundlichen, normalen Gesicht noch etwas ganz anderes verbergen könnte, wer würde davon ausgehen?

Oh, aber man hört Gerüchte, plötzlich eines Tages.

Lag es am Alkohol oder könnte wohl was dran sein, an dem, was die Klatschweiber meinen? Könnte der Julian anders sein als wir anderen hier im Dorf?

Irgendwie hat man sich das ja immer schon gedacht.

Julian hat immer höher als die anderen Jungen gelacht,

war irgendwie zierlicher und weinerlich,

dachte sich eigene Geschichten aus und schaute träumerisch den Zugvögeln zu,

wenn sie davonflogen und ihn irgendwie mitzogen.

Er hat sich als Junge Puppen gewünscht, seine Wasserfarbbilder in rosa getüncht,

die Schuhe und Kleider von Mama getragen, hatte zu Mädchen stets was zu sagen,