Prinzessin oder Räuber - Claudia Pöttgen - E-Book

Prinzessin oder Räuber E-Book

Claudia Pöttgen

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Beschreibung

Relativ spät entschloss ich mich zum Motorradführerschein und veränderte dadurch nicht nur mein Leben und meine Lebenseinstellung, sondern ebenso das meiner Familie.

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Claudia Pöttgen Prinzessin oder Räuber

Prinzessin oder RäuberClaudia Pöttgen

Copyright: © 2011 Claudia Pöttgenpublished at epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de ISBN 978-3-8442-1614-1

Inhaltsverzeichnis

Prolog 5

Beschluss und Anfang Frühjahr/Sommer 2002 9

Die erste Stunde 12

2002-2005 23

Der erste Unfall 23

Training 28

„BoFo“ 30

Hexentreffen 32

Achim, das Bike und ich 37

Saisonanfang 41

Berlin 44

GAP 49

2005 – 2008 55

Chemnitz 61

Das Motorrad und ich 65

Wandertreffen 72

Kids 75

Motorradweihe und Hechlingen 79

Dolomiten 85

Elefantentreffen 91

Motorschaden 94

2008 - 2011 99

Bosnien 99

Mehr Zeit – mehr Geld? 107

Frankreich 108

Frankreich, die II. 122

Six Pack 130

Dolomiten Rallye 134

Korsika 139

Tief im Süden 150

Epilog 159

Prolog

Ich kann mich noch genau an die Stelle in der Hecke vom Pfarramt erinnern, wo wir unser Hauptquartier hatten. Wir, eine Handvoll ABC-Schützen aus der Grundschule eines kleinen Dorfes im Dachauer Hinterland, brachten so manchen geheimnisvollen Schatz in diese Hecke, hielten unsere Versammlungen ab und baldowerten harmlosen Schabernack aus.

Nicht, dass ich nicht gerne gekuschelt habe oder mit Puppen gespielt hätte. Ich liebte meine „Negapubbi“, bekochte sie liebevoll in meiner Puppenküche und habe sie später, immer noch heiß geliebt, an meine erste Nichte weiter vererbt. Ich wurde auch nicht emotional von meinen Eltern oder meiner Familie vernachlässigt, und da weder die Emanzipation eine große Rolle spielte, noch Schulen pädagogisch wertfrei waren, durfte ich als ziemlich normal und durchschnittlich gelten. Nein, es war vielmehr so, dass alle typischen Mädchenspiele und -aktionen mir unglaublich langweilig erschienen.

Ein Mäderl sollte sich nicht dreckig machen, es sollte nicht auf Bäume oder Zäune steigen. Alles was interessant erschien Frösche, Kaulquappen, Eidechsen, Mäuse, Vogelnester, Weberknechte, Fliegen, die man fangen und dressieren konnte, Wasserläufe, Pfützen, Steine, Felsen usw. sollten ein Mädchen eher ängstigen als brennend interessieren.

Dagegen hätte man Zöpferl flechten, häkeln, sticken und stricken lernen sollen. Kratzige Strumpfhosen aus einer Kunstfaser namens Helanca, unbequeme und dazu unpraktische Schuhe UND! Kleiderl waren die gängige Kleidungstücke. Ebenso hatte ein Mäderl vermehrt auf völlig übertriebene Körperpflege zu achten. Haare, Ohren, Hände einschließlich der Fingernägel musste man als Mädchen schon sehenswert halten. Was für eine Zeitverschwendung! Ebenso sah man es zu dieser Zeit nicht gerne, wenn ein eher zierliches Mädchen seine Vorzüge oder sein Können in körperlich orientierten Bereichen beweisen wollte. Es sollte nicht unbedingt als Beschützer von Schwächeren auftreten, weder für vermeintlich schwächere Mädchen, und schon gar nicht für Jungs.

Bis heute hab ich noch nicht wirklich den Umgang mit Kosmetika und Mode gelernt. Trotzdem passte ich mich im Laufe der Jahre an, und sehe so manches Mal ganz annehmbar aus. Ich kann mittlerweile nicht nur eine sehr feminine Seite zeigen, sondern es gefällt mir sogar, manchmal.

Aber zu meinen Disco-Zeiten trug ich nur selten Kleider, geschweige denn Minis. Waren doch meine Schienbeine meistens ziemlich zerschrammt von unterschiedlichsten Freizeitaktionen. Ein nicht wirklich dramatischer Umstand,dieser wurde aber ein kleines Problem, weil mich die begehrenswerten Jungs, in meinem sportlich-praktischen Outfit, nur als „Pferde-stehl-Spezl“ oder Kummerkasten für ihre Beziehungen mit Mädels ansahen.

Aus dieser Zeit ist mir das völlige Desinteresse an femininen Modetrends geblieben und eine dazu gehörende Begeisterung für Produkte mit Markennamen fehlt mir ebenso.

Aber der Hang, mich Herausforderungen zu stellen, die ein bisschen mit Abenteuer und Freiheit zu tun haben, steckt seitdem in mir. Alles Außergewöhnliche und Fremde fasziniert mich, negativ und positiv. Und Sätze wie „das ist nichts für Dich“ oder „das schaffst Du sowieso nicht“, sind die Garantie dafür, das ich zu Höchstleistungen auflaufe und selten locker lasse.

So wurde ich z.B. Maler und Lackierer, natürlich mit bestandener Gesellenprüfung. Ich lernte das Skifahren durch und mit einheimischen Tiroler Kindern, wild und quer durch die Wälder. Konnte Schneeketten alleine im Dunkeln am Berg anlegen, ließ mich in eine Gletscherspalte abseilen, bestieg den Großvenediger in Österreich und erlebte noch die eine oder andere Kuriosität mehr.

Ich wurde auf meine Weise erwachsen, habe meinen Lebenspartner gefunden und mit ihm zwei Kinder bekommen und groß gezogen.Und bis zu unserem 13 Ehejahr hatte ich den kleinen Abenteurer in mir etwas in den Hintergrund geparkt.

Ehe, Kinder und Familie waren eine ganz andere Art von Herausforderung, die mich faszinierte, unheimlichen Spaß machte, mich körperlich und nervlich forderte, aber auch immense Energie und Stärke gab. Ein ganz einmaliges, besonderes und anderes Abenteuer.

Im Frühjahr 2002 lag unser Steuerbescheid im Briefkasten und läutete einen neuen Abschnitt in meinem Leben ein.

Beschluss und Anfang Frühjahr/Sommer 2002

WOW! Eine Steuerrückzahlung in absolut unerwarteter Höhe.

Wie sollten wir, Achim (36 Jahre alt) und ich (39), zu dem Zeitpunkt seit 14 Jahren verheiratet, mit unseren Kindern Alexander (13) und Verena (10) diesen Betrag nur verwenden?

Für ein neues Auto war der Betrag definitiv zu niedrig. An einer Weltreise hätten nur 1,83 Personen von uns vieren teil nehmen können. Der Vorschlag einer Brustvergrößerung wurde einstimmig von mir abgelehnt. Die Kinder mussten mit ihren naturgegebenen Gebissen ihren weiteren Lebensweg beschreiten, sprich ohne kieferorthopädische Korrekturen. Stereoanlage, Fernseher und Waschmaschine funktionierten zu diesem Zeitpunkt alle ordnungsgemäß. Ich weiß nicht mehr genau, was mich dazu bewegte, aber bereits als ich den Vorschlag machte, war er eigentlich auch schon beschlossen.

Motorradführerschein für mich – PASST!!

In Achims Augen blitzte es kurz auf. Schon am nächsten Tag standen wir in der Fahrschule von Herrn Schwägerl. Ein großer ehemaliger Soldat mit einem gewaltigen Kugelbauch.

Auf meine skeptischen Blicke und vorsichtigen Fragen meinte er nur schmunzelnd, „... des griag'n ma scho.“

Na dann, auf los geht’s los!

Keiner außer unserer kleinen Familie sollte es wissen. Dennoch musste ich meine Kolleginnen einweihen, da ich so manche Fahrstunde mit dem Dienstplan koordinieren musste. Was, mit großer Unterstützung und Wohlwollen unseres Teams, hervorragend funktionierte.

Nur etwas später meinte mein damaliger Chef, wenn ich seine Tochter wäre, würde er mir das Motorradfahren verbieten. Tja, das war mit ein Grund, warum meine Eltern erst einmal ebenfalls nicht eingeweiht wurden.

Dumme Sprüche, kluge Ratschläge, Häme und Spott wollte ich ebenfalls nicht hören, deshalb starteten wir das Gesamtvorhaben „Motorrad“ etwas bedeckt.

Mit ein Anstoß für meinen späten Einstieg war bestimmt Achims Cousine. Etwas älter als ich, hatte sie ca. ein Jahr zuvor den Schein gemacht. Dann sollte ich es doch wohl auch schaffen. Das wäre ja gelacht!

Für wilde Freudentänze ist mein Mann nicht wirklich bekannt, trotzdem war es ihm doch deutlich anzusehen, dass er sich freute. Hatte ich ihm doch die ganzen Jahre hindurch ziemlich bestimmt und heftig das Motorradfahren mehr oder weniger verboten. Ich arbeitete damals in einem großen Münchner Klinikum. Dort erlebte ich u.a. frisch verunglückte Motorradfahrer in verschiedensten Stadien. Noch blutend aus dem Rettungshubschrauber, im Operationssaal, auf der Intensivstation und als lange wiederkehrende Nachsorge-Patienten. Ich wollte nicht zwei Kinder mit einem Behinderten, oder ganz ohne Mann aufziehen.

Den Führerschein bekam ich im August. Schon im darauf folgenden Winter entschuldigte ich mich bei Achim für mein jahrelanges Fahrverbot. Im Winter durften wir nicht fahren, da unsere Motorräder, wie so viele andere, von November bis März bei der Versicherung abgemeldet waren. Witterungsbedingt fährt man normalerweise nicht in dieser Zeit

Aber nicht fahren zu dürfen, wenn man möchte, kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Zumindest wenn man jemand ist, dem vieles, was man gerade nicht machen darf oder kann, ungemein begehrenswert erscheint.

Die erste Stunde

Toll! Es tröpfelte so leise stetig vor sich hin, während ich in voller Montur, Motorradhose und -jacke, Nierengurt, feste Schuhe, Handschuhe und Helm, zur Fahrschule wackelte.

„Und, schon mal gefahren?“ „Hm, nöö, eher nicht.“ „Ja dann fang' ma mal mit der 125er an, hinten auf'm großen Parkplatz beim Schwimmbad. Ich fahr schon mal vor, Sie kommen nach.“ „???“ „Jaha, die 125er müssen S' scho erst mal hin schieben, weil fahren können S' ja no net!“

Ich habe den Helm aufgesetzt, damit mich zumindest nur die Hälfte der Nachbarn erkannte. 'Müssen die eigentlich nix arbeiten um diese Zeit!?'

Und dann begann auf dem Parkplatz „The never ending story - Claudia und das Motorrad“.

Dieser Frühsommer 2002 war sonnig und warm, zumindest meistens während meiner Fahrstunden. Ich hatte mir einen günstigen, wasserdichten Textilanzug zugelegt, der allerdings auch von innen nach außen dicht war, und so schmorte ich meist schon nach ein paar Minuten im eigenen Saft.

Herr Schwägerl, ein ehemaliger Soldat und dabei bestimmt ein ehemaliger Spieß oder Feldwebel, machte es zu seiner persönlichen Mission, einer 39jährigen Mama das Fahren gründlich bei zu bringen. Er, in Kombination mit Motorradanzug und Witterung, kostete mich in diesen Wochen, fünf Kilogramm Körpergewicht.

Die Fahrübung Ausweichen mit und ohne Bremsen war kein Problem. Regen-, Nacht-, Überland- und Stadtfahrten machten ebenfalls kein Schwierigkeiten. Dabei gab Herr Schwägerl meist per Funk, aus einem Auto hinter mir seine Anweisungen. Gott sei Dank konnte er mich aber nicht hören. Ich neige nämlich dazu, besser gesagt, ich habe die unangenehme Macke, während des Motorradfahrens in bestimmten Situationen lauthals zu schimpfen, zu singen oder mit mir selbst zu sprechen.

Anhand von verschiedenen Parcours übte ich u.a. auch die wichtige Blickführung, was mir beim Slalom gut gelang. Hingegen waren kleine enge Kreise mein Lieblingsproblem. Sie sind es nach wie vor. Ich saß zu steif auf dem Motorrad und hatte immer das Gefühl, ich kippe mitsamt der Maschine um.

Diese Blickführungsübungen bzw. Parcours waren u.a. mit aufgestellten Pylonen gekennzeichnet, spitze Kegel ca. 30 - 50 cm hoch, wahlweise in uni oder gestreift. Sie standen IMMER falsch und somit im Weg. Sie zeigten mir wohin ich fahren sollte, was ich aber nicht konnte oder wollte. Sie waren nicht meine standhaften Freunde, denn bei der geringsten Bewegung fielen sie um, und ich musste noch mal alles von vorne machen. Bis mein Fahrlehrer zufrieden gestellt war. Dabei hörte ich sie kichern, diese missgünstigen, schadenfrohen Spitzhüte.

Nur einmal, es war die vierte oder fünfte Fahrstunde, hätte ich sie gerne gesehen, die Pylonen. Und sei es nur als Silberstreif am Horizont.

Ich saß endlich auf der „Großen“, sprich einer 600er Honda CB, vor der Fahrschule, genau gegenüber unseres griechischen Lieblingsrestaurants. Das gesamte Personal hielt sich noch vor dem Mittagsgeschäft draußen in der Sonne auf und amüsierte sich köstlich über meine verzweifelten Versuche diese verflixte Kiste zu starten.

Starten – abwürgen – starten – abwürgen – starten – abwürgen – schwitzen – Fahrlehrer aus den Augen verlieren – starten – abwürgen - noch mehr schwitzen – Fahrlehrer aus dem Funkbereich verlieren – starten – abwürgen …. Ich bin an diesem Tag doch noch ganze 20 Minuten richtig gefahren, mit laufendem Motor.

Durch die ungewohnte Beanspruchung beider Hände vom Kuppeln und Bremsen, einschließlich des verkrampften Anfängerfesthaltens am Lenker, schmerzten mir bald Unterarme und Handgelenke derart, dass ich oft kaum noch ein Glas festhalten konnte. Bald drängte sich die Frage auf, Warum tust du dir denn das alles überhaupt an, du dumme Nuss? Damals fühlte ich einfach nur das fiebrig-zittrige Erwarten der nächsten Fahrstunde. Der Klang einer Maschine ließ mich aufhorchen und die Aussicht, bald eigenständig fahren zu dürfen, machte mich schlicht froh. Mehr Gedanken machte ich mir nicht, brauchte ich auch nicht. Erst im Laufe der Jahre ergaben sich noch so einige Antworten mehr.

„Ja, ich weiß net, ich hätte da nur noch den Prüfungstermin am 01.08...“ „Den nehme ich.“ „Ja, aber da müssen'S beides zusammen machen, Theorie und Praxis.“ „Den nehme ich.“ „Ja aber wenn'S Theorie net schaffen, kost's dann doppelt.“ „Den nehme ich.“ „Und Sie sind wahrscheinlich die Letzte zum Fahren, weil vorher die Autoscheine dran kommen.“ „Herr Schwägerl, ich nehme den Prüfungstermin am 01. August!“

Theorie war kein Problem, und von ca. 08.45 Uhr an saß ich dann vor der Fahrschule und wartet.und wartete und wartete. Bis um 11.15 Uhr.

„Grüß Gott, grüß Gott, dann pack ma's gleich. Wir sind schon spät dran.“

Gleich an der ersten Ampel hätte ich fast eine Mutter mit Kinderwagen umgefahren. Sie wollte nur bei Grün über die Straße, in die ich abbiegen wollte. Eine miese kleine Pylone, was auch sonst, ließ sich beim Slalom absichtlich fallen. Und ich dachte, das war's! Alles verbockt!

Auf der längeren Rückfahrt hörte ich aus dem rückwärtigen Prüfungsauto, so gut wie keine Anweisungen mehr. Völlig frustriert und deprimiert, stellte ich mich der Erkenntnis, dass das große Weltgeschehen ohne mich als begnadete Bikerin stattfinden würde. Aber wer brauchte auch schon zum Überleben den A1 unbeschränkt?

Aus lauter enttäuschter Wut wuchtete ich die Honda an der Fahrschule auf den Hauptständer und stapfte am Fahrschulauto vorbei. Der Prüfer rief mich zu sich. 'Ich komme ja!' „Die umgefallene Pylone und die Mama beim Abbiegen und der geringe Abstand beim Überholen auf der Autobahn, … na dann geben Sie mir mal Ihren Führerschein!“

'Ok, dann geb ich ihn halt ab, meinen Führerschein und fahr nicht einmal mehr Auto. Ich geh jetzt nur noch zu Fuß, und somit jetzt sofort heim.' Und heulte.

Völlig irritiert wechselte der Prüfer meinen alten Führerschein gegen den neuen aus und gratulierte mir zur bestandenen Prüfung. Ich stand wie ein Mondkalb vor ihm und in der nächsten Minute sprang ich ihm an den Hals, und schmatzte ihm ein herzhaftes Bussi auf die Backe. Er war noch irritierter und murmelte, das müsse er jetzt wohl seiner Frau beichten. Völlig im Adrenalinrausch herzte ich noch kurz aber kräftig Herrn Schwägerl und flitzte heim.

An dieser Stelle möchte ich meinem Fahrlehrer Herrn Schwägerl nochmals ganz herzlich danken für seine Geduld und Mühen. Er war für mich der richtige Lehrer zum richtigen Zeitpunkt.

Zu Hause war einzig meine Tochter Verena, die mich schon ungeduldig erwartete. Und mit einem kleinen Likör feierten wir meinen Erfolg. Diese nette kleine Feier wiederholten wir dann auch noch zweimal, anlässlich ihrer bestandenen Fahrprüfungen.

Dann erst rief ich alle an: „Überraschung!“

Meine Mama reagierte erwartungsgemäß: „Ja, bist denn du mit fast 40 Jahr net g'scheider! Aber so was fällt von unseren vier Kindern ja nur Dir ein. Pass bloß auf Di auf!“

Bis heute melde ich mich nach jeder größeren Ausfahrt bei ihr wieder zurück und vermelde unser Wohlbefinden. Sie macht sich verständlicherweise Sorgen, dass uns etwas passieren könnte, auch wenn beide Eltern in früheren Jahren selbst mal auf Motorrädern saßen und auch sonst nicht unbedingt die Ofenbank gehütet haben. Mama bemerkte sogar meinen Umstieg, von einer 650 cm³ Maschine auf eine größere 1150 cm³. Das hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut.

Wie nun sollte das Motorrad in unsere kleine Familie eingefügt werden?

Da es hier u.a. auch um den Familienetat und nicht nur um die gemeinsame Freizeit ging, lag die Entscheidung bei uns allen vieren. Außer der begeisterten Zustimmung, dass ich den Führerschein machen sollte und wir dann zusammen Motorradfahren würden, kamen keine weiteren Diskussionen auf. Noch nicht. Wir freuten uns auf das Neue, Unbekannte, das auf uns zukommen würde. Wie weitreichend dieser Beginn war und welche verschiedenen Erfahrungen jeder Einzelne daraus zog, konnte zu diesem Zeitpunkt keiner überblicken.

Es war ziemlich schnell klar, unsere Freizeit wird, wie gehabt, gemeinsam verbracht. Also fahren die Kids jeweils als Sozius mit und damit brauchten wir zwei Bikes.

Zielsicher abonnierten sie die Beifahrer- sprich Soziussitze. Wie selbstverständlich wählte Alexander Achim und Verena mich aus. Und keiner der beiden tauschte hinterher noch freiwillig oder ohne besonderen Grund das Moped, incl. Fahrer und Rückbank. Ein Männer- und Frauenmotorradteam war beschlossen.

Verwandte und Bekannte sparten nicht mit Kommentaren und Ratschlägen. Der eine meinte, nimm doch besser eine Pistole und erschieße zuerst die Kinder und dann dich selbst. Kommt billiger und geht schneller. Ein anderer interessierte sich nur, ob es auch Lederoutfits für Kinder gibt. So mancher sorgte sich, wie sich denn ein Kind optisch auf einer Harley machen würde und die nächsten machten den Vorschlag, dem Nachwuchs doch gleich selbst z.B. eine Trial-Maschine, zu besorgen. Dazwischen gab es aber tatsächlich auch Mitmenschen, die sich spontan zu „Wahnsinn, toll! Die ganze Familie erlebt bestimmt zusammen Unvergessliches“, hinreißen ließen.

Für uns war die Zeit reif, die ganze Familie begab sich zum SHOPPEN. Sogar unsere Männer waren bei bester Laune, als wir vier vorm so genannten Münchner Motorrad-Strich stoppten. Das ist die Ecke in München, in der mehrere bekannte Motorradzubehör-Ausrüster nahe beieinander liegen.

Unglaublich mit anzusehen, wie sich das Kaufen von Motorradausrüstung auf die Körpergröße auswirkte. Ja klar, man wirkt etwas „plüschiger“, aufgrund der Protektoren. Aber dass Halbwüchsige beim Anziehen von Motorradjacke, -hose und Helm im Minutentakt ca. 20 cm wuchsen, war phänomenal.

Dazu das stolze Lächeln, das man durch den Helm noch erkannte, eine unvergessliche Szene. Und dann war es soweit, es kam der Moment der Wahrheit.

Aufgrund eines Tipps von guten Freunden, wollten wir uns bei einem BMW-Händler in Schrobenhausen bezüglich Motorräder mal umsehen. Mechaniker, Werkstätten, Händler werden unter Motorradfahrern gerne als „Freundlicher“ bezeichnet. Unser Freundlicher heißt Armin vom BMW-Haus Pielmeier. Für Armin ist übrigens jedes Motorrad, egal wie groß, PS-stark oder schwer, ein „Moperl“.

Unter den vielen blinkenden und blitzenden, neuen und gebrauchen Motorrädern im Ausstellungsraum sah ich eine Honda CB. 'Klick! Die kenne ich; mit so was habe ich Führerschein gemacht; die nehme ich zum Probefahren, und eigentlich ist sie schon gekauft.' Problem erkannt und gelöst, meine Spezialität. In solchen Momenten sieht mich Achim immer etwas mitleidig und mit einem leichten Hauch Ignoranz an. Auch Armins Blick wurde ein wenig eigenartiger und er meinte nur ruhig, ich sollte doch auf alle Fälle, während der Probefahrt mit Achim das „Moperl“ tauschen. Mein Mann hatte sich eine BMW F 650 GS ausgesucht. Jaa, sie hatten beide recht. Die Fahrschul-Honda war eine neuere CB 600, hier hatte ich eine ältere Honda CB Sevenfifty. Typenbezeichnungen sind oft Kleinigkeiten, die mich gerne mal nicht interessieren. Die Alte fühlte sich für mich an wie ein Zementsack zwischen meinen Beinen. Dagegen war die kleine BMW ein munteres Spielzeug. Achim kaufte sich die „Kleine“. Ich durfte sie damals, aus terminlichen Gründen, vom Pielmeier abholen und heimbringen. Vor allen Mechanikern, Verkäufern und Azubis legte ich sie erst einmal um. Noch bevor ich einen Meter gefahren war.