Professor Zamorra 1225 - Ian Rolf Hill - E-Book

Professor Zamorra 1225 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

2020 hielt das Corona-Virus die Welt in Atem. Binnen kürzester Zeit kam die Weltwirtschaft zum Erliegen, die Gesundheitssysteme gerieten an ihre Grenzen und standen kurz vor dem Kollaps. Die Politiker sämtlicher Nationen waren mit der Situation überfordert. Fieberhaft wurde nach Impfstoffen und Heilmitteln geforscht. Es wurde ein Wettlauf mit der Zeit ...
Und niemand ahnte, dass in einem Schlachthof im niedersächsischen Emsland bereits eine neue Gefahr heranwuchs. Tausend Mal tödlicher als Corona. Eine Seuche biblischen Ausmaßes ...


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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Virus-Alarm!

Leserseite

Vorschau

Impressum

Virus-Alarm!

von Ian Rolf Hill

Das Corona-Virus hält die Welt in Atem!

Wer hätte gedacht, dass wir in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts einen derart globalen Ausnahmezustand erleben würden?

Binnen kürzester Zeit kam die Weltwirtschaft zum Erliegen, die Gesundheitssysteme gerieten an ihre Grenzen und standen kurz vor dem Kollaps. Politiker sämtlicher Nationen waren mit der Situation überfordert. Fieberhaft wurde nach Impfstoffen und Heilmitteln geforscht.

Es sollte ein Wettlauf mit der Zeit werden. Und niemand ahnte, dass in einem Schlachthof im niedersächsischen Emsland bereits eine neue Gefahr heranwuchs, tausend Mal tödlicher als Corona.

Eine Seuche biblischen Ausmaßes.

Nur noch wenige Minuten, und sie würden dem Tod in sein scheußliches Antlitz blicken!

Ungefiltert und hautnah.

Dabei war höchste Vorsicht geboten, denn in der Asag Holding GmbH wurde rund um die Uhr gearbeitet. Natürlich nicht in den Ställen, dafür aber im angegliederten Schlachtbetrieb. Und der brauchte schließlich Material, sprich Fleisch, das auf vier Beinen ganz von selbst in seinen unvermeidlichen Tod rannte, um den Hunger einer Gesellschaft zu stillen, die jegliches Maß verloren zu haben schien.

So kam es Vivian Schmitt zumindest bisweilen vor, wenn sie sich die Zustände in deutschen Großmastbetrieben und Schlachthöfen anschaute. Und das tat sie fast täglich, denn das war ihre Berufung. Roland und sie waren freie Journalisten und Blogger, deren Hauptaugenmerk dem Tier- und Umweltschutz galt. So etwas tat man weder für Prestige noch Geld, sondern aus purem Idealismus.

Die Erfolge waren spärlich, die Resonanz frustrierend. Beschimpfungen per Mail oder sogar Telefon waren an der Tagesordnung, bis hin zu Morddrohungen. Die Kommentare teilweise so weit unter Niveau, dass eine Gürtellinie nicht ausreichte.

Mehr als einmal hatte Vivian bereits kurz davorgestanden, alles hinzuschmeißen, die Social-Media-Accounts zu löschen, den Web-Kanal zu schließen und ganz von vorne zu beginnen.

Es gab so viele schöne und nichtssagende Berufe, in denen man seine Ruhe vor irgendwelchen Hatern hatte, sofern man sich aus der Öffentlichkeit fernhielt. Nur leider bewirkte man dort nichts. Das war Vivian durchaus bewusst, allerdings musste es ihr von Zeit zu Zeit erneut klar gemacht werden. Dafür war in der Regel Roland zuständig. Nicht primär natürlich, aber sie wusste nicht, ob sie allein die Kraft aufgebracht hätte, eine Aktion wie diese durchzuziehen.

Umgekehrt erging es ihrem Freund ganz genauso.

Und dann waren da noch die Tiere selbst, die Vivian stets daran erinnerten, wofür sie das alles tat. Kein Lebewesen hatte es verdient, sein Leben in jämmerlichen Bedingungen zu fristen, um es viel zu früh unter Qualen auszuhauchen, damit sein Fleisch bei einem übergewichtigen Konsumenten auf dem Teller landete, der sich aufgrund einer krankhaften Überproduktion an Testosteron für die Wiedergeburt eines Tyrannosaurus Rex hielt.

»Schläfst du?«

Vivian Schmitt schrak zusammen, als sich Rolands Hand auf ihren Arm legte.

»Nein, ich war nur in Gedanken.«

»Wunderbar«, wisperte ihr Freund. »Aber es wäre hilfreich, wenn du dich auf das Hier und Jetzt konzentrieren könntest. Läufer hat das Signal gegeben, wir können rein.«

Ein säuerlicher Geschmack legte sich auf Vivians Zunge, ihr Magen zwickte.

Da sie keinen Ton hervorbrachte, nickte sie lediglich, auch wenn Roland die Bewegung in der Dunkelheit höchstens anhand ihrer blonden Haare erahnen konnte. Und selbst das war schon schwierig genug, denn der Großteil ihres Schopfes wurde von der schwarzen Sturmhaube verborgen, die sie sich jetzt über das Gesicht zog. Ihre Finger zitterten. Die Hände steckten in dunklen Silikonhandschuhen, damit sie keine Fingerabdrücke hinterließen.

Ihre Knie fühlte sich weich wie Pudding an, als sie sich auf die Beine stemmte und geduckt hinter ihrem Freund herlief. Er huschte auf den Maschendrahtzaun zu, der das Gelände weiträumig umschloss. Vivian schlug das Herz bis zum Hals. Ihr Körper wurde von Adrenalin geflutet, das T-Shirt unter dem dicken Pullover klebte klatschnass auf der Haut.

Anderthalb Stunden hatten sie in dem trockengelegten Straßengraben gelegen und den Schweinehof beobachtet. Anderthalb Stunden reglos in der Dunkelheit liegen und hoffen, unentdeckt zu bleiben. Hinzu kam die Kälte, die wie schleichendes Gift durch die Kleidung sickerte und die Glieder lähmte. Obwohl Anfang Mai, sanken die Temperaturen in der Nacht nicht selten bis auf den Gefrierpunkt. Davon waren sie zwar noch ein paar Grade entfernt, trotzdem machte sich die fehlende Bewegungswärme rasch bemerkbar.

Hinzu kam die wachsende Anspannung.

Vivian wusste sehr wohl, dass sie sich längst nicht mehr am Rand der Legalität bewegten, sondern sich strafbar machten. Und obwohl ihr klar war, dass dies zum Geschäft gehörte, konnte sie die Nervosität kaum unterdrücken. Aber solange die Politiker die Hände in den Schoß legten und die Verantwortlichen in Brüssel der Meinung waren, dass allein die Nachfrage an Billigfleisch die Qualen empfindungsfähiger Lebewesen rechtfertige, heiligte der Zweck die Mittel.

In diesem Fall, den Einbruch in den Großmast- und Schlachtbetrieb der Asag Holding GmbH.

Sie brauchten nur ein paar Aufnahmen und Videos von den Haltungsbedingungen, und niemand würde sich für einen kaputten Maschendrahtzaun oder den Tatbestand der nächtlichen Ruhestörung interessieren.

Wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was ihr Informant, ein Mann namens Konrad Läufer, der sich als Metzgergehilfe in den Betrieb eingeschleust hatte, behauptete, dann waren sie einem handfesten Skandal auf der Spur, gegen den sich EHEC und Gammelfleisch ausnahmen wie ein harmloser Kindergeburtstag.

Den EU-Inspektoren und Mitarbeitern des Gesundheitsamtes Meppen würde gar nichts anderes übrigbleiben, als den Laden dichtzumachen. Ein Wunder, dass das nicht schon längst geschehen war.

Der Verdacht, dass Schmiergelder flossen, lag nahe. Gleichzeitig hingen aber auch zahlreiche Arbeitsplätze an dem Großmastbetrieb und der Schlachterei. Quasi das gesamte Dorf Traben war hier beschäftigt, da konnte man doch schon mal über den einen oder anderen Mangel in der Haltung hinwegsehen.

Roland Kramer hatte in der Zwischenzeit den Maschendrahtzaun erreicht und holte einen Bolzenschneider aus dem Armeerucksack, mit dem er eine Öffnung in das Drahtgeflecht schnitt. Vivian kauerte schräg hinter ihm und behielt die Umgebung im Auge.

Scheinwerfer tauchten den Hof in grellweißes Licht, das der Szenerie einen gespenstischen, surrealen Anstrich verlieh. Drei Gestalten standen vor einer mannshohen Bretterwand, die den Schlachthof mit dem Stallkomplex verband. Zwischen den einzelnen Bohlen befanden sich Lücken von der Breite einer Handfläche, durch die Vivian Bewegungen ausmachte.

Gerade wurde eine neue Schar Schweine in das Schlachthaus getrieben. Das Quieken und Grunzen schrillte weithin hörbar über das Gelände. Die Tiere wussten, was ihnen blühte, das war allgemein bekannt und durch Messungen der Hormone und Vitalparameter einwandfrei erwiesen.

Kaum verwunderlich, dass sich das Vieh entsprechend störrisch zeigte.

Mit Elektroschockern, sogenannten Viehtreibern – der Name kam schließlich nicht von ungefähr – wurden die Schweine in die gewünschte Richtung dirigiert.

Vivian drehte sich bei den Lauten der Magen um. Es juckte ihr in den Fingern, schon jetzt erste Fotos zu schießen, doch noch musste sie sich zusammenreißen.

Auf diese Entfernung würde ihr kein geeigneter Schnappschuss gelingen, der als Beweis dafür taugte, dass hier gegen geltende Gesetze, so lasch sie auch gehandhabt werden mochten, verstoßen wurde. Allerdings liefen sie Gefahr, frühzeitig auf sich aufmerksam zu machen und damit die gesamte Mission zu gefährden.

Der Zaun selbst war nicht durch eine Alarmanlage gesichert.

Um militante Tierschützer und investigative Journalisten fernzuhalten und die Lust am Herumschnüffeln zu nehmen, wurden scharfe Wachhunde eingesetzt. Läufer hatte zwar erzählt, dass diese während der Überführung des Schlachtviehs angeleint blieben, trotzdem bestand immer ein Restrisiko, weshalb Vivian und Roland Pfefferspray bei sich trugen.

»Komm!«, zischte ihr Freund eben und kroch bäuchlings durch die schmale Öffnung, die er in den Maschendraht geschnitten hatte. Sie folgte ihrem Partner, der ihr, auf der anderen Seite angelangt, auf die Füße half.

Und dann huschten sie geduckt im Schutz der Dunkelheit auf den Stallkomplex zu, in dem laut offizieller Kundgebung dreitausendzweihundert Schweine gemästet wurden. Außengehege, Pferche oder gar eine Schlammsuhle suchte Vivian vergebens, das hatten sie aber schon vorab recherchiert. Dazu benötigte man schließlich nicht mehr als einen Internetzugang, um auf das Satellitenprogramm eines Online-Giganten zugreifen zu können und sich das Malheur von oben zu betrachten.

Aber sie waren ja hier schließlich nicht auf einem Bio-Hof. Obwohl auch dort so manchem Konsumenten das Steak wieder hochkommen würde, wenn er wüsste, wie weit selbst solche Betriebe teilweise von artgerechter Haltung entfernt waren.

Konrad Läufer hatte ihnen mitgeteilt, dass er eine der Stalltüren offen lassen würde, nachdem die Schweine aus dem Koben getrieben worden waren. Der Boden vor dem Mastbetrieb war verschlammt und von tiefen Reifenspuren zerfurcht. Vivians Gummistiefel sanken bis zu den Knöcheln im Matsch ein.

Die Tür, zu der sie mussten, befand sich auf der dem Schlachthof abgewandten Stallseite. Dort herrschte tiefste Finsternis, sodass Roland die Taschenlampe zu Hilfe nehmen musste. Um keine vorzeitige Entdeckung zu riskieren, schirmte er den Strahl mit der Hand ab.

Der Lichtkegel wanderte über die Stallmauer und blieb an der schmalen Kunststofftür kleben, deren oberes Drittel von einer Glasscheibe unterbrochen wurde.

Dahinter ballte sich die Dunkelheit.

Roland warf seiner Freundin einen letzten Blick über die Schulter zu. Die Augen hinter den Löchern der Sturmmaske glänzten im Streulicht. Dank der dunklen Kleidung verschmolz seine Gestalt fast gänzlich mit der umliegenden Finsternis. »Bereit?«, zischte er.

Wieder konnte Vivian nur nicken.

»Okay, dann los.« Synchron setzten sie ihre Stirnbänder mit den Webcams auf, die alles, was sie gleich zu Gesicht bekommen würden, per Livestream sendeten.

Die Zeit der Heimlichtuerei und der Vertuschung war vorüber, die Tage dieses Mastbetriebes gezählt. Roland Kramer legte die Hand auf die Türklinke und zog sie auf.

Vivian hielt den Atem an. Für einen Augenblick befürchtete sie, dass Läufer sein Wort gebrochen haben könnte, doch dann schwang die Tür lautlos nach außen, und Roland huschte in das Innere des Stalls.

Es roch nach Urin und Kot, nach geronnenem Blut und Fäulnis.

Eine atemberaubende Mischung aus Ammoniak, Schwefelgasen, Eisen- und Kupfergeruch.

Kurzum, es stank nach Tod!

Das war zumindest Vivians Eindrucks, als sie sich gemeinsam mit ihrem Freund und Kollegen Roland im Deckmantel der Finsternis durch den schmalen, grob verputzten Korridor tastete. Noch befanden sie sich in einer Art Lager- oder Werkzeugkammer. An den Wänden hingen Besen, Schaufeln, Schläuche und Hochdruckreiniger. Links führte ein Durchgang in eine Kaue, wo mehrere Paare Gummistiefel standen. Kunststoffoveralls baumelten an Haken.

»Wir befinden uns jetzt in einem der Ställe der Asag Holding GmbH in Traben bei Meppen, Niedersachsen«, hörte Vivian ihren Freund sagen. Er sprach natürlich nicht mit ihr, sondern kommentierte den Live-Stream, dessen Tonspur später auch als Protokoll für eine etwaige Verhandlung herhalten würde.

Das war wichtig, wie Vivian wusste, trotzdem hätte sie sich in diesen Augenblicken gewünscht, er wäre still gewesen. Es war nicht das erste Mal, dass sie in einen Mastbetrieb einstiegen, doch nie zuvor hatte sie ein intensiveres Gefühl der Beklemmung verspürt.

»Der Standort Traben verfügt über zehn Ställe, mit jeweils sechzehn Koben, in denen wiederum zwanzig Schweine untergebracht sind. Diese Koben besitzen eine Fläche von fünf mal vier Metern. Damit würde die Asag Holding GmbH die gesetzliche Vorgabe erfüllen, die pro Mastschwein einen Quadratmeter vorschreibt. Die Geschäftsleitung hat uns per Mail zugesichert, dass sie in Zukunft auf naturnahe Haltungsbedingungen umschwenken würde, davon haben wir bislang noch nichts gesehen. Gut möglich, dass sie dafür auf andere Liegenschaften ausweichen wollen. Schauen wir also erst einmal an, wie es ...«

Roland Kramer brach mitten im Satz ab.

»Was ist los?«, fragte die hinter ihm stehende Vivian, die gerade dabei war, ihre Spiegelreflexkamera schussbereit zu machen. Webcams und Live-Stream schön und gut, nichts ging jedoch über ein paar gestochen scharfe Fotos. Die Geschäftsführung der Asag Holding GmbH würde deren Echtheit selbstverständlich anzweifeln, doch in diesem Fall genügte der bloße Verdachtsmoment zusammen mit den Bestechungsvorwürfen, die sie erheben würden, um die entsprechenden Behörden zum Reagieren zu zwingen.

»Hörst du das nicht?«

Rolands Hand lag schon auf der Klinke, als er sich noch einmal zu seiner Freundin umwandte.

»Natürlich höre ich das«, entgegnete sie flüsternd. »Dreihundert Schweine machen schließlich Geräusche. Selbst in der Nacht. Vor allem dann, wenn gerade zwanzig von ihnen zum Schafott geführt werden.«

»Das ist richtig, aber das meine ich nicht.«

»Sondern?«

Statt eine Antwort zu geben, drückte Roland die nächste Tür auf. Sie besaß keine Scheibe und bestand auch nicht aus mit Stahl verstärktem Kunststoff. Stattdessen war sie aus einfachen Holzlatten gefertigt. Obwohl Rolands Körper ihr die Sicht versperrte, erkannte Vivian schon während des Öffnens, dass im Stall Licht brannte.

Hatte man vergessen, es auszuschalten, oder holte man bereits die nächste Charge?

Vivian schnürte es die Kehle zu. Läufer hatte ihnen ein Zeitfenster von zwanzig Minuten Minimum zugesagt, von denen nicht einmal die ersten fünf verstrichen waren.

Das Gefühl, in eine Falle gelaufen zu sein, verstärkte sich zusammen mit der Wolke des pestilenzartigen Gestanks, die ihnen unsichtbar entgegenwallte und den beiden Journalisten den Atem verschlug.

Roland Kramer würgte und verharrte wie vom Donner gerührt, sodass Vivian gegen ihn stieß. Die Frage, was los sei, blieb ihr ihm Halse stecken. Obwohl ihr Freund noch immer vor ihr stand und deutlich größer war als sie, konnte sie alles erkennen. Und was sie über seine Schulter hinweg zu sehen bekam, reichte, um ihr einen Schrei des Entsetzens zu entlocken.

Vivian hatte mit grässlichen Bildern gerechnet, aber das hier übertraf ihre kühnsten Erwartungen. Instinktiv wollte sie den Blick von dem grauenhaften Geschehen abwenden, doch irgendetwas hinderte sie daran.

Vielleicht ihr journalistisch geschulter Verstand, der dafür sorgte, dass ihr Augenmerk auf den Schrecken fokussiert blieb, damit die Webcam alles aufzeichnete.

»Und wie Sie sehen, sehen Sie nichts.«

Nicole Duval machte aus ihrem Triumph keinen Hehl. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in dem Bürosessel, der vor dem hufeisenförmigen Schreibtisch stand, zurück.

»Das verstehe ich nicht«, murmelte Professor Zamorra neben ihr.

»Kein Wunder«, entgegnete Nicole grinsend. »Hören kann ich nämlich auch nix. Womit wir auch bei dem berühmten Satz mit X wären. Darf ich jetzt aufstehen?«

»Nur, wenn du packen willst.«

Nicole, schon im Begriff sich aus dem Schreibtischstuhl zu erheben, verharrte mitten in der Bewegung und funkelte ihren Partner an. »Ist nicht dein Ernst?«

»Mein voller.«

Die Französin ließ sich zurückfallen. »Och nö, chéri.«

»Oh doch, Nici.«

»Wo liegt dieser Hof noch gleich? In Sachsen?«

»Niedersachsen«, korrigierte Zamorra. »Genauer gesagt im Emsland, bei Meppen. Das Dorf heißt Traben.«

Nicole hob die Hand. »Nur damit ich das richtig verstehe, chéri. Du willst aufgrund der Mail einer Studentin, die dir mal schöne Augen gemacht hat, tausend Kilometer quer durch Europa fahren, um ... was? Schweine zu retten?«

Professor Zamorra seufzte. »Also erstens hat mir Vivian Schmitt keine schönen Augen gemacht. Sie hat ein Auslandssemester an der Sorbonne belegt und meine Vorlesung besucht. Aus purem Interesse.«

»Klar«, machte Nicole und lächelte spöttisch. »Parapsychologie ist ja auch sooo megawichtig für angehende Journalisten.«

»Ein breites Allgemeinwissen hat noch keinem geschadet. Und zweitens, woher weißt du, dass es tausend Kilometer sind?«

Nici riss die Augen auf. »Es sind wahrhaftig tausend?«, ächzte sie.

Zamorra grinste. »Fast. Da können wir unsere Göttin mal wieder so richtig ausfahren.«

»Deine Göttin«, knurrte Nicole. »Und über deine seltsame Angewohnheit tote Gegenstände anzubeten, sollten wir uns beizeiten mal dringend unterhalten.«

»Ach was«, entgegnete der Parapsychologe. »Das sind ja ganz neue Töne. Und was ist mit deinem Cadillac?«

»Mit dem ziehe ich bestimmt keine Schweine aus dem Dreck. Und außerdem bete ich ihn nicht an oder nenne ihn Gott. Wäre ja noch schöner. Aber egal.« Sie richtete ihren Fokus auf den Monitor, wo der Blog von Vivian Schmitt und Roland Kramer zu sehen war, Our world – your life.

Etwas sperriger Titel, wie sie fand, aber die Botschaft war eindeutig. Wir haben nur einen Planeten, und wenn der hinüber war, dann war es das.

Das war auch einer Nicole Duval bewusst, wenngleich sie eine der wenigen Menschen war, die aus erster Hand wussten, dass es durchaus noch andere bewohnbare Welten gab. Allerdings gab es dabei ein gravierendes Problem, denn wie sollte die Menschheit dorthin gelangen?

Früher hätte es dafür vielleicht eine Lösung gegeben. Sie hätten lediglich mit einer der Hornissen aus dem Bestand der DYNASTIE DER EWIGEN hinzufliegen brauchen, um dort eine Kolonie Regenbogenblumen anzupflanzen, die nichts anderes gewesen waren, als magische Materie-Transmitter.

Gewesen war jedoch das entscheidende Stichwort, denn die Regenbogenblumen waren verdorrt. Und nur weil es irgendwo erdähnliche Planeten gab, bedeutete das noch lange nicht, dass sie unbewohnt waren. Im Gegenteil, die Chance, dass sie bevölkert waren, war sogar ziemlich hoch.

Bei ihrem Glück gehörten sie wahrscheinlich zum Hoheitsgebiet der DYNASTIE DER EWIGEN, und unter deren Ägide wollte wohl niemand gerne sein Dasein fristen.

Abgesehen davon, dass es nicht unbedingt ein erstrebenswertes Lebensziel war, wie die Weltraumnomaden durchs All zu ziehen und eine Spur aus ausgebeuteten und heruntergewirtschafteten Planeten zu hinterlassen.

»Ich verstehe nur immer noch nicht, was das mit uns zu tun hat?« Sie deutete mit dem Kinn auf das eingefrorene Video. Statt des groß angekündigten Live-Streams, in dem die beiden Blogger die Machenschaften der Asag Holding GmbH offenlegen wollten, war nur ein schwarzes Fenster zu sehen. »Wir sind Dämonenjäger, keine Tierschützer.«

»Das eine schließt das andere nicht aus, chérie«, erwiderte Zamorra. »Vivian ist der Meinung, dass sich die Asag Holding GmbH für die Fleischproduktion unlauterer Mittel bedient.«

»Magie?«

Professor Zamorra setzte eine unheilschwangere Miene auf und nickte.

Nicole hob die Brauen. »Ich hoffe, du hast mehr zu bieten als einen düsteren Gesichtsausdruck und einen aufgehängten Live-Stream.«

»Na schön, wie wäre es hiermit? Asag ist der Name eines sumerischen Dämons, der Krankheiten über die Menschheit bringt, Brunnen austrocknen lässt und weitere schlimme Schandtaten verübt.«

»Also der Sündenbock für alles Übel, für das die Menschheit keinen Schuldigen finden konnte. Nun, dann wissen wir ja, wem wir Corona zu verdanken haben.«