Projekt Omikron - Lorelai SeltCor - E-Book

Projekt Omikron E-Book

Lorelai SeltCor

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Beschreibung

So wie Cinderella leidet auch Alice MacJextey unter den Schikanen einer bösen Stiefmutter und einer nicht minder gemeinen Stiefschwester. Die Differenzen zwischen Alice' leiblicher, liebender Mutter und der neuen Frau des Vaters arten so weit aus, dass Alice' Stiefmutter zu drastischen Mitteln greift. Alice' Leben, das eine völlige Kehrtwendung vollzieht, belastet sie zusätzlich mit einem gigantischen Geheimnis. Inmitten dieses Chaos trifft sie auf den mysteriösen Luc. Auch er muss ein Geheimnis hüten, das niemals gelüftet werden darf. Doch plötzlich, ohne Erklärung, darf Alice Luc nicht mehr treffen, was ihre Welt vollkommen erschüttert. Wie soll ihr Leben nur ohne ihn weitergehen? Wird es ein Leben als Mensch bleiben? Wird sie Luc eines Tages wiedersehen?

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0014-1

ISBN e-book: 978-3-7116-0015-8

Lektorat: Elisabeth Biricz

Umschlagabbildung: Lorelai SeltCor

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Prolog

Ich ging zu Bett und schlief ein.

„Hi, Ally!“ Ein Arm legte sich von hinten um meine Taille.

„Luc? Du bist früh dran!“

„Ja, ich weiß.“ Ich neigte meinen Kopf etwas nach links. Der leichte Schmerz, den ich bereits gewöhnt war, breitete sich über meinen Nacken hinweg aus.

„Wie geht es dir?“, wollte Luc wissen.

„Gut!“, antwortete ich.

„Lüg mich nicht an!“, erwiderte er, „Seit wir uns kennen, war das noch nie so. Was ist passiert?“

„Ach! Nur der normale Wahnsinn. Du weißt schon“, meinte ich.

„Wenn du meinst.“

„Luc? Ist alles Okay? Du wirkst etwas angespannt.“

„Natürlich! Was sollte nicht in Ordnung sein?“

„Keine Ahnung. Immerhin weiß ich nicht viel über dein Privatleben. Aber du wirkst, als würde dich etwas belasten.“

„Mir geht’s gut.“

„Wenn du das sagst.“

Über ein paar Minuten zog sich das Schweigen. Dann spürte ich wieder den Schmerz.Okay, hier stimmte etwas eindeutig nicht! Es gab etwas, das er mir verschwieg! Und es war wichtig. Sonst würde er mir nicht so viel Blut nehmen.

„Luc?“

„Hmm?“

„Was ist los?“

Der Schmerz nahm wieder ab.

„Ich habe dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist.“

„Wenn du mir nicht sofort sagst, was dich so belastet, drehe ich mich um!“

„Nein! Nein … Du hast gewonnen. Ich … Ich sage es dir.“

Das hatte schon immer gezogen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde hatte er fürchterliche Angst davor, dass ich ihn zu Gesicht bekam. Dabei brannte ich förmlich darauf, den Jungen, der mich fast jede Nacht in meinen Träumen besuchte, zu sehen.

Das erste Mal hatten wir uns getroffen, als er zufällig in meine Träume gestolpert war. Ich war damals sieben Jahren alt gewesen. Es war das erste und einzige Mal, an dem ich ihn hätte irgendwie sehen können. Aber damals war ich viel zu perplex gewesen. Ich meine: Ja, es war ein Traum, aber er hatte irgendwie nicht hineingepasst. Am Anfang war er ziemlich schroff gewesen, aber mit der Zeit wurde er lockerer.

Es war der Tag gewesen, an dem ich meine Eltern verloren hatte. Er stellte sich als überraschend verständnisvoll heraus. An jenem Tag hatte er begonnen, mich unregelmäßig zu besuchen, und wir wurden Freunde. Ich hatte ihm von meinem Leben erzählt und er mir von seinem. Er war die einzige Person, mit der ich mich wirklich unterhalten konnte, die einzige Person, der ich vertraute. Manchmal machten wir Ausflüge. Er zeigte mir die schönsten Orte. Er war ein richtiger Freund.

Die einzige Bedingung war, dass ich ihn nicht sehen durfte.

Nach einiger Zeit hatten wir uns immer öfter getroffen und nun fast täglich. Ich freute mich immer darauf, endlich schlafen gehen zu können. Er war das Licht meines Daseins. Derjenige, der mich davon abhielt, mein Leben komplett hinzuschmeißen.

Wir waren uns immer nähergekommen und ich hatte Gefühle für ihn entwickelt, die über einfache Freundschaft weit hinaus gingen. Ich gebe zu, ich hatte mich Hals über Kopf in Luc verliebt. Seine Gefühle für mich waren mir aber unklar. Ich wusste, dass er mich als Freundin sah, aber ich wusste nicht, ob er auch so fühlte wie ich. Ich wusste nicht, ob er in der ‚realen‘ Welt vielleicht eine Freundin hatte.

Ah ja! Und Luc ist übrigens ein Dämon oder ein Vampir oder so. Ich weiß nicht genau. Aber eines Nachts hatte er mich auf einmal gebissen und war ziemlich krass drauf gewesen. Im Nachhinein hatte er sich entschuldigt und erklärt, dass er schwach geworden wäre. Ich war ihm nicht böse gewesen. Ich bin immerhin selbst kein normaler Mensch mehr, ich hätte es nur gerne gewusst, bevor er mich überfallen hatte. Damals hatte er angefangen, mit meinem Einverständnis natürlich, ab und an mein Blut zu trinken. Es war zum jetzigen Zeitpunkt mittlerweile zur Gewohnheit geworden.

„Also“, meinte Luc, „ich weiß nicht, wie ich es dir schonend beibringen soll.“

„Sag es einfach!“, drängte ich.

„Ich … Wir …“

„Ja?“, fragte ich teilweise genervt, teilweise besorgt. Er war immer sehr selbstbewusst gewesen. Ihn stottern zu hören, war ungewohnt. Es musste wirklich sehr wichtig sein.

„Ich kann dich ab morgen nicht mehr besuchen und es könnte sein, dass wir uns nie wieder sehen!“

Ich versteifte mich augenblicklich.Was hatte er gerade gesagt?

„W-Wie meinst du das?“, stotterte ich.

„Es-Es tut mir leid, Ally!“

Er hielt mich fester und zog mich noch dichter an sich. Ich lehnte mich leicht an ihn, stand aber immer noch unter Schock. Das konnte nicht sein. Wir kannten uns jetzt sieben Jahre lang und aus heiterem Himmel heraus musste er auf einmal gehen?

„Warum?“, fragte ich etwas verzweifelt, nachdem ich mich etwas erholt hatte.

„Das kann ich dir nicht erklären.“

„Warum nicht? Weil das, was damit zu tun hat, wer und was du bist? Wir kennen uns seit verdammten sieben Jahren und deinen Namen hab‘ ich nur über hundert Ecken herausbekommen. Wobei ich mir sicher bin, dass es nur eine Abkürzung ist. Ich habe mit dem Fragen aufgehört, weil ich nicht wollte, dass du dich unwohl fühlst, und jetzt sagst du mir, dass du mich einfach so verlässt und möglicherweise nie wieder zurückkommst? Und du willst mir nicht mal den Grund dafür nennen? Den Grund dafür, dass ich meinen besten Freund verliere?“ Ich brach in Tränen aus.

Er hielt mich und seufzte.

„Es tut mir wirklich so leid!“

„Das weiß ich schon, aber das bringt mir jetzt auch nichts mehr!“ Ich schluchzte und versuchte, seinen Griff etwas zu lockern. Dann blieb ich still.

„Warum willst du nicht, dass ich dich sehe?“

Luc seufzte abermals und lockerte die Umarmung so weit, dass ich mich wieder bewegen konnte. Ich dachte schon, dass ich wieder keine Antwort bekommen würde, als er plötzlich sagte: „Ich habe Angst davor, dass du dich dann vor mir fürchtest. Ich würde es nicht ertragen, wenn du Schrecken vor mir empfinden würdest.“

„Was? Warum sollte ich das? Ich bin doch auch nicht vollkommen menschlich. Ich bin zum Teil Wolf.“

„Vertrau mir! Du willst mich nicht sehen.“

Bevor Luc auch nur reagieren konnte, löste ich mich von ihm und sah ihn an. Nach all den Jahren wagte ich es, meinen Freund zum ersten Mal anzusehen. Und im ersten Moment erschrak ich tatsächlich.

Vor mir stand kein Mensch, was ich bereits erwartet hatte, eher eine Kreatur. Sie hatte Hörner und Flügel, die an die von Fledermäusen erinnerten. Seine Augen waren von grellem Rot und leuchteten. Er sah wie der Teufel höchst persönlich aus.

Ich konnte ihn nur anstarren. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.

Luc fing sich wieder und trat einen Schritt zurück. „Ich wusste, dass das passieren würde. Warum musst du auch so dickköpfig sein? Du warst der erste Mensch, bei dem es mir wichtig war. Aber jetzt ist es doch eh egal. Du hältst mich sicher für abstoßend und Furcht einflößend. So wie es sein soll. Aber das wollte ich nicht. Ich wünschte, ich wäre nicht so. Aber mir war klar, dass du mich, in dem Moment, in dem du mich siehst, nicht akzeptieren würdest und nicht mehr mit mir befreundet sein willst. Egal, wie du zuvor empfunden hast…“

Ich musterte ihn, während er sprach. Luc war eine interessante Erscheinung. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht vollkommen abstoßend.

Sein Erscheinungsbild schien zu flackern. Ich glaubte nicht, dass dies der wahre Luc war. Es wirkte eher wie eine Hülle, als würde das was ich sehe, nicht die Wahrheit sein.

Mit drei großen Schritten stand ich vor dem völlig überraschten Luc. Ich schlug meine Arme um seinen Hals, zog ihn zu mir heran und küsste ihn.

In den ersten Sekunden versteifte er sich. Danach entspannten sich allerdings seine Muskeln, als wäre eine riesige Last von seinen Schultern gefallen und er erwiderte den Kuss.

In mir fuhren die Gefühle Achterbahn. So fühlte es sich also an, zu lieben und diese Gefühle auch erwidert zu bekommen. Es war das Schönste, das ich in meinem bisherigen Leben erlebt hatte.

Mir war sein Aussehen vollkommen egal. Wie er auch aussah, er war immer noch die Person, in die ich mich verliebt hatte. Diese schönen Augenblicke mit ihm waren der Grund, warum ich weitermachte. Auch wenn mein Leben der Hölle glich.

Der Moment war viel zu schnell vorbei. Schon lösten sich unsere Lippen voneinander, wenn auch widerwillig.

Als ich diesmal die Augen öffnete, hatte sich Luc verändert. Es war nichts mehr von der Kreatur zu sehen, stattdessen stand jetzt ein Junge vor mir, mit weißem Haar und weinroten Augen.

Er zog mich noch einmal an sich und da sah ich sie.

Aus Lucs Rücken kamen zwei gewaltige, majestätische, rabenschwarze Schwingen, die sich über uns beide erhoben.

„Wow!“, hauchte ich. Luc hielt mich etwas von sich und sah mich irritiert an, was ich nur im Augenwinkel wahrnahm. Die Flügel hielten meinen Blick gefangen. Ich musterte jedes Detail.

„Sie sind wunderschön.“

„Warte… Du kannst meine Schwingen sehen?“

„Ja!“, ich blickte ihm in die Augen und lächelte leicht.

„Du-Du kannst sie wirklich sehen?“

„Jaaa …“ Ich streckte eine Hand nach einer aus, stoppte aber abrupt mitten in der Handlung ab. „Darf ich?“

Luc nickte. Ich strich leicht über die seidigen Federn. Sie fühlten sich weich an. Nur ungern löste ich meine Hand von ihnen. Danach blickte ich wieder zu ihm auf.

Er starrte mich immer noch fassungslos und zerstreut an.

„Was ist?“, wollte ich wissen.

„Du kannst mich sehen!“ Ihn schien dies durcheinanderzubringen. „Du bist der erste Mensch, der MICH sehen kann.“

Danach erholte er sich etwas von dem Schock und setzte sich auf einen niedrigen Felsen, der zufälligerweise genau hinter ihm lag (wobei im Traum vermutlich nichts dem Zufall überlassen ist).

Wir befanden uns in einer Lichtung im Wald an einer Klippe. Darunter erstreckte sich der Wald weiter und ein Fluss plätscherte seelenruhig dahin. Die Sonne verschwand gerade am Horizont. Es hatte etwas Malerisches und war, zugegebenermaßen, sehr romantisch.

Ich setzte mich neben Luc und lehnte mich leicht an ihn.

„Würdest du mir jetzt erzählen, wer und was du bist?“

Er lachte kurz auf. „Klar! Also mein vollständiger Name lautet Lucifer und ich bin das, was man unter einem gefallenen Engel versteht.“

„Moment. Lucifer, wie aus den Sagen?“

„Jap! Dafür war ich die Vorlage.“

„Ich habe aber noch nie gehört, dass du ein Vampir bist.“

„Die Geschichten stimmen auch nur zu einem gewissen Grad. Aber für die Vampirgeschichten waren ebenfalls gefallene Engel verantwortlich. Allerdings stimmt das mit dem Knoblauch und dem Tageslicht nicht.“

„Gut zu wissen! Wie soll ich dich eigentlich jetzt nennen?“

„Wie es dir gefällt.“

Anschließend unterhielten wir uns noch weiter über Gerüchte und Fakten und lachten über die obskursten Vermutungen.

Nach einiger Zeit wurde ich aber wieder ernst. Es gab etwas, das noch nicht geklärt war.

„Warum musst du gehen?“

Schlagartig war die Leichtigkeit wie weggeblasen.

„Es geht um einen Auftrag.“

„Einen Auftrag?“

„Ja. Ein paar meiner Freunde und ich werden auf die Erde geschickt. Wir sollen uns dort unters Volk mischen. Wenn ich bei euch Irdischen bin, kann ich nicht in deinen Traum eintauchen. Die einzige Möglichkeit, dass wir uns wieder sehen, ist, wenn wir uns in deiner realen Welt treffen und das ist sehr unwahrscheinlich. Vor allem, weil ich nicht einmal weiß, wo wir überhaupt hingeschickt werden.“

„Da hast du wohl recht.“ Ich umarmte ihn fest und er erwiderte die Geste. So saßen wir einige Zeit da. Vielleicht waren es Minuten oder auch nur Sekunden. Ich hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren. Das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass dies womöglich das Ende war.

Nach dieser Nacht würden wir uns nie mehr wiedersehen.

1

Alice

DREI JAHRE SPÄTER

Ich lief so schnell mich meine Beine tragen konnten. Sie würden mich nicht bekommen.

Die kalte Abendluft stieg in meine Nase und mein Mantel wehte hinter mir her. Schüsse waren zu hören. Ich wich gerade noch einer Kugel aus, die mich fast auf Kopfhöhe getroffen hätte.

Hinter der nächsten Ecke war eine Sackgasse mit einer etwa drei Meter hohen Mauer. Da konnte ich meine Verfolger abschütteln.

Ich bog in die Seitengasse ein und lief direkt auf die Wand zu.

„Wir haben sie!“, hörte ich einen Mann hinter mir rufen. In dem Moment sprang ich die Mauer hoch.

Geschockte Laute kamen von meinen Jägern, als ich auf der Mauer landete.

Ich blickte nicht noch einmal zurück. Ich landete auf der anderen Seite und lief weiter. Ich hatte sie vielleicht abgeschüttelt, aber wer sagte denn, dass sie mich nicht wieder finden würden.

Ich rannte und rannte durch die Gassen des Viertels.

Nach einer halben Stunde fühlte ich mich sicher und kletterte die Regenrinne einer Hauswand hinauf. Auf dem Dach stoppte ich und atmete tief durch.

Die Sonne ging langsam hinter den Häusern unter und tauchte den Horizont in ein warmes Rot.

Es wäre eigentlich ein schöner Anblick gewesen, wenn es nicht geheißen hätte, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, um heimzukommen.

Ich atmete abermals ein und wieder aus. Es war Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen.

Ich nahm Anlauf und sprang wieder auf die Straße.

Als ich bei meinem Unterschlupf ankam, war es bereits dunkel. Ich bog um die letzte Ecke.

Leider war ich unvorsichtig gewesen, sonst hätte ich gespürt, was mich dahinter erwartet hatte.

Schwarze Schatten lagen in der Gasse und gräulicher Rauch stieg auf. Ich hatte sie nicht bemerkt. Es waren drei oder vier von ihnen. Ich war nur noch etwa zwanzig Meter von meiner Haustür entfernt.

Plötzlich ging ein dumpfer Schmerz durch meinen Arm.Verdammt, einer hat mich gebissen.Ich schüttelte die Kreatur an meinem Arm ab und wich den anderen aus.

Meine Kräfte ließen nach. Anscheinend war bei dem Biss Gift übertragen worden.

Irgendwie schaffte ich es zur Tür. Ich öffnete sie, stolperte hinein und warf sie hinter mir zu.

Drinnen rutschte ich an der Tür hinab. Das Gift war stärker, als ich gedacht hatte.

Ich ging zu Boden und sah nur mehr Schwarz.

Als ich die Augen öffnete, war ich nicht mehr im Armenviertel, in dem ich um mein Leben rang. Ich war in einem weißen Raum.

Sofort bekam ich Panik.War ich wieder in dem Labor? Bitte nicht!

Ich sah mich hektisch in dem sterilen Raum um. Da fiel mir auf, dass ich gar nicht ans Bett gefesselt war. Ich schlug die kuschelige Decke weg und setzte mich auf. Mein braunes Haar fiel mir über die Schultern. Anscheinend war mein Erscheinungsbild stabil. Es wäre problematisch, wenn ich Wolfsohren oder einen Schwanz in der Gegenwart von anderen Menschen hätte. Da ging plötzlich die Tür auf.

„Du bist wach“, stellte eine mir vertraute Stimme fest.

Ich hätte nie gedacht, dass ich ihm wieder begegnen würde.

Nikolas Anderson sah mich mit einem leichten Lächeln an.

„Sie?“, fragte ich verwundert.

„Hallo Alice!“

Er war der beste Freund meines Vaters, Ryan Nex, gewesen und hatte auch meine Mutter gut gekannt und gemocht. Meine Stiefmutter verabscheute er allerdings.

Mein Vater war, als er meine Mutter kennenlernte, schon verheiratet. Sie war eine Goldgräberin gewesen und hatte ein Erbe, das mehrere Millionen umfasste. Nach der Hochzeit hatten beide ihren Familiennamen behalten. Aus dieser Ehe gab es auch eine Tochter, die bei ihrer Geburt beide Familiennamen angenommen hatte. Meine Stiefschwester war, wie ihre Mutter, ein Biest, abgehoben und arrogant.

Jedenfalls hatten sie sich zerstritten und mein Vater hatte meine Mutter Sirena MacJaxtey kennengelernt. Er hatte sie geliebt und sie ihn. Sie war aus ärmeren Verhältnissen gewesen, aber diese Tatsache hatte Dad nie gestört.

Mein Vater hatte die Scheidung gewollt. Meine Stiefmutter, Kathrin Oblo, war natürlich dagegen gewesen. Zu dem Zeitpunkt hatte mein Vater allerdings nichts von dem Kind gewusst.

Bei einem der Gerichtstermine hatte Mrs. Oblo eröffnet, dass sie schwanger und im sechsten Monat sei. Daraufhin konnte mein Vater sie nicht mehr aus seinem Leben verbannen. Er hatte sich verständlicherweise dem Kind gegenüber verantwortlich gefühlt.

Ich war kurz vor dem Gerichtstermin passiert. Also hatte man an mich noch nicht gedacht. Als herausgekommen war, dass meine Mutter auch schwanger gewesen war, war zu Hause die Hölle los. So kam es, dass wir nun zu fünft waren.

Meine Mutter hatte mich geliebt und meine Stiefmutter hatte mich genauso wenig leiden können, wie sie meine Mutter mochte. Mein Vater hatte davon nichts mitbekommen.

Wir hatten zu fünft in einem Haus gelebt.

Zumindest bis meine Eltern vor knapp zehn Jahren verstarben.

Nikolas hatte mir, im Gegensatz zu den meisten anderen, nie die Schuld am Tod meiner Eltern gegeben.

Nachdem ich zuhause wegen Kathrin ausziehen musste, war er mich manchmal in meiner kleinen Wohnung im Armenviertel besuchen gekommen. Wir hatten eine besondere Bindung, vor allem nach dem Verlust meiner Eltern.

Er hatte mehrmals angeboten, dass ich bei ihm und seiner Familie leben könnte, was ich jedoch dankend ablehnen musste. Es hatte sich für mich falsch angefühlt und seine Tochter war eine gute Freundin meiner Stiefschwester. Sie hätte ihr sofort davon erzählt.

Nikolas prüfte meine Werte auf einem Monitor an der Wand, an den ich angeschlossen war.

„Wie es aussieht, bist du völlig gesund“, sagte er und schaute mich an, bevor er fortfuhr, „Gut, dass dir nichts passiert ist. Ich hatte schon Sorge, es könnte etwas Schlimmeres geschehen sein. Du sahst anfangs sehr schlecht aus. Glücklicherweise waren die Wunden nicht tief. Du bist, seit du vor zwei Tage her gekommen bist, bewusstlos gewesen“ Er setzte sich neben mich auf das Krankenbett.

Wunden? Wie hatte ich die bekommen? Was war passiert, nachdem ich ohnmächtig geworden war? Das hätte nicht möglich sein sollen.

Mein Wohnort war stets mit einem Sicherheitszauber versehen gewesen.War das Gift noch intensiver gewesen? Was um Himmels willen hatte mich da infiziert? Und weshalb hatten die Monster ihren Job nicht beendet?

Nicht, dass ich momentan gerne sterben würde, aber, dass die Dämonen ihr Werk vollendeten, machte keinen Sinn.

Ich war froh, dass er nicht fragte, warum ich in diesem Zustand gewesen war. Er vertraute mir, aber wenn ich anfangen würde, über übernatürliche Wesen zu sprechen, würde er mich für verrückt halten. Er war unter anderem Wissenschaftler und hätte ohne eine plausible Erklärung kein Verständnis. Ob es nun wahr war, oder nicht.

Er wusste genauso wenig wie alle anderen, was mir an diesem schicksalhaften Tag passiert war. Er wusste nicht, dass ich ein übernatürliches Wesen mit unerklärlichen Fähigkeiten bin. Und er sollte es auch nicht wissen.

In Gegenwart von anderen Menschen verbarg ich meine Wolfsohren, meine Wolfsrute und meine Fangzähne. Da sie für Menschen nicht natürlich aussahen, musste ich auch meine Haar- und Augenfarbe anpassen: von Pastellblau auf Haselnussbraun und von Violett auf Schokobraun. So war ich unauffälliger und man würde nicht versuchen, mich einzusperren.

„Wie bin ich hierhergekommen?“, wollte ich von Nikolas wissen, denn ich kannte diesen Raum. Er gehörte zum Krankentrakt der Schule die Nikolas leitete.

„Ich habe einige meiner Leute seit deinem Verschwinden auf dich angesetzt. Glücklicherweise konnten sie dich rechtzeitig finden. Sie brachten dich dann her. Aber ich würde gern wissen, was passiert ist. Warum bist du damals weggelaufen?“, antwortete er.

Ich seufzte.Wie sollte ich ihm erklären, dass ich im Traum einen besten Freund gehabt hatte, der damals gehen musste, weil er ein gefallener Engel war und auf die Erde geschickt wurde?Wieder so eine übernatürliche Story.

„Es war zu viel geworden. Ich konnte es zuhause nicht mehr aushalten. Wenn ich noch länger geblieben wäre, hätte ich mich früher oder später vielleicht sogar umgebracht.“ Das war jedenfalls nicht gelogen.

„Warum bist du nicht zu mir gekommen? Ich habe dir doch gesagt, dass du mir alles erzählen kannst und wenn du ein Problem hast, lösen wir es gemeinsam. Du musst nicht allein sein.“

„Ich habe dir schon damals gesagt: Wenn mich Jessica gesehen hätte, hätte sie es Amelia gesagt, die es ihrer Mutter gesagt hätte, die es unterbunden hätte.“ Mich gruselte immer noch der Gedanke daran, was passiert wäre, wenn ich Nickolas‘ großzügiges Angebot angenommen hätte und seine Tochter, Jessica, meiner Stiefschwester, Amelia, erzählt hätte, dass ich mich bei ihnen vor Kathrin versteckte.

Wir schwiegen einen Moment und waren in eigene Gedanken vertieft, bis Nikolas meinte: „Na ja! Ich bin jedenfalls erleichtert, dass es dir gut geht.“

„Wo bin ich hier überhaupt?“, wollte ich wissen.

„Oh! Ich habe dich in die Krankenstation meiner Schule bringen lassen. Hast du ein Zuhause?“

„Das ändert sich immer. Vielleicht bringst du mich einfach wieder dorthin zurück, wo ich gefunden wurde.“

„Oder du bleibst an der Schule, machst deinen Abschluss und bist in Sicherheit.“

„Ich… Ich weiß nicht.“

„Bitte“, flehte er mich förmlich an, „ich kann nicht ruhig leben, wenn ich mir immer Sorgen um dich machen muss.“