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Eine zerstörte Welt, Ungewissheit und Vergangenheit. Yara erwacht in einer ungewohnten Umgebung, alles scheint anders, als hätte man Sie aus Ihrer Welt und Ihrer Zeit gerissen. Ohne Wissen über das, was war und ohne eine Ahnung von dem was sie erwartet, schlägt sie sich durch eine neue raue Welt und kämpft um ihre Freiheit und ihr Überleben. Wer wird ihr zur Seite stehen?
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Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorwort
Objekt 951
Kapitel 1: Die rote Stadt im Jahr 2620
Kapitel 2: Spacepirates Ship Horus23 Jahr 2620
Kapitel 3: Spacepirates Ship Horus23 Jahr 2620
Kapitel 4: Außerhalb der roten Stadt im Jahr 2620
Kapitel 5: Die Landung
Kapitel 6: Die Rache
Kapitel 7: Planet 01 – Die Erde im Jahr 2040
Kapitel 8: Delta 4598 im Jahr 2620
Das Buch ist ein persönliches Projekt, was mich durch die Corona-Pandemie begleitet hat und mir dabei geholfen hat, schwierige Situationen zu meistern.
Begleitet haben mich dabei meine Familie und meine Freunde.
Nach einigen Jahren bin ich nun fertig mit dem Anfang meiner Geschichte.
Perfektion kann man nicht erwarten, aber wer gute und spannende Unterhaltung mit einer mitreißenden Geschichte in einer Science-Fiction Welt sucht, sollte weiterlesen.
Ich wünsche jedem, der mein Buch tatsächlich lesen möchte, viel Spaß und ich bedanke mich für euer Interesse!
Es war dunkel in dem Zimmer, in dem sie erwachte. Yara fühlte sich benommen und blinzelte ein paar Mal, um den Nebel aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie ließ ihre Augen durch den dunklen Raum wandern. Ihr Blick streifte ein Reagenzglas, welches Neonfarben leuchtete. Sie versuchte sich aufzurichten, um mehr Einzelheiten erkennen zu können, bemerkte jedoch, dass sie etwas daran hinderte. Sie versuchte zu sprechen und nach einigen Anläufen brachte sie ein paar Worte hervor.
„W- Wo bin ich? Was ist hier los?“, wollte sie rufen, jedoch klang ihre Stimme schwächlich und rau, als hätte sie sie lange nicht benutzt. Dann hörte sie Schritte, die immer näher kamen und die Türe des Raumes öffnete sich. Das Licht des Flurs erhellte den Raum, Yara kniff die Augen zusammen und musste blinzeln, weil es plötzlich so hell war. Dann konnte sie eine Gestalt erkennen. Es war eine Frau - sie trug einen weißen Kittel.
„Ich werde nach Nummer 951 sehen, Steve. Bis gleich.“ Dr. Kowler stand gelassen von ihrem Laborstuhl auf.
Dr. Jericho Kowler war seit 15 Jahren an Board der Horus23. Sie hatte dort ihr Studium zur Ärztin absolviert und arbeitete seit einiger Zeit in der Forschungsabteilung. Ihr neustes Projekt startete sie ein paar Wochen zuvor. Projekt „Time-Kill“.
Die Horus23 war ein relativ kleines Raumschiff. Es hatte 11 Decks, die ringförmig um das Kontrollzentrum auf Deck 12 angeordnet waren. Die meisten Level waren Produktions- und Frachtebenen. Die Forschungsebene für Testobjekte und Versuche, auf der sich Dr. Kowler hauptsächlich aufhielt, war Deck 6.
Dr. Kowler trat den Weg zum Versuchszimmer an. Sie war zuvor im Labor gewesen, um die Werte von Objekt 951 überprüfen zu lassen, denn Ihr war eine Abweichung aufgefallen, die sie sofort überprüfen lassen wollte. In Gedanken und gelassen, mit den Händen in ihren Kitteltaschen, bewegte sie sich zum Versuchszimmer, als sie plötzlich Schreie aus dem Versuchszimmer wahrnahm. „Wieso ist sie wach?!“, fragte sie laut und begann zu rennen. Kurz vor der verschlossenen Tür blieb sie stehen und holte tief Luft. Sie öffnete die Tür.
„Systeme hochfahren!“, hörte Yara die Frau im weißen Kittel sagen. Plötzlich ging das Licht an und mit ihm unzählige Computer und Monitore. Die Wände des Raumes bestanden aus weißem Metall und wirkten fremd auf Yara. Sie entdeckte über sich ein Tablett, was über ihrem Körper zu schweben schien. Darauf befanden sich Spritzen, Skalpelle und andere Instrumente, wovon sie einige nicht kannte. Ihr wurde schwindelig und sie drückte ihre Augen fest zu. Die Situation brachte sie zum Zittern.
„Mein Name ist Dr. Kowler“, sagte die Frau im weißen Kittel, die sich direkt neben Yara stellte. „Wie fühlst du dich, 951?“, sie wirkte bestimmt, aber freundlich.
Yara öffnete vorsichtig die Augen und sah Dr. Kowler ins Gesicht. Dr. Kowler hat dunkelbraunes Haar, welches sie zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden hatte. Ihre hellbraunen Augen wirkten streng. Insgesamt war sie eine einschüchternde Erscheinung, groß und kräftig gebaut mit sehr heller Haut.
„Kannst du mich hören?“, fragte die eindrucksvolle Erscheinung etwas bestimmter. Yara versuchte zu antworten, bekam aber keinen Ton heraus.
Plötzlich griff Dr. Kowler hastig auf das Tablett, das sich über Yaras Bauch befand und an einer Halterung des Versuchstisches befestigt war. Sie näherte sich Yaras Gesicht mit einem Instrument. „Nein!“, keuchte Yara erschrocken. „Na, Na Mädchen. Das tut schon nicht weh.“ Es war nur eine kleine Lampe mit der Dr. Kowler Yara in die Augen leuchtete. „Sprechen kannst du ja anscheinend doch und deine Pupillenreaktion ist gut.“
„Wo bin ich?“, fragte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Das wirst du schon noch früh genug erfahren.“, murmelte Dr. Kowler und ging zu einem Arzneischrank, der sich neben der Eingangstüre des Raumes befand. Yara versuchte den Kopf zu heben, um zu verfolgen, was die Frau im weißen Kittel aus dem Schrank holte.
Dr. Kowler suchte etwas im Schrank und murmelte: „Wo ist denn schon wieder das Alfentan...ah da ist es ja.“ Sie hatte eine Ampulle in der Hand und ging zurück zum Versuchstisch. Sie nahm etwas, das wie eine Pistole aussah vom Tablett, schob den Riegel nach hinten und legte die Ampulle ein.
Yara bekam es mit der Angst zu tun, versuchte sich aufzurichten und zerrte an den Fesseln, die sie am Tisch festbanden. Dr. Kowler legte die Hand auf Yaras Stirn und drückte sie fest zurück auf die Liege. Die andere erhob sie, um das Gerät an Yaras Hals anzusetzen. Sie bekam noch ein verängstigtes „Stopp“ heraus, da drückte Dr. Kowler schon den Kolben des Injektors und spritze Yara das Medikament. Sie spürte noch den Nadelstich, dann wurde alles um sie herum schwarz und leer.
Es war mal wieder einer der Tage wie Dervan sie hasste. Die trockene Hitze machte ihm zu schaffen. Planet 4598 Delta, oder auch Grey Desert, war für seine Hitze und Sandstürme bekannt. Die Natur war durch graue Gesteinsformationen geprägt und hatte vereinzelte Wälder deren Pflanzen durch den Stoff Purpurin dunkelrot gefärbt waren.
Dervan war ein Bastard. Um genau zu sein: der Bastard des Präsidenten von Delta 4598. Durch eine strenge ein-Kind-Politik war es Ehepaaren nicht mehr erlaubt gewesen, mehr als ein Kind zu bekommen. Dervans Mutter war eine Prostituierte, deren Sterilisation nicht erfolgreich durchgeführt worden war. Sie starb vor wenigen Jahren und die Umstände ihres Todes konnten nie geklärt werden. Kaum jemand hatte Interesse daran, das Verschwinden oder den Tod einer Hure zu untersuchen, auch wenn er noch so unnatürlich gewesen sein mochte. Sein Vater hatte sich zwar öffentlich zu ihm bekannt, jedoch geschah dies eher aus politischer Notwendigkeit. Viel Ähnlichkeit zu seinem Vater hatte er jedoch nicht. Er war sogar kleiner als der Durchschnitt, aber seine muskulöse, sportliche Gestalt machte die geringere Körpergröße wieder wett. Er war ca. 30 Jahre alt, hatte große dunkelgrüne Augen, mittellanges, dunkelbraunes Haar und rotbraune Haut, wie die meisten Einwohner von Grey Desert. Sein Vater, Präsident Alexander White, hingegen war ein sehr großer schlanker Mann mit breitem Kreuz, schmalem Gesicht und heller Haut.
Dervan war heute als Wachoffizier vor dem Präsidentengebäude in der Hauptstadt von Grey Desert eingesetzt. Red Maine, hatte markante 2- bis 5-stöckige Gebäude, die durch den Wüstenwind rot gefärbt waren. Das Präsidentengebäude war groß und ähnelte in seiner Form einer alten Burg, wie sie einmal auf dem Planeten 01, auch genannt Erde, vor dessen Auslöschung zu finden gewesen waren.
Heute wurde Dervan direkt vor der Eingangstür platziert, natürlich wieder in der prallen Mittagssonne. Lieber würde er in einem der überdachten Wachtürme sitzen, aber sein Hauptmann und zwei Jahre jüngerer Halbbruder Sandru White hasste ihn zutiefst und quälte ihn umso lieber, also stand er jetzt hier und bewachte pflichtbewusst seinen Posten. Er wusste, dass jeder noch so kleine Fehler, jede Unaufmerksamkeit, eine harte Strafe nach sich ziehen würde.
„Sag mal Dervan, kannst du dich nicht vernünftig rasieren, bevor du zum Dienst antrittst? Du siehst wieder aus wie einer von der Straße!“, hörte er eine schrille weibliche Stimme, die aus dem Eingang des Gebäudes kam. Dervan drehte sich um und sah die Frau seines Bruders, Seltja. „Entschuldige, ich meinte natürlich aus der Gosse, wo du auch herkommst.“, sagte sie abfällig. Sie war sehr schlank und ziemlich groß für eine Frau. Sie überragte Dervan ein wenig. Ihr schmales Gesicht hatte sie, wie es bei allen Reichen von Grey Desert üblich war, weiß gebleicht und völlig überschminkt. Überheblichkeit und Arroganz waren ihre Hauptattribute. Sie war zwar hübsch, sicherlich, aber ihre Charakterzüge machten sie für Dervan unattraktiv. Sie war die Tochter des Präsidenten von Allrion, der Nachbarstadt von Red Maine. Sie und Sandru hatten einander verdient, dachte er gehässig. Als legitimer Sohn des Präsidenten hatte sein Halbbruder eine politische Ehe eingehen müssen und die Wahl des Vaters war auf Seltja gefallen. Bastard sein hatte einen Vorteil, dachte er. So eine Ehe müsste er nie eingehen. Wer würde mich auch schon haben wollen? Schließlich war er einer der wenigen Bastarde, die es auf Grey Desert gab.
Dervan hatte letzte Nacht Spätschicht und musste direkt heute Morgen zur Frühschicht antreten, weshalb er natürlich nicht genug Schlaf abbekommen und auch zum Rasieren keine Zeit gefunden hatte. Ein paar Spritzer kaltes Wasser mussten genügen, um ihn etwas wacher zu machen.
Dervan würdigte Seltja keines Blickes und sah stur geradeaus, dennoch durfte er sie nicht ganz ignorieren: „Frau Hauptmann White“, begrüßte er sie mit einem spöttischen Unterton, den er sich nicht verkneifen konnte. „Mach mir gefälligst die Tür auf und lass mich vorbei!“, antwortete sie in einem abfälligen Ton. Dervan machte eine Faust in seiner Tasche und verkniff sich eine Antwort. Eine Reaktion auf das Verhalten seines Bruders und dessen Frau hatte ihm schon häufiger Strafen eingebracht.
Er spürte, wie sein Magen grummelte. In dem Zeitdruck des heutigen Morgen war an Frühstück noch nicht einmal zu denken. Zum Glück müsste bald Pause sein, dachte er sich. Der junge Mann zog ein Tuch aus der Brusttasche seiner Uniform und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Es sind bestimmt wieder 35 Grad und ich stehe hier in der Sonne“, murmelte er. Unter seiner Uniform war er bereits vollkommen durchgeschwitzt. Die hellbraun-rote Camouflage Uniform war zwar ein Schutz vor der Sonne, jedoch schützte sie nicht vor der Hitze. Seine Jacke durfte er natürlich im offiziellen Dienst vor dem Gebäude nicht ausziehen.
Dervan blickte nach oben und kniff die Augen etwas zusammen. Der Himmel von Grey Desert war durch das Purpurin in der Atmosphäre leicht rötlich und heute wolkenfrei, weshalb das Wetter noch schwerer zu ertragen war.
Plötzlich ertönten Warnsirenen. „Was ist denn jetzt los?“, fragte sich Dervan. „Das sind doch die Notfallsirenen!“, bemerkte er. Auf einmal sah er wie am Himmel etwas in enormer Geschwindigkeit vorbeizog. Das Objekt schien zu brennen. Kurz darauf bebte die Erde für einen kurzen Moment. „Da ist etwas eingeschlagen!“, rief er und nahm seinem Voicetransmitter vom Gürtel und kontaktierte den diensthabenden Hauptmann: „Leutnant Kenzow hier. Erbitte Information zu laufendem Alarm.“
Natürlich musste ausgerechnet sein Halbbruder heute Dienst haben: „Dervan, du kannst dich direkt mit einem Rover auf den Weg machen. Ich schicke dir gleich Koordinaten. Da ist etwas runtergekommen. Geh zum Parkplatz, nimm dir zwei Unteroffiziere mit und räum da mal auf.“ Der zynische Unterton war wieder mal typisch für Sandru, denn Dervan dorthin zu schicken war reine Schikane. Man hätte zuerst eine Suchdrohne schicken können, aber Sandru machte sich mit Vergnügen einen Spaß daraus Dervan durch die Gegend zu schicken, vor allem, wenn es hätte gefährlich werden könnte. Ihn zu Fuß zum Militärparkplatz zu schicken war ebenfalls unnötig gewesen, denn die Unteroffiziere hätten ihn ja abholen können.
„Jawohl, Herr Hauptmann“, erwiderte Dervan emotionslos. Wie immer hielt sich sein Halbbruder mit ihm nicht mit der vorgeschriebenen Kommunikationsweise auf, Dervan hingegen musste sie einhalten. Sowieso galten für ihn immer seltsame Sonderbestimmungen. Er setzte sich in Bewegung in Richtung des Militärparkplatzes, welcher direkt hinter dem Präsidentengebäude lag.
„Yokan, Simon! Kommt, wir müssen zu einer Absturzstelle. Da ist anscheinend wieder ein Meteorit eingeschlagen“, rief Dervan zwei Unteroffizieren zu, die bereits vor dem Eingang des Parkplatzes standen. Die beiden Unteroffiziere waren gute Freunde von Dervan. Yokan Tamashi und Simon Delcruz. Die beiden waren mit Anfang 20 deutlich jünger als Dervan. Dass Dervan mit 30 immer noch Leutnant war, hatte er seinem Halbbruder zu verdanken, der ihm den Aufstieg in den Rängen nicht gestattete.
Da niemand in Sicht war, verzichtete Yokan auf Förmlichkeiten: „Hey Dervan. Wir haben Daisy schon vorbereitet. Dein Lieblingsbruder hat uns bereits angefunkt.“
Daisy war Dervans Rover. Er hat ein Maschinengewehr auf dem Dach und eine Titanpanzerung, weshalb er zwar besser war als ein normales Geländefahrzeug, aber bei weitem nicht so sicher wie ein Militärpanzer. Dervan war allerdings froh, zumindest Daisy bekommen zu haben.
Dervan setzte sich ans Steuer und schmiss seine Jacke auf den Rücksitz. Yokan setzte sich auf den Beifahrersitz und Simon besetzte das Maschinengewehr. „Ich denke zwar nicht, dass wir es brauchen, aber man weiß ja nie, wo sich Piraten rumtreiben“, sagte Simon.
Damit meinte Simon die Wüstenpiraten. Nomaden, die sich meistens in den Bergregionen aufhielten. Bekannt waren sie für ihre unkonventionelle Lebensweise, die simpel und puristisch war. Zugang zu moderner Technik hatten sie fast nicht. Ab und an überfielen sie Militärfahrzeuge oder Konvois. Viele arme Bewohner von Red Maine hatten sich ihnen angeschlossen, da das Regime von Grey Desert über kein Sozialsystem verfügte und der Präsident von Red Maine sie für Abschaum hielt.
Daisy setzte sich in Bewegung. Die Koordinaten der Absturzstelle wurden bereits an das System des Rovers übermittelt. Dervan hätte den Autopiloten fahren lassen können, er liebte jedoch das Gefühl einmal selbst die Zügel in der Hand zu halten. Diese Momente waren selten.
Sie fuhren vom Gelände und durchquerten die Armenviertel von Red Maine; eine breite Straße mit vielen kleinen Gassen, auf denen Menschen verteilt waren, die bettelten oder bescheidene Güter verkauften. Nachdem Sie die Stadt verließen, fuhren sie eine ganze Weile durch das weite Nichts der steinigen Wüste, die noch zu Red Maine gehörte. Die Absturzstelle ist doch ziemlich weit draußen, wir fahren bald in gefährliches Terrain, dachte Dervan.
„Was ist das da vorne? Hat sich da was bewegt?!“, rief Yokan. Etwas metallisches schien in ca. 200 Meter Entfernung von Osten in ihre Richtung geflogen und dann verschwunden zu sein. „Das war ne Drohne!“, rief Simon, der durch den Sucher des Gewehrs gesehen hatte. „Und zwar keine von unseren!“ fügte er noch hinzu. Die Technik auf Grey Desert war etwas veraltet.
„Wo ist sie hin, Simon?“, fragte Dervan.
„Ich weiß es nicht! War wohl eine Aufklärungsdrohne von der Space Police.“
Die Space Police war eine Gruppe von kleinen Raumschiffen mit wesentlich fortschrittlicherer Technik, die um den Planeten Grey Desert flogen und den Handel mit anderen Planeten und Spacepirates kontrollierte. Spacepirates waren geduldete Raumschiffe, die sich die Technik aller Planeten zunutze machten. Sie waren auch als Biohacker bekannt, die mit Medizin handelten und diese herstellten. Der Handel mit Medizin war eigentlich planetar geregelt und begrenzt, weshalb die Biohacker-Schiffe den Beinamen Spacepirates bekommen hatten. Grey Desert war auf die Lieferungen der Biohacker-Schiffe angewiesen, denn er war überbevölkert und generell recht arm. Die Eigenproduktion war auf das Mindeste beschränkt und unzureichend.
„Unbekanntes Objekt in 300 Metern voraus. Geschwindigkeit verringern“, meldete das Navigationssystem von Daisy.
„Wie jetzt? Ein unbekanntes Objekt? Stimmt was mit Daisy nicht?“, fragte Yokan verunsichert. Ein Meteorit wäre durch das Scanning System von Daisy zu erkennen gewesen.
Dervan fuhr sehr langsam, dann brachte er Daisy zum Stehen. „Leute, macht die Gewehre bereit“, sagte er mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Wenn es kein Meteorit war, wären sie nicht die einzigen, die an dem unbekannten Objekt interessiert gewesen wären. Yokan schnappte sich das Gewehr seines Leutnants, welches hinter dem Sitz stand und überprüfte es.
Dervan nickte Yokan zu und setzte Daisy wieder in Bewegung. Simon wurde etwas nervös: „Leute, was kann das sein?!“ Simon war nicht der mutigste Soldat und hatte noch keine aussagekräftige Erfahrung im Außeneinsatz gesammelt, was ihn sehr unsicher und etwas tollpatschig wirken ließ. Er war groß und schlank. Starken Bartwuchs hatte er nicht und seine Gesichtszüge waren weich. Sein bester Freund Yokan war etwas kleiner als er, hatte schwarzes mittellanges Haar und war immer gut rasiert. Er war sportlicher und trainierter als Simon, jedoch hatte er ebenfalls nicht viel Erfahrung in größeren Außeneinsätzen.
Dervan warnte seine Männer: „Wir müssen hier durch einen Felsspalt fahren. Haltet euch fest, es wird holprig.“ Ihm war bewusst, dass sie nicht mehr weit von Piratenterritorium entfernt waren, viel weiter hätten sie nicht fahren können. Sandru kannte die Koordinaten und hatte sie trotzdem so weit in unsicheres Gebiet geschickt, ohne eine Drohne zur Absicherung, geschweige denn eine Aufklärungsdrohne vorab zu schicken.
„Irgendwas stimmt nicht, das kann ich spüren“, jammerte Simon. Sie fuhren auf das Ende des Felsspalts zu. Als sie fast das Ende erreicht hatten sagte Yokan: „Simon das wird schon nichts sein. Beruhige di…..“ Yokan stockte der Atem.
„Hey Jericho! Wie siehts aus?“, rief Steve, als Jericho wieder ins Labor stapfte. Steve war Labortechniker und in Dr. Kowlers Arbeitsgruppe.
„Du glaubst es nicht, Steve. Irgendein Trottel hat mal wieder zu wenig Alfentanyl gegeben. Sie war wach!“, sagte Dr. Kowler mit einer etwas verärgerten Stimme. Sie dachte sich, dass das wohl wieder einer von den Studenten war, der sich das restliche Alfentanyl selbst verabreicht hatte, um mal wieder einen Kick zu haben. „Das kann so einfach nicht weiter gehen. Ich lasse mir doch von diesen Versagern nicht mehr auf der Nase rumtanzen“, sagte sie wutentbrannt.
„Sollen wir zum General gehen? Der muss doch mal was dagegen tun“, schlug Steve vor.
Der General war der Captain des Raumschiffs. Seinen richtigen Namen kannte niemand, weshalb er nur „Der General“ genannt wurde. Er diskutierte nicht gerne und war für seine Launen bekannt. Dr. Kowler kam mit ihm aber ganz gut zurecht, sie waren beide auf derselben Wellenlänge.
„Ich denke drüber nach, das Problem selbst in die Hand zu nehmen. Das würde mir aber vermutlich nur Ärger einbringen. Ach, am liebsten würde ich diesen kleinen Idioten eine verpassen“, meckerte Jericho. Sie war für ihre Direktheit und ungeschönte Ehrlichkeit bekannt. Man konnte mit ihr zweifelsohne übel aneinandergeraten.
„Ach was…Steve, ich gehe jetzt zum General!“, Jericho war entschlossen, das Problem zu lösen. Steve wollte seinen Labortisch verlassen, um sie zu begleiten, Jericho machte jedoch eine Handbewegung die Steve unmissverständlich klar machte, dass sie seine Hilfe nicht brauchte. Jericho stürmte aus dem Labor. Sie ging sicheren Schrittes zur Brücke und betrat den Fahrstuhl. Sie konnte sich jederzeit auf das Deck des Generals begeben, er hatte ihr eine Freischaltung programmieren lassen. Alle Passagiere von Horus23 trugen einen implantierten Chip im Handgelenk, der mit bloßem Auge nicht sichtbar war.
Jericho erreichte Deck 12. Das Kontrollzentrum. Sicheren Schrittes ging sie an den Wachen vorbei in Richtung Steuerungsraum.
„Ah die Frau Doktor!“, rief eine Stimme hinter ihr. Jericho drehte sich um und sah den General, der gerade aus dem Badezimmer kam und sich die Hände an einem Handtuch abwischte. „General, ich muss mit ihnen sprechen!“, sagte sie bestimmt. „Wie immer direkt mit der Tür ins Haus, was? Lass mich gerade hier fertig werden, dann bin ich nur für dich da“, sagte der General mit einem sarkastischen Unterton. Jericho fiel erst jetzt auf, dass das Handtuch voller Blut war. Der General ging zurück ins Badezimmer und schloss die Tür. Jericho ging näher an die Türe heran.
„Wenn du noch einmal so einen Fehler machst, war es dein letzter und ich verkaufe dich an die Sklavenhändler!“, hörte Jericho den General schreien. Danach vernahm sie laute Geräusche, die sich so anhörten, als würde jemand geohrfeigt oder geschlagen. Jericho trat einen Schritt zurück.
Der General riss die Tür auf und schubste eine Frau aus dem Badezimmer heraus. Ihre Nase blutete und ihr Gesicht war stark geschwollen. Es handelte sich um die Beiköchin Vuria, die der General vor ein paar Jahren auf Delta 4598 gekauft hatte. Vuria ging, ohne einen Laut von sich zu geben, den Gang hinunter Richtung Fahrstuhl und verschwand in diesem.
„Sklavenpack! Ich brauche dringend neue. Hat dieses Weib mir doch glatt angebranntes Fleisch gebracht“, meckerte der General etwas außer Atem. Er hatte eine Narbe direkt über dem rechten Auge, welche sich durch die Augenbraue zog und diese unterteilte. Immer wenn er sich aufregte, zog sich sein Gesicht um seine Augenbraue so düster zusammen, dass auch Jericho es mit der Angst zu tun bekam. Er war groß, breit und muskulös. Sein Bart war kurz gestutzt und hatte bereits einige graue Haare, genau wie sein mittellanges dunkelbraunes Haar. Alles in allem ein attraktiver Mann, jedoch war er genau so grausam. Wenn etwas nicht nach seinem Willen lief, behalf er sich gerne mit der Peitsche oder anderer Gewalt.
„Nun Mädchen, was willst du von mir?“, fragte der General. Jericho war es gewohnt Blut zu sehen, Gewalt war ihr auch nicht fremd, jedoch war der General immer wieder aufs Neue einschüchternd und sie reagierte nicht gleich auf seine Frage.
„Jericho! Ich rede mit dir!“, rief der General etwas ungehalten. Jericho schüttelte sich kurz und fing sich wieder. „Ja natürlich, General. Ich möchte mit ihnen über Probleme mit den Studenten reden.“ Als Jericho diesen Satz aussprach, hatte sie bereits Zweifel, ob sie diese Dummköpfe ans Messer liefern sollte, gerade weil der General in einer wirklich miesen Stimmung war. „Kommst du etwa mit diesen Burschen nicht klar? Ich dachte ich hätte dir genug beigebracht“, prustete der General sarkastisch. Jericho war 16 als sie an Bord der Horus23 kam. Damals hatte der General einen Narren an ihr gefressen und sie unter seine Fittiche genommen. In den letzten Jahren war aber eine Distanz zwischen den Beiden gewachsen. Jericho war zwar immer noch „das kleine Mädchen vom General“ und hatte sich einige Charakterzüge von ihm abgeschaut, jedoch war sie mit seiner Brutalität nicht immer einverstanden.
„General, ich denke ich werde das Problem selbst in die Hand nehmen, wenn sie mir die Erlaubnis dazu erteilen“, sagte sie bestimmt.
„Nun, ich vertraue dir meine Kleine, aber ich bin jetzt neugierig. Sag mir, worum es geht!“, sagte er, während er näher auf Jericho zuging. Früher hätte sie alles dafür getan, um seine Nähe zu spüren, doch heute fühlte sie sich unwohl.
Sie musste schlucken und sagte: „Es geht nur um ein paar fehlende Narkotika im Versuchsraum 9b“.
„So, so. Wenn du herausgefunden hast, wer es war, schicke ihn zu mir. Wir haben ohnehin genug Studenten“, sagte er völlig trocken. Er spielte mit der rechten Hand an seinem Gürtel herum, an dem sich eine dicke Lederpeitsche befand. Mit der Linken fasste er an seine Pistole.
„Jawohl General. Ich werde jetzt wieder meiner Arbeit nachgehen.“ Jericho wollte sich umdrehen und gehen, als der General fragte: „Versuchsraum 9b?...War das nicht der Raum mit dem blonden Sklavenmädchen? Wie läuft es mit ihr?“
„Nun, sie hat ausgezeichnete Vitalwerte und war heute schon vollständig wach. Das ist selten nach so langer Zeit im Kryoschlaf“, sagte Jericho mit zitternder Stimme. Sie wusste, dass Objekt 951 anders war und vielleicht kompatibel für ihre weitere Forschung an den Menschen des Planeten 01. Allerdings hatte der General Gefallen an ihr gefunden und Jericho fürchtete, dass er sie für einen hohen Preis verkaufen wollte.
„Ich müsste dann nach ihr sehen General. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit“, sagte Jericho und wandte sich direkt um und ging zügigen Schrittes Richtung Fahrstuhl. Sie hoffte, dass der General keine weiteren Fragen stellte und sie gehen ließ. „Hätte ich das lieber mal gelassen….“, dachte sie und stieg in den Fahrstuhl.
Noch etwas verunsichert von den Ereignissen beim General, ging Jericho direkt Richtung Versuchsraum 9b. Sie betrat den Raum. „Systeme hochfahren“, sagte sie. 951 lag dort so, wie sie sie vor ein paar Stunden zurückgelassen hatte. Sie betrachtete das Mädchen etwas genauer. Ihr Haar war sehr lang. Bisher wusste man nicht ob die Haare im Kryoschlaf weiterwachsen, jedoch hatte Jerichos Forschung ergeben, dass sie dies sehr wohl taten, allerdings so langsam, dass man es zuvor nie bemerkt hatte. Große, dunkle Augen hatten sie zuvor angesehen und ihre Haut war sehr hell, noch heller als ihre eigene. Das Mädchen war recht klein gewachsen, aber nicht untypisch für eine junge Frau ihrer Zeit. Sie muss ca. 25 Jahre alt gewesen sein, als man sie in den Kryoschlaf versetzt hatte. Objekt 951 war laut Datenanalyse und Auswertung der Kryokapsel seit 561 Jahren im Kryoschlaf. Jericho und ihre Arbeitsgruppe hatten bereits mehrfach versucht sie aufzuwecken. Mit mäßigem Erfolg. Mal öffnete sie die Augen, oder bewegte die Hände, aber antwortete nicht. „Ihr Alfentanyl-Spiegel muss seit gestern enorm niedrig gewesen sein“, murmelte sie und vermerkte es im System. Sie ging zur Sprechanlage und wählte das Labor an:“ Steve? Ich brauche die Blutwerte von 951, von eben, so schnell es geht.“
Sie ging zurück an den Versuchstisch. Jericho hatte bereits vor einigen Wochen begonnen, 951s Organismus mit Proteinen und speziellen Muskelstimulationen wieder auf ein gesundes Niveau zu bringen. Der Kryoschlaf erhält zwar Muskelmasse und Beweglichkeit, allerdings war die Technologie der Kryokapsel genauso wie 951 fast 600 Jahre alt. Als man sie aus der Kapsel holte, war sie abgemagert und ihr Muskelapparat degeneriert. Beim Auslesen der Daten stellte man fest, dass es sich um eine Sklavin handelte. Weshalb man sie in den Kryoschlaf versetzte, war unklar.
Es klopfte an der Tür. „Das kann nur Steve sein, der würde auch an seine eigene Zimmertür klopfen“, dachte Jericho und rief: „Komm rein Steve. Ich sage dir doch ständig, dass du nicht klopfen musst.“
Die Tür öffnete sich und der General betrat den Versuchsraum.
Schlank, durchschnittlich groß, dunkles Haar, dunkelbraune Augen, circa 25 Jahre alt und eine schwarze Brille, das war Steve. Er war mit 10 Jahren an Board der Horus23 gekommen, als der General einige Sklaven von Händlern gekauft hatte. Nach einiger Zeit fiel auf, dass der Junge sehr schlau gewesen war und die etwas ältere Jericho wollte ihn als Assistent ausbilden. Sein eigentlicher Name war Stavros, allerdings passte das nicht zu seiner Crew, hatte der General entschieden und taufte in kurzerhand um. Steve las die Blutwerte von 951 aus und zog sie auf seinen Device. Er sprang auf und ging schnellen Schrittes in Richtung Versuchsraum 9b. Als er den Flur des Raumes betrat, sah er wie jemand in den Raum ging und die Tür zufiel. „War das etwa…Nein was macht er denn hier?“, murmelte er. Er ging langsam und leise zur Türe. Er war sich nicht sicher, ob er einfach hineingehen und so tun sollte, als ob er nicht bemerkt hätte, dass der General den Raum betreten hatte oder wieder gehen sollte. „Ach was, ich gehe jetzt hinein“, sagte er sich entschlossen. Er legte sein Handgelenk auf den Türscanner und öffnete die Tür.
„Herr General!“, sagte Steve, musste danach kurz schlucken und machte eine Handbewegung, die wohl ein Salutieren symbolisieren sollte, aber etwas merkwürdig aussah. Steve war, um es mit Jerichos Worten auszudrücken, ein Feigling und wusste nie, wie er sich in Gegenwart des Generals zu verhalten hatte. Steve starrte auf den Boden und stellte sich schnell neben Jericho.
„Ach, ist das nicht eine von den Laborratten?“, lachte der General. Jericho spielte ein Lachen vor und sagte: „Ja diese ist mir ganz gut gelungen.“ Der General machte sich immer wieder einen Spaß daraus die intellektuellen Schwächlinge, wie er sie nannte, bloßzustellen.
„Hier sind die Blutergebnisse Doktor“, sagte Steve etwas unbeholfen, reichte Jericho die Daten und wollte den Raum wieder verlassen. „Halt! Willst du nicht dabei sein, wenn wir 951 aufwecken, Laborratte?“, rief der General spöttisch. Steve sah zu Jericho, ihr Blick war ebenfalls wenig begeistert. Beiden war klar, dass der General Objekt 951 an den Höchstbietenden verscherbeln wollte, so schnell es ging. Steve vermutete schon länger, dass die Horus23 finanzielle Probleme hatte, da essenzielle Geräte nicht repariert werden konnten und einige Sklaven verkauft wurden.
„Steve gib mit bitte den Injektor. Ich werde sie wohl künstlich aufwecken müssen“, sagte Jericho unter Druck. Steve wurde nervös, denn sie mit Gewalt aufzuwecken war gefährlich. Doch allem Anschein nach bestand der General darauf. Steve reichte Jericho den Injektor. Sie platzierte eine Ampulle darin und setzte ihn an 951s Hals an.
Sie hörte Stimmen. Es wurde wieder hell. „Wie lange dauert das denn jetzt hier? Ich muss die Händler kontaktieren!“, hörte sie eine dunkle männliche Stimme meckern. Yara öffnete ihre Augen, es war alles so grell. „System, Licht dimmen!“, rief die Frau im weißen Kittel.
Yara verstand nicht was vor sich ging. Diese Ärztin fasste ihr an den Kopf und riss ihre Augenlider auf und leuchtete in ihre Augen. Das Licht war sehr unangenehm und tat fast weh. Sie bemerkte, dass mehrere Personen in dem Raum standen, die sich unterhielten. Was hat diese Frau gesagt?, fragte Yara sich. Sie hatte etwas zu dem dünnen Mann gesagt, der auch neben ihr stand. Es dauerte ein paar Minuten, bis Yara die Stimmen richtig verstand.
„951! Hallo? Hörst du mich?“, fragte die Frau eindringlich. „Jericho, geh mal weg da!“, schubste sie ein großer, breiter Mann. „Hey, Mädchen. Sprich gefälligst!“, und ohrfeigte sie mehrmals leicht. Die Frau drückte den Mann vorsichtig zur Seite und sagte: „General, wir müssen ihr etwas Zeit geben. 561 Jahre steckt man nicht so leicht weg!“. 561 Jahre? was hat das zu bedeuten?, fragte sich Yara völlig verwirrt. Der dünne Mann, der neben ihr stand lächelte sie an und strich ihr über den Arm: „Kannst du das spüren, 951?“. Yara sah ihn an und nickte. „Sehr gut!“, sagte er mit einem freundlichen Gesichtsausdruck, der trotzdem nicht bewirkte, dass Yara sich besser fühlte.
Jericho hielt ihr linkes Handgelenk, in dem sich ihr Chip befand, an das Control Panel des Versuchstisch und öffnete die Fixierungen an Yaras Händen. Die metallenen Fesseln verschwanden im Versuchstisch. Yara hob ihren rechten Arm und fasste sich unbewusst an den linken Oberarm. Sie drehte ihren Kopf ebenfalls nach links und schaute zu ihrem Arm.
Jericho sah sie an und fragte: „Hast du Schmerzen, 951?“. Yara bemerkte erst jetzt, dass sie ihren linken Oberarm angefasst hatte. Sie zog ihre Hand zurück und rieb sich erst einmal die Augen. Sie war völlig verwirrt und verstand nicht, was gerade um sie herum geschah und wusste auch nicht, warum sie ihren Oberarm umfasst hatte. Irgendetwas musste dort aber gewesen sein, was jetzt nicht mehr dort war.
„Steve, hilf mir mal!“, sagte Jericho fordernd. Sie packte Yaras linken Arm und Steve daraufhin den rechten. „Bei drei setzen wir sie auf, aber schön langsam!“, sagte sie. Behutsam richteten die beiden Yara auf. Als sie zum Sitzen kam wurde Yara erstmal schwindelig und ihr Kopf fing an zu schwanken. „Steve, mach die Füße los!“, befahl Jericho mit einem etwas gestressten Unterton. Die Anwesenheit des Generals machte sie nervös. Steve bewegte sich zügig zum Control Panel und löste die Fußfesseln. „So, jetzt versuch dich mal zu drehen und lass die Beine runterhängen“, sagte Jericho, die immer noch nervös zu sein schien. Währenddessen stand der General an einem Computer und versuchte aus den Daten schlau zu werden, was ihm jedoch nicht gelang. Er wurde langsam ungeduldig und betrachtete das Mädchen. „Ganz hübsch ist sie ja. Sollte einen Haufen Geld einbringen“, murmelte er in seinen kurzen Bart.
Jericho hörte, was der General zu sich sagte. Das war der Grund, warum sie so unter Spannung stand. Sie wusste, dass er 951 verkaufen wollte. Die Horus23 hatte seit längerem finanzielle Probleme. Jericho hatte bereits eine Vermutung, weshalb das so war. Der General machte illegale Geschäfte unter der Hand und war an die falschen Leute geraten. Nun war die Horus23 im Lieferverzug, was die Arzneimittelbestellungen der Vertragsplaneten betraf, weil die Qualität der Medikamente durch fehlende finanzielle Mittel unzureichend war. Die ein oder andere Regierung hatte bereits Einreiseverbote für die Horus23 verhängt, da diese mit verdünnten oder unwirksamen Medikamenten gehandelt hatte.
951 war Jerichos einzige Chance, an ihrem Projekt „Time-Kill“ weiter zu forschen. 561 Jahre Kryoschlaf. Das war fast undenkbar, vor allem, wenn man bedachte, wie veraltet die Technik war. Das Objekt mit dem längsten Kryoschlaf, das Jericho davor jemals begleitet hatte war 359 Jahre alt. Sie musste wissen, wie sie das überleben konnte. Ich muss wissen, was mit dem Planeten 01 geschehen ist, um schlimmeres zu verhindern, dachte Jericho. Sie musste das Mädchen um jeden Preis hierbehalten.
„Ich gehe jetzt in den Kontrollraum und spreche mit den Händlern! Seht zu, dass ihr sie zum Sprechen kriegt und transportfähig macht….Achja! und zieht ihr etwas Nettes an!“, sagte der General in seiner üblichen Art und verließ das Versuchszimmer hektisch. Jericho wurde bewusst, dass sie nun handeln und das Mädchen außer Gefahr bringen musste.
„Steve! Hol eine Uniform aus der Ausrüstungskammer. Feste Schuhe braucht sie auch. Am besten etwas fürs Gelände, beeile dich!“, sagte Jericho mit Nachdruck. Steve fragte sich: „Eine Uniform und feste Schuhe? Was hat Jericho vor?“. Trotzdem verließ er eilig den Raum um Jerichos Anweisungen Folge zu leisten.
Jericho wandte sich dem Mädchen zu: „Kannst du eigenständig sitzen?“. 951 nickte. Jericho ging zum Computer und suchte nach GPS- und Kartendaten, um sie auf ihren Device zu überspielen.
„Wo bin ich?“, Yara hatte ihre Sinne wieder und versuchte die Situation zu verstehen. Jericho drehte sich zu ihr: „Du bist auf dem Spaceship Horus23. Wir haben dich in einer Kryokapsel aus dem All gefischt. Kannst du dich an irgendetwas erinnern, 951?“ Yara war verwirrt: „951..was?“. Jericho: „951 war deine Patientennummer. Das und dass du wohl eine Sklavin warst, waren die einzigen Information, die wir noch aus den Datenbanken der Kapsel retten konnten. Kannst du dich an deinen Namen erinnern?“
„Yara…ich glaube mein Name ist Yara“, sagte Yara unsicher und rieb sich die Stirn.
Dann nahm Jericho eine Medizintasche aus einer Schublade des Arzneischranks und befüllte diese hektisch mit allen möglichen Instrumenten und Arzneimitteln.
„Wir müssen uns gleich beeilen“, sagte Jericho hektisch, als es an der Tür klopfte. Jericho stockte kurz der Atem und sie betete, dass es nicht der General war.
Steve rannte währenddessen in Richtung des Fahrstuhls. Auf dem Weg dorthin schossen ihm viele Gedanken durch den Kopf: „Was hatte Jericho vor? Würde der General 951 wirklich verkaufen? Wie stand es um das Projekt „Time-Kill“?“. Er erreichte den Fahrstuhl, der glücklicherweise schon auf ihrer Ebene stand, sprang hinein und wählte Deck 3.
Die wenigen Sekunden, die der Fahrstuhl brauchte, wirkten wie eine Ewigkeit auf Steve. Er wusste, dass Jericho etwas vorhatte und machte sich große Sorgen. Auf Deck 3 angekommen, rannte Steve Richtung Ausrüstungskammer, die am anderen Ende des Korridors war. Er öffnete die Tür zur Kammer und sah, dass sich niemand an der Login Stelle befand. Er konnte nicht warten. Er rannte einfach in die Gänge und fand als erstes die Schuhe. „Die Schuhgröße… was ist ihre Schuhgröße?!“, fragte er sich. Er checkte die Körperdaten in seinem Device und nahm die passenden Schuhe aus dem Regal. Es waren Soldatenboots für Wüstenterrain. Er hoffte, dass sich Jericho so etwas vorgestellt hatte.
„Uniformen… wo sind die Uniformen?“, suchte Steve die Gänge ab. Er fand ein Regal mit Uniformen für den Sanitätsdienst. Nicht gerade unauffällig, aber die Zeit rannte. Er schnappte sich einige Teile und einen Ausrüstungsrucksack, der im darüberliegenden Fach lag und stopfte alles hinein.
Steve rannte wieder in Richtung Fahrstuhl, um so schnell wie möglich wieder zu Jericho und 951 zu gelangen.
Die Tür ging auf. Eine Wache des Generals stand in der Tür. Jericho stopfte die Medizintasche schnell in den Schrank zurück und tat so, als hätte sie ein Präparat in dem Arzneischrank gesucht.
„Ist sie bereit? Der General wartet schon mit ‘nem Händler. Mach, dass ihr fertig werdet.“, sagte der Wachmann grob.
Jericho erwiderte: „Du siehst schon, dass sie nur ein Hemd und eine Unterhose trägt, du Idiot?“
Jericho war dafür bekannt, sich von den Wachleuten und dem groben Personal des Generals nichts sagen zu lassen und genauso grob mit ihnen umzuspringen, wie diese Dummköpfe mit allen anderen.
Der Wachmann seufzte und schüttelte den Kopf. Seine Blicke fielen auf Yara. Er begann, sie anzustarren. „Warte gefälligst draußen!“, schrie Jericho. Er verließ den Raum mit einem fiesen Lachen.
Jericho wandte sich an Yara: „Wir müssen uns gleich beeilen. Wenn Steve zurück ist, musst du dich schnell umziehen und wir müssen…“
Steve betrat den Raum. Er legte die Sachen auf den Versuchstisch.
„Steve, ist das dein Ernst? Ach egal. Hier Yara zieh dich um. Aber beeil dich bitte!“, sagte Jericho angespannt.
Yara versuchte aufzustehen. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Jericho hatte ganz verdrängt, dass Yara erst seit kurzer Zeit wach war und noch gar nicht gestanden hatte, geschweige denn gegangen war. „Es tut mir leid. Ich weiß, dass es jetzt alles sehr viel ist, aber wir haben nur eine Chance“, sagte Jericho zwar eindringlich, aber doch freundlich und half ihr dann beim Anziehen. Yara verstand zwar nicht von welcher Chance sie redete, versuchte aber sich etwas schneller zu bewegen. Jericho half ihr und stützte sie, während sie sich umzog. Die Uniform bestand aus einer festen schwarzen Leggings mit vielen kleinen Taschen an beiden Seiten. Das Oberteil war ein Langes Shirt mit langen Ärmeln, aus einem festen Stoff, den Yara nicht zuordnen konnte. Das Shirt war dunkelgrün, was die Offizielle Farbe der Sanitäter von Raumschiffen war. An der Taille hat es einen Utensilien Gürtel. Yara bemerkte, dass Jericho etwas ähnliches trug. Allerdings war ihr Shirt blau und sie trug immer noch den weißen Kittel. Jericho nahm Yaras Haare zusammen und flocht sie schnell zu einem Zopf.
Steve stand etwas verwirrt in der Ecke und hatte sich umgedreht. „Jericho, was hast du denn jetzt vor?“, rief er, während er mit dem Gesicht zur Wand schaute.
„Sie muss erstmal hier weg“, sagte Jericho kurz. „Was? Wo soll sie denn hin?“
„Wir nähern uns Delta 4598“, sagte sie, bedachte aber auch nicht, dass Yara diesen Planeten gar nicht kennen würde.
„Und du willst sie so einfach dahin schicken? Was denkst du dir denn dabei?“ Das war das erste Mal, dass Steve Jerichos Entscheidung hinterfragte. „Das geht nicht gut. Du weißt, was der General mit dir macht!“, sagte Steve.
„Steve, geh ins Labor und öffne den Plan vom Hangar. Sieh zu, dass dich niemand erwischt, ich kontaktiere dich gleich. Halte deinen Device bereit.“, sagte Jericho. Sie nahm die Medizintasche aus dem Arzneischrank und hängte sie sich um. Steve war so perplex, dass er den Raum verließ, um Jerichos Befehle zu befolgen.
„Kannst du laufen, Yara?“, fragte Jericho. „Ich denke schon“, antwortete Yara und wusste immer noch nicht, wie ihr geschah. Sie war auf irgendeinem Spaceship, sollte verkauft werden und war quasi 600 Jahre alt. Das wirkte alles wie ein schlechter Witz. Erinnern konnte sie sich nur an ihren Namen. War das überhaupt ihr Name? Was war Delta 4598? Wie sollte sie jetzt dahin kommen? Alles ging so schnell. Die Fragen häuften sich ihn ihrem Kopf, doch sie hatte verstanden, dass anscheinend wenig Zeit blieb. Sie wusste nicht warum, aber sie vertraute dieser Frau. Jericho öffnete die Tür und sah vorsichtig hinaus.
Der Wachmann, den sie vor die Tür geschickt hatte, war nicht zu sehen. Steve musste ihm wohl irgendetwas erzählt haben, damit sie freie Bahn haben. „Komm!“, flüsterte Jericho bestimmt. Die beiden gingen leise und vorsichtig in Richtung Fahrstuhl. Jericho überlegte, ob es klüger wäre, den anderen Fahrstuhl zu nehmen, der nur selten benutzt wurde. Dieser befand sich aber am anderen Ende des Decks. „Yara, denkst du, dass du schneller laufen kannst?“, fragte Jericho. Yara:“ Ich denke, ja.“
„Siehst du die Tür dort?“, Jericho zeigte den Flur hinunter auf eine Tür auf der rechten Seite. „Ich zähle bis 3, dann rennen wir los.“ Yara nickte. Jericho zählte an und die beiden rannten los. Yara stolperte fast über ihre eigenen Füße, aber konnte sich noch abfangen. Sie wollten gerade die Tür zum anderen Korridor öffnen, als der Wachmann um die Ecke bog und direkt auf Yara und Jericho zuging. Jericho überlegte kurz, was sie tun sollte. Sie musste aktiv werden und sofort schalten. „Ich bringe sie jetzt zum Boss!“, sagte Jericho in Richtung des Wachmanns knapp und drückte Yara durch die Tür.
Hinter der Tür war der Fahrstuhl bereits zu sehen. Er befand sich nur noch ein paar Meter weit weg von ihnen auf der linken Seite. Jericho lief vor und rief den Fahrstuhl mit ihrem Chip im Handgelenk. Yara war direkt hinter ihr, als sich die Fahrstuhltüren öffneten. Die Tür des Korridors ging auf. Jericho konnte den Wachmann erkennen. Die beiden Frauen sprangen sofort in den Aufzug und Jericho wählte den Level des Hangars aus. Sie hörten, wie der Wachmann immer schneller auf den Fahrstuhl zulief. Seine Schritte hallten auf dem metallischen Boden laut wider. Jeder einzelne davon fühlte sich für Jericho an wie ein Todesurteil. Doch dann schlossen sich die Türen und der Fahrstuhl setzte sich, zu Jerichos Erleichterung, in Bewegung. „Wir fahren jetzt auf Deck 1, das ist der Hangar. Wir setzten dich in ein kleines Raumschiff mit Autopiloten“, sagte Jericho schnell. Yaras Augen wurden groß. „Ich soll das Ding allein fliegen?“, fragte sie nervös. „Nein. Ich sagte doch, Autopilot“, antwortete Jericho kurz angebunden. Das kann doch nicht ihr Ernst gewesen sein, dachte sich Yara, während sie den Hangar-Level erreichten. Es war eine große weite Fläche, auf der sich mehrere große Spaceshuttles befanden. „Steve, hörst du mich?“, fragte Jericho in ihren Voicetransmitter. „Ja. Es sind so gut wie alle Shuttles in Gebrauch. Aber am linken Ende steht noch die „Pille“, hörten die beiden Steve durch den Transmitter sagen. Die „Pille“. So nannte man an Bord scherzeshalber eine Travel Kapsel. Sie war sehr klein und es passten nur zwei Personen hinein. „Steve! Die hat keinen Autopiloten und ist nicht für die Landung auf einfachem Gelände geeignet!“, rief Jericho aufgebracht.
Steve: „Dann kommt zurück. Bring sie zum General und wir überlegen uns etwas anderes.“
„Nein!“, Jericho zog Yara am Arm und begann zu rennen. Der Fahrstuhl hinter ihnen öffnete sich und der Wachmann trat heraus. Er schaute sich kurz um und sah dann, dass die beiden Frauen wegliefen. Er zog seine Pistole aus dem Holster und zielte.
Steve saß im Labor. Er hatte die Tür verriegelt. Er wartete auf eine Antwort von Jericho. Als keine kam, meldete er sich bei ihr: „Jericho? Seid ihr auf dem Rückweg?“. Er bekam keine Antwort. Steve: „Jericho?! Hörst du mich?“. Er begann zu schwitzen, als er Schritte auf dem Flur hörte. Jemand ging anscheinend Richtung Versuchsraum 9b. Er atmete auf, als sie an seiner Tür vorbei waren. Seine Erleichterung währte nur kurz, als er plötzlich wieder Schritte in Richtung des Labors hörte, schneller diesmal. Sie stoppten abrupt - direkt vor seiner Tür. Das wars, dachte er. Steve hatte die Tür zwar verriegelt, aber jemand mit einem höheren Rang konnte die Tür zu jeder Zeit öffnen.
Steve hörte, wie jemand vergeblich versuchte die Tür mit seinem Chip zu öffnen. „Aufmachen, sofort!“, rief jemand hinter der Tür. Steve überlegte, was er tun sollte. Ich werde aufmachen und so tun, als wüsste ich von nichts, dachte Steve völlig naiv. Er war nicht sonderlich selbstbewusst und auch kein großartiger Kämpfer.
Steve öffnete die Tür. Zwei Wachmänner standen vor der Tür. „Wo sind sie?“, schrie der eine. „Wer?“, fragte Steve mit zitternder Stimme. Der Wachmann packte Steve am Kragen und drückte ihn gegen einen der Laborschränke. „Tu nicht so dumm, Laborratte! Wo sind der Doktor und die Sklavin?“, schrie er. „Ich weiß es nicht! Sind sie nicht mit dem anderen Wachmann mitgegangen?“, sagte er, während im fast die Tränen kamen. Der andere Wachmann bemerkte Steves Device auf dem Tisch. „Entsperren, sofort!“, sagte der zweite Wachmann und hielt Steve seinen Device vor die Nase.
Der erste Wachmann ließ Steve runter. Steve zögerte und bewegte sich nicht. Der zweite Wachmann zog seine Pistole aus dem Holster: „Ich habe gesagt, du sollst es entsperren!“. Er hielt ihm jetzt nicht nur den Device, sondern auch seine Pistole vor die Nase. Steve hatte Angst, so viel, dass es ihn innerlich zerriss. Wenn er den Device entsperren würde, würden die Wachmänner sehen, dass er den Hangar Plan geöffnet hatte. Sie würden die Information früher oder später sowieso bekommen, jedoch wollte er Zeit rausschinden, um Jericho und 951 eventuell helfen zu können.
Der erste Wachmann nahm Steves Brille ab mit den Worten: „Die wollen wir mal ganz lassen.“ Er legte sie auf dem Tisch hinter sich ab. Sofort drehte er sich um und schlug Steve mit geballter Faust ins Gesicht, was ihn mit Wucht gegen den Schrank schmetterte. Der junge Mann wusste nicht wie ihm geschah. Er war nicht so mutig wie Jericho, weswegen er sich ergab, den Device nahm und entsperrte. Der Wachmann riss ihm diesen aus der Hand und schaute hinauf: „Der Hangar Plan. Die wollen verschwinden!“
„Los, benachrichtige den General, ich lasse die Brücke sperren. Niemand kommt mehr rein oder raus!“, sagte der erste zum zweiten Wachmann.
Steve war in sich zusammengesackt und kauerte auf dem Boden. Die zwei Wachmänner wollten das Labor verlassen, als sich der eine umdrehte und sagte: „Hier, das ist für dich, Laborratte!“, und zielte mit seiner Pistole auf Steve und drückte ab. Er hörte nur noch den Knall.
„Bleibt stehen, ihr Schlampen!“, rief der Wachmann hinter Yara und Jericho her. „Ich knall euch ab!“.
Jericho stolperte und ließ ihren Transmitter fallen. Yara packte sie am Arm und half ihr auf. Sie hatten keine Zeit mehr! Sie ließen den Transmitter liegen. Jetzt war Jericho am Ende. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Der General würde sie im besten Falle erschießen, und im schlimmsten irgendwo hin verkaufen.
Yara bemerkte, dass mit Jericho etwas nicht stimmte. Sie entdeckte ein kleines Raumschiff. „Das muss diese Kapsel sein“, sagte sie sich. Sie fing an schneller zu laufen und zog Jericho hinter sich her. „Kannst du das Ding fliegen?“, fragte Yara etwas außer Atem. Jericho realisierte, dass dies ihr einziger Ausweg war. Sie hörten Schüsse. Der Wachmann begann auf sie zu schießen! Sie rannten mit letzter Kraft bis zur Kapsel und Jericho sprang sofort in den Sitz und schloss die Türe der Kapsel. Sie startete sie. Jericho war seit bestimmt fünf Jahren keine Travel Kapsel mehr geflogen. Jedoch waren die Kapseln relativ einfach zu bedienen. „Setz dich hin und schnall dich an!“, sagte sie zu Yara. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und brauchet eine Weile, um die Anschnallvorrichtung zu verstehen.
Jericho ließ das kleine Raumschiff langsam abheben. Yara und Jericho hörten, wie immer mehr Schüsse auf die Kapsel einprasselten. Yara wurde nervös. „Ok, halt dich fest“, sagte Jericho selbstbewusst, während sie das Steuerruder fest umfasst hatte.
Sie bewegte das Raumschiff vorwärts in die Schleuse. Als die Kapsel vollständig in der Schleuse angekommen war, öffnete sie die Tore in den Weltraum. Yara wäre bei dem Anblick fast ohnmächtig geworden. Sie blickten auf eine große, dunkle Leere in der weit entfernt Sterne zu sehen waren. Plötzlich begannen sich die Schleusentore zu schließen. Jericho beschleunigte ruckartig und die beiden Frauen wurden in die Sitze gepresst, konnten aber so gerade noch die Schleuse verlassen.
Jericho startete den Bordcomputer. Sie hatte die Koordinaten auf ihrem Transmitter, der noch im Hangar lag. „Verdammt, dann fliegen wir wohl nach Gefühl“, sagte Jericho. Yara schloss ihre Augen und versuchte ruhig zu atmen. „Dort müssen wir hin!“, sagte Jericho und vor ihnen in weiter Entfernung tauchte ein kleiner grauroter Ball auf, Delta 4598.
„Wir haben nur zwei kleine Probleme“, sagte Jericho mit leicht zittriger Stimme. Das kann doch jetzt nicht ihr Ernst, dachte Yara, öffnete schlagartig ihre Augen und schaute Jericho an: „Will ich es wissen?!“.
„Das erste Problem ist die Space Police. Wir haben keine Einreisecodes und ein Landungsasyl gibt es seit einigen Monaten nicht mehr“, sagte Jericho hastig und ahnte, dass Yara damit wahrscheinlich nicht viel anfangen konnte.
„Was bedeutet das? Dass sie uns abschießen?!“, fragte Yara entgeistert.
„Wir müssen nur hinter ihren Wirkungsbereich gelangen, dann können sie uns nicht mehr verfolgen. Wir sind nur eine Travel Kapsel, vielleicht schießen sie uns nicht ab.“ Jericho schien selbst auch nicht überzeugt zu sein, dass das ein guter Plan war.
„Vielleicht?! Was ist denn bitte das zweite Problem?“, Yara begann zu resignieren.
„Das hier ist nur eine Travel Kapsel. Gemacht ist sie eigentlich nur für den Transport zwischen Raumschiffen und hat kein wirkliches Landegear“, während sie das aussprach, wurde ihr bewusst, in was für einer absurden Situation die beiden sich eigentlich befanden.
Yara war sich sicher, dass sie das nicht überleben würden, und versuchte ihre Angst mit Galgenhumor zu überspielen: „Großartig also haben wir die Optionen Explodieren oder Zerschellen.“
Dervan machte eine harte Vollbremsung. „Runter! Sofort!“, befahl Dervan ausdrücklich. Ihm war bewusst, dass etwas nicht stimmte. Er konnte erkennen, dass Seile an den Wänden der Felsspalte hingen. Das konnte nur bedeuten, dass sie in einen Hinterhalt geraten waren.
Die Wüstenpiraten hatten bereits auf Einsatztruppen der Hauptstadt gewartet. Mindestens 20 Piraten tauchten auf den Wänden der Felsspalte auf. Alle trugen veraltete Militärkleidung, die durch den Wüstensand dreckig und abgenutzt aussah. Sie waren mit simplen Schusswaffen ausgestattet und hatten diese auf die drei Männer in dem kleinen Militärfahrzeug gerichtet. Die Piraten waren überwiegend groß und grob. Einige von ihnen hatten sichtbare Narben am Körper oder im Gesicht.
Dervan erkannte als erfahrener Leutnant sofort, dass Daisy den Waffen standhalten würde, jedoch wusste er nicht, was außerhalb des Felsspalts auf sie warten würde. Er rechnete auch damit, dass sie Bodenfallen errichtet hatten, um das Fahrzeug zum Stehen zu bringen, weshalb er zuvor eine Vollbremsung hingelegt hatte. Yokan war dabei mit dem Kopf ans Fenster geschlagen und hatte eine blutende Platzwunde, die allerdings schlimmer aussah als sie war.
„Die Hände von den Waffen, ihr dreckigen Redlights!“, rief einer der Piraten. Redlights war eine abfällige Bezeichnung für das Militär der Hauptstadt. Zum einen wegen dem Rotbraun ihrer Uniform und zum anderen, weil man ihnen nachsagte, den Großteil ihrer Freizeit im Rotlichtviertel zu verbringen. Dervan hasste diesen Ausdruck. Seine Mutter war Prostituierte gewesen und er selbst hatte großen Respekt vor den Frauen, die dort arbeiten mussten, da er schließlich dort aufgewachsen war und die meisten „leichten Mädchen“ ihn mit aufgezogen hatten. Er wusste aus erster Hand, wie schwer ihr Leben war.
Yokan und Dervan warfen ihre Waffen aus den Fenstern. Simon hob seine Hände und stieg langsam vom Wagendach. Er zitterte bereits am ganzen Körper und wäre fast die Leiter hinunter gefallen.
Die Piraten seilten sich von den Felswänden ab und umzingelten die drei Männer.
„Ihr wollt wohl zur Absturzstelle, nicht wahr?“, fragte der vermutliche Anführer der Piratengruppe. „Die Arme hinter den Kopf, na los!“, die drei wussten, dass sie keine Chance hatten. Yokan und Simon, die noch wenig Erfahrung in Außeneinsätzen hatten, kamen der Aufforderung sofort nach. Dervan zögerte. Er schaute den Piraten, der sie Redlights genannt hatte mit einem zornigen Blick an und hätte ihm am liebsten eine neue Visage verpasst.
„Hörst du schlecht?!“, schrie der Anführer Dervan mitten ins Gesicht und schlug ihm in die Magengrube. Dervan zuckte zusammen und ein anderer Pirat trat ihm von hinten in die Kniekehlen, sodass er auf die Knie fiel. Dervan verzog keine Miene. Der Pirat, der hinter ihm stand, hielt Dervan seine Waffe an den Hinterkopf. Als er das Geräusch des Entsicherns der Waffe hörte, schloss er kurz seine Augen und atmete tief aus.
„Wer von euch hat hier das Sagen?“, fragte der Anführer. Dervan senkte seinen Kopf und sagte: „Ich.“, seine Stimme wurde sehr tief.
„Was wollt ihr hier? Was war in der Travel-Kapsel?“, fragte er Dervan sehr aggressiv und bestimmt. Travel Kapsel?, fragte sich Dervan erstaunt. Simon sagte verwundert mit zittriger Stimme: „Wir sollten zu einem abgestürzten Meteoriten fah….“, „
Halts Maul!“, schrie einer der Piraten, der hinter ihm stand und schlug ihm wie einem Schuljungen auf den Hinterkopf. „Mit dir redet niemand“, sagte der Befehlshaber und wandte sich wieder an Dervan: „Muss ich dich erst zum Singen bringen du verdammter Redlight?“
An den Haaren riss er seinen Kopf nach hinten, sodass Dervan ihn ansehen musste. Er holte aus und schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Dervan spuckte etwas Blut aus und sah den Anführer gelassen an. Für seine provokante Art war er bekannt und gefallen ließ er sich auch wenig, weshalb er bereits häufig, hauptsächlich von seinem Halbbruder, diszipliniert wurde. „Das versuchen wir jetzt nochmal wie unter Männern“, provozierte er den Anführer. Einer der Piraten musste kurz lachen, zog seine Pistole aus dem Holster und richtete sie auf Yokans Kopf. „Ich kenne solche Typen. Großes Maul was? Was hältst du denn davon, wenn ich deinem Kameraden eine Kugel in den Schädel jage?“
Dervan bereute schnell, dass er sich mal wieder nicht zurückhalten konnte und seinen Freund und Unteroffizier in Gefahr gebracht hatte. „Nimm die Waffe runter, du Dummkopf!“, rief der Anführer. „Das regle ich selbst! Steh auf!“, sagte er, während er Dervan an den Haaren hochzog und zum Stehen brachte. „Ihr beide da haltet seine Arme fest“, der Anführer zeigte auf Yokan und Simon, die sich entsetzt ansahen. „Na los!“, schubste sie einer der Piraten von hinten. „Macht schon!“, rief Dervan den beiden hart zu. Er konnte nur ahnen wie es den beiden gehen musste. Seine eigene Situation war ihm erstmal egal. Die Verantwortung, die er für die beiden Jungs hatte, war ihm wichtiger.
Yokan nahm Dervans linken Arm und Simon den Rechten. „Wenn ihr loslasst, kriegt einer von euch beiden eine Kugel in den Kopf. Verstanden?!“, schrie der Anführer aggressiv.
„Ich frage dich jetzt nochmal, was ist in der abgestürzten Kapsel gewesen!?“
„Wir wissen von keiner Kapsel, nur von einem Meteoriten, der abgestürzt sein soll“, sagte Dervan bestimmt. Mit Wut zog der Piratenanführer seine Handschuhe aus, knackste mit seinen Knöcheln, holte weit aus und schlug Dervan mit voller Wucht in den Magen. Der stöhnte kurz und krümmte sich zusammen. Simon kniff die Augen zu und Yokan versuchte die Hand von seinem Leutnant zu drücken.