Protect - Die Kartell-Prinzessin - Kitty Stone - E-Book

Protect - Die Kartell-Prinzessin E-Book

Kitty Stone

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Beschreibung

Sie sind Feuer und Wasser. Zwei Seiten einer Medaille. Gegensätze. Gegenspieler. Feinde. Er hat den Auftrag, sie zu beobachten. Doch er muss sie auch beschützen. Sie ist eine wichtige Spur. Eine Zeugin. Wertvoll. Und sie ist der Inbegriff all dessen, was er verachtet. Denn sie steht für das Kartell, das ihm alles genommen hat. Sie muss plötzlich ums Überleben kämpfen. Was gestern noch galt, ist nicht mehr wahr und richtig. Ihre Familie - das Kartell - hetzt ihr Mörder auf den Hals. Ihr Vater soll ein Überläufer sein. Ein Verräter. Der einzige Mensch, dem sie noch trauen kann, ist ihr größter Feind.

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Seitenzahl: 381

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Kitty & Mike Stone

Dark Mafia Romance

 

 

Sie sind Feuer und Wasser.

Zwei Seiten einer Medaille.

Gegensätze. Gegenspieler. Feinde.

 

Er hat den Auftrag, sie zu beobachten.

Doch er muss sie auch beschützen.

Sie ist eine wichtige Spur. Eine Zeugin. Wertvoll.

Und sie ist der Inbegriff all dessen, was er verachtet.

Denn sie steht für das Kartell, das ihm alles genommen hat.

 

Sie muss plötzlich ums Überleben kämpfen.

Was gestern noch galt, ist nicht mehr wahr und richtig.

Ihre Familie - das Kartell - hetzt ihr Mörder auf den Hals.

Ihr Vater soll ein Überläufer sein. Ein Verräter.

Der einzige Mensch, dem sie noch trauen kann, ist ihr größter Feind.

 

 

 

 

 

 

 

Deutsche Originalausgabe, 1. Auflage 2020

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darkstones.de

 

 

 

Impressum:

Kitty Stone & Mike Stone

Breslauer Str. 11, 35274 Kirchhain

 

© Dezember 2020 Kitty Stone/Mike Stone

 

Alle Rechte vorbehalten!

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen Erlaubnis durch die Autoren.

Covergestaltung: Sara Fox / Dark Fox Cover Book Design

Bilder: depositphotos.com

 

 

 

 

 

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Warnung vor falschen Erwartungen

Die Erzählung kann Überraschungen enthalten

 

 

Diese Dark Romance aus der Feder des Autorenpaares Stone ist wieder einmal heiß, heftig und hart. Der Titel kann zu der Annahme verleiten, man wisse, worauf man sich einlässt. Dessen kann man sich bei den Darkstones allerdings nie sicher sein. Es kann nicht nur ins Höschen fahren und packen, es kann auch an die Nieren und womöglich sogar auf die Tränendrüse gehen.

 

Die Gewalt ist stellenweise so grafisch beschrieben, wie die Erotik. Bei einer Geschichte aus dem Umfeld des organisierten Verbrechens muss damit auch gerechnet werden. Tiefgang bei den Charakteren gehört allerdings auch zu den Dingen, vor denen gewarnt werden soll. Sie tragen ihre Lasten und man wird davon erfahren. Diese Erfahrungen können auf traumatischen Erlebnissen beruhen. Darauf muss man sich als Leser einstellen.

 

Beim Eintauchen in diese Welt der Kriminalität werden andere, düstere Bereiche der menschlichen Natur gestreift - oder frontal gerammt. Missbrauch, Verrat, Ungerechtigkeit und viele andere Schattenseiten des Menschen spielen eine Rolle. Die möglichen Trigger sind in diesem Roman vielfältig, wenn auch vielleicht im Einzelnen nicht so tiefgehend erkundet, wie es in manch anderem Buch der Autoren in der Haupthandlung geschieht.

 

Wie für jedes Dark Romance Buch aus unserer Feder gilt, dass wir kein Blatt vor den Mund nehmen und Dinge beim Namen nennen. Die Bösen kennen keine Grenzen für ihre Missetaten und die Guten müssen sich alles hart erkämpfen, was sie erreichen wollen. Es gibt Rückschläge und der Weg führt durch Abgründe, bis das garantierte Happy End erreicht ist.

Es wird ausdrücklich gewarnt.

 

Prolog

 

 

Tyrone

 

 

 

Das Motel ist so typisch amerikanisch, dass man nur am Spanisch auf den Schildern merkt, wo man sich wirklich befindet. Die einzige Abweichung vom Vorbild aus dem Nachbarland besteht darin, dass bei diesem speziellen Lokal die Parkplätze eine erstaunliche Diskretion bieten. Was den Kundigen nicht weiter verwundert, denn die Zimmer hier werden hauptsächlich stundenweise vermietet.

Gelangt man erst einmal zu den Zimmern, ist kein Unterschied mehr zu erkennen, bis man einen der Räume betritt. Ich nehme stark an, diese Vertrautheit wird den Mann, den ich aufsuche, gleichzeitig beruhigen und nervös machen.

Als ich klopfe, dauert es keine fünf Sekunden, bis ich ihn auf der anderen Seite der Tür wahrnehmen kann. Dann vergeht jedoch eine gute halbe Minute, bevor er von sich hören lässt. »Wer ist da?«, erklingt es leise und ein wenig zittrig.

»Mach auf, Pendejo«, knurre ich und lasse meinen stärksten, mexikanischen Dialekt durchklingen. »Du erwartest mich.«

Es gibt noch eine kurze Verzögerung, doch dann höre ich das Schloss klicken und die Tür wird einen Spalt weit geöffnet. Entschlossen schiebe ich sie gegen den zögerlichen Widerstand des Mannes weiter auf.

»Hey …«, beschwert er sich schwach, während er mich eingehend mustert.

Ich weiß, dass ich seiner Erwartung entspreche. Ein Latino mit gewaltigem Schnäuzer, Kinnbart und Bartschatten in robuster, nicht ganz sauberer Kleidung, die gerade genug Mexiko enthält, um dem Klischee zu entsprechen, ohne dabei völlig unmodisch zu sein.

Mein Gegenüber trägt einen Anzug von der Stange, doch das Jackett hat er abgelegt und sein Hemd ist aufgeknöpft. Er schwitzt und seine Pupillen sind weit genug, um auf gewaltige Nervosität schließen zu lassen. Oder auf Drogenkonsum. Vermutlich etwas von beidem.

»S-sind Sie mein Kontaktmann?«, erkundigt er sich unsicher.

»Wer sonst, Pendejo?«, brumme ich und schiebe mich in den Raum, um die Tür wieder schließen zu können. »Was hast du für mich?«

»I-ich …«, stammelt er und starrt mich mit großen Augen an. Ich erfülle seine Erwartungen, das kann ich gut erkennen. Aber der Verlauf entspricht nicht dem, was er sich vorgestellt hat. »Ich dachte, ich würde … zu Ihrem Boss gebracht werden?«

»Und das Risiko eingehen, dass du doch ein Spitzel bist?« Ich lache hart auf. »Träum weiter, Gringo.«

»A-aber …«

»Willst du das Geld und dein neues Leben?«, fahre ich dazwischen. »Oder lieber eine Kugel in den Kopf?«

Zur Verdeutlichung schiebe ich mein offenes Hemd zur Seite und lasse ihn die Waffe in meinem Hosenbund sehen. Eine verdammt krude Geste, aber es ist wieder genau das, was er sich vorstellt, auch wenn es ihn hinlänglich einschüchtert. Seine Erwartungen sind das amerikanischste an ihm. Er hat keine Ahnung, worauf er sich hier wirklich eingelassen hat.

»Wo ist das Geld?«, fragt er und leckt sich nervös über die Lippen. Seine Gier besiegt seine Angst.

»Im Van«, schnaube ich. »Zeig mir was du hast, dann gehen wir und du bekommst, was vereinbart wurde.«

Seine Augen verengen sich kurz und ich frage mich unwillkürlich, ob ich einen Fehler gemacht habe. Aber dann schluckt er und seine Gedanken richten sich wieder auf die unmittelbare Situation.

»Woher weiß ich, dass … ich hier nicht über den Tisch gezogen werde?«, wagt er sich vor.

»Was bist du? Loco?«, grunze ich abfällig. »Du bist hier in meinem Land, wo mein Boss die Regeln macht. Du hast deine Leute hinter dir gelassen. Wenn ich dir was tun sollte, wäre es schon passiert. Etwas spät für Misstrauen, eh?«

Dass es auch eindeutig zu spät für den Anfall von andeutungsweiser Vernunft ist, verkneife ich mir. Das gehört hier nicht her.

Ich gebe meinen Worten Zeit zu wirken und starre ihn finster an, während er mit sich ringt. Ich habe nicht unbegrenzt Zeit, aber ich kenne den Ausgang seines inneren Kampfes bereits und brauche zumindest ein wenig Kooperation von ihm. Es dauert keine Minute.

»Gut«, seufzt er und wendet sich um. »Aber ich warne dich, ohne mich sind die Daten wertlos.«

Ich merke, wie er unwillkürlich zum Du wechselt und erfasse, dass er sich endgültig entschieden hat. Um ihn nicht zu verunsichern, lasse ich ihm etwas Abstand, bevor ich weiter ins Zimmer trete. Derweil holt er einen Laptop hervor.

»Es ist erstaunlich«, murmelt er gedankenverloren, während er einen USB-Stick aus der Tasche holt. »So viele Informationen in so einem kleinen Ding. So viel Macht auf so wenig Raum.«

»Wenn du es dir mit dem Ding besorgen willst, warte gefälligst, bis ich weg bin«, brumme ich. »Zeig mir was.«

Er runzelt indigniert die Stirn. Seine amerikanische Überlegenheit kommt mit jeder Sekunde, in der er nicht mehr um sein Leben bangt, mehr zum Vorschein. Nicht mehr lange und er wird mich belehren, weil ich ein dummer, mexikanischer Bauer und Gangster bin, der zu blöd ist, seinen Ausführungen zu folgen. Und zwar egal, ob es dafür Hinweise gibt oder nicht.

»Dieses Ding enthält praktisch alle Informationen, die der DEA über deinen Boss und seine Organisation vorliegen«, doziert er. »Vieles davon ist aus den Datenbanken der Behörden in den USA gelöscht worden und nur noch hier vorhanden.«

Ich atme scharf aus, um eine angemessene Bestätigung abzugeben. Er zuckt zusammen und sieht über die Schulter zu mir. Noch ist er etwas schreckhaft.

»Das ist praktisch unbezahlbar«, fügt er noch hinzu.

»Der Preis steht fest und wird nicht neu verhandelt«, warne ich ihn. »Gibt es Kopien?«

»Äh, ja natürlich! Ich komme sicher nicht hierher, ohne mich abzusichern. Eine Kopie befindet sich an einem sicheren Ort und wenn mir etwas zustößt, erhält mein … ehemaliger Arbeitgeber alle Daten zurück, die ich verloren gehen ließ.«

»Kein sehr schlauer Zug, Pendejo«, knurre ich.

Es ist keine Überraschung, aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, auf diese zusätzliche Komplikation zu verzichten. Es darf gehörig bezweifelt werden, dass er wirklich Vorkehrungen treffen konnte, um wahr zu machen, was er gerade behauptet. Aber ich muss sichergehen. Also wird das hässlich werden …

»Ich muss mich absichern«, verteidigt er sich und weicht ein wenig vor meinem finsteren Blick zurück.

»Wenn du dein Geld willst, brauche ich alle Kopien«, gebe ich zurück.

»Die Kopien habe ich nicht bei mir«, versichert er sofort. »Das wäre keine gute Absicherung.«

»Cloud-Speicher?«, grolle ich.

»Natürlich nicht!«, schnaubt er. »Dann hätte ich der NSA auch gleich eine Karte schicken können, dass ein unzufriedener Mitarbeiter der DEA sich einen neuen Arbeitgeber sucht. Es sind physische Kopien und wenn ich alles habe, was wir vereinbart haben, händige ich sie alle aus.«

»Bis auf eine letzte Versicherung, nehme ich an?«

Er erwidert zwar nichts, aber er sollte nie Poker spielen. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände.

»Nicht gut genug«, lasse ich ihn wissen.

»Das ist nicht verhandelbar.«

»Das ist auch keine Verhandlung …«

 

Während ich die Machete am Jackett des abtrünnigen DEA-Datenmanagers abwische, sehe ich mich noch einmal im Raum um. Angesichts der Lage hätte es fast nicht besser laufen können.

Von allen Treffpunkten in der Gegend ist es ausgerechnet das Stunden-Motel mit den hervorragend schallisolierten Wänden, in dem niemand einen Finger rührt, wenn aus einem der Zimmer Schreie zu hören sind. Hierher kommen Leute, die sich in den erbärmlichsten Perversionen ergehen wollen. Ungestört.

Dementsprechend robust und pflegeleicht ist die Einrichtung. Auch wenn der Stuhl mit dem gefesselten Toten vermutlich nicht mehr zu retten sein wird, lässt sich das Blut auf dem Boden leicht beseitigen. Bei der Menge beneide ich die Putzfrau allerdings nicht, selbst wenn sie wohl kaum einen besonders schlimmen Schrecken davontragen wird. Ich kann annehmen, dass sie Schlimmeres kennt.

Der Anblick ist unappetitlich, aber ich hatte wenig Vorbereitung für diesen Auftrag und musste improvisieren. Ich bin zuversichtlich, dass ich alle Informationen über die Kopien aus ihm herausgeholt habe, aber es war notwendig, auf Nummer sicherzugehen. Zum Glück war diese Nullnummer nicht sehr schmerzresistent, sodass ich ihn nicht bei lebendigem Leib verstümmeln musste. Die schlimmsten Verletzungen habe ich ihm erst nach seinem Ableben zugefügt, damit das Gesamtbild stimmt.

Nachdem ich meine Hände gewaschen habe, schicke ich eine einfache, kurze Nachricht ab. ›Erledigt. Pakete abzuholen hinter der Grenze. ETA 36 Stunden.‹ Mehr ist nicht nötig. Mein Auftraggeber mag nicht direkt die DEA sein, aber sie sind hervorragend informiert und verstehen die Nachricht. In sechsunddreißig Stunden erwarten sie die physischen Kopien der gestohlenen Daten.

Eine schnelle, gründliche Suche fördert doch noch eine Überraschung zutage. Neben den Schlüsseln für zwei Schließfächer am zentralen Busbahnhof von San Antonio in Texas jenseits der Grenze finde ich noch einen weiteren. Auch dieses Exemplar gehört ziemlich sicher zu einem Schließfach, aber nicht am selben Ort. Ich nehme stark an, dass es dort, wo dieser Schlüssel passt, noch eine weitere Kopie geben dürfte.

Noch eine weitere Rückversicherung, von der mir der Dummkopf nichts verraten hat. Trotz der Schmerzen, die ich ihm zugefügt habe. Erstaunlich …

Schnell richte ich alles so her, dass es wie eine typische Kartell-Angelegenheit aussieht. Die Machete ist das bevorzugte Hinrichtungsinstrument eines der größeren Gegenspieler der Verbrecher, denen der Ex-DEA-Mann seine Daten verkaufen wollte. Mit ihr wurden auch die vier Kerle ermordet, die sich eigentlich mit ihm treffen wollten und nun in ihrem Van aufgestapelt liegen.

Falls die mexikanische Polizei einen ungewöhnlich eifrigen Tag haben sollte und der Sache genauer nachgehen will, ist das nicht mehr meine Sorge. Damit kann sich mein CIA-Kontaktmann herumschlagen. Zumindest nehme ich an, dass er bei der CIA ist. Nicht, dass es eine Rolle spielen würde.

Meine Arbeit ist fast getan. Ich muss nur noch die Kopien einsammeln und in einem toten Briefkasten hinterlegen. Meine Bezahlung mit einem saftigen Aufschlag für die Eile, in der diese Mission ausgeführt werden musste, wird wie immer ihren Weg auf eines meiner Konten finden. Die DEA erhält vermutlich ihre Daten zurück und wird höchstwahrscheinlich dennoch wenig gegen die Drogenhändler unternehmen können, denn so läuft dieses dreckige Spiel nun einmal.

Aber vielleicht irre ich mich da auch und diesmal ging es um etwas Handfestes. Einen Drogenboss untergehen zu sehen wäre eine willkommene Abwechslung, selbst wenn er nicht zu denen gehört, die ich aus tiefster Seele hasse. Jeder tote oder weggesperrte Drogenbaron ist eine gute Sache.

Mit einem letzten Blick auf das Blutbad im Raum schnaube ich und schüttele den Kopf. Wahrscheinlich rede ich es mir einfach nur schön, wenn ich mir vormache, dass ich für eine gerechte Sache kämpfe. Fünf Tote bei einer Mission sind eine vergleichsweise niedrige Anzahl für meine Verhältnisse. Ich bin ein Troubleshooter. Ein Problemlöser, der wie ein Söldner von der US-Regierung benutzt wird, wenn sie keinen ihrer eigenen Männer ins Spiel bringen wollen. Sodass sie im Zweifel alles abstreiten können.

Ich bin kein Held. Auch nicht von der düsteren Sorte, die auf der falschen Seite des Gesetzes operieren, um Gutes mit bösen Mitteln zu erreichen. Ich bin … einfach nur ein Mann auf einem Rachefeldzug, der sich als Söldner über Wasser hält.

Ein Vibrieren in meiner Tasche reißt mich zurück in die Gegenwart. Die Tür hinter mir schließend und den Griff abwischend, wie ich es mit allen Stellen getan habe, die Spuren von mir aufweisen mögen, hole ich mein Handy hervor.

Auf dem Display erscheint das Bild einer Frau. Eine bildhübsche Latina mit dunkelbraunen, fast schon schwarzen Augen und vollen, sinnlichen Lippen. Aber es ist nicht ihr Aussehen, das mich aufmerken lässt. Es ist ihr Nachname.

Salazar.

Endlich!

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Isabella

 

 

 

»Name?«

»Maria Fernanda Pérez.«

Ich sehe, wie sich das Gesicht meines Gegenübers verdunkelt. Tiefe Falten bilden sich auf seiner Stirn.

»Name?«, knurrt er ungehalten.

»Maria Fernan…«

Seine Faust kracht auf den Tisch und er funkelt mich wütend an. »Miss Salazar, verkaufen Sie mich nicht für dumm!«

Lächelnd lehne ich mich im Stuhl zurück und verschränke die Arme vor der Brust. »Wer verkauft hier wen für dumm? Wenn du doch meinen Namen kennst, warum fragst du danach? Oh Moment, warte …« Ich weiß, dass der Agent mir gegenüber geschult ist, aber nach einer knappen Stunde Katz und Maus Spiel, in der er nichts weiter als einen falschen Namen aus mir herausbekommen hat, verlässt sogar ihn die Geduld. »Den Namen nur zu bestätigen reicht nicht aus. Sonst könnte man es dir als Manipulation auslegen.«

Ich grinse breiter, als er tief einatmet und versucht, sich wieder zu beruhigen. Ich lasse meine verschränkten Arme bis unter die Brust sinken und lehne mich wieder leicht nach vorne. »Isabella. Valentina. Salazar.« Während ich jeden einzelnen Namen extra betone und langsam ausspreche, drücke ich mit den Armen meine Brüste nach oben. Gott, Männer sind so leicht manipulierbare Schwachköpfe. Je höher meine Titten wandern, desto mehr senkt sich sein Blick. Wahrscheinlich hat er nicht einmal mitbekommen, dass ich gerade meinen vollen Namen gesagt habe.

»Darf ich dann erfahren, warum ich hier festgehalten werde?«, reiße ich ihn aus seiner Betrachtung meiner wohlgeformten Hügel.

Sein Kopf ruckt hoch und seine Augen wenden sich wieder meinem Gesicht zu. »Ihr Vater ist Juan Carlos Salazar.«

»Mir wird vorgeworfen, dass ich die Tochter meines Vaters bin?«

»Miss Salaz…«

»So heiße ich. Ich dachte, das hätten wir jetzt geklärt«, falle ich ihm ins Wort und sehe, wie sich wieder tiefe Falten auf seiner Stirn bilden. Ich kann allerdings davon ausgehen, dass er mir nichts tun wird. Sonst wäre das schon längst geschehen. Er hat sich mir nicht vorgestellt, aber ich bin mir absolut sicher, dass es irgendeine Behörde der Amerikaner ist. DEA, CIA, NSA - es spielt keine Rolle. Es ist allerdings ziemlich scheiße, dass sie mich erwischt haben. Ich kann mir denken, was sie von mir wollen.

»Ihr Vater verkauft Drogen, handelt mit Waffen und zwingt Frauen zur Prostitution. Er ist einer der führenden Köpfe des sogenannten Cartel Sin Nombre - Kartell ohne Namen aus Bogotá.«

Immerhin kommt er schnell zum Punkt, nachdem ich ihn so lange hingehalten habe, bis wir uns auf meinen richtigen Namen einigen konnten. Und das auch nur, nachdem er zum vierten Mal in den Nachbarraum hinter dem von dieser Seite undurchsichtigen Spiegel verschwunden ist. Nach jeder Rückkehr in den Verhörraum war weniger von seiner Höflichkeit übrig, bis er nun endlich eingestanden hat, dass er die ganze Zeit über wusste, wer ich bin. Doch auch wenn dieser Punkt in dem Geduldsspiel an mich geht, bin ich noch lange nicht fertig damit, ihn vorzuführen.

»Sie sind wohl auch den Gerüchten …«, setze ich an, bei der reinen Unschuldsnummer zu bleiben, denn er hat glasklar nicht das Geringste gegen mich in der Hand.

»Er arbeitet mit uns zusammen«, unterbricht er mich.

Kurz bringt er mich damit ins Stocken, aber ich habe mich schnell wieder unter Kontrolle. Wenn man als Tochter eines der mächtigsten Verbrecher Kolumbiens aufwächst, lernt man schon von klein auf sich zu kontrollieren. Demonstrativ blicke ich mich in dem kargen Raum um, was wiederum den Agenten vor mir aus dem Konzept bringt.

»Suchen Sie etwas?«, fragt er irritiert nach.

»Meinen Vater«, gebe ich mit langsamem Augenaufschlag zurück und lasse ihn kurz erfassen, wie wenig glaubwürdig seine Behauptung ist. »Wenn er mit euch zusammenarbeiten würde …« Ich muss den Satz nicht weitersprechen. Er versteht schon, dass ich ihm kein Wort glaube.

Ich sehe, wie er seinen Blick nach innen richtet. Der Knopf in seinem Ohr ist kaum zu sehen. Er hat fast die ganze Zeit darauf geachtet, mir die andere Seite zuzuwenden. Dass er hier weder die Anweisungen gibt, noch sich die Fragen selbst ausdenkt, ist mir längst klar. Seine Ausflüge in den Nachbarraum fanden ohne Frage mehr für umfangreiche Regieanweisungen mit Gelegenheit zu Rückfragen statt, als für taktische Besprechungen.

Was die Frage wieder aufkommen lässt, warum man ihn ausgewählt hat, mich zu verhören. Das ergibt ebenso wenig Sinn, wie der dumme Versuch, mir weismachen zu wollen, mein Vater sei ein Verräter. Dieser Kerl ist weder ein harter Hund, noch sieht er gut genug aus, um mich aus dem Konzept zu bringen. Seine Verhörmethoden passen besser zu einem Revierpolizisten in einem Vorort ohne jede Kriminalität, wo die Fälle sich um Gärtenzäune und Hundescheiße auf dem Bürgersteig drehen. Als taktvollen Freund und Helfer der rassenrein-weißen Spießbürger könnte ich ihn mir vorstellen.

»Müssen die Verhörexperten sich erst auf eine neue Scharade einigen oder ist das, was sie dir ins Ohr flüstern, einfach zu hoch für dich?«, frage ich, ohne die Abfälligkeit aus meinem Ton herauszuhalten. »Vielleicht solltest du mir das Knöpfchen geben, dann wird es eventuell heute noch was …«

Ich lehne mich wieder im Stuhl zurück und grinse, als ein Funkeln in seine Augen tritt. Ein Komplettverlust scheint er nicht zu sein. Wer weiß, wenn man ihn von der Kette lassen würde und ich ihn noch ein paar Stunden reizen könnte … vielleicht hätte ich mit ihm sogar meinen Spaß.

»Miss Salazar, Ihr Vater hat mit uns einen Deal ausgehandelt«, kommt er mir betont sachlich. »Informationen im Austausch gegen seine und Ihre Sicherheit. Mehr dürfen wir Ihnen in der jetzigen Situation nicht sagen.«

Trocken lache ich auf. »Natürlich. Deshalb ist er es auch, der mich hier - in Sicherheit - über all das informiert.« Ich lege eine angemessen dramatische Pause ein. »Ach … nein. Doch nicht. Oder ist er etwa hinter dem Spiegel und flüstert dir ins Ohr, wie du mir garantiert auf die Nerven gehen wirst, ohne ein Stück weiter zu kommen? Denn das machst du gerade wirklich perfekt.«

»Leider entzieht sich sein Aufenthaltsort im Moment unserer Kenntnis, Miss Salazar«, erwidert der Pendejo ganz so, als würde er all dies hier völlig ernst meinen. »Genau deswegen sind Sie hier. Wenn Sie wissen, wo er sich aufhält, dann müssen Sie es uns umgehend mitteilen. Er schwebt in großer Gefahr …«

»Ich muss gar nichts«, fahre ich dazwischen und habe endgültig genug. Was auch immer das für eine Taktik sein soll, sie ist wirklich seltendämlich. »Vor allem muss ich nicht weiter hierbleiben. Es sei denn, du würdest mich verhaften wollen. Was nicht nur bedeuten würde, dass du mir sagen müsstest, für welchen Verein du arbeitest. Ich würde auch sofort meinen Anwalt kontaktieren und nichts weiter aussagen, bis er hier ist. Wo immer ›hier‹ auch genau sein mag …«

Dieser Scheiß hier bringt mich an den Rand eines Wutausbruchs, so absurd und schlichtweg loco ist es. Ich bin schon einige Male von der Polizei und Regierungsbehörden verhört worden. Man hat mich Stunden eingesperrt. Man hat mir wehgetan. Mit solchen Situationen bin ich vertraut. Damit kann ich umgehen. Aber das hier …? Das ist einfach nur verrückt.

»Miss Salazar, wir …«, setzt er unbeirrt wieder an.

»Wird mir irgendetwas vorgeworfen?«, zische ich. »Außer, dass ich die Tochter von Juan Carlos Salazar bin?«

Die Sache macht mich immer kribbeliger. Würde der Kerl aufspringen, den Tisch zur Seite fegen und anfangen, seinen Job zu tun, wäre mir das wesentlich lieber. Dann würde ich bald erfahren, was hier wirklich für ein Scheißspiel gespielt wird. Stattdessen horcht er wieder auf seine Anweisungen und tut nichts dergleichen.

»Nein, Miss Sal…«

»¡Madre de Dios! Du musst nicht ständig meinen Namen wiederholen«, fauche ich und spanne mich unwillkürlich an. Wütend fixiere ich ihn. »Und wenn wir nicht hier wären, würdest du das ›Miss‹ auch ganz schnell sein lassen. Das kann ich dir versprechen!«

Er schluckt hart. Meine Wut steht im Widerspruch zu dem tiefen Einblick in meine weit aufklaffende Bluse. Damit kann er nicht umgehen. Ich bin mir sicher, so wie seine Ader an der Schläfe pocht und er ständig schlucken muss, hat er gerade den verwirrendsten Ständer seines bisherigen Lebens.

»Miss …« Er stoppt sofort als ich meine Augenbraue hochziehe. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit sollten Sie hierbleiben und mit uns kooperieren.«

»Ich passe«, erwidere ich und winke ab. »Und wenn du nicht noch vorhast, mit deinen Händen dahin zu kommen, wo deine Augen schon sind, werde ich jetzt gehen.« Mein Lächeln ist zugleich kalt und herausfordernd, als ich den Einblick noch einen Moment aufrechterhalte. »Du müsstest nur zugreifen …«

Ein Ruck geht durch seinen Körper und er richtet sich stocksteif auf dem Stuhl auf. Seine Vorgesetzten scheinen meinen Spaß nicht witzig zu finden. Ich meine sogar das Brüllen gehört zu haben, mit dem sie den armen Kerl zur Vernunft geschrien haben.

Ich richte meinen Blick auf den Spiegel. »Foltert mich, lasst den Kerl meine Pussy lecken, schickt mir meinen Anwalt … oder lasst mich endlich gehen. Ich glaube euch kein einziges Wort und ich werde jetzt nichts mehr sagen.« Demonstrativ lehne ich mich im Stuhl zurück und verschränke die Arme vor der Brust.

Es dauert nicht lange. Mit einem leisen Klicken öffnet sich die Tür hinter mir.

»Sie vergewissern sich besser schnell, dass es Ihrem Vater gut geht.«

Tiefe Stimme, älterer Mann, gewohnt Befehle zu geben. Ein Blick zu ihm bestätigt meine Einschätzung. Graue Haare, tiefe Falten und ein energisches, glattrasiertes Kinn. Sein schwarzer, akkurat sitzender Anzug täuscht nicht darüber hinweg, dass er normalerweise Uniformen trägt … oder mal getragen hat. Ich schaue ihn nur stumm an.

»Sie können gehen.« Er hält die Tür weit auf.

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und sehe ihn misstrauisch an. Was für eine Show ist das jetzt? Ich wittere eine Falle. Nach diesem ganzen, beknackten Theater lassen sie mich einfach gehen? Ist das ein Verhörtrick, den ich noch nicht kenne?

Sein aufforderndes Nicken ist knapp und eindeutig. Es ist keine Bitte, sondern eine Anweisung. Ich fühle mich beinahe unerwünscht. Nichts hiervon ergibt irgendeinen Sinn. Ich muss auf der Hut sein!

»Die Unannehmlichkeiten, die Sie erdulden mussten, tun mir leid«, entschuldigt er sich, als ich auf seiner Höhe bin.

»Das soll ich Ihnen glauben?«, frage ich herausfordernd. Komischerweise hält mich irgendetwas an ihm ab, in das Du zu fallen, das ich die ganze Zeit bei meinem bisherigen Gegenüber genutzt habe.

»Wir sind keine Unmenschen, Miss.«

»Klar«, schnaube ich. »Wenn Ihre Leute foltern, dann tun sie das immer nur für eine bessere Welt und Frieden auf Erden. Vor allem aber mit Gottes Segen. Das verstehen wir armen, nicht-amerikanischen Sünder natürlich voll und ganz.«

»Kontaktieren Sie Ihren Vater«, sagt er, ohne auf meine Worte einzugehen oder auch nur mit der Wimper zu zucken. »Reden Sie mit ihm und lassen Sie ihn wissen, dass wir bereit sind, alles in unserer Macht stehende zu tun, um ihn und Sie zu schützen.«

Ich verkneife mir ein trockenes Auflachen, denn … jetzt endlich begreife ich es. Eine völlig neue Taktik, die keinen Sinn zu ergeben scheint. Mich verunsichern, bis ich wirklich anfange an allem zu zweifeln. Sie müssen sich denken können, dass ich meinen Vater nicht einfach anrufe. Sie werden versuchen, mir zu folgen, wenn ich mich zu ihm begebe. Das ist erschreckend schlau. Es hätte beinahe geklappt …

Bevor ich gehen kann, hält er mich noch am Arm fest. »Seien Sie vorsichtig. Sie haben mächtige Feinde.« Eindringlich sieht er mich an.

Ich schnaube. »Das ist nicht neu. Darf ich jetzt endlich gehen?« Demonstrativ blicke ich auf seine Hand.

»Natürlich. Für das nächste Mal hoffe ich, dass wir uns unter besseren Umständen wiedersehen.«

Ich lasse es unkommentiert stehen, denn ich weiß mit Gewissheit, dass ich weder ihn, noch seinen Handlanger ohne Geschick als Verhörer, noch einmal wiedersehen möchte. Seine ruhige, vermeintlich freundliche Art kann mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein knallharter Mistkerl ist. Und die angebliche Ungeschicklichkeit des anderen erscheint mir jetzt auch nicht mehr ganz so authentisch …

 

Brachten sie mich bewusstlos her, so darf ich jetzt einfach so gehen. Es ist eine alte, verlassene Halle - Teil einer ehemaligen Fabrik -, wie es so viele in und um Bogotá gibt. Mir zu merken, wo ich war, ist allerdings Zeitverschwendung. Ich bin mir sicher, dass sie das Gebäude in dem Moment räumen, in dem das Auto mit mir das Gelände verlässt. Keinen Schnipsel würde ich vorfinden, sollte ich noch einmal zurückkehren.

Der schwarze SUV und der Fahrer im schlichten Anzug, geben keinen Hinweis darauf, zu welcher Organisation diese Kerle gehören. Dass sie zu irgendeiner kolumbianischen Einheit gehören, kann ich mit Sicherheit ausschließen. Keiner der Männer, denen ich begegnete, sprach mit irgendeinem Akzent. Es sind Amerikaner. Wie immer. Sie haben das größte Interesse an meinem Vater und dem Kartell.

Dass sie mich so einfach entführen konnten, wurmt mich ziemlich. Ich brauche normalerweise keine Bodyguards um mich herum, aber wenn ich feiern gehe, besteht mein Vater darauf, dass einige seiner Männer immer in meiner Nähe sind. Und genau dort müssen sie mich aufgegriffen haben. Mein einziger Hinweis auf das Wie ist ein unangenehmer Nachgeschmack auf meiner Zunge. Man muss mir etwas in den Drink getan haben. Darauf zu achten ist eigentlich der beschissene Job meiner Babysitter.

Normalerweise …

Und sie sind loyale Männer.

Eigentlich …

Keine Regierung könnte sie davon überzeugen, mich zu verraten. Sie bekommen genug vom Kuchen ab und sie wissen genau, was man mit Verrätern in unseren Kreisen tut. Was mich wieder zu meinem Vater bringt. Er würde nie mit einer der amerikanischen Organisationen zusammenarbeiten. Mir fällt kein Grund ein, warum er seinen Partnern in den Rücken fallen sollte. Wenn er einen von ihnen loswerden will, heuert er einen Auftragskiller an, aber er vernichtet doch nicht sein eigenes Imperium. Das ist absoluter Bullshit.

Zu intensiv kann ich jedoch nicht darüber nachdenken, denn ich sitze nicht in einem unserer Wagen. Ich behalte den Fahrer, aber auch die Route im Auge. Allerdings fällt mir nichts Verdächtiges auf. Auch der Blick nach hinten verrät mir im Moment nicht, ob wir verfolgt werden. Denn davon gehe ich aus. Sie haben mich laufen gelassen, damit sie mir folgen können.

Zielsicher fährt der Wagen durch die Straßen der Hauptstadt Kolumbiens. Bunte Fassaden, heruntergekommene Gebäude, Wolkenkratzer und eine Vielzahl von Kirchen ziehen an uns vorüber. Ich liebe diese chaotische Stadt. Hier bin ich aufgewachsen und es schnürt mir das Herz ein, wenn ich darüber nachdenke, das mein Vater das alles verraten haben soll.

Der Fahrer hält vor dem Octava, meinem Stamm-Tanzclub, wo sie mich aufgegriffen haben. Wie das passieren konnte und warum die Männer meines Vaters nicht aufgepasst haben, das muss ich später klären. Der Wagen setzt sich unverzüglich wieder in Bewegung, als ich ausgestiegen bin und die Tür zugeworfen habe. Mit einem kurzen Seitenblick nehme ich die Umgebung in mich auf. Sind diese Straße und die ganzen Nebengassen nachts überfüllt, so befinden sich am helllichten Tag nur wenige Menschen hier. Die meisten Einwohner der Stadt meiden diese Region. Es ist für sie ein Sündenpfuhl. Dabei gibt es weitaus schlimmere Ecken in der Stadt.

Ich halte mich nicht länger hier auf, sondern nehme einen Weg, der mich durch kleine Gassen und Hinterhöfe führt. So kann ich mir sicher sein, dass mir mit dem Auto keiner folgen kann. Bevor ich nach Hause gehe oder gar Kontakt zu meinem Vater aufnehme, muss ich erst einmal zu Miguel.

 

Zwanzig Minuten später betrete ich den kleinen, unscheinbaren Laden. Ich begrüße Miguel und seinen Sohn nicht wie üblich und er weiß sofort Bescheid. Er betätigt den kleinen Schalter unter der Theke und ich folge ihm durch den vorher nicht zu sehenden Durchgang. Ohne Scham schlüpfe ich aus meinen Klamotten und reiche sie ihm weiter, damit er sie wegschaffen und verbrennen kann. Dann scannt er sorgfältig meinen gesamten Körper. Aber nur mit seinem Werkzeug und nicht mit den Augen. Dafür respektiert er meinen Vater zu sehr. Und ich respektiere ihn dafür, dass er die Willenskraft besitzt, es auch hinzubekommen.

»Sauber«, vermeldet er und reicht mir einfache Ersatzkleidung, die zumindest unauffällig ist, auch wenn ich so etwas normalerweise nie anziehen würde. Weder die Hose noch der Pullover sind figurbetont, aber zumindest falle ich damit am helllichten Tag nicht so sehr auf, wie in meinen Partyklamotten.

Wenn ich nicht verwanzt bin, dann werden sie mir jemanden an die Fersen heften. »Ich brauche ein Handy und eine Waffe.« Ich gehe davon aus, dass sie meins behalten haben. Darauf werden sie nichts finden. Wenn ich ausgehe, habe ich ein Wegwerfhandy mit dabei. Alle Nummern, die wichtig sind, sind in meinem Kopf gespeichert.

»Si, Isabella.« Er eilt durch das Hinterzimmer und kommt mit einem Smartphone und einer Pistole zurück, die ich mir in den Hosenbund stecke.

»Muchas Gracias, Miguel. Ich werde den Hinterausgang benutzen. Bestell Maria schöne Grüße«, bedanke ich mich und bin schon auf dem Weg zur Tür.

»Sie würde sich freuen, wenn du wieder einmal zum Essen vorbeikommen würdest, Kind.«

»Das werde ich. Adiós.«

Seine Familie steht treu zu meinem Vater und mir. Als meine Mutter starb, als ich gerade einmal fünf Jahre alt war, war Maria jeden Tag bei uns. Sie kochte für mich, sorgte dafür, dass ich zur Schule ging, und versuchte verzweifelt, mir Manieren und Anstand beizubringen. Mit der Schule hatte sie Erfolg, mit den Manieren vielleicht auch. Mit dem Anstand … nicht so sehr.

Die Gedanken verscheuchend, schlüpfe ich aus der Hintertür und lasse meine Augen durch den kleinen Hinterhof schweifen. Ein abschließender Blick zu den Fenstern und Dächern der umliegenden Häuser bestätigt mir auf die Schnelle, dass mir zumindest im Augenblick niemand auflauert.

Ich könnte und sollte unsere Sicherheitsmänner informieren, dass sie mich abholen. Aber mein Ehrgeiz ist geweckt. Ich will wissen, wen sie mir hinterherschicken. Ob er es mit mir aufnehmen kann. In dieser Gegend kenne ich mich sehr gut aus. Natürlich kenne ich die ganze Stadt wie meine Handinnenfläche, aber das hier ist mein Revier. Jeden Unterschlupf, jeden Laden, der von meinem Vater kontrolliert wird und jeden Bezirk, der sich fest in seiner Hand befindet, kenne ich in- und auswendig.

Blitzschnell und trotzdem meine Umgebung ganz genau im Auge behaltend, husche ich durch die Straßen und Gassen. Ich weiß, welche Wege ich nehmen muss, um es Verfolgern äußerst schwer zu machen. Noch ziehe ich allerdings nicht alle Register. Nach nur wenigen Straßen bin ich mir sicher, dass ich tatsächlich einen Schatten habe. Sofort stellt sich das Kribbeln in meinem Nacken ein. Ich liebe diesen Adrenalinkick.

Ohne Mühe könnte ich ihn abhängen, aber ich verschaffe mir nur einen so großen Vorsprung, dass er gerade noch folgen kann und ich nicht in irgendeine dämliche Falle stolpere. Mein Herz pumpt kräftig in meiner Brust, mein ganzer Körper kribbelt vor Aufregung. In solch einer Situation gepackt und gegen die nächste Hauswand gepresst zu werden, wäre …

Ich muss aufpassen, dass mich die verfickte Erregung nicht zu sehr im Griff hat, die mich jedes Mal heftig erfasst, wenn das Adrenalin durch meine Adern rauscht. Ich kann es mir gerade nicht leisten, von Fantasien abgelenkt zu werden.

Da die Kerle mich allerdings nicht wirklich umbringen wollen - dazu hatten sie vorher genug Gelegenheiten - lasse ich mich von dem Rausch des Katz und Maus Spiels etwas mehr erfassen. Ich husche um die nächste Hausecke und schiebe mich blitzschnell rücklings hinter den Vorsprung, der sich dort befindet. Mit heftig schlagendem Herz, leise nach Atem ringend und einem Prickeln zwischen meinen Beinen, das auch nicht durch Aneinanderreiben meiner Schenkel zu lindern ist, warte ich auf meinen Verfolger.

Er wird mich so versteckt nicht sehen können. Aber ich habe ihn genau im Auge, als er um die Ecke biegt und abrupt zum Stehen kommt. Oh ja, er kann eine lange Strecke vorausschauen und bemerkt schnell, dass ich nicht mehr vor ihm bin. Die Kappe tief ins Gesicht gezogen kann ich ihn nicht identifizieren. Aber das spielte keine Rolle. Er ist mir in die Falle getappt und als er sich suchend umschaut und mir den Rücken zudreht, trete ich aus meinem Versteck hervor.

Ein Lächeln umspielt meine Lippen, während sich der Lauf meiner Waffe an seine Schläfe drückt. Dann erstarrt mein Gesicht und die adrenalingeborene Erregung wird schlagartig kälter, als ich die Neunmillimeter mit Schalldämpfer in seiner abgewandten Hand entdecke.

Das ist nicht, was ich erwartet habe. Das ist nicht, was man in der Hand hält, wenn man jemanden beschattet. Die Waffe kann nur eines bedeuten, auch wenn das keinen Sinn ergibt …

 

 

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Tyrone

 

 

 

Der Spur zu folgen ist nicht schwer. Ich muss die dahintersteckende Technik nicht voll und ganz verstehen. Es reicht, wenn ich sie anwenden kann. Wobei Technik für diese Sache wohl nicht einmal der richtige Begriff ist. Es handelt sich vielmehr um Chemie.

Das Gerät in meiner Linken zeigt mir auf einem kleinen Display die Stärke einer Spur auf einer groben Karte der Gegend. Eine rote Linie verrät den Verlauf der Fährte. Mein gegenwärtiger Standpunkt liegt ein gutes Stück entfernt von ihrem vorläufigen Endpunkt - der Stelle, wo ich die Spur verlassen habe. Aber ich habe dennoch eine Ahnung davon, wo sich mein Ziel befindet.

Während der Verfolgung hat etwas meine Aufmerksamkeit erregt. Ungewöhnlich genug, um der Sache nachzugehen, hat es mich hierher geführt. Und nun spüre ich den Lauf einer Waffe an der Seite meines Kopfes. Kein Zweifel, ich kann das Waffenöl riechen, das auch ich für meine Ausrüstung verwende.

Ich höre die gepressten Atemzüge mühsamer Beherrschung. Ich fühle das leichte Zittern äußerst angespannter Muskeln. Ich nehme die Nervosität wie eine Aura um die Person rechts von mir wahr, die mich bedroht. Ich habe ein sehr klares Bild der Lage.

»¡Mierda!«, höre ich den gepressten Fluch.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich die linke, freie Hand zu heben beginnt. Ich erfasse die Haltung von Fingern, Handgelenk und Unterarm und ziehe meine Schlüsse. Ich warte.

Es gibt einen Moment der Unaufmerksamkeit, als die Hand ihr Ziel in der Nähe der Schulter erreicht. Ich brauche nicht mehr als diesen Sekundenbruchteil, um zu handeln.

Während mein Oberkörper nach vorne und unten wegtaucht, um meinen Kopf aus der Schussbahn zu bringen, kommt mein rechter Arm hoch. Die Waffe wird nach hinten geschmettert, als meine Faust das Handgelenk trifft. Am Rande erfasse ich, wie der Griff sich lockert, weil mein Treffer ein Taubheitsgefühl auslöst. Ganz so, wie es sein sollte.

Ein Knacken ertönt, aber ich bin schon zu meinem Gegner herumgefahren. Auge in Auge stehe ich der Latina gegenüber, die ich vielleicht vor langer Zeit - in einem anderen Leben, als ich noch ein lebendiges Herz in meiner Brust hatte - einmal attraktiv gefunden hätte. Ihre Augen weiten sich, als sie zu begreifen beginnt, was geschieht. Zu spät.

Das Geräusch, als ich mit der Handkante ihren Kehlkopf treffe, ist genau richtig. Unschön, aber notwendig. Es ist nicht zwingend eine tödliche Verletzung. Jedenfalls nicht, wenn schnell genug medizinische Hilfe geleistet wird. Ob das der Fall sein wird, ist gerade keine wichtige Frage.

Die Frau hat mich überrascht. Ich habe nicht mit ihrer Anwesenheit an dieser Stelle gerechnet. Sie muss mich gehört haben und hat einen schnellen Hinterhalt gelegt. Sie dachte, mit ihrer Pistole wäre sie mir gewachsen. Mit meiner Schnelligkeit war nicht zu rechnen. Nun ist sie überrascht. Vor allem darüber, dass sie nicht mehr sprechen kann und kaum mehr Luft bekommt.

Sie lässt die Waffe fallen und packt sich an den Hals. Verzweifelt bemüht sie sich, etwas zu sagen. Doch es kommt nur ersticktes Röcheln aus ihrer Kehle. Ganz gleich, ob sie überleben wird oder nicht, ihre Stimme wird nie mehr so weiblich klingen, wie bei dem letzten Wort, das sie mit intaktem Kehlkopf gesprochen hat. Doch das weiß sie nicht …

Ich erfasse mit einem schnellen Blick alle Informationen, die für mich wichtig sind. Ihre Augen weiten sich weiter, werden panisch. Ein flehender Ausdruck tritt hinein. Mein kalter Blick trifft ihren und die Angst nimmt nur weiter zu. Sie findet in meinen Augen keine Gnade. Ich habe keine zu gewähren.

Ganz leise dringt eine Stimme an mein Ohr. Ich ziehe mein Knie an, um es der Frau in den Magen zu rammen. Als sie sich krümmt, ziehe ich das einseitige Headset von seinem Platz an ihrem Ohr und hebe es zu meinem.

»Melde dich, verdammt!«, fordert eine Männerstimme. »Ich habe keine freie Sicht. Was ist da los?«

Mit einem Tritt befördere ich die zu Boden gefallene Waffe außer Reichweite und trete der am Boden Liegenden mit voller Wucht in den Magen. Sie würgt, hustet und röchelt schwach. Genug Zeit für mich, einen Überblick zu gewinnen.

Schnell bin ich weit genug im Raum, um durch das Fenster in die Seitengasse zu blicken, die ein Stockwerk tiefer liegt. Genau gegenüber sehe ich ein verblüffendes Spiegelbild dessen, was hier gerade passiert ist. Allerdings mit vertauschten Rollen.

Dort ist es ein Mann, der an einem Stück Wand lehnt und sich vor Schmerzen krümmt. Vor ihm steht eine Frau und sie ist diejenige mit der Waffe. Wie es aussieht, hat sie den Schaden bei ihrem Opfer allerdings mit bloßen Händen angerichtet. Und sie ist noch nicht fertig …

Schnell schaue ich die Gasse hinauf und hinab, so gut es bei meinem Blickwinkel geht. ›Keine freie Sicht‹, hat der Mann über Funk gesagt. Das kann nur bedeuten, dass er durch den näher gelegenen Eingang in die schmale Seitenstraße blickt. Der Vorsprung, hinter dem die Frau da unten vermutlich ihrem Verfolger aufgelauert hat, verdeckt ihm die Sicht.

»Selena«, zischt der vermutliche Scharfschütze im Headset. »Was ist mit Carlos? Wo ist die Schlampe? Ich habe kein Schussfeld.«

Ich betätige den Sendeknopf nur lange genug, um Stille fordernd ins Mikrofon zu zischen. Es ist unmöglich zu erfassen, dass dieser Laut nicht von der Frau stammt, die nach Luft ringend und sich auf dem Boden windend hinter mir stirbt. Es sollte mir etwas Zeit verschaffen.

Dann sehe ich hinab auf die Schlampe, um die es geht. Die Frau, die offenbar nicht nur mein Ziel ist, sondern noch andere … Verehrer hat. Was mich zu meinem Umweg veranlasst hat, kaum dass ich es bemerkte. Wodurch ich in den Rücken ihrer anderen Verfolger gelangen konnte.

Ein Teil von mir würde nur zu gern zulassen, dass der Heckenschütze sie erledigt. Salazar. Der Name erzeugt einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge, so gut kenne ich ihn. Sie kenne ich nicht, aber ihre Familie steht auf meiner Todesliste. Allen voran ihr Vater, den zu finden und lebendig abzuliefern der Grund für meine Mission ist.

Ich könnte es geschehen lassen. Aber wenn es auch nur die geringste Chance gibt, das gesamte Kartell hochzunehmen, das voller Arroganz darauf verzichtet, sich selbst einen Namen zu geben, als sei es die größte und mächtigste aller Organisationen …

»Carlos, du miese Ratte«, höre ich die Verbrecher-Prinzessin unten in der Gasse fluchen. »Was soll der Scheiß? Erst lässt du mich im Stich und jetzt …? Willst du mich umbringen?!«

»Verräterin«, ächzt der Typ, den sie vor dem Lauf der Pistole hat. Ich lese es mehr von seinen Lippen und seiner Miene ab, als dass ich es höre.

»So ist das also …«, murmelt sie und geht in die Hocke, um die Pistole mit dem Schalldämpfer vom Boden aufzuheben. »Na dann …«

Ich weigere mich, ihr Achtung zu zollen, weil sie schlau und hart genug ist, einfach abzudrücken. Sie stellt ihm keine weiteren Fragen, zögert nicht und denkt dabei sogar an den Lärm ihrer Tat. Zwei Schüsse in die Brust, einer in den Kopf. Ganz nach Art des Kartells. Oder auch eines Profis.

Nein, ich achte sie nicht. Ich erkenne jedoch, dass sie sehr gefährlich ist. Und dass sie tot sein wird, sobald sie um die Ecke tritt. Was nur so lange dauern wird, bis sie den Toten durchsucht hat. Mir bleibt nicht viel Zeit, wenn ich diese Mission nicht versauen will.

Nicht, dass ich überhaupt die Möglichkeit hätte … Ein Scharfschütze am Ende der Gasse, vermutlich sogar in einem Haus auf der anderen Seite der Querstraße. Viel zu weit weg für eine Pistole. Viel zu wenig Zeit für ein Täuschungsmanöver. Ich müsste … sie warnen. Frustriert stoße ich die Luft aus und lasse den Blick schweifen.

Dreck! Neben dem Eingang zum Raum steht das Sturmgewehr der Sterbenden. Das würde ausreichen, um ein Ziel auf so eine Distanz zu treffen, wenn man weiß, was man tut. Was bei mir der Fall ist …

Verdammte Scheiße! Ich könnte kotzen!

Abrupt wende ich mich ab und steige über den kaum noch zuckenden Körper auf dem Boden, während ich das Gewehr packe. Ich nehme an, ich habe weniger als eine Minute, um eine Stelle für einen Schuss und die genaue Position meines Ziels zu finden.

Ich kann nur hoffen, dass das Salazar-Miststück schneller fertig ist und sich erschießen lässt, bevor ich es verhindern kann. Das wäre dann Schicksal …

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Isabella

 

 

 

Was für eine Scheiße ist das? Ich blicke auf den toten Körper von Carlos, meinen ehemaligen Leibwächter, hinab. Seine leblosen Augen starren anklagend zurück. Er hat mich eine Verräterin genannt. Eiskalt läuft es mir über den Rücken und ein ganz anderes Prickeln stellt sich in meinem Nacken ein. Eine Verräterin?

»¡Mierda!«, fluche ich leise, während ich mich neben dem Toten hinknie und ihn zügig, aber systematisch abtaste. Meine Gedanken rasen. Habe ich mich tatsächlich so geirrt? Hatten die Amerikaner tatsächlich recht und mein Vater ist ein Überläufer? Alles in mir sträubt sich gegen diese Behauptung.

Nicht mein Vater!

---ENDE DER LESEPROBE---