Protecting You - Claire Kingsley - E-Book

Protecting You E-Book

Claire Kingsley

0,0

Beschreibung

Eine Nacht vereint sie. Eine Nacht trennt sie.

In ihrer Kindheit waren Asher und Grace beste Freunde, die sich alles erzählt und alles miteinander geteilt haben. Jetzt sind sie erwachsen und Grace studiert in einer anderen Stadt. Asher vermisst sie sehr und als sie im Sommer nach Hause kommt, ist plötzlich alles anders. Er sieht nicht mehr nur die beste Freundin in ihr, sondern auch die wunderschöne, erwachsene Frau. Doch Asher möchte ihre Freundschaft nicht riskieren. Nicht in einer Kleinstadt wie Tilikum, in der sich alle kennen und Klatsch und Tratsch ein Volkssport ist. Dazu noch seine wilden Brüder, denen nichts entgeht, und Intrigen, die sich über Generationen erstrecken. Ihre Liebe hätte wahrscheinlich keine Chance.

Grace zu lieben ist ein Risiko. Sie zu verlieren ist seine größte Angst …

 "Protecting You" - der große Auftakt der "Bailey Brothers" Reihe von Bestsellerautorin Claire Kingsley. Wir empfehlen die Titel in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da Ashers und Graces Geschichte in "Fighting for us" fortgesetzt wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 227

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Eine Nacht bringt sie zusammen. Eine Nacht trennt sie.

In unserer Kindheit waren Grace und ich die besten Freunde der Welt. Wir haben uns alles erzählt und alles miteinander geteilt. Doch jetzt sind wir erwachsen und sie studiert an einem College in einer anderen Stadt. Mein zweites Ich ist weit entfernt und fehlt mir jeden Tag.

Als sie den Sommer über nach Hause kommt, ist dann alles anders. Plötzlich sehe ich nicht mehr nur die beste Freundin in ihr. Sie ist eine wunderschöne, erwachsene Frau geworden. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie sich eines Tages für einen anderen Mann entscheidet.

Doch ich lebe in einer Kleinstadt, in der alle sich kennen und Klatsch und Tratsch ein Volkssport ist. Mit fünf wilden Brüdern, denen nichts entgeht und einer Fehde, die sich über Generationen erstreckt. Unsere Liebe hätte so gut wie keine Chance.

Sie zu lieben ist ein Risiko. Sie zu verlieren wäre mein Untergang …

 »Protecting You« – der große Auftakt der »Bailye Brothers« Reihe von Bestsellerautorin Claire Kingsley. Wir empfehlen die Titel in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da Ashers und Grace Geschichte in »Fighting for us« fortgesetzt wird.

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen. Ein Leben ohne Kaffee, E-Reader und neu erfundene Geschichten ist für sie nicht vorstellbar. Claire Kingsley lebt mit ihrer Familie im pazifischen Nordwesten der USA.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

https://www.aufbau-verlage.de/newsletter-uebersicht

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Claire Kingsley

Protecting You

Übersetzt von Nicole Hölsken aus dem amerikanischen Englisch

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Bonus-Epilog

Impressum

Kapitel 1Asher

Im Alter von elf Jahren

Als ich die lauten Stimmen der Erwachsenen hörte, schrak ich zusammen. Mein Stock fiel in den kleinen Bach, und ich wandte mich um, konnte aber nur meine Brüder entdecken. Evan war auf den Baum geklettert, wahrscheinlich in dem Versuch, sich vor den Zwillingen in Sicherheit zu bringen. Levi und Logan platschten etwas weiter bachabwärts im Wasser, zusammen mit Gavin, der von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt war.

Wieder schrie jemand – eine Männerstimme, laut und dröhnend –, und mir wurde ganz anders. Aus irgendeinem Grund bekam ich immer Bauchweh, wenn ich hörte, wie Erwachsene miteinander stritten, auch wenn es gar nichts mit mir selbst zu tun hatte.

Gram und Grandad erhoben nie die Stimme, geschweige denn, dass sie einander anschrien. Also musste es sich um Grace’ Mom, Miss Naomi, und ihren Vater, Mr. Miles, handeln.

Wie so manche Väter lebte Grace’ Dad nicht mit ihnen zusammen, aber manchmal kam er zu Besuch. Das fand ich jedes Mal ätzend. Nicht, weil Grace dann beschäftigt war und nicht mit mir draußen spielen konnte, obwohl natürlich auch das frustrierend war. Sie war meine beste Freundin, und wir sahen einander jeden Tag, nur eben dann nicht, wenn ihr Vater da war.

Das Problem war, dass es immer Ärger gab, wenn er sie besuchte. Selbst Gram hatte ich mal sagen hören, dass er grundsätzlich ein Chaos hinterließ. Als ich klein war, dachte ich, dass er womöglich sein Zimmer nicht aufräumte, doch heute fragte ich mich, ob sie nicht eine ganz andere Art von Durcheinander damit gemeint hatte. Diese Erwachsenen …

Das Geschrei wollte nicht aufhören, und die lauten Stimmen waren sogar unten am Bach noch deutlich zu hören. Ich sprang über den flachen Wasserlauf ans andere Ufer und rannte den Hang hinauf und auf Grace’ Haus zu. Wenn ich davon schon Bauchweh bekam, war sie mittlerweile wahrscheinlich fix und fertig.

Ich musste sie unbedingt finden.

Es klang, als befänden sich ihre Eltern draußen vor dem Haus, also hastete ich über die Grasfläche. Gram arbeitete im Garten, aber sie rief nicht nach mir, als ich vorbeirannte und dann zwischen unseren Häusern abbog.

Grace befand sich nicht im Garten, und auch auf dem kleinen Seitenstreifen, der unserem Haus gegenüberlag, war sie nicht zu entdecken. Ich ging langsamer und schlich mich vorsichtig zur Vorderseite. Dann spähte ich auf ihre Veranda, doch auch dort war sie nicht.

Plötzlich kam ich mir blöd vor. Natürlich saß sie nicht auf der Veranda, während ihre Eltern einander anbrüllten.

Wahrscheinlich hatte sie sich versteckt.

Wir hatten eine Menge Verstecke. Gavin fand immer die besten, aber er war zudem auch der jüngste von uns und hätte sich wahrscheinlich sogar in eine Schlangenhöhle zwängen können. Die meisten unserer Lieblingsplätze waren weiter von unseren Häusern entfernt. Sie befanden sich hinter den Gärten, auf Grams und Grandads Grundstück.

Ich hoffte, dass Grace den Hügel hinabgerannt und über den Bach gesprungen war. Vielleicht saß sie auf einem Baum und wartete dort, bis es vorbei war. Oder sie war an der Stelle, die sie als Feengarten bezeichnete und wo sie das Gezänk ihrer Eltern definitiv nicht hören konnte.

Aber ich hatte bereits den ganzen Morgen am Bach gespielt – was ohne sie ziemlich langweilig gewesen war –, ohne auch nur eine Spur von ihr zu entdecken. Wenn sie traurig war und sich dort hätte verstecken wollen, dann wäre sie zuerst zu mir gekommen.

Also musste sie sich hier in der Nähe verstecken. Sah zu. Und lauschte ihrem Streit.

Meine Bauchschmerzen wurden noch heftiger.

Hinter einem Busch verborgen funkelte ich Mr. Miles wütend an. Warum musste er nur ständig so herumbrüllen? Er war groß, hatte breite Schultern und war immer gekleidet wie die Erwachsenen in den Fernsehsendungen. Seine Hemden waren nicht aus Flanell wie die von Grandad, sondern hatten Knöpfe, und manchmal trug er sogar eine Krawatte.

Ich hasste ihn. Ich hasste seine laute Stimme und sein schickes Auto. Aber am meisten hasste ich, dass Grace bei jedem seiner Besuche in Tränen ausbrach.

Ich mied die Vorderseite des Hauses, damit sie mich nicht sahen, und schlug den Weg nach hinten ein. Zwischen den Büschen und ihrem Haus war Grace nicht zu entdecken. Und auch in den kleinen Hohlraum unter der Hintertreppe hatte sie sich nicht gequetscht.

Auf der anderen Seite des Hauses gab es keine Versteckmöglichkeit. Trotzdem sah ich nach – erfolglos. Also war sie wahrscheinlich drinnen.

Das Geschrei wollte nicht aufhören, und ich vermutete, dass man auch trotz der geschlossenen Fenster im Haus jedes Wort verstehen konnte. Ich rannte zur anderen Seite des Hauses und sammelte ein paar kleine Steine. Dann blickte ich zu Grace’ Zimmerfenster hinauf und warf ein paar der Kiesel gegen das Glas.

Sie klickten dagegen, und ich wartete. Aber sie kam nicht. Ich versuchte es erneut – nichts geschah. Vielleicht war sie ja auch gar nicht in ihrem Zimmer.

Ich ließ den letzten Kiesel fallen und rannte zur Hintertür. Da sie wie immer unverschlossen war, betrat ich das Haus. Sie saß auch nicht vor dem Fernseher oder naschte irgendetwas in der Küche. Ich hastete die Treppenstufen hinauf, und mein Bauchweh wurde mit jeder Sekunde stärker.

Ihre Zimmertür stand einen Spalt offen, also spähte ich hinein. »Grace?«

Eine große Beule unter ihrer Bettdecke bewegte sich.

»Gracie, was machst du denn da?« Ich betrat das Zimmer und hob die Decke.

Sie kauerte darunter, die Arme fest um die angewinkelten Knie geschlungen. Ihre Augen waren ganz verquollen, die Wangen tränenverschmiert.

Am liebsten hätte ich auf irgendetwas eingedroschen.

»Darf ich mit in deine Deckenfestung?«

Sie schniefte. »Sie ist aber nicht besonders gut.«

»Willst du eine bessere bauen?«

Sie schüttelte den Kopf.

Es machte mich fuchsteufelswild, sie so traurig zu sehen.

Ich hob die Decke noch ein Stück weiter an und kroch darunter. Sie rückte beiseite, um mir Platz zu machen, und wir legten die Decke wieder über unsere Köpfe. Darunter war es warm, aber es roch gut. Nach Waschseife.

»Meine Mom ist sauer auf meinen Dad«, erklärte sie mit leiser Stimme.

»Weißt du, wieso?«

»Er sollte mit mir in den großen Zoo in Seattle gehen. Jetzt sagt er, dass er nicht kann.« Sie schniefte wieder. »Warst du schon mal in diesem Tierpark?«

»Nein.«

»Ich auch nicht. Mom meinte, dort gäbe es Zebras, Giraffen und Gorillas. Und man kann den Pinguinen dabei zusehen, wie sie im Wasserbecken schwimmen.«

Ich dachte kurz nach. »Na ja, wenn dein Dad dich nicht dorthin mitnehmen kann, dann mach ich das eben. Es dauert nur noch fünf Jahre, bis ich den Führerschein mache. Ich wette, Grandad leiht mir den Truck, dann fahren wir hin. Nur wir beide.«

Sie lächelte zaghaft. Sogleich fühlte ich mich besser. Und wollte sie noch mehr zum Lächeln bringen.

Ich kramte in meiner Tasche. Vielleicht fand ich da ja noch irgendeinen Rest von unserem letzten Ausflug zum Sugar Shack, unserem Süßwarenladen. Ich ertastete ein paar leere Papierchen, fand aber dann noch einen letzten Streifen Kaugummi.

»Hier.« Ich hielt ihn ihr hin. »Ist mein letzter. Willst du ihn?«

Sie lächelte wieder und nahm ihn. »Danke. Teilen wir ihn uns doch.«

Ohne meine Antwort abzuwarten, öffnete sie die Silberfolie und riss den pinkfarbenen Streifen in zwei Teile. Einen gab sie mir und steckte sich den anderen in den Mund.

Kaugummi machte eine Menge wieder gut.

Nun, da wir beide darunter hockten, wurde die Luft unter der Decke immer heißer und stickiger. Ich warf sie beiseite und hüpfte vom Bett herunter.

»Komm. Gehen wir.«

Sie richtete sich auf und wischte sich die Augen. »Wohin?«

»Raus.«

Ich griff nach ihrer Hand und half ihr vom Bett herunter. Kaugummischmatzend rannten wir die Treppe hinunter und schlüpften durch die Hintertür ins Freie.

Vorn dröhnte immer noch die Stimme ihres Dads, und sie zuckte zusammen. Mein erster Instinkt war, sie von dem Gezänk wegzuschaffen, aber er machte mich so megasauer. Er sollte mit ihr in den Zoo gehen, und stattdessen brachte er sie zum Weinen. Was für ein blödes Arschloch!

Ich nahm ihre Hand und führte sie am Haus entlang zum Vordereingang.

»Wo gehen wir hin?«, flüsterte sie.

»Ich habe eine Idee.«

Neben der Veranda hielten wir an und duckten uns ganz tief, damit sie uns nicht entdeckten. Miss Naomi hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah wütend aus. So wütend, dass man Angst bekommen konnte. Wenn Grace’ Mom so ein Gesicht machte, standen die Zeichen auf Sturm. Dann saß man ganz schön in der Tinte.

Ihr Dad stand mit dem Rücken zu uns und verschränkte die Arme vor der Brust. Aber was noch wichtiger war: Sein Auto parkte ganz in der Nähe.

Ich holte den Kaugummi aus dem Mund und streckte meine Hand aus: »Gib mir deinen auch.«

»Aber er schmeckt noch.«

Ich grinste. »Vertrau mir.«

Als könne sie meine Gedanken lesen – und manchmal glaubte ich, dass sie es tatsächlich konnte –, erwiderte sie mein Lächeln und gab mir ihren zerkauten Kaugummi. »Tu’s.«

Ich matschte unsere beiden Kaugummistücke zusammen und beobachtete Miss Naomi. Ich würde mich beeilen müssen und konnte nur hoffen, dass sie mich nicht entdecken würde.

»Lass dich nicht erwischen«, flüsterte Grace.

»Bestimmt nicht. Aber falls doch, lauf einfach weg. Ich werde ihnen nicht verraten, dass du hier warst.«

In gebückter Haltung hastete ich zum Wagen. Die Erwachsenen stritten unverdrossen weiter. Ich zog den klebrigen Kaugummi in die Länge, damit er breiter wurde, und klebte ihn über den Türgriff an der Fahrerseite, genau an die Stelle, wo er zupacken würde.

Grace schlug sich mit der Hand vor den Mund, um ein lautes Kichern zu unterdrücken, als ich zu ihr zurückrannte.

»Los, weg hier!«

Wir fassten einander an den Händen und rannten, was das Zeug hielt, geradewegs auf den Bach zu. Als wir durch das Wasser platschten, weinte Grace nicht mehr. Ihr blondes Haar floss hinter ihr her, und sie lächelte breit.

Wenn sie das tat, bekam ich immer so ein komisches Gefühl im Bauch.

Wir liefen, bis die Stimmen ihrer streitenden Eltern leiser wurden. Das Gras und die Blumen in unseren Gärten gingen in ein Wäldchen aus schmalen Pinien über, deren Nadeln den ganzen Boden bedeckten. Das hier war immer noch unser Territorium, obwohl wir darauf achten mussten, uns nicht zu weit vorzuwagen. In den Bergen gab es Bären und Kojoten und wer weiß noch alles. Ich war ziemlich sicher, dass ich Grace vor einem Kojoten würde beschützen können, aber mit einem Bären wollte ich es nun doch nicht aufnehmen müssen.

Außerdem würden wir Ärger bekommen, wenn wir Gram nicht mehr hören konnten, die uns irgendwann zum Abendessen rufen würde. Der erwartete mich sowieso, weil ich Mr. Miles’ Auto mit Kaugummi verziert hatte, aber das war mir egal. Es war die Sache wert gewesen.

An einem großen Ahornbaum hielten wir an. Es war ein toller Baum zum Klettern. Grace stieg als Erste nach oben, wobei sie flink die niedrig hängenden Zweige erklomm. Sie war die beste Bäumekletterin in ganz Tilikum. Und Höhenangst kannte sie überhaupt nicht. Das war keineswegs der Hauptgrund, warum sie meine beste Freundin war, aber auf jeden Fall einer davon.

Danach folgte ich ihr und kletterte eilig auf einen dicken Zweig, um mich neben sie zu setzen. Ich hatte einen frischen Kratzer am Bein, wahrscheinlich von der Borke, doch er blutete nicht und brannte nur ein bisschen, also ignorierte ich ihn.

Unsere Beine baumelten hoch über dem Boden. Man hatte das Gefühl, dass einem hier oben nichts und niemand etwas anhaben konnte. Niemand konnte uns wehtun. Hier gab es bloß Grace und mich – wir beide gegen den Rest der Welt.

Schweigend lehnte sie den Kopf an meine Schulter und griff nach meiner Hand. Ich legte meine Wange auf ihren Scheitel. Es gefiel mir, wenn sie so bei mir saß. Dann bekam ich das gleiche komische Gefühl im Bauch wie bei ihrem Lächeln. Doch es war ein schönes Gefühl, kein schlechtes.

Ich wünschte, ich hätte ihr noch mehr Kaugummi geben können, aber ich hatte keinen mehr. Also saß ich einfach nur so mit ihr da, ließ die Beine baumeln und hielt ihre Hand.

Kapitel 2 Asher

Im Alter von 21 Jahren

Ich stand am Fenster im Obergeschoss und schaute sehnsüchtig hinaus. Um besser sehen zu können, reckte ich den Hals und hielt mein Gesicht ganz nah an die Scheibe. Ursprünglich hatte ich gar nicht vorgehabt, hier oben herumzustehen. Doch jetzt drückte ich die Hände an den Fensterrahmen und beugte mich weit vor, um einen guten Blick auf das Haus meiner Nachbarn zu haben. Warum ich überhaupt in die erste Etage gegangen war, hatte ich vergessen.

Grace war nach Hause gekommen und wollte den Sommer hier verbringen.

Meine Lippen zuckten und verzogen sich beinahe zu einem Lächeln, während ich beobachtete, wie sie aus ihrem verbeulten Toyota Corolla stieg. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, und sie trug ein weites T-Shirt, abgeschnittene Jeans und Flip-Flops. Vor dem Auto blieb sie stehen, die Hände auf der geöffneten Tür, und sah sich um, als wolle sie alles ganz genau betrachten.

Unsere Häuser standen am Ende eines Privatweges, einer schmalen, holprigen, mit Schlaglöchern übersäten Straße. Das Haus ihrer Mom war neuer als unseres, sah aber nicht so aus. Die vordere Veranda bestand aus einem Flickenteppich aus recyceltem Altholz, mit dem meine Brüder und ich sie repariert und abgestützt hatten, und hätte einen frischen Anstrich dringend nötig gehabt. Der Garten war gepflegt, vornehmlich weil Gram ihn im Grunde wie ihren eigenen umsorgte. In den Blumenkästen grünte und blühte es, und der Rasen wurde regelmäßig von meinen Brüdern und mir gemäht. Dennoch wirkten Haus und Garten müde und erschöpft.

Was wohl Grace darüber denken mochte? Freute sie sich, wieder daheim zu sein? Oder wäre sie lieber in Pullman geblieben, wo sie studierte? Vielleicht wünschte sie sich gerade, dort einen Sommerjob angenommen zu haben, nur um nicht zurückkommen zu müssen. Dann hätte sie sich auch weiterhin mit ihrem Freund treffen können.

Das Lächeln erstarb auf meinen Lippen, und grimmig runzelte ich die Stirn. Grace war mit irgend so einem Scheißkerl zusammen, der mit ihr aufs College ging. Genau genommen hatte ich gar keine Ahnung, ob er wirklich ein Scheißkerl war. Sie hatte ihn nie mit nach Hause gebracht, weshalb ich ihn gar nicht kannte.

Mein Blick huschte zum Beifahrersitz ihres Autos herüber, und mir kam ein furchtbarer Gedanke. Hatte sie ihn etwa mitgebracht?

Ich umklammerte den Fensterrahmen fester. Die Vorstellung, den Sommer damit zu verbringen, Grace mit ihrem College-Freund zu beobachten, war so ätzend, dass ich am liebsten meine Faust ins Glas gerammt hätte.

Nicht dass ich das Recht gehabt hätte, wütend darüber zu sein, dass sie einen festen Freund hatte.

Grace Miles war der Inbegriff des Mädchens von nebenan. Süß, hübsch, klug und ein wenig störrisch, im Grunde so unwandelbar war wie die Berge, in denen wir lebten. Wir waren zusammen aufgewachsen. So lange war es noch gar nicht her, dass das Land, das unsere beiden Häuser umgab, unsere ganze Welt gewesen war. Wir waren einen Großteil unseres Lebens befreundet, aber nie ein Paar gewesen. Und ganz sicher lief da auch jetzt nicht mehr zwischen uns.

Ich lockerte den Griff um den Fensterrahmen. Ihr Beifahrersitz war leer. Kein Freund, kein Scheißkerl oder Schlimmeres.

Ehrlich gesagt wollte ich gar nicht, dass der Typ ein Scheißkerl war. Lieber sollte er ein cooler Typ sein, denn ich wünschte mir vor allem, dass Grace glücklich war. Sie brauchte einen Mann, der phantastisch war – und der sie wie einen Schatz behandelte. Ja, genau das hatte sie verdient.

»Du drückst dir noch die Nase platt.«

Ich wirbelte herum und warf Logan einen wütenden Blick zu. Die Bodendielen hier oben knarrten. Mein Bruder hatte sich also entweder angeschlichen, oder ich war zu abgelenkt gewesen, um ihn zu hören. Wahrscheinlich Letzteres.

»Hey, du fängst gleich eine!«

Er grinste mich an, der großspurige kleine Scheißer. Nicht, dass er immer noch klein gewesen wäre. Er war jetzt achtzehn, und seit ein paar Jahren waren wir gleich groß. Meine Brüder und ich – wir waren zu fünft – hatten allesamt die Statur unseres Vaters geerbt. Keiner von uns war viel kleiner als eins neunzig, nicht mal Gavin, der erst sechzehn war.

Aber ich war der Älteste, hatte also die Stellung und Macht des großen Bruders inne.

»Ein andermal. Heute Abend will ich ausgehen. Schließlich will ich mir das hier nicht versauen.« Logan deutete auf sein Gesicht. »Obwohl ein blaues Auge natürlich ein toller Trick ist, um Mädels kennenzulernen. Vielleicht sollte ich dich ja doch beim Wort nehmen.«

»Du bist ein Idiot.«

Er grinste wieder. »Vielleicht, aber zumindest bin ich kein Stalker.«

Ich machte einen Schritt vom Fenster weg. »Ich stalke sie nicht.«

»Ja, klar.«

Womöglich würde ich ihm ja doch ein Veilchen verpassen. »Halt’s Maul, Arschloch!«

»Jungs, keine Kraftausdrücke!«, drang Grams Stimme nach oben.

Logan und ich runzelten die Stirn. Wir hätten den alten Truck unseres Grandads anwerfen können, dessen Motor so laut war, dass er die Fenster zum Klappern brachte, und sie hätte es kaum registriert. Aber wenn uns in Grams Haus auch nur ein einziger Fluch herausrutschte, der lauter war als ein Flüstern, putzte sie uns herunter.

»Sorry, Gram«, rief ich nach unten.

Logan wanderte zum Fenster hinüber und sah hinaus. »Trotzdem cool, dass sie wieder da ist.«

»Ja.«

Auch wenn mein Gesicht nun nicht mehr an der Scheibe klebte, konnte ich sie gut erkennen. Sie hatte den Kofferraum geöffnet und holte einen großen Koffer heraus. Ihr kleiner Bruder, Elijah, stürmte aus dem Haus, stürzte sich auf sie und umarmte sie überschwänglich. Sie beugte sich herab und gab ihm einen Kuss auf den Scheitel.

»Benimm dich doch nicht so komisch, Mann!«, sagte Logan. »Ist doch nur Grace.«

»Ich weiß, dass es Grace ist, und ich bin nicht komisch.«

Er hob die Augenbrauen. »Das sehe ich.«

Bevor er reagieren konnte, legte ich ihm den Arm um den Hals, zerrte ihn zu Boden und nahm ihn in den Schwitzkasten. Aber er entwand sich meinem Griff und legte mir den Arm um die Taille. Mit den Beinen stieß er sich ab und drängte mich so lange nach hinten, bis mein Rücken gegen die Wand prallte.

Ich richtete mich wieder auf und veränderte meinen Griff. Dann beugte ich mich herab, drehte mich um und warf ihn über meine Schulter. Er landete hart auf dem Bett und riss mit dem Fuß irgendetwas auf dem Nachttisch krachend zu Boden. Wieder drehte ich mich um und warf mich über ihn, Brust an Brust, um meine Überlegenheit zu behalten. Auf der Highschool war ich Ringer gewesen, und jetzt machte ich Jiu Jitsu in einem Kampfsportstudio, war also beim Grappling nach wie vor fit.

In dieser Familie war das auch nötig.

Er grunzte, als ich ihn mit meinem ganzen Körpergewicht auf dem Bett festhielt.

»Könntet ihr vielleicht aufhören, meine Sachen kaputt zu machen?«

Logans Ebenbild funkelte uns von der Eingangstür aus wütend an. Es war sein Zwillingsbruder Levi, der uns mit vor der Brust verschränkten Armen musterte. Die beiden sahen mir ziemlich ähnlich, aber ihre Züge waren kantiger als meine, ihre Wangenknochen schärfer geschnitten. Obwohl sie eineiige Zwillinge waren, hatte ich nie Probleme, sie auseinanderzuhalten. Levi war immer ernst, während Logan stets verschmitzt aussah, als führe er irgendetwas im Schilde.

»Sorry.« Ich stand auf und half auch Logan auf die Beine. Wir befanden uns im Zimmer der Zwillinge, und ich hatte gerade Logan auf Levis Bett geschleudert.

Levi stöhnte und ging an mir vorüber, um die Lampe aufzuheben, die wir heruntergeworfen hatten. Zumindest schien sie nicht kaputt zu sein.

»Grace ist wieder zu Hause«, sagte Logan.

»Ja«, antwortete Levi, ohne seinen Zwillingsbruder anzusehen.

»Wir müssen sie angemessen begrüßen.« Logan grinste und tat, als wolle er sich die Hose herunterziehen und seinen Hintern entblößen.

»Warum sollten wir das tun?«

»Weil es witzig wäre.«

Ich gab Logan einen Schubs. »Lass sie in Ruhe!«

»Ihr beiden seid echt stinklangweilig«, murmelte er leise. Anschließend hielt er kurz inne, als lausche er, ob Gram ihn gehört hatte. Es folgte keine Schimpftirade, woraufhin er grinste. »Gavin macht sicher mit.«

Ich wollte mich gerade erneut auf Logan stürzen – oder vielleicht auch auf Levi, einfach so –, als der Duft nach Erdbeeren aus der Küche nach oben wehte.

Wir erstarrten und rissen vor Begeisterung die Augen auf.

»Backt Gram etwa?«, fragte ich.

Logan nickte. »Riecht wie …«

»Erdbeer-Rhabarber-Kuchen«, führte Levi den Satz zu Ende.

Ich lief zur Tür, aber Logan rempelte mich mit der Schulter an. Levi schob sich an uns vorbei, und dann drängelten wir uns hinaus, denn jeder wollte als Erster in der Küche sein.

Wir polterten die alte Holztreppe hinab, wobei wir uns anstießen und schubsten wie eine Horde ungezogener Jungs und nicht wie drei im Grunde erwachsene Männer. Der verlockende Geruch wurde stärker. Wir platzten gerade in dem Augenblick in die Küche, als Gram einen Kuchen aus dem Ofen zog und ihn auf ein Abkühlgitter neben einen weiteren stellte. Trotz des Lärms, den wir auf der Treppe veranstaltet hatten, warf sie uns nur einen kurzen Blick über die Schulter zu.

Ihr ehemals langes schwarzes Haar war mittlerweile silbergrau. So lange ich denken konnte, trug sie es zu einem langen Zopf geflochten, der ihr den Rücken hinabhing. Obwohl sie erst vor Kurzem siebzig geworden war, war ihre dunkle Haut kaum gealtert, und sie hielt sich nach wie vor kerzengerade. Was ein wenig überraschend war, wenn man bedachte, dass sie fünf widerborstige Jungs hatte aufziehen müssen, Jahre nachdem ihre eigenen Kinder schon erwachsen gewesen waren.

Sie behauptete, die Bergluft, Unmengen von Bacon und die Tatsache, dass sie die Nachfahrin amerikanischer Ureinwohner war, hätten sie jung gehalten. Ich neigte eher zu dem Schluss, dass sie einfach zu halsstarrig war, um sich vom Alter unterkriegen lassen zu wollen.

Seit zwei Jahrzehnten nannte jeder, der sie kannte – ob mit ihr verwandt oder nicht – sie einfach nur Gram. Aber bevor sie meinen Grandad Frank Bailey geheiratet hatte, hieß sie Emma Luscier, Nachfahrin der Chelan und Wenatchi. Ihre Vorfahren hatten unzählige Generationen lang in den Cascade Range Mountains gelebt.

Gavin saß bereits an dem großen rechteckigen Küchentisch, den unser Großvater aus dicken Planken selbst gebaut hatte. Die Stühle davor waren stabil, jedoch vom jahrelangen Gebrauch abgenutzt. Kerben im Holzboden zeugten von den zwei Generationen von Kindern, die in diesem Haus aufgewachsen waren.

Unser jüngster Bruder sah aus wie ein Klon von uns anderen. Dunkle Haare, braune Augen, olivfarbene Haut. Und er grinste ständig vor sich hin. Momentan trug er das Haar so lang, dass es ihm bis in die Augen fiel, und sein Gesicht war ein bisschen rundlich, weil er seinen Babyspeck noch nicht ganz abgelegt hatte. Wenn ich ihn richtig auf die Palme bringen wollte, nannte ich ihn Babyface.

»Der Kuchen muss erst mal abkühlen«, verkündete Gram. »Und ihr braucht euch gar nicht darum zu streiten. Ich habe jede Menge gebacken. Zwei sind noch gar nicht fertig.«

Dass nicht genug für alle da war, war auch gar nicht der Grund gewesen, warum wir auf dem Weg nach unten versucht hatten, einander abzudrängen. Mit fünf Jungs im Haus machte Gram immer genug, um eine ganze Armee satt zu bekommen. Wir taten es einfach aus Gewohnheit. Bei Brüdern gehörten Raufereien nun mal dazu, ganz nach dem Motto: Was sich liebt, das neckt sich.

Logan stellte sich hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Wenn es so köstlich riecht, können wir einfach nicht anders. Außerdem bin ich kurz vorm Verhungern.«

»Du hast doch gerade erst zu Mittag gegessen.«

»Ich bin heute Morgen fast acht Kilometer gelaufen.« Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und nahm sich einen Apfel aus einer Schüssel.

»Willst du etwa eine Medaille dafür?«, fragte Levi.

Grinsend warf ihm Logan den Apfel an den Kopf. Levi fing ihn auf und warf ihn zurück.

»Lauf und hol Evan!«, meinte Gram.

Logan biss in den Apfel. »Wer von uns?«

»Ihr alle.«

»Wo ist er denn hin?«, fragte Levi.

Gavin deutete mit dem Daumen auf die Tür. »In den Wald. Ich habe vorhin mitbekommen, wie er in die Richtung gegangen ist.«

Evan war gern allein und wanderte durch die Wälder hinter unserem Haus. Seit zwei Jahren ging er aufs College und war vor ein paar Tagen nach Hause gekommen, aber obwohl wir uns ein Zimmer teilten, wenn er hier war, hatte ich bislang nicht allzu viel von ihm zu sehen bekommen.

»Na los«, rief Gram und verscheuchte uns mit dem Backhandschuh. »Es gibt nicht eher Kuchen, bis ihr euren Bruder zurückgeholt habt, denn sonst esst ihr Vielfraße alles auf und lasst ihm gar nichts übrig.«

Wir stöhnten im Chor, untermalt von dem Kratzen von Gavins Stuhl über den Boden.

Während meine Brüder zur Tür strebten, zögerte ich. Wenn Gram uns wirklich alle vier los sein wollte, würde sie mich auch hinausscheuchen. Aber ich hatte keine Lust, auf der Suche nach Evan in den Wäldern herumzulaufen, also trödelte ich etwas und blieb am Tisch stehen, bis sie mich ebenfalls davonjagen würde.

Doch das tat sie nicht.