Psychologie - Hans P. Langfeldt - E-Book

Psychologie E-Book

Hans P Langfeldt

0,0
29,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Studium dieses Buches bietet psychologische Grundlagen für Studierende der Sozialpädagogik und anderer Studienrichtungen mit sozialen Bezügen. Nach einer Beschreibung der Psychologie als wissenschaftlichem System werden Teilbereiche vorgestellt, die für die Studierenden grundlegend sind: Persönlichkeitstheorien, Entwicklung, Erziehung sowie soziale Interaktion und Kommunikation. Zwei zentrale Anwendungen psychologischen Wissens – Diagnostik / Gutachten und Intervention – werden ausführlich erläutert. Im abschließenden Kapitel werden Beispiele sozialer Professionalität analysiert, zum Beispiel Gesprächsführung, interkulturelle Arbeit, Mediation und Hospizarbeit. Die 5. Auflage wurde aktualisiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 546

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



utb 8296

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage

Böhlau Verlag • Wien • Köln • Weimar

Verlag Barbara Budrich • Opladen • Toronto

facultas • Wien

Wilhelm Fink • Paderborn

A. Francke Verlag • Tübingen

Haupt Verlag • Bern

Verlag Julius Klinkhardt • Bad Heilbrunn

Mohr Siebeck • Tübingen

Nomos Verlagsgesellschaft • Baden-Baden

Ernst Reinhardt Verlag • München • Basel

Ferdinand Schöningh • Paderborn

Eugen Ulmer Verlag • Stuttgart

UVK Verlagsgesellschaft • Konstanz, mit UVK/Lucius • München

Vandenhoeck & Ruprecht • Göttingen • Bristol

Waxmann • Münster • New York

Prof. i. R. Dr. Hans-Peter Langfeldt, Diplom-Psychologe, war bis 2009 Professor für Pädagogische Psychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main und 2010 bis 2011 Gründungsdekan der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Adama in Äthiopien.

Prof. Dr. Werner Pfab, geb. Nothdurft, Diplom-Psychologe und Kommunikationswissenschaftler, Professor für Theorie und Praxis sozialer Kommunikation am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der FH Fulda. Leiter des Weiterbildungsverbundstudiums Sozialkompetenz.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 8296

ISBN 978-3-8252-8625-5

© 2015 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Cover unter Verwendung eines Fotos von © panthermedia.net/Andres Rodriguez

Satz: Rist Satz & Druck GmbH, 85304 Ilmmünster

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort zur fünften Auflage

Vorwort zur dritten Auflage

1.        Einladung in die Psychologie

2.        Psychologie als Wissenschaft

2.1.     Psychologie: Lange Vergangenheit, kurze Geschichte (Elisabeth Baumgartner)

2.2.     Was ist eigentlich Psychologie?

2.2.1.  Eine Annäherung

2.2.2.  Teilgebiete der Psychologie

2.3.     Psychologische Erkenntnis: Weichenstellungen im Erkenntnisprozess

2.4.     Psychologische Untersuchungsperspektiven

2.4.1.  Unterschiedliche Wissenschaftsauffassungen

2.4.2.  Zusammenfassende Übersicht

2.5.     Forschungsmethoden in der empirischen Psychologie

2.6.     Daten und Konstrukte in der empirischen Psychologie

2.6.1.  Die Bedeutung von Daten im psychologischen Erkenntnisprozess

2.6.2.  Die Interpretation von Daten

2.6.3.  Psychologische Daten-Verarbeitung

2.6.4.  Beschreibende Statistik

2.6.5.  Inferenzstatistik – oder: Irren ist menschlich

3.        Psychologie der Person

3.1.     Bilder vom Menschen

3.1.1.  Alltagsvorstellungen über »Persönlichkeit«

3.1.2.  Persönlichkeit – Eine neuzeitliche Erfindung

3.1.3.  Person als Gegenstand der Psychologie

3.1.4.  Die Normalverteilung als Modell zur quantitativen Beschreibung von Unterschieden

3.1.5.  Sprachliche Beschreibung von Individualität

3.2.     Drei Beispiele von Persönlichkeitstheorien

3.2.1.  Vorbemerkung

3.2.2.  Sigmund Freud: Die psychoanalytische Theorie (Maria Langfeldt-Nagel)

3.2.3.  Carl R. Rogers: Eine Theorie der Psychotherapie, Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen

3.2.4.  Kenneth J. Gergen: Persönlichkeit als soziale Konstruktion

4.        Psychologie der Entwicklung und Erziehung

4.1.     Entwicklungspsychologie als wissenschaftliches Programm

4.1.1.  Zwei Grundpositionen

4.1.2.  Entwicklungspsychologie, wozu?

4.1.3.  Theoretische Perspektiven

4.2.     Vier Beispiele von Entwicklungstheorien

4.2.1.  Vorbemerkung

4.2.2.  Jean Piaget: Theorie der kognitiven Entwicklung

4.2.3.  Lawrence Kohlberg: Die Entwicklung des moralischen Urteils

4.2.4.  Erik H. Erikson: Theorie der psychosozialen Entwicklung

4.2.5.  Lew Vigotski: Theorie der kulturhistorischen Entwicklung

4.3.     Die Entwicklung im Lebenslauf

4.3.1.  Säuglingsalter und frühe Kindheit

4.3.2.  Kindheit

4.3.3.  Jugendalter

4.3.4.  Erwachsenenalter

4.3.5.  Alter

4.4.     Lernen als zentraler Begriff für Entwicklung und Erziehung

4.4.1.  Lernen im Alltag und als Gegenstand der Psychologie

4.4.2.  Lernen als Verhaltensänderung: Klassisches und instrumentelles Konditionieren

4.4.3.  Lernen als Verhaltensänderung: Nachahmen

4.4.4.  Lernen als Wissenserwerb

4.5.     Erzieherisches Verhalten

4.5.1.  Typologie der Erziehungsstile

4.5.2.  Dimensionen erzieherischen Verhaltens

4.5.3.  Erziehungsziele und »Zeitgeist«

4.6.     Ein Fall aus der Erziehungsberatung

5.        Soziale Interaktion und Kommunikation

5.1.     Geläufige Vorstellungen von Kommunikation

5.2.     Zwei Sichtweisen auf Kommunikation

5.2.1.  Ausdrucksmodelle von Kommunikation

5.2.2.  Systemmodelle von Kommunikation

5.3.     Dimensionen Sozialer Interaktion

5.3.1.  Interaktive Bezogenheit des Handelns

5.3.2.  Kontextuelle Gebundenheit der Bedeutung von Äußerungen und Handlungen

5.3.3.  Prozessualität des interaktiven Geschehens

5.3.4.  Materialität der Redebeiträge

5.4.     Psychologische Aspekte Sozialer Interaktion

5.4.1.  Identität

5.4.2.  Denken und Erfahrung

5.4.3.  Macht und Beeinflussung

5.5.     Personenwahrnehmung

5.5.1.  Personenwahrnehmung als Konstruktion – das Bild, das wir uns von anderen machen

5.5.2.  Konstruktionsprinzipien der Personenwahrnehmung

5.5.3.  Die Verschränkung von Selbst- und Fremdwahrnehmung

5.6.     Einstellungen

5.6.1.  Der Bauplan von Einstellungen

5.6.2.  Die Funktionen von Einstellungen

5.6.3.  Die Interaktionsdynamik von Einstellungen

5.7.     Zuschreibung von Ursachen – Attribution in der sozialen Interaktion

5.7.1.  Naive Analyse des Verhaltens

5.7.2.  Attributionstendenzen

5.7.3.  Attributionskomplexe – naive Theorien

5.8.     Die soziale Gruppe als Interaktionskonstellation

5.8.1.  Interaktionskonstellationen

5.8.2.  Die treibende Kraft – Momente der Gruppendynamik

5.8.3.  Prozess-Gestalten – Entwicklungsmuster in Gruppen

5.8.4.  Sicherheit und Ordnung – Strukturbildung in Gruppen

6.        Psychologische Diagnostik und Gutachten

6.1.     Grundlagen psychologischer Diagnostik

6.1.1.  Aufgaben, Ziele, Definition

6.1.2.  Übersicht über diagnostische Datenquellen

6.2.     Beobachtung und Beobachtungsprotokolle

6.3.     Diagnostische Gesprächsformen: Anamnese und Exploration

6.4.     Psychometrische Tests

6.4.1.  Grundlagen und Überblick

6.4.2.  Zwei Beispiele psychometrischer Leistungstests

6.4.3.  Ein Beispiel für psychometrische Fragebögen

6.5.     Projektive Tests

6.5.1.  Grundlagen und Überblick

6.5.2.  Zwei Beispiele projektiver Tests

6.6.     Der diagnostische Prozess und das psychologische Gutachten

6.6.1.  Der diagnostische Prozess

6.6.2.  Beispiel eines Persönlichkeitsgutachtens

7.        Psychologie der Intervention (Friedrich Ch. Sauter)

7.1.     Psychotherapie als psychologische Intervention

7.2.     Die Psychoanalyse – die erste Schule der Tiefenpsychologie

7.2.1.  Vorgehen und Methode

7.2.2.  Psychoanalytische Theorie zur Entstehung psychischer Störungen

7.2.3.  Zusammenfassung

7.3.     Verhaltenstherapie

7.3.1.  Vorgehen und Methode

7.3.2.  Theoretische Grundlagen der Verhaltenstherapie

7.3.3.  Zusammenfassung

7.4.     Klientenzentrierte Psychotherapie (Gesprächspsychotherapie)

7.4.1.  Vorgehen und Methode

7.4.2.  Theorie der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie

7.4.3.  Bedingungen des therapeutischen Prozesses

7.4.4.  Entstehung psychischer Störungen

7.4.5.  Zusammenfassung

7.5.     Indikation: Wer braucht eine Psychotherapie?

7.6.     Evaluation und Wirkfaktoren der Psychotherapie

7.6.1.  Wirkt Psychotherapie überhaupt?

7.6.2.  Wie wirkt Psychotherapie?

8.        Psychologische Aspekte sozialer Professionalität

8.1.     Gesprächsgestaltung – am Beispiel von Beratungsgesprächen

8.1.1.  Die Forderung nach kommunikativer Kompetenz

8.1.2.  Eine Rahmentheorie kommunikativer Kompetenz

8.1.3.  Anwendungsfeld: Beratungsgespräche

8.2.     Selbst- und Fremdwahrnehmung – am Beispiel interkultureller Arbeit

8.2.1.  Einführungsbeispiel: Eine gescheiterte Aussprache

8.2.2.  Mechanismen der Eindrucksbildung und Personenwahrnehmung

8.2.3.  Kulturelle Unterschiede in der Eindrucksbildung

8.2.4.  Die Bedeutung interkultureller Arbeit für soziales Handeln

8.2.5.  Fremde Welten vor Ort – Streetwork und Ethnographie von Jugendgruppen

8.3.     Konfliktbewältigung – am Beispiel Mediation

8.3.1.  Ein ganz normaler Konflikt

8.3.2.  Schlichtung und Mediation

8.3.3.  Ein Anwendungsbeispiel

8.4.     Umgang mit Emotionen – am Beispiel der Betreuung von Sterbenden

8.4.1.  Sozialpädagogen sind Gefühlsarbeiter

8.4.2.  Hospiz als Ort des Sterbens

8.4.3.  Sterbe-Begleitung als Grundkonzept für Gefühlsarbeit im Hospiz

8.5.     Der Beitrag psychologischen Wissens für das Verständnis professioneller Praxis

Literatur

Sachregister

Vorwort zur fünften Auflage

Aufgrund der erfreulich großen Nachfrage nach diesem Buch wurde eine weitere, fünfte, Auflage erforderlich. Wir haben diese Gelegenheit genutzt, um Aktualisierungen vorzunehmen, kleine Textpassagen zu ergänzen und notwendige Korrekturen durchzuführen.

Das Buch hat über den engen Adressatenkreis der Studierenden hinaus eine rege Nachfrage gefunden und wir hoffen, dass es auch weiterhin für Personen in der Praxis attraktiv ist.

Dreieich und Fulda, im Februar 2015

Hans-Peter Langfeldt und Werner Pfab

Vorwort zur dritten Auflage

Dieses Buch erschien in der ersten und zweiten Auflage unter dem Titel Psychologie – Grundlagen und Perspektiven in der Reihe Studienbücher für Soziale Berufe. Aufgrund der großen Nachfrage wurde eine weitere Auflage erforderlich. Für diese Neuauflage wurde das Buch vollständig überarbeitet. Einige Kapitel wurden neu geschrieben, einige Kapitel erweitert und ergänzt, der gesamte Text kritisch durchgesehen und auf einen aktuellen Stand gebracht.

Mit dieser Neuauflage hat sich auch die Autorenschaft dieses Buches verändert. Es ist nunmehr von zwei Autoren geschrieben. Aufmerksame Leserinnen und Leser werden bemerken, dass wir beide Autoren durchaus etwas unterschiedliche Vorstellungen von Psychologie haben. Damit birgt ein solches Vorhaben das Risiko des Scheiterns. Dass statt dessen dieses Buchprojekt erfolgreich abgeschlossen werden konnte, betrachten wir als ein Beispiel gelungener Wissenschaftskultur mit ihren Grundwerten kritischer Auseinandersetzung und Toleranz. So wie wir die Zusammenarbeit an diesem Buch als persönliche Bereicherung erfahren haben, so hoffen wir, dass die unterschiedlichen Perspektiven und Akzente, die durch diese Zusammenarbeit in das Buch gelangt sind, auch von den Lesern und Leserinnen als Bereicherung und Horizonterweiterung erlebt werden.

Zum Zustandekommen dieses Buches haben aber nicht nur wir als Autoren beigetragen. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei den bisherigen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse. Sie erst haben für den Erfolg gesorgt, der notwendig ist, um ein Buch erscheinen zu lassen. Wir bedanken uns ferner bei den »Gastautorinnen«, die einzelne Kapitel zu diesem Buch beigetragen haben. Außerdem bedanken wir uns bei Valentina Tesky und Esther de Waha, die mit großer Sorgfalt und Umsicht die redaktionelle Bearbeitung des Manuskripts besorgt haben.

Frankfurt am Main, Fulda, im März 2004

Hans-Peter Langfeldt und Werner Nothdurft

1. Einladung in die Psychologie

Jeder von uns hat im Laufe seines Lebens Vorstellungen darüber entwickelt, »wie die Menschen sind«, wie sie sich verhalten, wie sie ihr Zusammenleben gestalten und welche Schwierigkeiten dabei auftreten können.

Sehr häufig glauben wir zu wissen, warum die Beziehung eines uns bekannten Paares kriselt, warum die Kinder der einen Nachbarsfamilie so überaus schüchtern und die der anderen so aggressiv sind, warum ein Kollege so viele Schwierigkeiten am Arbeitsplatz hat und warum seine Frau immer so verhärmt aussieht.

Wir verbringen viel Zeit damit, uns über andere und deren Lebensweise Gedanken zu machen. Meistens sind wir auch davon überzeugt, dass wir in ähnlich schwieriger Lage uns anders, nämlich besser, verhalten würden.

Wir glauben auch zu wissen, wie wir wen »nehmen« müssen, wenn wir etwas erreichen wollen. Wenn wir gute Bekannte treffen, wissen wir, mit welchen Themen wir sie zum Schweigen oder Reden bringen können. Wir kennen ihre »kleinen Schwächen«.

Jeder von uns hat also ein mehr oder weniger deutlich ausgeprägtes Wissen, das sein Verhalten im Alltag prägt. Dieses psychologische Alltagswissen wird nicht nur durch den eigenen Umgang mit anderen Menschen erworben, sondern auch durch »indirekte« Erfahrung: Kunstwerke, Romane, Filme, Autobiographien und vieles mehr versorgen uns mit Wissen darüber, »wie die Menschen sind«. Unsere Sprache enthält viele Redensarten über menschliches Verhalten und Zusammenleben:

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Was Du nicht willst, das Dir man tu’, das füg’ auch keinem andern zu.

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.

Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will.

Durch Schaden wird man klug.

Hinter solchen Redensarten verstecken sich alltagspsychologische Argumentationen, die über den konkreten Satzinhalt weit hinaus gehen. Sie können in sehr vielen unterschiedlichen Situationen eingesetzt werden und nicht selten widersprechen sie sich.

Mit Hilfe von psychologischem Alltagswissen verdeutlichen und erklären wir uns soziale Sachverhalte, schätzen die weitere Entwicklung ab und handeln entsprechend. Unsere psychologischen Alltagstheorien dienen so der Orientierung in sozialen Situationen und steuern unser Verhalten.

Ein kleines Beispiel: Nehmen wir an, Sie befinden sich nachts gegen halb ein Uhr in einer dunklen Straße auf dem Nachhauseweg. In der Ferne kommt Ihnen ein Mann torkelnd und lallend entgegen. Sie wissen aus Ortskenntnis, dass um die nächste Straßenecke eine Kneipe liegt, in der es häufiger schon zu Prügeleien kam. Vermutlich werden Sie nun annehmen, der entgegenkommende Mann sei betrunken. Möglicherweise halten Sie Betrunkene für unberechenbar und eher aggressiv. Weil Sie fürchten, angerempelt zu werden, wollen Sie einer Begegnung aus dem Wege gehen und wechseln die Straßenseite.

Anders sieht für Sie die Situation aus, wenn der torkelnde und lallende Mann sich erkennbar in Richtung der beleuchteten Notdienst-Apotheke bewegt. Möglicherweise glauben Sie jetzt, dass er Hilfe gebrauchen kann und gehen auf ihn zu.

Die meisten Menschen bewältigen ihre sozialen Schwierigkeiten oder persönlichen Krisen mit ihren eigenen Mitteln. Sie scheinen also durchaus effektive Alltagstheorien über soziale Sachverhalte zu besitzen. Diese Schlussfolgerung verführt leicht zur Auffassung, man könne auf eine wissenschaftliche Psychologie verzichten, da man von ihr nur höre, was man ohnehin schon wisse.

Tatsächlich kann man als Psychologe häufig die Erfahrung machen, dass Laien nach der psychologischen Erläuterung eines Sachverhaltes antworten: »Na und? Das habe ich schon immer gewusst!« (Langfeldt 1989) – Oder aber: »Das glaube ich nicht! So ist das nicht!« Laien neigen offensichtlich dazu, es immer schon oder gar besser zu wissen. Auf einem Kongress der wissenschaftlich tätigen Psychologen hat dies einmal zu folgender Klage geführt:

»Sie (die Psychologie, der Verf.) gehört ja zu jenen Gebieten, über die sich alle Welt rasch ein Urteil zutraut. Schließlich ist unsere Umgangssprache auch so ›vollgesogen‹ mit psychologischen Erklärungsmustern und Denkschemata, dass sich die Psychologisierung von Sachverhalten kaum vermeiden lässt, und es schwer fällt, nicht andauernd den Maßstab des psychologischen Vorverständnisses an die Welt (und damit auch an die wissenschaftliche Psychologie) anzulegen. Man achte nur einmal darauf, wie selbstverständlich Wörter wie ›motiviert‹, ›frustriert‹, ›aggressiv‹ etc. verwendet werden, so als ob damit ganz bestimmte reale Tatbestände erfasst wären, und nicht bloß auf psychologische Konstrukte Bezug genommen würde. Es ist deshalb eigentlich nicht erstaunlich, dass Laien meinen, auch Psychologen selbstverständlich darüber belehren zu können, wie ein bestimmtes Phänomen psychologisch zu erklären sei. Und tatsächlich gibt es ja kaum einen Juristen, dem nicht ein ganzes Arsenal psychologischer Theorien zu Gebote stünde, wenn es darum geht, Gründe dafür zu finden, weshalb jemand etwas Bestimmtes getan oder nicht getan hat. Da gibt es kaum einen Mediziner, kaum einen Architekten, kaum einen Literaturwissenschaftler, kaum einen Ökonomen, und eigentlich auch sonst niemanden, der nicht über die Motive handelnder Personen Bescheid wüsste. Wir stehen immer einer Mauer unerschütterlicher Vorverständnisse gegenüber, durch die vorgeformt ist, was als ›sinnvolle‹ und ›mögliche‹ psychologische Erklärung zu gelten hat und was nicht. Nicht wir sind die anerkannten Experten menschlichen Verhaltens, sondern alle anderen« (Foppa 1989, S. 6 – 7).

Spätestens jedoch, wenn man selbst unüberwindlich und hartnäckig in Schwierigkeiten geraten ist oder wenn man jemand anderen aus solchen Schwierigkeiten heraushelfen möchte, stellt sich heraus, dass man mit den eigenen Vorstellungen und Alltagstheorien nicht immer so erfolgreich ist, wie man es sein möchte. Scheinbar bewährte Rezepte, Strategien oder gar Tricks funktionieren nicht mehr. Dann ist psychologisches Wissen gefragt und notwendig, das solche Wege weist wie die wissenschaftliche Psychologie.

Wissenschaftliche Psychologie liefert Beschreibungen und Erklärungen für das Erleben und Verhalten von Menschen, die dazu beitragen sollen, das soziale Leben verstehbar zu machen. Das Ziel solcher Beschreibungen und Erklärungen ist es, sich selbst und andere genauer, angemessener und differenzierter wahrzunehmen und dadurch Handlungsräume zu erweitern und Probleme in neuem Licht sehen zu können.

Unter dieser Zielsetzung möchten wir in diesem Buch eine Einführung in psychologische Denkweisen über den Menschen geben und Sichtweisen zu wesentlichen Facetten des Erlebens und Verhaltens von Menschen vorstellen.

Das Nachdenken über das Erleben und Verhalten von Menschen hat eine lange Tradition, aus der sich die Psychologie als empirische Wissenschaft in ihrer heutigen Gestalt herausgebildet hat. Im zweiten Kapitel wird diese Tradition in ihren wichtigsten Linien nachgezeichnet, um dann deutlich zu machen, wodurch sich psychologische Erkenntnis von anderen Erkenntnisformen menschlichen Erlebens und Verhaltens unterscheidet und auszeichnet. Dabei wird sich zeigen, dass es im Bereich der Psychologie durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen über die Gegenstände, Ziele und Vorgehensweisen psychologischer Erkenntnisgewinnung gibt.

Im Mittelpunkt psychologischer Betrachtung steht der Mensch – genauer: die menschliche Individualität. Im dritten Kapitel beschäftigen wir uns mit diesem Grundgedanken genauer. Zunächst wird deutlich gemacht, welchen Stellenwert der Gedanke individueller Persönlichkeit in unserer zivilisatorischen Entwicklung hat und wie es dazu gekommen ist. Danach werden verschiedene Betrachtungsweisen von Persönlichkeit vorgestellt, die in der Psychologie von besonderem Einfluss sind.

Wir begreifen das Erleben und Verhalten eines Menschen eingebunden in zwei wesentliche Zusammenhänge: zum einen in den Zusammenhang seiner lebensgeschichtlichen, biographischen Entwicklung, und zum anderen in den Zusammenhang der sozialen, zwischenmenschlichen Bezüge und Beziehungen, in denen er lebt.

Entsprechend geht es im vierten Kapitel darum, die wichtigsten Entwicklungsgesichtspunkte aufzuzeigen, die einen Menschen zu dem machen, was er ist. Auch zu dieser Frage gibt es innerhalb der Psychologie sehr unterschiedliche Antworten bzw. Entwicklungstheorien. Wir stellen vier wichtige Ansätze vor und beschäftigen uns dann speziell mit Fragen des Lernens und der Erziehung als einem gesellschaftlich wichtigen Motor der Entwicklung.

Das Erleben und Verhalten von Menschen erklärt sich auch aus den Begegnungen mit anderen Menschen und den wechselseitigen Beeinflussungsprozessen, die in solchen Begegnungen stattfinden. Daher steht im fünften Kapitel das Thema Interaktion und Kommunikation im Mittelpunkt. Die Grunddimensionen sozialer Interaktion werden erläutert und der Einfluss sozialer Interaktion auf unsere Verfasstheit als gesellschaftliches Wesen wird dargestellt.

Soweit sind die Grundlagen für ein psychologisch fundiertes Verständnis des Erlebens und Verhaltens von Menschen gelegt. Auf dieser Grundlage können wir uns dann zwei klassischen Anwendungsfeldern psychologischen Wissens zuwenden – der Psychologischen Diagnostik (sechstes Kapitel) und der Psychologie der Intervention (siebtes Kapitel). Am Ende spitzen wir im achten Kapitel die Zielsetzung dieses Buches auf den speziellen Fall sozialpädagogischer Tätigkeit zu. Dazu werden ausgewählte Arbeitsbereiche dieser Tätigkeit vorgestellt, um an ihnen zu demonstrieren, wie die dargestellten psychologischen Erkenntnisse zu einem genaueren Selbstverständnis sozialpädagogischer Tätigkeit beitragen können.

Wenn wir den Anspruch dieses Lehrbuches bildlich darstellen, dann fällt uns eine Wanderkarte ein, in der Aussichtspunkte eingezeichnet sind. Von ihnen aus kann man einen Landstrich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten und jeweils neu entdecken. Will der Wanderer jedoch wissen, wie eine Aussicht wirklich ist, dann muss er sich selbst auf den Weg machen. Ein Lehrbuch bietet Aussichtspunkte an. Aber so wie die Karte dem Wanderer nicht den Weg abnimmt, so kann auch dieses Buch es den Lesern und Leserinnen nicht ersparen, in der Praxis selbst herausfinden zu müssen, ob eine bestimmte Sichtweise lohnend ist oder nicht.

2. Psychologie als Wissenschaft

In diesem Kapitel erläutern wir, was es bedeutet, psychologische Erkenntnisse als wissenschaftliche Erkenntnisse zu betrachten.

Zu diesem Zweck berichten wir zunächst, wie Psychologie als Wissenschaft zustande kam und sich entwickelt hat (2.1.). Im Verlauf dieser Geschichte hat sich die Psychologie in Spezialgebiete ausdifferenziert, die wir anschließend vorstellen (2.2.). Den Prozess der Erkenntnis psychologischen Wissens beschreiben wir in allgemeiner Weise (2.3.). Darüber, wie der Wissenschaftscharakter der Psychologie zu bestimmen ist, gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Die wichtigsten stellen wir in Abschnitt 2.4. vor. Psychologische Erkenntnis unterscheidet sich vom »gesunden Menschenverstand« u. a. durch das transparente, nachvollziehbare methodische Vorgehen. Zwei Methoden psychologischer Erkenntnisgewinnung stellen wir in Abschnitt 2.5. vor: Experiment und Feldforschung. Durch solche Methoden werden Daten gewonnen, deren Interpretation keineswegs selbstverständlich ist. Innerhalb der Psychologie gibt es eine Reihe von Standards, mit denen Daten interpretiert und verarbeitet werden können, um auf dieser Grundlage zu empirisch gesicherten psychologischen Erkenntnissen kommen zu können (2.6.).

2.1. Psychologie in Europa: Lange Vergangenheit, kurze Geschichte

von Elisabeth Baumgartner

»Die Psychologie hat zwar eine lange Vergangenheit, aber eine kurze Geschichte.« Dieser, von dem Gedächtnisforscher Hermann Ebbinghaus (1850 – 1909) auf dem vierten Internationalen Kongress für Psychologie in Paris im Jahre 1900 vorgetragene Satz ist wohl der meistzitierte in der Geschichtsschreibung der Psychologie.

Was wollte Ebbinghaus damit zum Ausdruck bringen? – Er beschreibt die Situation der akademischen Psychologie um die Jahrhundertwende, die bestrebt war – besser gesagt, einige ihrer Fachvertreter waren es – sich von der Philosophie, innerhalb derer die Psychologie traditionsgemäß angesiedelt war, zu lösen.

Altertum

Die Philosophie war seit ihren Anfängen im Altertum die Wissenschaft, die sich mit psychologischen Fragen auseinander setzte. Beispielsweise befassten sich schon die vorsokratischen Eleaten ebenso wie Heraklit mit dem Problem des Denkens und seiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Platons (427 – 347 v. Chr.) Dialoge sind, wie wir heute sagen würden, Meisterwerke »psychologischer Gesprächsführung«. Er postulierte, die wahre Wirklichkeit liege in der Welt der Ideen, nicht in der Welt der Sinne und Empfindungen. Diese Hochschätzung des Begrifflichen hatte und hat großen Einfluss auf die abendländische Tradition (vgl. Müller 1971, S. 1).

Aristoteles

Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) ist die Hauptquelle der Psychologie, teilweise bis in die Neuzeit, geblieben. In seiner Schrift »Über die Seele« beschreibt er die Seele (Psyche), die sich als wirkendes Prinzip auf dreierlei Weise äußere:

als Vitalseele (belebend, ernährend);

als Animalseele (empfindend, fühlend, sinnlich begehrend);

als Geistseele (denkend und wollend).

Diese Einteilung hat die Psychologie lange geprägt. Die Beschreibung der »Seelenkräfte«, des »Seelenvermögens« oder der »psychischen Kräfte und Funktionen« entsprechend der Einteilung des Seelenbegriffs beschäftigte die Philosophen aller folgenden Jahrhunderte.

Bezug zur Gegenwart

Auch die heutige wissenschaftliche Psychologie greift auf dieses Modell zurück: die Allgemeine Psychologie mit ihren Klassifikationen des Psychischen in Emotion, Kognition und Motivation (vgl. Pongratz 1967, S. 70); Richtungen der Persönlichkeitspsychologie, die an Schichttheorien orientiert sind; in besonderer Weise aber die Psychoanalyse. Schönpflug (2000, S. 72) meint gar, dass in der Bestimmung des Aristoteles »eine Vielfalt von Domänen [...] für Forschungsprogramme vorweggenommen« sei.

Die abendländische Beschäftigung mit der Psyche führt also, soweit schriftlich nachgewiesen, ins 3. und 4. Jahrhundert v. Chr. zurück. Auch in Asien, in Indien und China existierten Seelenlehren innerhalb des Buddhismus, des Taoismus und des Konfuzianismus, die im Sinne von praktischer Ethik als Wegweiser der Lebensführung dienten. Sie hatten für die abendländische Psychologie in ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung wenig Bedeutung. Als Techniken der Entspannung und Meditation fanden jedoch einige Ansätze Eingang in Therapieformen der Klinischen Psychologie.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!