Quantenwelt - Lee Smolin - E-Book

Quantenwelt E-Book

Lee Smolin

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Beschreibung

Die Zukunft der Quantentheorie von einem der führenden Physiker unserer Zeit

Die Quantenphysik ist das Lieblingskind der modernen Wissenschaft. Sie ist das Fundament für unser Verständnis von allem was sich abspielt zwischen den Elementarteilchen bis hin zum Verhalten von Materie aller Art. Die Quantenphysik ist aber auch ein Problemkind: Ihre Erfinder können sich noch nicht einmal ‎auf ihre Grundlagen einigen, sie ist gefangen in seltsamen Paradoxien, und was sie ausmacht, klingt eher erfunden als erforscht. Warum das so ist, zeigt uns Lee Smolin in seinem neuen Buch: Die Probleme der Quantenphysik sind ungelöst und unlösbar aus einem einzigen Grund: Die Quantentheorie ist unvollständig. Er zeigt uns, wie wir zu einem wirklich neuen Verständnis von Natur und Universum kommen können, indem wir die Theorie vervollständigen und zu Ende denken, was mit Einstein begonnen hat.

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Seitenzahl: 491

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Über das Buch:

Die Quantenphysik ist das Lieblingskind der modernen Wissenschaft. Sie ist das Fundament für unser Verständnis von allem was sich abspielt zwischen den Elementarteilchen bis hin zum Verhalten von Materie aller Art. Die Quantenphysik ist aber auch ein Problemkind: Ihre Erfinder können sich noch nicht einmal auf ihre Grundlagen einigen, sie ist gefangen in seltsamen Paradoxien, und was sie ausmacht, klingt oft eher erfunden als erforscht. Warum das so ist, zeigt uns Lee Smolin in seinem neuen Buch: Die Probleme der Quantenphysik sind ungelöst und unlösbar aus einem einzigen Grund: Die Quantentheorie ist unvollständig. Er zeigt uns, wie wir zu einem wirklich neuen Verständnis von Natur und Universum kommen können, indem wir die Theorie vervollständigen und zu Ende denken, was mit Einstein begonnen hat.

Über den Autor:

Lee Smolin, geboren 1955 in New York, ist Professor für theoretische Physik, lehrte u. a. in Princeton und Yale und ist einer der Begründer des kanadischen Perimeter Institute for Theoretical Physics, wo er heute arbeitet. Er ist einer der bedeutendsten theoretischen Physiker unserer Zeit und ein profilierter Autor. Bei DVA erschienen zuletzt »Die Zukunft der Physik« (2009) und »Im Universum der Zeit« (2014).

Lee Smolin

Quantenwelt

Wie wir zu Ende denken,was mit Einstein begonnen hat

Aus dem Englischen von Jürgen Schröder

Deutsche Verlags-Anstalt

Die Originalausgabe ist 2019 unter dem TitelEinstein’s Unfinished Revolution. The Search for what lies beyond the Quantum bei Penguin Press in New York erschienen. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2019 by Lee Smolin Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Covergestaltung: total italic, Thierry Wijnberg (Amsterdam/Berlin) Illustrationen: Kaća Bradonjić Gesetzt aus der Caecilia Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-15761-6V005www.dva.de

Für Dina und Kai

Alles, was ein Musiker tun kann, ist, den Quellen der Natur näher zu kommen und dadurch zu spüren, dass er sich im Einklang mit den Naturgesetzen befindet.

–John Coltrane

Ich kann mit Sicherheit sagen, dass niemand die Quantenmechanik versteht.

–Richard Feynman

Inhalt

Vorwort

Teil 1: Orthodoxie des Unwirklichen

Eins – Die Natur liebt es, sich zu verbergen

Zwei – Quanten

Drei – Wie Quanten sich verändern

Vier – Wie Quanten miteinander teilen

Fünf – Was die Quantenmechanik nicht erklärt

Sechs – Der Triumph des Antirealismus

Teil 2: Die Wiedergeburt des Realismus

Sieben – Die Herausforderung des Realismus: de Broglie und Einstein

Acht – Bohm: Der Realismus macht noch einen Versuch

Neun – Der physikalische Kollaps des Quantenzustands

Zehn – Magischer Realismus

Elf – Kritischer Realismus

Teil 3: Jenseits der Quantenwelt

Zwölf – Alternativen zur Revolution

Dreizehn – Lehren

Vierzehn – Erstens, Prinzipien

Fünfzehn – Eine kausale Perspektiventheorie

Nachwort/Revolutionen

Danksagung

Anmerkungen

Glossar

Weiterführende Literatur

Register

Vorwort

Wir Menschen hatten schon immer Schwierigkeiten mit der Grenze zwischen Wirklichkeit und Fantasie. Um uns die Welt zu erklären, erfinden wir Geschichten, und dann vernarren wir uns in sie, weil wir gute Geschichtenerzähler sind, und verwechseln unsere Vorstellungen von der Welt mit ihr selbst. Diese Verwechslung plagt Wissenschaftler ebenso wie Laien; tatsächlich betrifft sie uns stärker, weil unser Werkzeugkasten so leistungsfähige Geschichten enthält.

In dem Maße, wie wir unser Verständnis der natürlichen Welt vertiefen und uns zu kleineren und elementareren Phänomenen hinbewegen, errichten unsere Erfolge Hindernisse für den weiteren Fortschritt. Um zu vermeiden, dass wir uns festfahren, müssen wir unser gut begründetes Vertrauen auf die Macht gesicherter Erkenntnis durch ein scharfes Bewusstsein dessen in der Waage halten, wie durchaus hypothetisch auch unsere erfolgreichsten Hypothesen sind. Es ist eine schwierige Lektion, wenn man erfährt, dass unsere Empfindungen zwar teilweise von der Wirklichkeit verursacht sind, aber von unserem Gehirn vollständig konstruiert werden, um uns die Welt in genau derjenigen Form zu präsentieren, die wir brauchen, damit wir uns in der Natur zurechtfinden. Jenseits dieser Empfindungen schwebt die Natur im Grunde rätselhaft und hart an der Grenze unserer Erkenntnismöglichkeiten.

Die wichtigsten Merkmale der Natur, wie wir sie im Augenblick verstehen, wurden nicht wahrgenommen. Die einfachsten allgemeinen Tatsachen, die wir über die Welt wissen – dass beispielsweise die Materie aus Atomen besteht oder dass die Erde eine kugelförmige Schale aus Stein ist, die einen geschmolzenen Kern umgibt und von einer dünnen Atmosphäre eingehüllt wird, dass sie sich schwebend in einem nahezu leeren Raum bewegt, während sie einen natürlichen Kernreaktor umkreist – diese schlichten Tatsachen, die wir lernen, wenn wir gerade einmal unseren Kinderbetten entwachsen, sind das Ergebnis von Jahrhunderten intensiver Bemühungen von Gelehrten und Wissenschaftlern. Jede dieser Tatsachen erwuchs als eine beinahe verrückte Idee, die in Konflikt mit einer viel offensichtlicheren und vernünftigeren – aber falschen – Vermutung stand.

Eine wissenschaftliche Geisteshaltung besteht darin, die Tatsachen zu respektieren, über die Einigkeit herrscht und die die Lösung von Generationen von Streitigkeiten darstellen, während man gegenüber dem noch Unbekannten unvoreingenommen bleibt. Sie trägt dazu bei, dass man ein Gefühl der Demut im Hinblick auf die grundlegende Rätselhaftigkeit der Welt empfindet, denn die Aspekte, die wir kennen, werden nur noch rätselhafter, wenn wir sie weiter erforschen. Je mehr wir wissen, umso merkwürdiger ist alles. Es gibt in der Natur nichts so Gewöhnliches, dass seine Betrachtung nicht zu einem sprachlosen Gefühl der Verwunderung und Dankbarkeit führen könnte, dass man eben ein Teil von dem allen ist.

An diesem Frühlingsmorgen trägt die Luft, die durch das offene Fenster kommt, frische Gerüche aus dem Garten herein – aber durch welches Wunder geschieht das? Wie werden Moleküle, die von einer Brise hergeweht werden, durch eine Nase in diesen freudvollen Geruch verwandelt? Wir sehen lebhafte Farben, und wir erinnern uns daran, dass es eine Geschichte darüber gibt, wie unterschiedliche Wellenlängen des Lichts unterschiedliche Nervenzellen erregen. Aber wie könnten die Empfindungen der Röte und Bläue überhaupt durch die Erregung unterschiedlicher Nervenzellen verursacht werden? Was für eine Art von Dingen sind die Empfindungen, die Qualia, wie die Philosophen sie nennen, der verschiedenen Farben oder der verschiedenen Gerüche? Wie unterscheiden sich Gerüche von Farben, und warum unterscheiden sie sich, wenn alles bloß elektrische Impulse in Nervenzellen ist? Wer ist das Ich, das wacht, und was ist das Universum, das mich umgibt, wenn ich meine Augen öffne? Die einfachsten Tatsachen über unsere Existenz und unsere Beziehung zur Welt sind Rätsel.

Schleichen wir an der schwierigen Frage nach dem Bewusstsein zu einfacheren Fragen vorbei. Als Wissenschaftler glaube ich, dass das die beste Methode ist, um irgendwohin zu gelangen. Beginnen wir mit einer ganz elementaren Frage: Was ist Materie? Mein Sohn hat einen Stein auf dem Tisch liegen lassen. Ich ergreife ihn; sein Gewicht und seine Form passen bequem in meine Hand – gewiss ein uraltes Gefühl.

Aber was ist ein Stein?

Wir wissen, wie der Stein aussieht, wie er sich anfühlt. Aber diese Dinge beziehen sich zumindest ebenso sehr auf uns, wie sie sich auf den Stein beziehen. Nur wenig an der Empfindung oder der Erscheinung eines Steins gibt einen Hinweis darauf, was seinem Wesen nach die Existenz – die Steinhaftigkeit – eines Steins ausmacht. Wir wissen, dass der größte Teil des Steins leerer Raum ist, in dem Atome angeordnet sind. Die Festigkeit und Härte des Steins ist eine Konstruktion unseres Geistes, die Wahrnehmungen auf Größenskalen einbezieht, welche im Vergleich zur Größe der Atome ganz grob sind.

Materie gibt es in vielen Formen, von denen wir wissen, dass manche, wie der Stein, wie das organische Material, das in unsere Wolldecken, Leintücher und Kleider verwoben ist, komplex sein müssen. Betrachten wir also zunächst eine einfachere Form von Materie: das Wasser in unserem Glas. Was ist es?

Für unsere Augen und unseren Tastsinn erscheint Wasser als geschmeidig, kontinuierlich. Bis vor relativ kurzer Zeit, vor etwas mehr als einem Jahrhundert, meinten die Physiker, dass die Materie völlig kontinuierlich sei. Im frühen 20. Jahrhundert zeigte Albert Einstein, dass das falsch war und dass Wasser aus einer Unzahl von Atomen besteht. Im Wasser sind sie in Dreiergruppen angeordnet, zu Molekülen vereinigt, von denen jedes aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom besteht.

Ja, aber was ist ein Atom? Es dauerte weniger als ein Jahrzehnt nach Einstein, bis man verstand, dass jedes Atom wie ein winziges Sonnensystem aussieht, mit einem Kern im Zentrum anstelle der Sonne und den Planeten, die von den Elektronen repräsentiert werden.

So weit, so gut, aber was ist dann ein Elektron? Wir wissen, dass Elektronen in diskreten Einheiten vorkommen, von denen jede eine bestimmte Quantität an Masse und Ladung trägt. Ein Elektron kann eine Stelle im Raum haben. Es kann sich bewegen. Wenn wir zum ersten Mal schauen, ist es hier; wenn wir noch mal schauen, ist es dort.

Über diese Attribute hinaus ist es nicht leicht, ein Bild von dem zu geben, was ein Elektron ist. Es wird einen Großteil dieses Buches in Anspruch nehmen.

Das beste Verständnis dessen, was Steine sind, was Wasser ist, was Moleküle und Atome und Elektronen sind, kommt durch den Wissenschaftszweig zum Ausdruck, der als Quantenphysik bezeichnet wird. Aber, wie anscheinend mittlerweile jedermann weiß, ist das ein Reich voller Paradoxien und Rätsel. Die Quantenphysik beschreibt eine Welt, in der nichts eine stabile Existenz besitzt. Ein Atom oder ein Elektron kann eine Welle oder ein Teilchen sein, je nachdem, wie man es betrachtet; Katzen sind sowohl lebendig als auch tot. Das ist großartig für die Populärkultur, die »Quanten« zu einem Modewort für coole, abgefahrene Mystifizierung gemacht hat. Es ist aber schrecklich für diejenigen von uns, die die Welt verstehen wollen, in der wir leben, denn auf die einfache Frage »Was ist ein Stein?« scheint es keine leichte Antwort zu geben.

Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wurde eine Theorie namens Quantenmechanik entwickelt, um die Quantenphysik zu erklären. Diese Theorie war seit ihrer Begründung das Musterkind der Naturwissenschaft. Sie ist die Grundlage unseres Verständnisses von Atomen, Strahlung und so vieler anderer Dinge, von den Elementarteilchen und Grundkräften bis zum Verhalten von Materialien. Ebenso lange war sie auch ein Problemkind. Von Anfang an waren ihre Erfinder zutiefst im Hinblick auf die Frage gespalten, wie man sie verstehen sollte. Einige brachten ihr Entsetzen und ihre Zweifel, sogar Empörung zum Ausdruck. Andere erklärten sie zu einer revolutionären neuen Art von Naturwissenschaft, die die metaphysischen Annahmen in Bezug auf die Natur und unsere Beziehung zu ihr erschütterten, die frühere Generationen für den Erfolg der Naturwissenschaft für wesentlich hielten.

In den folgenden Kapiteln hoffe ich, Sie davon zu überzeugen, dass die begrifflichen Probleme und stürmischen Meinungsverschiedenheiten, die die Quantenmechanik seit ihrer Begründung quälen, ungelöst und unlösbar sind, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Theorie falsch ist. Sie ist zwar äußerst erfolgreich, aber unvollständig. Unsere Aufgabe – wenn wir einfache Antworten auf unsere einfachen Fragen zum Wesen von Steinen haben wollen – muss darin bestehen, über die Quantenmechanik zu einer Beschreibung der Welt auf der Größenskala von Atomen hinauszugehen, die einen Sinn ergibt.

Diese Aufgabe könnte als überaus schwierig erscheinen, wenn es nicht einen nahezu vergessenen und lange ignorierten Aspekt der Geschichte der Quantenmechanik gäbe. Seit dem Beginn des Quantenzeitalters in den 1920er-Jahren hat es eine alternative Version der Quantenphysik gegeben, die einen vollständigen Sinn ergibt. Diese Schattentheorie löst die scheinbaren Paradoxien und Rätsel des Quantenbereichs. Der Skandal – und ich glaube, dass dieser Begriff gerechtfertigt ist – besteht darin, dass diese alternative Form der Quantentheorie nur selten gelehrt wird. Sie wird selten erwähnt, sowohl in Lehrbüchern für angehende Physiker als auch in Popularisierungen für Laien.

Es gibt mehrere alternative Formulierungen der Quantenphysik, die einen konsistenten Sinn ergeben. Die Herausforderung besteht nun darin, auf diesen aufzubauen, um das richtige Verständnis der Quantenphysik zu finden – dasjenige, das die Natur verwendet. Ich glaube, dass dies breite Auswirkungen haben wird, weil die neue Form der Quantenphysik die Grundlage der Lösungen vieler hervorstechender Probleme in der Physik sein wird. Probleme wie zum Beispiel die Quantengravitation und die Vereinheitlichung der Kräfte, im Hinblick auf die wir wenig entschiedene Fortschritte gemacht haben, sind meiner Meinung nach deshalb Fehlschläge, weil unserer Theoriebildung eine falsche Theorie zugrunde liegt.

Die Physiker sind sich über das Verhalten der Quantenwelt einig. Wir sind uns einig, dass Atome und Strahlung sich anders verhalten als Steine und Katzen, und wir sind uns einig darüber, dass die Quantenmechanik funktioniert, um einige Aspekte dieses Verhaltens vorherzusagen. Aber wir sind uneins darüber, was es bedeutet, dass unsere Welt eine Quantenwelt ist. Es ist zwar klar, dass ein radikaler Wandel unseres Naturverständnisses erforderlich ist, aber wir sind uneins darüber, worin dieser Wandel bestehen soll. Manche machen geltend, dass wir es aufgeben müssen, irgendein Bild der Wirklichkeit aufrechtzuerhalten, und uns mit einer Theorie zufriedengeben müssen, die nur die Erkenntnis beschreibt, die wir von der Welt haben können. Andere behaupten, dass unsere Vorstellung der Wirklichkeit stark erweitert werden muss, um eine Unendlichkeit paralleler Wirklichkeiten zu erfassen.

Tatsächlich ist weder das eine noch das andere notwendig. Die alternativen Verständnisse der Quantenwelt verlangen nicht von uns, die Idee aufzugeben, dass die Physik eine Wirklichkeit beschreibt, die unabhängig von unserer Erkenntnis von ihr ist. Sie erfordern auch nicht, dass wir diese Wirklichkeit über die Vorstellung des gesunden Menschenverstands hinaus erweitern, dass es eine einzige Welt gibt und dass sie diejenige ist, die wir sehen, wenn wir um uns herumblicken. Wie ich auf den folgenden Seiten erklären werde, wird der Realismus des gesunden Menschenverstands, dem zufolge die Naturwissenschaft nach einem vollständigen Bild der natürlichen Welt streben kann, wie sie wirklich ist oder bei unserer Abwesenheit wäre, eigentlich nicht von irgendetwas bedroht, das wir über die Quantenphysik wissen.

Daher ist es sowohl unglücklich als auch unnötig, dass das Reich der Quanten als rätselhaft und kontraintuitiv dargestellt wurde. Eines der Ziele dieses Buches besteht darin, die alternativen Quantentheorien Laien zu präsentieren und dadurch die Rätselhaftigkeit aufzuheben und die Quantenwelt auf eine Weise darzustellen, die intuitiv und Leuten zugänglich ist, die keine Spezialisten für Physik sind.

Ich stelle mir meinen Leser als jemanden mit einer großen Neugier für die Natur vor, als jemanden, der die Naturwissenschaft vielleicht anhand von Nachrichten, Blogs und populärwissenschaftlichen Büchern verfolgt, aber dessen Ausbildung nicht die Mathematik beinhaltete, die gewöhnlich als Sprache der Physik angenommen wird. Stattdessen verwende ich Worte und Bilder, um die Grundphänomene zu vermitteln, die wir in der Quantenwelt finden, sowie die Prinzipien, die deren Erforschung angeregt hat. Nach der Einleitung beginnt das Buch mit drei kurzen Kapiteln, die die aufs Nötigste reduzierten Grundlagen der Quantenphysik beschreiben. Mit ihnen gerüstet, werden wir die verschiedenen begrifflichen Welten erforschen, die sich aus den verschiedenen Formen der Quantentheorie ergeben, die vorgeschlagen wurden.

Was steht bei der Auseinandersetzung um die Quantenmechanik auf dem Spiel? Warum ist es wichtig, ob unsere fundamentale Theorie der natürlichen Welt rätselhaft und paradox ist?

Hinter der ein Jahrhundert dauernden Auseinandersetzung um die Quantenmechanik steht eine grundlegende Meinungsverschiedenheit über das Wesen der Wirklichkeit – eine Meinungsverschiedenheit, die, wenn sie unaufgelöst bleibt, sich zu einem Streit über das Wesen der Naturwissenschaft zuspitzt.

Zwei Fragen liegen dem Schisma zugrunde.

Zuallererst, existiert die natürliche Welt unabhängig von unserem Geist? Genauer, hat die Materie eine stabile Gesamtheit von Eigenschaften an sich, unabhängig von unseren Wahrnehmungen und unserem Wissen?

Zweitens, können diese Eigenschaften von uns verstanden und beschrieben werden? Können wir genug in Bezug auf die Naturgesetze verstehen, um die Geschichte unseres Universums zu erklären und seine Zukunft vorherzusagen?

Die Antworten, die wir auf diese beiden Fragen geben, haben Implikationen für umfassendere Fragen über das Wesen und Ziel der Naturwissenschaft und die Rolle der Naturwissenschaft innerhalb des größeren Projekts der Menschheit. Tatsächlich handelt es sich um Fragen, die die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fantasie betreffen.

Leute, die diese beiden Fragen mit Ja beantworten, werden als Realisten bezeichnet. Einstein war Realist. Auch ich bin Realist. Wir Realisten glauben, dass es eine wirkliche Welt da draußen gibt, deren Eigenschaften in keiner Weise von unserem Wissen oder unserer Wahrnehmung von ihr abhängen. Das ist die Natur, wie sie bei unserer Abwesenheit wäre und zum größten Teil ist. Außerdem glauben wir, dass die Welt präzise genug verstanden und beschrieben werden kann, um zu erklären, wie sich irgendein System in der natürlichen Welt verhält.

Wenn man Realist ist, glaubt man, dass die Naturwissenschaft die systematische Suche nach dieser Erklärung ist. Das beruht auf einer naiven Vorstellung von Wahrheit. Behauptungen über Gegenstände oder Systeme in der Natur sind insoweit wahr, als sie echten Eigenschaften der Natur entsprechen.

Wenn man auf beide Fragen mit Nein antwortet, ist man ein Antirealist.

Die meisten Wissenschaftler sind Realisten im Hinblick auf Alltagsgegenstände auf der Größenskala des Menschen. Dinge, die wir sehen, ergreifen und herumwerfen können, haben einfache und leicht zu verstehende Eigenschaften. Zu jedem Zeitpunkt existieren sie irgendwo im Raum. Wenn sie sich bewegen, folgen sie einer Bahn, und diese Bahn hat relativ zu jemandem, der sie beschreibt, eine bestimmte Geschwindigkeit. Sie haben Masse und Gewicht.

Wenn wir unserem Partner sagen, dass das rote Notizbuch, dass er oder sie sucht, auf dem Tisch liegt, erwarten wir, dass dies einfach wahr oder falsch ist, und zwar völlig unabhängig von unserem Wissen oder unserer Wahrnehmung.

Die Beschreibung von Materie auf dieser Ebene, von den kleinsten Größenskalen, die wir mit unseren Augen sehen können, bis hin zu Sternen und Planeten, wird als klassische Physik bezeichnet. Sie wurde von Galilei, Kepler und Newton erfunden. Einsteins Relativitätstheorien sind ihre krönenden Errungenschaften.

Aber es ist nicht leicht oder selbstverständlich, dass wir hinsichtlich der Materie auf der Ebene einzelner Atome Realisten sind. Das liegt an der Quantenmechanik.

Die Quantenmechanik ist gegenwärtig unsere beste Theorie der Natur auf der Größenskala von Atomen. Diese Theorie weist, wie ich schon angedeutet habe, bestimmte sehr rätselhafte Eigenschaften auf. Es wird weithin angenommen, dass diese Eigenschaften den Realismus ausschließen. Das heißt, die Quantenmechanik verlangt, dass wir eine oder beide Fragen, die ich oben stellte, mit Nein beantworten. Sofern die Quantenmechanik die korrekte Beschreibung der Natur ist, sind wir gezwungen, den Realismus aufzugeben.

Die meisten Physiker sind keine Realisten in Bezug auf Atome, Strahlung und Elementarteilchen. Ihre Überzeugung stammt zum größten Teil nicht von dem Wunsch her, den Realismus auf der Grundlage radikaler philosophischer Positionen zu verwerfen. Stattdessen rührt sie daher, dass sie von der Wahrheit der Quantenmechanik überzeugt sind und – wie man sie gelehrt hat – glauben, dass die Quantenmechanik den Realismus ausschließt.

Wenn es wahr ist, dass die Quantenmechanik die Aufgabe des Realismus verlangt, dann muss man, wenn man Realist ist, glauben, dass die Quantenmechanik falsch ist. Sie mag zwar vorübergehend erfolgreich sein, aber sie kann nicht die vollständige korrekte Beschreibung der Natur im atomaren Maßstab sein. Das führte Einstein dazu, die Quantenmechanik als etwas abzulehnen, das mehr ist als nur eine vorübergehende Notlösung.

Einstein und andere Realisten glauben, dass uns die Quantenmechanik eine unvollständige Beschreibung der Natur gibt, in der Eigenschaften fehlen, die für ein vollständiges Verständnis der Welt notwendig sind. Einstein stellte sich manchmal vor, dass es »verborgene Variablen« gebe, die die Beschreibung der Welt durch die Quantentheorie vervollständigen würden. Er glaubte, dass die vollständige Beschreibung, einschließlich dieser fehlenden Eigenschaften, mit dem Realismus konsistent wäre.

Wenn man also Realist und Physiker ist, gibt es ein vordringliches Gebot, nämlich über die Quantenmechanik hinauszugehen, um diese fehlenden Eigenschaften zu entdecken und dieses Wissen zur Konstruktion einer wahren Theorie der Atome zu nutzen. Das war Einsteins unvollendete Mission, und sie ist auch meine eigene.

Es gibt verschiedene Arten von Antirealisten, was zu unterschiedlichen Auffassungen der Quantenmechanik führt.

Manche Antirealisten glauben, dass die Eigenschaften, die wir Atomen und Elementarteilchen zuschreiben, diesen Objekten nicht innewohnen, sondern nur durch unsere Interaktionen mit ihnen erzeugt werden und nur zu dem Zeitpunkt existieren, zu dem wir sie messen. Wir können sie als radikale Antirealisten bezeichnen. Der einflussreichste von ihnen war Niels Bohr. Er war der Erste, der die Quantentheorie auf das Atom angewendet hat, wonach er zum Führer und Mentor der nächsten Generation von Quantenrevolutionären wurde. Sein radikaler Antirealismus prägte einen Großteil der Art und Weise, wie die Quantentheorie verstanden wurde.

Eine andere Gruppe von Antirealisten glaubt, dass die Naturwissenschaft als Ganzes sich nicht mit dem befasst oder über das spricht, was in der Natur wirklich ist, sondern vielmehr immer nur über unser Wissen von der Welt redet. Ihrer Auffassung zufolge beziehen sich die Eigenschaften, die die Physik einem Atom zuschreibt, nicht auf dieses Atom; stattdessen beziehen sie sich nur auf das Wissen, das wir von ihm haben. Diese Wissenschaftler können als Quantenepistemologen bezeichnet werden.

Und dann gibt es die Operationalisten, eine Gruppe von Antirealisten, die Agnostiker in Bezug darauf sind, ob es eine grundlegende Wirklichkeit gibt, die von uns unabhängig ist, oder nicht. Die Quantenmechanik, so lautet ihre Behauptung, bezieht sich keinesfalls auf die Wirklichkeit; vielmehr ist sie eine Menge von Verfahrensweisen zur Befragung von Atomen. Sie bezieht sich nicht auf die Atome selbst, sondern darauf, was geschieht, wenn Atome in Kontakt mit den großen Vorrichtungen treten, die wir zu ihrer Messung benutzen. Heisenberg, der beste von Bohrs Schützlingen, der die Gleichungen der Quantenmechanik erfand, war zumindest teilweise ein Operationalist.

Im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen zwischen radikalen Antirealisten, Quantenepistemologen und Operationalisten teilen alle Realisten eine ähnliche Perspektive – wir stimmen in der Antwort auf die beiden Fragen überein, die ich oben stellte. Aber wir unterscheiden uns darin, wie wir eine dritte Frage beantworten: Besteht die natürliche Welt hauptsächlich aus der Art von Gegenständen, die wir sehen, wenn wir uns umblicken, und aus den Dingen, aus denen sie zusammengesetzt sind? Mit anderen Worten, ist das, was wir sehen, wenn wir uns umblicken, typisch für das Universum als Ganzes?

Diejenigen unter uns, die diese Frage mit Ja beantworten, können sich als einfache oder naive Realisten bezeichnen. Ich sollte den Leser darauf aufmerksam machen, dass ich das Adjektiv »naiv« in der Bedeutung »stark«, »unverbraucht«, »unkompliziert« verwende. In meinen Augen ist eine Auffassung naiv, wenn sie keine ausgeklügelten Argumente oder verwickelten Rechtfertigungen braucht. Ich würde behaupten, dass ein naiver Realismus, wo immer möglich, vorzuziehen ist.

Es gibt Realisten, die nicht naiv in diesem Sinne sind. Sie glauben, dass die Wirklichkeit sich stark von der Welt, die wir wahrnehmen und messen, unterscheidet.

Ein Beispiel für eine solche Auffassung ist die Viele-Welten-Interpretation, die lehrt, dass die Welt, die wir wahrnehmen, nur eine aus einer riesigen und ständig wachsenden Anzahl paralleler Welten ist. Ihre Befürworter bezeichnen sich selbst als Realisten, und sie haben einen gewissen Anspruch auf diese Bezeichnung, weil sie die erste der beiden Fragen mit Ja beantworten. Aber meiner Meinung nach sind sie nur Realisten in einem äußerst technischen, akademischen Sinne. Vielleicht könnte man sie als magische Realisten bezeichnen, denn sie glauben, dass das, was wirklich ist, weit jenseits der Welt liegt, die wir wahrnehmen. Der magische Realismus in diesem Sinne ist beinahe schon eine Form des Mystizismus, denn er impliziert, dass die wahre Welt unserer Wahrnehmung verborgen ist.

Ist es möglich, eine Theorie der Atome zu formulieren, die im allgemeinsten und naivsten Sinne realistisch ist und deshalb alle drei Fragen mit Ja beantwortet? Es ist möglich, und das ist die Geschichte, die ich in diesem Buch erzählen möchte. Aber diese Theorie ist nicht identisch mit der Quantenmechanik, und wenn sie richtig ist, dann ist die Quantenmechanik falsch in dem Sinne, dass sie eine sehr unvollständige Beschreibung der Natur geben muss.

Ein Teil der Geschichte, die ich hier erzählen möchte, besteht darin, wie diese naiv realistische Theorie der Natur beiseitegedrängt wurde, während eine Theorie florierte, die von uns verlangte, entweder den Antirealismus oder den Mystizismus anzunehmen. Aber ich werde mit einer optimistischen Note schließen, indem ich einen Weg skizziere, auf dem wir zu einer realistischen Auffassung der Natur fortschreiten können, die die Quantenwelt einbezieht.

Das ist alles deshalb von Bedeutung, weil die Naturwissenschaft im frühen 21. Jahrhundert unter Beschuss steht. Die Naturwissenschaft steht unter Beschuss, und mit ihr der Glaube an eine wirkliche Welt, in der Tatsachen entweder wahr oder falsch sind. Teilen unserer Gesellschaft scheint geradezu die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fantasie zu entgleiten.

Die Naturwissenschaft steht unter Beschuss von denen, die ihre Folgerungen für ihre politischen und geschäftlichen Ziele hinderlich finden. Klimawandel sollte keine politische Frage sein, er ist keine Frage der Ideologie, sondern ein Problem der nationalen Sicherheit und sollte als solches behandelt werden. Er ist ein wirkliches Problem, das auf Belegen beruhende Lösungen erfordert. Die Naturwissenschaft steht außerdem unter Beschuss von religiösen Fundamentalisten, die darauf bestehen, dass bestimmte historische Texte Gottes Lehren unveränderlicher Wahrheiten beinhalten.

Meiner Ansicht nach gibt es nur wenig Grund für einen Konflikt zwischen den meisten Religionen und der Naturwissenschaft. Viele Religionen akzeptieren – und feiern sogar – die Naturwissenschaft als den Weg zur Erkenntnis der natürlichen Welt. Darüber hinaus gibt es genügend Rätsel bezüglich der Existenz und Bedeutung der Welt, zu deren Erörterung uns sowohl die Religion als auch die Naturwissenschaft anregen, die aber weder die eine noch die andere lösen können.

Es wird nur verlangt, dass die Religionen jene naturwissenschaftlichen Entdeckungen, die als gesicherte Erkenntnis gelten, nicht angreifen oder zu untergraben versuchen. Diese Entdeckungen gelten deshalb als gesicherte Erkenntnis, weil sie von überwältigenden Belegen gestützt werden, als welche sie von denjenigen beurteilt werden, die hinreichend gebildet sind, um ihre Gültigkeit zu bewerten. Das ist in der Tat die Auffassung vieler religiöser Führer aller Glaubensrichtungen. Im Gegenzug sollten Naturwissenschaftler diese aufgeklärten Führer als Verbündete bei der Arbeit für eine bessere Welt verstehen.

Darüber hinaus steht die Naturwissenschaft durch eine Modeerscheinung bei manchen geisteswissenschaftlichen Akademikern unter Beschuss, die es eigentlich besser wissen sollten. Sie behaupten, dass die Naturwissenschaft nichts weiter als eine gesellschaftliche Konstruktion ist, die nur eine aus einem Spektrum gleichermaßen gültiger Perspektiven darstellt.

Damit die Naturwissenschaft klar und deutlich auf diese Herausforderungen reagieren kann, muss sie selbst vom mystischen Verlangen und den metaphysischen Programmen ihrer eigenen Fachleute rein sein. Individuelle Naturwissenschaftler können von mystischen Gefühlen und metaphysischen Vorannahmen motiviert sein – und sind es manchmal auch tatsächlich. Das macht der Naturwissenschaft so lange nichts aus, wie die eng bestimmten Kriterien, die Vermutung und Intuition von gesicherter Wahrheit trennen, universell verstanden und beherzigt werden.

Aber wenn die Grundlagenphysik selbst von einer antirealistischen Philosophie in Geiselhaft genommen wird, sind wir in Gefahr. Wir riskieren, das jahrhundertealte Projekt des Realismus aufzugeben, das nichts weniger als die kontinuierliche, Stück für Stück sich durch den Erkenntnisfortschritt vollziehende Anpassung der Grenze zwischen unserer Erkenntnis der Wirklichkeit und dem Reich der Fantasie ist.

Eine Gefahr des Antirealismus bezieht sich auf die Praxis der Physik selbst. Der Antirealismus reduziert unser Streben nach einem völlig klaren Verständnis der Natur und schwächt folglich unsere Maßstäbe dafür, was ein Verständnis eines physikalischen Systems ausmacht.

Im Gefolge des Triumphs des Antirealismus über die Welt der Atome hatten wir mit den antirealistischen Spekulationen über die Natur im größtmöglichen Maßstab zu kämpfen. Eine lautstarke Minderheit von Kosmologen verkündet, dass das Universum, das wir um uns herum sehen, nur eine Blase in einem riesigen Ozean namens Multiversum ist, das eine Unendlichkeit anderer Blasen enthält. Und während wir gefahrlos annehmen können, dass die Galaxien, die wir sehen, für den Rest unseres Universums typisch sind, müssen wir die anderen unsichtbaren Blasen so betrachten, dass sie von unterschiedlichen und zufällig zugeordneten Gesetzen regiert werden, sodass unser Universum weit entfernt davon ist, typisch für das Ganze zu sein. Dies im Verein mit der Tatsache, dass alle oder fast alle der anderen Blasen für immer und ewig außerhalb der Reichweite unserer Beobachtungen liegen, bedeutet, dass die Multiversum-Hypothese niemals geprüft oder falsifiziert werden kann. Deshalb liegt diese Fantasievorstellung außerhalb der Grenzen der Naturwissenschaft. Dennoch wird diese Vorstellung von nicht wenigen hoch angesehenen Physikern und Mathematikern verfochten.

Es wäre ein Fehler, diese Fantasievorstellung des Multiversums mit der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik zu verwechseln. Es handelt sich um verschiedene Ideen. Dennoch teilen sie einen magisch-realistischen Umsturz des Ziels der Naturwissenschaft, die Welt, die wir um uns herum sehen, ausschließlich in Begriffen ihrer selbst zu erklären. Ich würde behaupten, dass der Schaden im Hinblick auf die Klarheit des Ziels und Zwecks der Naturwissenschaft, den die begeisterten Befürworter des Multiversums angerichtet haben, nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht die Mehrheit der Physiker unkritisch antirealistische Varianten der Quantenphysik übernommen hätte.

Gewiss erklärt die Quantenmechanik viele Aspekte der Natur, und sie tut es mit höchster Eleganz. Die Physiker haben einen sehr leistungsfähigen Werkzeugsatz zur Erklärung vielfältiger Phänomene in den Begriffen der Quantenmechanik entwickelt, weshalb man viele Phänomene der Natur im Griff hat, wenn man die Quantenmechanik beherrscht. Zugleich tanzen die Physiker immer um die klaffenden Lücken herum, die die Quantenmechanik in unserem Naturverständnis offenlässt. Die Theorie liefert kein Bild von dem, was bei Einzelprozessen vor sich geht, und sie erklärt häufig nicht, warum ein Experiment so und nicht anders ausfällt.

Diese Lücken und Mängel sind deshalb von Bedeutung, weil sie der Tatsache zugrunde liegen, dass wir die zentralen Probleme der Naturwissenschaft nur halbwegs gelöst haben, bevor uns anscheinend die Luft ausging. Ich glaube, es ist uns deshalb noch nicht gelungen, die Quantentheorie mit der Gravitation und der Raumzeit zu vereinheitlichen (was wir mit der Quantisierung der Gravitation meinen) oder die Interaktionen zu vereinheitlichen, weil wir mit einer unvollständigen und falschen Quantentheorie gearbeitet haben.

Aber ich vermute, dass die Auswirkungen der Gründung der Naturwissenschaft auf falschen Grundlagen weiter und tiefer reichen. Das Vertrauen auf die Naturwissenschaft als Methode zur Auflösung von Meinungsverschiedenheiten und zur Bestimmung der Wahrheit wird untergraben, wenn ein radikaler Strang von Antirealismus an den Grundlagen der Naturwissenschaft floriert. Wenn diejenigen, die den Maßstab dafür festlegen, was als Erklärung gilt, durch einen virulenten Mystizismus verführt werden, lässt sich die daraus entstehende Verwirrung durch die ganze Kultur hindurch spüren.

Ich hatte das Privileg, einigen aus der zweiten Generation der Gründer der Physik des 20. Jahrhunderts zu begegnen. Einer der widersprüchlichsten war John Archibald Wheeler. Als Kerntheoretiker und Mystiker gab er die Vermächtnisse von Albert Einstein und Niels Bohr an meine Generation anhand der Geschichten weiter, die er uns über seine Freundschaft mit beiden erzählte. Wheeler war ein engagierter kalter Krieger, der an der Wasserstoffbombe arbeitete, auch wenn er den Weg für die Erforschung von Quantenuniversen und schwarzen Löchern bereitete. Außerdem war er ein großer Mentor, der Richard Feynman, Hugh Everett und einige der Pioniere der Quantengravitation zu seinen Schülern zählte. Und er hätte mein eigener Mentor sein können, wenn ich ein besseres Urteilsvermögen gehabt hätte.

Als treuer Schüler von Bohr sprach Wheeler in Rätseln und Paradoxien. Seine Tafel sah anders aus als alles, was mir je begegnet war. Sie hatte keine Gleichungen und nur ein paar elegant geschriebene Aphorismen, von denen jeder in einem Kasten aufgeführt wurde und das Destillat eines Lebens war, das den Grund dafür suchte, warum unsere Welt ein Quantenuniversum ist. Ein typisches Beispiel war »It from bit«. (Ja, lesen Sie es noch einmal – langsam! Wheeler hatte schon früh die gegenwärtige Mode angenommen, die Welt als aus Information bestehend anzusehen, sodass Information fundamentaler ist als das, was sie beschreibt. Das ist eine Form von Antirealismus, die wir später besprechen werden.) Hier ist ein weiteres: »Kein Phänomen ist ein wirkliches Phänomen, bevor es nicht ein beobachtetes Phänomen ist.« Man hatte folgende Art von Gespräch mit Wheeler: Er fragte mich: »Angenommen, wenn Sie sterben und zu Ihrer allerletzten Prüfung vor den heiligen Petrus hintreten, stellt er Ihnen nur eine einzige Frage: ›Warum gibt es Quanten?‹« (Das heißt, warum leben wir in einer Welt, die von der Quantenmechanik beschrieben wird?) »Was werden Sie ihm sagen?«

Ein Großteil meines Lebens habe ich damit verbracht, nach einer befriedigenden Antwort auf diese Frage zu suchen. Während ich diese Seiten schreibe, erinnere ich mich lebhaft an meine ersten Begegnungen mit der Quantenphysik. Als ich mit siebzehn das Gymnasium abgebrochen hatte, durchstöberte ich die Regale der Physikbibliothek an der University of Cincinnati. Dort stieß ich auf ein Buch mit einem Kapitel von Louis de Broglie (wir werden ihm in Kapitel 7 begegnen), der als Erster vorschlug, dass Elektronen sowohl Wellen als auch Teilchen sind. Dieses Kapitel führte seine Theorie der Führungswelle ein, die die erste realistische Formulierung der Quantenmechanik war. Es war auf Französisch geschrieben, eine Sprache, die ich nach zwei Jahren Gymnasialunterricht zwar nur ruckartig las, aber ich erinnere mich gut an meine Begeisterung, als ich das Grundsätzliche verstand. Ich kann immer noch meine Augen schließen und eine Seite aus diesem Buch sehen, die die Gleichung aufführte, welche die Wellenlänge mit dem Impuls verknüpft.

Mein erster wirklicher Kurs in Quantenmechanik fand im nächsten Frühling am Hampshire College statt. Dieser Kurs, den Herbert Bernstein unterrichtete, endete mit einer Darstellung des fundamentalen Theorems von John Bell1, das, kurz gesagt, nachweist, dass die Quantenwelt nicht gut in den Raum passt. Ich erinnere mich lebhaft daran, dass ich in den warmen Nachmittag hinausging, nachdem ich den Beweis des Theorems verstanden hatte, und überwältigt auf den Stufen der College-Bibliothek saß. Ich zog ein Notizbuch heraus und schrieb sofort ein Gedicht an ein Mädchen, in das ich verknallt war. In dem Gedicht sagte ich ihr, dass jedes Mal, wenn wir uns berührten, es Elektronen in unseren Händen gäbe, die von da an miteinander verschränkt sein würden. Ich erinnere mich nicht mehr daran, wer sie war oder wie sie mein Gedicht verstand oder ob ich es ihr überhaupt zeigte. Aber meine Besessenheit von der Durchdringung des Rätsels der nichtlokalen Verschränkung, die an diesem Tag begann, hat mich nie wieder verlassen; mein Drang, der Quantenwelt einen besseren Sinn abzugewinnen, ist ebenfalls in den Jahrzehnten seither nicht schwächer geworden. Auf meinem Berufsweg waren die Rätsel der Quantenphysik das zentrale Mysterium, zu dem ich immer wieder zurückgekehrt bin. Auf diesen Seiten hoffe ich, in Ihnen eine ähnliche Faszination zu erwecken.

Die Geschichte, die ich in diesem Buch erzähle, ist wie ein Schauspiel in drei Akten gestaltet. Teil 1 lehrt die Grundbegriffe der Quantenmechanik, die wir brauchen werden, während wir die Geschichte ihrer Erfindung verfolgen. Das Hauptthema ist hier der Triumph der Antirealisten, unter der Führung von Bohr und Heisenberg, über die Realisten, deren Protagonist Einstein war. Man beachte bitte, dass die Geschichte, die ich hier erzähle, nur eine Skizze ist; die wirkliche Geschichte ist weitaus komplexer. Teil 2 zeichnet die Wiederbelebung realistischer Ansätze der Quantenmechanik nach, die in den 1950er-Jahren begann, und erklärt ihre Stärken und Schwächen. Die Helden sind hier ein amerikanischer Physiker namens David Bohm und der irische Theoretiker, John Bell.

Die Schlussfolgerung von Teil 2 wird sein, dass realistische Ansätze möglich sind und hinreichend gut funktionieren, um die Behauptungen zu untergraben, die Quantenphysik verlange, dass wir alle Antirealisten werden. Doch in meinen Augen hat keiner dieser Ansätze den Klang der Wahrheit. Ich glaube, dass wir Besseres erreichen können; tatsächlich würde ich aus Gründen, die ich erläutern werde, die Behauptung wagen, dass die korrekte Vervollständigung der Quantenmechanik auch das Problem der Quantengravitation lösen sowie uns eine gute kosmologische Theorie an die Hand geben wird. Teil 3 führt die heutigen Bemühungen zur Konstruktion dieser realistischen Theorie von allem ein. Einige davon sind von mir, einige von anderen.

Willkommen in der Quantenwelt. Fühlen Sie sich wie zu Hause, denn es ist Ihre Welt, und es ist unser Glück, dass wir ihre Rätsel lösen dürfen.

Teil 1

Orthodoxie des Unwirklichen

Eins

Die Natur liebt es, sich zu verbergen

Die Wirklichkeit ist das Geschäft der Physik.

– Albert Einstein

Die Quantenmechanik bildet seit neun Jahrzehnten den Kern unseres Naturverständnisses. Sie ist allgegenwärtig, aber auch zutiefst rätselhaft. Nur ein kleiner Teil der modernen Naturwissenschaft würde ohne sie einen Sinn ergeben. Aber die Experten finden es schwer, sich darüber zu einigen, was sie über die Natur behauptet.

Die Quantenmechanik erklärt, warum es Atome gibt und warum Atome stabil sind und charakteristische chemische Eigenschaften haben. Sie erklärt auch, wie Atome sich zu vielfältigen Molekülen verbinden. Infolgedessen ist sie die Grundlage für unser Verständnis der Formen und Interaktionen dieser Moleküle. Ohne Quanten wäre das Leben unverständlich. Vom Verhalten von Wasser bis zur Form von Proteinen und der Genauigkeit und Übertragung von Information durch die DNA und RNA hängt alles in der Biologie von Quanten ab.

Die Quantenmechanik erklärt die Eigenschaften von Materialien, wie beispielsweise, warum Metall elektrischen Strom leitet, während ein anderes Material isolierend wirkt. Sie erklärt das Licht und die Radioaktivität und ist die Grundlage der Kernphysik. Ohne sie würden wir nicht verstehen, warum die Sterne leuchten. Und wir hätten auch nicht die Chips und Laser erfinden können, auf denen ein so großer Teil unserer Technik beruht. Die Quantenmechanik ist die Sprache, die wir verwenden, um das Standardmodell der Elementarteilchenphysik aufzuschreiben, das unser gesamtes Wissen über die Elementarteilchen und die Grundkräfte enthält, durch die sie miteinander interagieren.

Unserer besten Theorie des frühen Universums zufolge entstand die gesamte Materie in Verbindung mit den Mustern, die sich schließlich zu Galaxien zusammenschlossen, aus der Zufälligkeit des Quantenvakuums des leeren Raumes durch die schnelle Ausdehnung des Universums. Ich erwarte vom Leser nicht, dass er genau versteht, was das bedeutet, aber vielleicht rufen die Worte ein Bild hervor. Wenn das stimmt, gäbe es jedenfalls ohne Quantenphysik buchstäblich nichts außer leerer Raumzeit.

Doch trotz all ihrer Erfolge gibt es im Zentrum der Quantenmechanik ein hartnäckiges Rätsel. Die Quantenwelt verhält sich auf eine Weise, die unsere Intuition infrage stellt. Man sagt häufig, dass in der Quantenphysik ein Atom gleichzeitig an zwei Orten sein kann, aber das ist erst der Anfang; die vollständige Geschichte ist weitaus merkwürdiger als dies. Wenn ein Atom hier oder dort sein kann, müssen wir von Zuständen sprechen, in denen es irgendwie gleichzeitig hier und dort ist. Das wird als Superposition bezeichnet.

Wenn Sie ein Neuling in der Quantenwelt sind, fragen Sie sich bestimmt, was es bedeutet, dass ein Atom irgendwie sowohl hier als auch dort ist. Verlieren Sie nicht den Mut, wenn Sie das verwirrend finden. Sie haben ganz und gar das Recht, sich zu fragen, was das bedeutet. Das ist eines der zentralen Rätsel der Quantenmechanik. Im Augenblick genügt es jedoch, wenn Sie dies einfach als ein Rätsel akzeptieren, dem wir den Begriff »Superposition« beilegen. Später werden wir in der Lage sein, es zu enträtseln.

Folgendes ist ein erster Schritt. Wenn wir sagen, dass ein Quantenteilchen in einer »Superposition von hier und dort« ist, bezieht sich das auf die wellenartige Natur der Materie, denn eine Welle ist eine Störung, die ausgebreitet ist, und deshalb kann sie sowohl hier als auch dort sein.

Wir sprechen zwar von Elementarteilchen, aber alles Quantenartige, einschließlich Atome und Moleküle, ist sowohl ein Teilchen als auch eine Welle. Folgendes ist ein Vorgeschmack darauf, was das bedeutet. Wenn wir ein Experiment machen, das die Frage stellt, wo ein Atom ist, wird das Ergebnis sein, dass es sich an einem bestimmten Ort befindet. Aber zwischen den Messungen, wenn wir nicht nach ihm suchen, erweist es sich als unmöglich zu berechnen, wo es sein könnte. Es ist so, als ob die Wahrscheinlichkeit oder Tendenz, das Teilchen zu finden, sich als Welle ausbreitet, wenn wir nicht nachschauen. Aber sobald wir wieder nachschauen, ist es immer an einem bestimmten Ort.

Ein anderes Merkmal, das für die Quantenwelt einzigartig ist, wird als Verschränkung bezeichnet. Wenn zwei Teilchen miteinander interagieren und sich dann voneinander wegbewegen, bleiben sie in dem Sinne miteinander verflochten, dass sie Eigenschaften zu teilen scheinen, die sich nicht in Eigenschaften aufschlüsseln lassen, die jedes Teilchen für sich besitzt.

Wir können unsere Einbildungskraft anspannen, um diese neuen Begriffe auf Atome und Moleküle anzuwenden, die zu klein sind, um direkt sichtbar zu sein. Wir müssen sie auf indirekte Weise untersuchen, und zu diesem Zweck setzen wir große und komplexe Messvorrichtungen ein.

Diese Messgeräte sind Teil der alltäglichen, vertrauten Welt großer Gegenstände. Wir können sicher sein, dass große Alltagsgegenstände keine der merkwürdigen Verhaltensweisen zeigen, die die Quantenmechanik beschreibt. Ein Stuhl ist hier oder dort, aber nie in einer Kombination solcher Zustände. Wenn wir mitten in der Nacht in einem fremden Hotelzimmer aufwachen, mögen wir uns zwar nicht sicher sein, wo der Stuhl ist, aber wir können sicher sein, dass er an einem bestimmten Ort ist. Und nachdem wir mit ihm im Dunkeln zusammengestoßen sind, verschränkt sich unsere Zukunft nicht mit seiner Zukunft.

In der Welt, wie wir sie erfahren, sind Katzen entweder lebendig oder tot, auch wenn sie in eine Kiste gesperrt sind. Wenn wir die Kiste öffnen, entschließt sich die Katze nicht plötzlich aus einer Kombination aus totem und lebendigem Zustand dazu, tot zu sein. Wenn wir sie tot vorfinden, wird sie wahrscheinlich schon eine Weile in diesem Zustand gewesen sein, wie wir augenblicklich riechen werden.

Gewöhnliche Gegenstände teilen anscheinend keine der Quantenmerkwürdigkeiten der Atome, aus denen sie bestehen. Das scheint zwar offensichtlich zu sein, aber es wirft ein Rätsel auf. Die Quantenmechanik ist die Kerntheorie der Natur. Als solche muss sie universal sein. Wenn sie für ein Atom gilt, muss sie für zwei, zehn oder neunzig Atome gelten. Und wir haben ausgezeichnete experimentelle Belege dafür, dass sie das auch tut. Ausgefeilte Experimente, in denen große Moleküle in Zustände der Quantensuperposition gebracht werden, zeigen uns, dass sie genauso quantensonderbar sind wie Elektronen. Um nur eines zu nennen: Sie werden als Wellen gebeugt und zeigen auch Interferenzmuster von Wellen.

Aber dann muss die Quantenmechanik auch für die riesigen Sammlungen von Atomen gelten, aus denen Sie oder ich bestehen oder unsere Katze oder der Stuhl, auf dem sie hockt. Aber das scheint nicht der Fall zu sein. Auch gilt die Quantenmechanik anscheinend nicht für irgendeines der Instrumente und die Maschinen, die wir verwenden, um die Atome abzubilden und ihre Quantensonderbarkeiten zu enthüllen.

Wie kann das sein?

Insbesondere wenn wir eine Eigenschaft eines Atoms messen, verwenden wir große Vorrichtungen. Die Atome mögen sich in Superpositionen von Zuständen befinden und daher zugleich an mehreren Orten sein, aber das Messinstrument gibt immer genau eine der möglichen Antworten auf die Fragen an, die wir stellen. Warum ist das so? Warum gilt die Quantenmechanik nicht für eben die Vorrichtungen, die wir zur Messung von Quantensystemen verwenden?

Das wird als das Messproblem bezeichnet. Seit den 1920er-Jahren ist es umstritten und ungelöst. Die Tatsache, dass wir nach all dieser Zeit keine Einigkeit unter Experten gefunden haben, bedeutet, dass die Natur eine grundlegende Eigenschaft aufweist, die wir erst noch verstehen müssen.

Es gibt also irgendwo einen Übergang zwischen der Quantenwelt, in der ein Atom an mehreren Orten zugleich sein kann, und der gewöhnlichen Welt, in der alles immer an einem bestimmten Ort ist. Wenn ein Molekül, das aus zehn oder neunzig Atomen besteht, von der Quantenmechanik beschrieben werden kann, aber eine Katze nicht, dann gibt es irgendwo zwischen den beiden eine Grenze, die bestimmt, wo die Quantenwelt aufhört. Eine Antwort auf das Messproblem würde uns sagen, wo sich diese Grenze befindet, und den Übergang erklären.

Es gibt Menschen, die sich sicher sind, dass sie die Antwort auf das Messproblem kennen. Wir werden einigen von ihnen und ihren Ideen später begegnen. Wir sollten darauf achten, welchen Preis wir bezahlen müssen, um diesen Quantenirrsinn aus unserem Verständnis der Welt auszumerzen.

Grob gesagt, fallen die Menschen, die sich mit den Rätseln der Quantenmechanik befassen, in zwei Klassen.

Die erste Gruppe nimmt an, dass die Theorie, wie sie in den 1920er-Jahren formuliert wurde, im Wesentlichen richtig ist. Sie glauben, dass das Problem nicht bei der Quantentheorie liegt; stattdessen liegt es daran, wie wir sie verstehen oder über sie sprechen. Diese Strategie zur Linderung der Merkwürdigkeit der Quantenmechanik geht auf einige ihrer Begründer zurück, beginnend mit Niels Bohr.

Niels Bohr war ein dänischer Physiker, der noch in seinen Zwanzigern als Erster die Quantentheorie auf Atome anwandte. Als er älter wurde, wurde er zum faktischen Anführer der Quantenrevolution, zum Teil aufgrund der Attraktivität seiner Ideen und zum Teil, weil er viele der jungen Quantenrevolutionäre ausbildete und ihr Mentor war.

Die zweite Gruppe kam zu dem Schluss, dass die Theorie unvollständig ist. Man kann ihr keinen Sinn abgewinnen, weil sie nicht die ganze Geschichte ist. Sie suchen nach einer Vervollständigung der Theorie, die uns den übrigen Teil der Geschichte erzählen und dadurch die Rätsel der Quantenmechanik lösen wird. Diese Strategie geht auf Albert Einstein zurück.

Mehr als irgendjemand sonst war Einstein verantwortlich für die Einleitung der Quantenrevolution. Er war der Erste, der die duale Natur des Lichts als Teilchen und als Welle formulierte. Mittlerweile ist er zwar bekannter für seine Relativitätstheorie, aber sein Nobelpreis bezog sich auf seine Arbeiten zur Quantentheorie, und er selbst gab zu, dass er viel mehr Zeit für die Quantentheorie aufwandte als für die Relativitätstheorie. Doch auch wenn er die Quantenrevolution einleitete, wurde Einstein nicht zu einem ihrer Anführer, weil sein Realismus verlangte, dass er die Theorie, wie sie in den späten 1920er-Jahren entwickelt war, ablehnte.

Der Sprache zufolge, die im Vorwort eingeführt wurde, sind diejenigen in der ersten Gruppe zum größten Teil Antirealisten oder magische Realisten. Die Realisten befinden sich in der zweiten Gruppe.

Diejenigen, die für die Unvollständigkeit der Quantenmechanik argumentieren, verweisen auf die Tatsache, dass sie in den meisten Fällen nur statistische Vorhersagen für die Ergebnisse von Experimenten machen kann. Anstatt zu sagen, was geschehen wird, gibt sie Wahrscheinlichkeiten für mögliche Ereignisse an. In einem Brief an seinen Freund Max Born aus dem Jahr 1926 schrieb Einstein:

Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt.2

Einstein war auch mit Niels Bohr befreundet, und ihre gegensätzlichen Reaktionen auf die Quantenmechanik befeuerten eine leidenschaftliche Auseinandersetzung zwischen ihnen, die mehr als vierzig Jahre bis zu Einsteins Tod anhielt. Sie setzt sich bis zum heutigen Tag zwischen ihren geistigen Nachkommen fort. Einstein war der erste Mensch, der deutlich die Notwendigkeit einer revolutionären neuen Theorie von Atomen und Strahlung formulierte, aber er konnte nicht akzeptieren, dass die Quantenmechanik diese Theorie war. Seine erste Reaktion auf die Quantenmechanik bestand darin zu argumentieren, dass sie inkonsistent sei. Als das scheiterte, argumentierte er stattdessen, dass die Quantenmechanik eine unvollständige Beschreibung der Natur gibt, die einen wesentlichen Teil des Bildes auslässt.

Ich glaube, dass Einstein die Quantenmechanik als endgültige Theorie nicht akzeptieren konnte, weil er äußerst hohe Ansprüche an die Naturwissenschaft stellte. Er wurde von der Hoffnung umgetrieben, über die subjektive Meinung hinauszugehen und einen wahren Spiegel der Natur zu entdecken, der das Wesen der Wirklichkeit in ein paar wenigen zeitlosen mathematischen Gesetzen präsentiert. In seinen Augen zielte die Naturwissenschaft darauf ab, das wahre Wesen der Welt zu erfassen, und dieses Wesen ist unabhängig von uns und kann nichts damit zu tun haben, was wir über sie glauben oder von ihr wissen.

Besonders Einstein musste das Gefühl haben, das Recht zu haben, dies zu verlangen, weil er es bei seinen Entdeckungen der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie erlangt hatte. Nachdem er das Fundament für die Quantenphysik gelegt hatte, strebte er danach, das Wesen der Welt der Atome in einer vollständigen Beschreibung von Atomen, Elektronen und Licht zu erfassen.

Bohr erwiderte, die Atomphysik erfordere eine revolutionäre Korrektur unseres Verständnisses des Wesens der Naturwissenschaft sowie unserer Auffassung der Beziehung zwischen der Wirklichkeit und unserer Erkenntnis derselben. Dies rühre von der Tatsache her, dass wir ein Teil der Welt sind und deshalb mit den Atomen, die wir zu beschreiben versuchen, interagieren müssen.

Bohr behauptete, dass, sobald wir diesen revolutionären Wandel in unser Denken einbezögen, die Vollständigkeit der Quantenmechanik unausweichlich wäre, weil sie ein wesentlicher Bestandteil dessen sei, dass wir Teilnehmer der Welt sind, die wir zu beschreiben versuchen. Aus Bohrs Perspektive ist die Quantentheorie vollständig in dem Sinne, dass eine vollständigere Beschreibung der Welt nicht zu haben ist.

Wenn wir diese philosophischen Revolutionen ablehnen und darauf bestehen, eine altmodische, dem gesunden Menschenverstand entsprechende Auffassung der Wirklichkeit und ihrer Beziehung zu unseren Beobachtungen und unserer Erkenntnis aufrechtzuerhalten, müssen wir eine andere Art von Preis zahlen. Wir müssen in Erwägung ziehen, dass wir uns über einen bestimmten Aspekt der Natur täuschen. Wir müssen herausfinden, welche allgemeine Annahme falsch ist, und sie durch eine radikal neue physikalische Hypothese ersetzen, die den Weg zu einer neuen Theorie eröffnet, die die Quantenmechanik vervollständigen wird.

Dank einer Verbindung aus Theorie und Experiment, die mit einem Aufsatz Einsteins und zweier Mitarbeiter im Jahr 1935 begann, kennen wir einen Aspekt dieser Vervollständigung. Die neue Theorie muss die gängige Annahme verletzten, dass Dinge nur mit anderen Dingen interagieren, die sich nahe bei ihnen im Raum befinden.

Diese Annahme wird als Lokalitätsbedingung bezeichnet. Ein großer Teil der Geschichte, die ich in späteren Kapiteln erzählen werde, besteht darin, wie diese Idee des gesunden Menschenverstands in der Theorie, die die Quantenmechanik ersetzen wird, überwunden werden muss.

Dieses Buch hat drei Ziele. Erstens möchte ich Laien erklären, worin genau die Rätsel im Zentrum der Quantenmechanik bestehen. Nach über einem Jahrhundert der Erforschung der Quantenmechanik ist es bemerkenswert, dass es bis zum heutigen Tag keine Einigkeit im Hinblick auf die Lösung dieser Rätsel gibt.

Aber nachdem ich die Gründe für die Auseinandersetzung auf eine Weise erläutert habe, die beiden Seiten gegenüber fair ist, werde ich nicht unparteiisch bleiben. In der großen Debatte darüber, ob die Quantenmechanik das letzte Wort ist oder nicht, halte ich es mit Einstein. Ich glaube, dass es eine Schicht der Wirklichkeit gibt, die tiefer ist als die, die von Bohr beschrieben wurde, und die sich verstehen lässt, ohne altmodische Vorstellungen von Wirklichkeit und unserer Fähigkeit, sie zu verstehen und zu beschreiben, aufs Spiel zu setzen.

Daher besteht mein zweites Ziel darin, einen bestimmten Gesichtspunkt in Bezug auf die Rätsel der Quantenmechanik zu befürworten. Dieser besagt, dass die Probleme nur durch einen Fortschritt der Naturwissenschaft, der eine Welt jenseits der Quantenmechanik aufdecken wird, gelöst werden können. Wo die Quantenmechanik mysteriös und verwirrend ist, wird diese tiefere Theorie völlig verständlich sein.

Ich kann diese Behauptung deshalb aufstellen, weil wir seit der Erfindung der Quantenmechanik wissen, wie die Theorie so präsentiert werden kann, dass die Mysterien verschwinden und die Rätsel aufgelöst werden. Bei diesem Ansatz gibt es keine Infragestellung unserer üblichen Überzeugungen im Hinblick auf eine objektive Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, die von dem, was wir über sie wissen oder mit ihr tun, nicht beeinflusst wird, und über die wir ein vollständiges Wissen haben können. In dieser Wirklichkeit gibt es genau ein Universum, und wenn wir etwas an ihm beobachten, dann deshalb, weil es wahr ist. Dies kann zu Recht als realistischer Ansatz gegenüber der Quantenwelt bezeichnet werden.

Ein antirealistischer Ansatz schreibt die Rätsel der Quantenmechanik bestimmten Feinheiten zu, die damit zu tun haben, wie wir zu Erkenntnissen über die Natur gelangen. Solche Ansätze machen radikale Vorschläge zur Erkenntnistheorie, die derjenige Zweig der Philosophie ist, der sich damit befasst, wie wir Dinge erkennen. Realistische Ansätze nehmen an, dass wir in der Lage sind, früher oder später zu einer wahren Vorstellung der Welt zu gelangen, und sind daher ganz bewusst naiv im Hinblick auf die Erkenntnistheorie. Stattdessen sind Realisten an der Ontologie interessiert, die die Erforschung dessen ist, was existiert. Im Gegensatz dazu glauben Antirealisten, dass wir unabhängig von unserer Vorstellung der Erkenntnis, die wir von der Welt haben, nicht wissen können, was wirklich existiert. Und diese Erkenntnis wird nur durch die Interaktion mit der Welt erlangt.

Daher werde ich mich bemühen, den Lesern zu versichern, dass die Quantenmechanik sich völlig innerhalb einer realistischen Perspektive verstehen lässt, in der die Außenwelt als vollkommen unabhängig von uns verstanden werden kann. Es gibt keinen rätselhaften Effekt des Beobachters auf das Beobachtete. Die Wirklichkeit ist da draußen, widerspenstig gegenüber unserem Willen und den Entscheidungen, die wir treffen. Diese Wirklichkeit ist gänzlich verstehbar. Und diese Wirklichkeit besteht aus einer einzigen Welt.

Die Existenz dieser realistischen Ansätze in Bezug auf die Quantenmechanik bedeutet zwar nicht schon an sich, dass die philosophisch extravaganteren Vorschläge falsch sind. Aber sie bedeutet, dass es keinen starken wissenschaftlichen Grund gibt, an sie zu glauben, weil der Realismus in der Naturwissenschaft immer vorzuziehen ist, wenn es sich einrichten lässt.

Warum ist also ein so großer Teil der Diskussionen über die Quantentheorie von den merkwürdigeren Ideen beseelt, denen zufolge die Wirklichkeit von unserer Erkenntnis abhängt, die wir von ihr haben, oder es mehrfache Wirklichkeiten gibt? Das ist ein Problem für Ideengeschichtler. Ein solcher Historiker, Paul Forman, hat die Dominanz von Bohrs und Heisenbergs antirealistischer Philosophie innerhalb der naturwissenschaftlichen Gemeinde in den 1920er- und 1930er-Jahren mit der Umklammerung durch das Chaos und die Irrationalität verknüpft, die von Spengler und anderen im Gefolge des ersten Weltkriegs gepredigt wurden.

Diese Geschichte ist zwar faszinierend, aber es gebührt den Geisteswissenschaftlern, ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ich bin kein Geisteswissenschaftler, sondern Naturwissenschaftler, und das bringt mich zu meinem dritten Ziel, das ich beim Schreiben dieses Buches verfolge.

Bei der Suche nach einer tieferen, aber einfacheren Wirklichkeit hinter der Quantenmechanik habe ich, seit ich als Gymnasiumsabbrecher zum ersten Mal Einstein zu diesem Thema las, auf seiner Seite gestanden. Meine Reise in der Physik begann mit der Lektüre von Einsteins autobiografischen Notizen, in denen er in den letzten Jahren seines Lebens, in den 1950er-Jahren, über die beiden Hauptaufgaben nachdachte, die seiner Ansicht nach in der Physik unvollständig geblieben sind. Diese bestanden darin, der Quantenphysik einen Sinn abzugewinnen und anschließend das neue Verständnis der Quanten mit der Gravitation zu vereinheitlichen, womit er seine allgemeine Relativitätstheorie meinte. Ich erinnere mich, dass ich damals dachte, ich könnte vielleicht zu helfen versuchen. Es war zwar unwahrscheinlich, dass ich Erfolg haben würde, aber vielleicht gab es hier etwas, wonach es sich zu streben lohnte.

Nachdem ich sozusagen meine Mission aus der Lektüre von Einsteins autobiografischen Notizen gewonnen hatte, fand ich jenes Buch von de Broglie, trat in ein gutes College ein, fand großartige Lehrer und hatte mehrmals Glück mit meinen Bewerbungen für das Aufbaustudium und darüber hinaus. Ich habe ein wundervolles Leben, und als Naturwissenschaftler an der Grenze des Wissens hatte ich viele Gelegenheiten, das Ziel anzuvisieren, das darin bestand, Einsteins zwei große Fragen zu lösen.

Bisher zumindest ist es mir noch nicht gelungen. Leider auch sonst niemanden. Gleichzeitig hat es in den letzten Jahrzehnten zumindest Fortschritte beim Verstehen des Problems gegeben. Das ist zwar nicht annähernd so gut wie die Lösung des Problems, aber es ist auch nicht nichts. Wir kennen die Hindernisse, die eine Theorie, die über die Grenzen der Quantenmechanik hinausgeht, überwinden muss, viel besser als Einstein. Und aufgrund dessen wurden einige sehr interessante Vorschläge und Hypothesen unterbreitet, die den Rahmen für die tiefere Theorie bilden könnten, nach der wir suchen.*

* Ein Hinweis an die Experten unter meinen Lesern: Die Grundlagen der Quantentheorie sind gegenwärtig ein sehr lebendiges Thema mit vielen aufregenden Entwicklungen, sowohl in experimenteller als auch in theoretischer Hinsicht. Viele Vorschläge konkurrieren zur Lösung der Rätsel, denen wir hier begegnen werden. Ich möchte den Leser warnen, dass unser Pfad durch diese Grenzregionen schmal sein wird, und es gibt viele aufregende Ideen und Ergebnisse, die ich hier nicht erwähne. Hätte ich versucht, das ganze Gebiet Revue passieren zu lassen oder all die neuesten, äußerst scharfsinnigen Fortschritte aufzunehmen, wäre das Ergebnis ein weniger zugängliches Buch gewesen. Mein erstes Ziel besteht darin, in die Welt der Quantenphänomene einzuführen, und nicht in das gesamte Spektrum konkurrierender Interpretationen dieser Phänomene. Ich entschuldige mich im Voraus bei jenen Experten, die hier nicht ihre bevorzugte Variante der Quantenphysik finden, und möchte sie ermutigen, ihre eigenen Bücher zu schreiben. Ich entschuldige mich auch bei den Historikern. Ich bin kein Geisteswissenschaftler, und die Geschichten, die ich erzähle, sind Schöpfungsmythen, die vom Lehrer an den Schüler weitergereicht wurden und in manchen Fällen ihren Ursprung bei den Gründern selbst haben.

Seit Mitte der 1970er-Jahre habe ich darüber nachgedacht, wie man über die Quantenmechanik hinausgehen könnte, und nie zuvor war ich begeisterter und optimistischer im Hinblick auf die Erfolgsaussichten. Das ist also mein dritter Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe, nämlich einem breiteren Publikum einen Bericht von der Front bei unserer Suche nach der Welt jenseits der Quanten zu geben.

Zwei

Quanten

Wenn wir die Quantenmechanik auf ihr wichtigstes Prinzip reduzieren, erhalten wir Folgendes:

Wir können nur die Hälfte von dem wissen, was wir wissen müssten, wenn wir die Zukunft vollständig kontrollieren oder genau vorhersagen wollten.

Dadurch wird die grundlegende Bestrebung der Physik gesprengt, die darin besteht, in der Lage zu sein, die Zukunft vorherzusagen. Man hoffte, dass diese Macht sich ergeben würde, wenn wir die physikalische Welt nur lückenlos beschreiben könnten. Durch die vollständige Beschreibung der Bewegung jedes Teilchens und der Wirkung jeder Kraft wären wir in der Lage, genau auszurechnen, was in der Zukunft geschehen würde. Bevor die Quantenmechanik in den 1920er-Jahren formuliert wurde, waren wir Physiker zuversichtlich, dass, wenn wir die Gesetze in Erfahrung bringen könnten, die die Elementarteilchen beherrschen, wir in der Lage wären, alles vorherzusagen und zu erklären, was in der Welt geschieht.

Die Hypothese, dass die Zukunft gänzlich durch die Gesetze der Physik bestimmt ist, die auf die gegenwärtige Konstellation der Welt wirken, wird als Determinismus bezeichnet. Das ist eine außergewöhnlich leistungsfähige Vorstellung, deren Einfluss sich auf vielfältigen Gebieten feststellen lässt. Wenn man das Ausmaß einschätzen kann, in dem der Determinismus das Denken im 19. Jahrhundert dominierte, kann man die revolutionäre Auswirkung der Quantenmechanik auf allen Gebieten verstehen, weil die Quantenmechanik den Determinismus ausschließt.

Um diesen Punkt zu unterstreichen, möchte ich aus Tom Stoppards Theaterstück Arkadien zitieren, in dem seine frühreife Heldin, Thomasina, ihrem Lehrer erklärt:

Wenn Sie jedes Atom an seinem Ort und in seinem Bewegungsimpuls anhalten könnten – und wenn Ihr Gehirn alle Vorgänge, die somit in der Schwebe sind, erfassen könnte, und wenn Sie dann auch noch wirklich sehr gut in Algebra wären, dann könnten Sie die Weltformel für alle Ewigkeit schreiben; und obwohl keiner klug genug dafür ist, muß trotzdem diese Formel so existieren, als ob man sie schreiben könnte.3

Eine vollständige Beschreibung der Natur zu einem bestimmten Zeitpunkt wird als Zustand bezeichnet. Wenn wir uns die Welt so vorstellen, dass sie aus herumschwirrenden Elementarteilchen besteht, sagt uns der Zustand, wo sich jedes von ihnen befindet und in welche Richtung es sich dann gerade bewegt.

Die Macht der Physik stammt von ihren Gesetzen, die diktieren, wie sich die Natur in der Zeit verändert. Sie tun dies, indem sie den Zustand der Welt zum jetzigen Zeitpunkt in den Zustand zu jedem beliebigen zukünftigen Zeitpunkt verwandeln. Ein Gesetz der Physik verhält sich in gewissen Hinsichten wie ein Computerprogramm: Es liest Inputs ein und gibt einen Output aus. Der Input ist der Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt; der Output ist der Zustand zu einem zukünftigen Zeitpunkt. *1

Mit der Berechnung geht eine Erklärung dessen einher, wie sich die Welt in der Zeit verändert. Das Gesetz, das auf den gegenwärtigen Zustand wirkt, verursacht die zukünftigen Zustände. Eine erfolgreiche Vorhersage der Zukunft wird als Bestätigung dieser Erklärung angesehen. Die Vorhersage ist insofern deterministisch, als ein genauer Input zu einem genauen Output führt. Das bestätigt die Überzeugung, dass die Information, die in die Beschreibung des Zustands einfloss, tatsächlich eine vollständige Beschreibung der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt ist.

Dieser Begriff eines Gesetzes ist für eine realistische Naturauffassung grundlegend und geht insofern über jede einzelne Theorie hinaus. Die Newton’sche Mechanik und die beiden Relativitätstheorien Einsteins funktionieren alle auf dieselbe Weise. Man wendet das Gesetz auf den Zustand zum Anfangszeitpunkt an, und es verwandelt diesen Zustand in den Zustand zu einem zukünftigen Zeitpunkt. Dieses Schema zur Erklärung der Natur wurde von Newton erfunden, daher bezeichnen wir es als das Newton’sche Paradigma.

Es lohnt sich auch zu erwähnen, dass in fast allen bislang bekannten Fällen die Gesetze reversibel sind. Man kann den Zustand zu einem zukünftigen Zeitpunkt eingeben und das Gesetz rückwärtslaufen lassen, um den Zustand zu einem früheren Zeitpunkt auszugeben. (Die Frage nach der Reversibilität der Zeit und der Grundgesetze ist ein zentrales Anliegen der Kapitel 14 und 15.)

Häufig ist es der Fall, dass die Information, die man braucht, um den Zustand eines physikalischen Systems zu beschreiben, als Paar auftritt. Position und Impuls. *2 Volumen und Druck. Elektrisches und magnetisches Feld. Um die Zukunft vorherzusagen, brauchen wir beides. Die Quantenmechanik sagt, dass wir nur eines von beiden wissen können.