Queer*Welten 01-2020 - Annette Juretzki - E-Book

Queer*Welten 01-2020 E-Book

Annette Juretzki

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Beschreibung

Queer*Welten ist ein halbjährlich erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und Fantasy-Magazin, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kurzgeschichten, Gedichte, Illustrationen und Essaybeiträge zu veröffentlichen, die marginalisierte Erfahrungen und die Geschichten Marginalisierter in einem phantastischen Rahmen sichtbar machen. Außerdem beinhaltet es einen Queertalsbericht mit Rezensionen, Lesetipps, Veranstaltungshinweisen und mehr. In dieser Ausgabe: Nebelflor von Annette Juretzki (Kurzgeschichte) Feuer von Lena Richter (Kurzgeschichte) Die fortgesetzten Abenteuer des Spaceschiffs Plastilon von Jasper Nicolaisen (Ballade) Die Heldenfresserin von Anna Zabini (Kurzgeschichte) Von Orks, Briten und dem Mythos der Kriegerrassen (Teil 1) von James Mendez Hodes (Essay)

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Seitenzahl: 85

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https://queerwelten.de

Ach je Verlag Berlin - AT&Tlantis - Tschurihttps://ach.je

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Nebelfloor

Über Anette Juretzki

Die fortgesetzten Abenteuer des Spaceschiffs Plastilon

Über Jasper Nicolaisen

Feuer

Über Lena Richter

Die HeldenfresserinoderMythos, destruiert

Über Anna Zabini

Von Orks, Briten und dem Mythos der „Kriegerrassen“

Einleitung

Von der Geißel Gottes zur Gelben Gefahr

Wissenschaftlicher Rassismus

Die Entstehung der Arten

Fazit und Links

Über James Mendez Hodes

Queer*Welten – Der Queertalsbericht 02/2020

„Berlin – Rostiges Herz“ von Sarah Stoffers

„Von Rache und Regen (Regentänzer 1)“ von Annette Juretzki

Impressum

Orientierungsmarken

Titel-Seite

Widmung

Copyright-Seite

Text

Cover

Danksagung

Wir bedanken uns für die Unterstützung dieser Ausgabe bei Max!

Vorwort

Was meinen wir mit queer-feministischer Fantasy und Science-Fiction?

Wir möchten mit Queer*Welten eine Plattform schaffen, um queer-feministischen Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten Raum zu geben. Wir, die Herausgeberinnen, möchten mit diesem einführenden Artikel kurz erklären, was ihr in diesem Magazin findet werdet, und was wir mit „queer-feministisch“ meinen. Das Wort „Feminismus“ müssen wir vermutlich nicht erklären – wir möchten, dass in den Geschichten, die wir hier veröffentlichen, Frauen eine Rolle spielen. Dass sie Protagonistinnen sind, ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen, eine Identität haben, die nicht von Männern oder heterosexistischen Weltbildern geprägt ist (oder, wenn doch, von der Rebellion gegen solche erzählen). Unser Magazin bezeichnet sich als queer-feministisch, weil wir gleichzeitig, neben der Geschlechter­ebene, andere Ebenen der Diskriminierung berücksichtigen und Verhältnisse hinterfragen wollen.

„Queer“ steht für das Aufbrechen und Dekonstruieren normativer Gesellschaftsstrukturen, die patriarchal, heterosexistisch und rassistisch geprägt sind. Wir möchten nicht, dass alle unsere Geschichten von weißen hetero cis Frauen handeln, die die Welt retten. Wir möchten stattdessen, dass die Geschichten verschiedene Lebensrealitäten abbilden, auch wenn sie in fernen Welten spielen. Wir möchten, dass darin Enbys, Women of Color und trans Frauen genauso sichtbar sind wie asexuelle cis Frauen oder ältere Frauen mit Behinderung. Unser Feminismus ist intersektional, das heißt, er berücksichtigt die Überschneidungen von mehreren Diskriminierungsebenen. So kann eine Frau neben ihrem Geschlecht auch für ihr Schwarzsein, ihre Homosexualität und/oder ihre Behinderung diskriminiert werden. Diese verschiedenen Ebenen wirken immer zusammen, auch wenn die einzelnen Dimensionen in verschiedenen Kontexten unterschiedlich stark zum Tragen kommen. Dabei möchten wir ganz besonders auch Own Voices berücksichtigen. Dies werden wir nicht immer und nicht in jeder Geschichte schaffen, und wir werden es niemals schaffen, allen Menschen in ihrer unglaublich komplexen Lebensrealität gerecht zu werden. Nicht alle werden sich (immer) in unseren Texten wiederfinden können. Wir sind auf die Einsendungen angewiesen, die wir erhalten, und können nur aus diesem begrenzten Pool auswählen. Wir werden uns bemühen, auch aktiv möglichst viele Texte von Own Voices zu akquirieren, aber uns ist von vornherein bewusst, dass wir auch an unserem eigenen Anspruch scheitern können. Wir möchten, dass ihr wisst: Wir sind keine perfekten (Queer-)Feministinnen. Wir versprechen euch nicht, dass wir die Welt verstanden haben und ihr in unserem Magazin alle Antworten finden werdet, die ihr sucht. Auch wir sind lediglich auf einer Suche und möchten frei nach dem Prinzip des „messy learning“ versuchen, einen Beitrag zu mehr Vielfalt und Sichtbarkeit von Diskriminierten in der Phantastik zu leisten. Wir möchten neue Perspektiven und Sichtweisen bieten, die andere Magazine und Verlage bisher noch nicht abbilden.

Wenn ihr Anregungen habt, wie wir uns weiter verbessern oder unser Magazin inklusiver gestalten könnten, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an [email protected]. Wir freuen uns außerdem immer über Einsendungen, ganz besonders, wenn ihr Own Voices seid!

Queer*Welten sucht:

Kurzgeschichten zwischen 16.000 und 20.000 Zeichen

Im Rampenlicht sollen Themen stehen wie: Marginalisierung, Empowerment, queere Menschen, Menschen mit Behinderung, BIPoC als Protagonist*innen, nicht-heteronormative Gesellschaftskonzepte, Familien und Partnerschaften.

Sex, Gewalt, Horror etc. dürfen thematisiert werden, aber in einem Maß, das ungefähr der FSK16-Freigabe eines Films entspricht. Wir suchen keine rein erotischen Geschichten.

bevorzugt Own-Voices-Autor*innen (Nicht-Männer, Queers, BIPoC, Autor*innen mit Behinderung), aber eine Veröffentlichung in Queer*Welten bedeutet nicht automatisch ein „Outing“ – du wirst nicht genötigt, Details zu dir als Person offenzulegen. Gerne kannst Du bei uns auch unter Pseudonym veröffentlichen.

Wir veröffentlichen alle Textbeiträge und Comics mit einer Inhaltswarnung. Wenn du möchtest, kannst du diese bei Einreichung schon mit angeben.

Kreativität – auch Gedichte, Geschichten in Drehbuchform, Comics (max. eine Seite) oder ganz andere Formen sind uns willkommen!

Wir veröffentlichen pro Ausgabe auch einen nonfiktionalen Text zur Science-Fiction und Fantasy. Auch solche kannst du uns gerne schicken.

Queer*Welten sucht nicht:

Geschichten mit Diffamierungen und Hate-Speech, keine Beleidigungen realer Personen

Geschichten ohne erkennbaren Bezug zu Science-Fiction und Fantasy und den Grundsätzen von Queer*Welten

mehrere Geschichten der*des gleichen Autors*in – bitte reiche immer nur eine Geschichte auf einmal ein und warte dann unsere Antwort ab, bevor du die nächste einreichst! Danke!

Für unseren Queertalsbericht suchen wir außerdem queerphantastische Hin­weise auf

Veranstaltungen

Romane

Kurzgeschichten

Filme

Serien

Workshops

Sachbücher

Blogs

Musik

Rollenspiele

usw.

Einsendungen

Du hast eine Geschichte oder anderen Prosatext, einen Comic oder einen Essay gemäß der genannten Anforderungen verfasst? Hervorragend! Sende sie uns an [email protected] und schreibe eine Zusammenfassung in 1-3 Sätzen in den Text der Mail. Du kannst dich uns in der Mail auch kurz vorstellen und Website oder Social Media verlinken, wenn du möchtest. Texte nehmen wir gerne als DOC(X) oder ODT-Datei an. Bitte sende uns nur im Notfall TXT- oder RTF-Dateien. PDF können wir gar nicht annehmen. Lena, Judith und Kathrin wählen die Geschichten als Herausgeberinnen aus, melden sich bei dir und lektorieren sie, wenn sie dein Einverständnis für eine Veröffentlichung erhalten. Du bekommst natürlich einen Vertrag, wenn wir uns für deine Geschichte entscheiden. Vielleicht brauchen wir etwas länger, um deine Mail zu beantworten. Gib uns etwas Zeit, es ist ein kleines Projekt. Wir wünschen dir viel Spaß beim Schreiben und freuen uns von dir zu hören!

Das Queer*Welten-Team

Nebelfloor

von Annette Juretzki

Inhaltswarnungen

Tod, Blut und Verletzungen, bewaffnete Auseinandersetzung, Leichen, Frauenfeindlichkeit

Wie ein Geist entsteigst du dem Nebel dieses trägen Morgens, der nur Licht statt einer Sonne kennt. Alle sehen zu dir auf. Selbst die Knienden erheben sich, um weniger schutzlos zu sein. Sie weichen zur Seite, als du dich dem Leichnam näherst. Noch immer spricht keiner ein Wort.

Der Mann ist jung gewesen, mit dunklem Haar und breitem Kinn. Die Kleidung besteht aus Filz, wie ihn hier alle tragen, und die großen Hände sind schwielig von der Arbeit. Er hätte jungen Frauen gefallen können, doch das ist nicht, worauf du achtest. Seine Kehle ist zerfetzt und lässt sogar den bleichen Halswirbel hervorscheinen. Aber darüber hinaus ist sein Leib unberührt, keine anderen Wunden zeichnen ihn. „Das war kein Tier“, sprichst du ohne aufzusehen und spürst doch Misstrauen. „Ein Tier springt nicht an die Kehle, ohne zumindest die Brust zu zerkratzen. Gab es mehr Opfer?“ Du stehst auf und siehst die Männer an. Nur die zornigen halten deinem Blick stand. „Was geht dich das an?“, platzt es aus dem Ersten heraus. „Was machst du hier?“, springt ihm ein Zweiter bei und auch ein Dritter findet zu seinem Mut: „Was weiß eine Frau schon von Wunden?“ Du bleibst so ruhig wie der Fels im Sturm; wie du es immer tust, wenn die Männer um dich herum beben und zetern. Es hat keinen Sinn, gegen den Orkan anzuschreien, also wartest du auf die Stille im Auge des Sturms: „Ich bin hier, um euren Geist zu fangen.“ Und dann bricht das Gewitter über dir zusammen.

Sie rufen Hexe, beschuldigen dich – wie üblich – schwarzer Magie und des Mordes an drei jungen Männern. Das reicht dir und du legst behutsam die Hand auf die Axt an deinem Gürtel. Schlagartig zieht der Sturm vorbei und bringt den Winter auf ihre Gesichter. „Drei hat sich der Geist also schon geholt. Wer hat ihn dabei beobachtet?“ Noch nie hat man dir auf diese Frage von selbst eine Antwort geschenkt. Stets musst du sie in den ausweichenden Blicken suchen, die verzogenen Mundwinkel erkennen und auch die rastlosen Finger zu deuten wissen, die Hemdzipfel kneten.

Der unruhigste Mann steht hinter den anderen und selbst im Sturm ist er deinen Blicken ausgewichen. „Wie sah er aus?“, rufst du ihm zu und seine Augenlider senken sich beschämt. Du hast den Richtigen ertappt.

„Sie …“ Die anderen weichen zurück, damit keiner mehr zwischen euch steht. „Es ist eine Frau.“ Länger hält er es im Korridor nicht aus und verlässt gesenkten Hauptes die Menge. Du willst hinterher, doch ein Älterer mit eingefallen Wangen und schütterem Haar stellt sich in deinen Weg. Um seinen Hals liegt eine Kupferkette, die ihn vermutlich zu etwas Besonderem macht. „Wer bist du?“ Seine Stimme trägt mehr Verwunderung als Aggression.

„Ich bin Korja, und ich werde mit dem Geist verschwinden“, sagst du.

Du betrittst die Hütte, ohne zu klopfen, und er beschwert sich nicht. In der Kochnische flackert ein kleines Feuer, das vielleicht einen Topf, aber kaum den Raum wärmen kann. Du setzt dich zu ihm auf den Boden, und ihr starrt gemeinsam in die Flammen.

„Wer ist sie?“

„Sie … war Finna.“

„Gab es einen Mörder?“

„Ja.“

„Wen?“

Er zieht die Knie an, vergräbt das Gesicht in seinen Armen.

„Ihr wisst es nicht?“

Er blickt noch immer nicht auf. „Wir fanden sie vor vier Wochen am Wald­rand. Jemand hatte ihren Kopf so hart gegen einen Baum geschlagen, dass der Schädel gebrochen war.“ „Hatte sie auf jemanden gewartet?“

„Ja.“ Endlich sieht er dich an. Das Feuer lässt die braunen Augen rötlich glühen. „Auf mich.“

„Hast du sie erschlagen?“ Deine Stimme klingt unsicher, als fürchtest du, er gestände. Du streckst den Rücken gerade durch, um dein Zögern zu überspielen.

„Wir wollten heiraten … Viele hatten um ihre Hand angehalten, aber mich erwählte sie.“ Seine Augen beginnen zu glänzen, und du schaust an ihm vorbei, denn er verbirgt es nicht. „Diese Nacht hätte unsere erste sein sollen, aber ich war noch nicht bereit dazu. Also ließ ich eine Lilie an unserem Baum zurück, statt Finna zu treffen. Die Blüte als Unterpfand meiner Liebe. Am nächsten Morgen, als wir unsere Verlobung bekannt geben wollten, fanden wir sie tot.“

Er weint, und du verschränkst unsicher die Arme vor der Brust. Du weißt, wie man Männer besiegt, aber hast nie gelernt, sie zu trösten.