Racing for You - Josy Greifenberg - E-Book

Racing for You E-Book

Josy Greifenberg

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Beschreibung

Er ist der zukünftige Star der Formel 1, sie kennt ihn nur übers Internet – hat ihre Liebe eine Chance?  Nur die Videostreams ihres Schwarms Jaden Jones lenken Emilia von den Problemen in ihrer Familie ab. Dabei weiß die 17-Jährige genau, wie naiv es ist, sich in einen aufstrebenden Formel-1-Fahrer zu verlieben. Als Jaden im Chat auf Emilia aufmerksam wird, steht ihr Leben plötzlich Kopf. Mit jeder Nachricht verstärkt sich das Knistern zwischen den beiden. Doch als sie sich das erste Mal gegenüberstehen, scheinen ihre unterschiedlichen Welten nicht zusammenzupassen. Halten ihre Gefühle dem Druck von Jadens Management und Emilias Familie stand? 

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Seitenzahl: 466

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Racing for You

Die Autorin

Josy Greifenberg wurde 1994 in Berlin geboren. Auch heute lebt sie dort noch gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Katzen. Als Programmiererin arbeitet sie meist mit einer Katze auf dem Schoß aus dem Homeoffice. In ihrer Freizeit liest sie unglaublich gerne Romance und Romantasy, schaut Formel 1 und treibt viel Sport, wobei sie auch regelmäßig neue Sportarten ausprobiert. Der erste Lockdown und die zu der Zeit streamenden Formel-1-Fahrer haben sie zum Schreiben ihres ersten Romans inspiriert.

Das Buch

Er ist der neue Star der Formel 1, sie kennt ihn nur übers Internet – hat ihre Liebe eine Chance? 

Nur die Videostreams ihres Schwarms Jaden Jones lenken Emilia von den Problemen in ihrer Familie ab. Dabei weiß die 17-Jährige genau, wie naiv es ist, sich in einen aufstrebenden Formel-1-Fahrer zu verlieben. Als Jaden im Chat auf Emilia aufmerksam wird, steht ihr Leben plötzlich Kopf. Mit jeder Nachricht verstärkt sich das Knistern zwischen den beiden. Doch als sie sich das erste Mal gegenüberstehen, scheinen ihre unterschiedlichen Welten nicht zusammenzupassen. Halten ihre Gefühle dem Druck von Jadens Management und Emilias Familie stand? 

Josy Greifenberg

Racing for You

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin August 2022© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-687-3

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Emilias Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Melting the Ice

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Emilias Playlist

Motto

For Callum Ilott, George Russell, Charles Leclerc and all drivers of #raceForTheWorld. You’ve rocked the first COVID lockdown!

Emilias Playlist

Brother – Mighty OaksStubborn Love – The LumineersNumb – Linkin ParkShut Up! – Simple PlanWorth It – Fifth Harmony (feat. Kid Ink)You Need to Calm Down – Taylor SwiftApologize– Timbaland (feat. One Republic)Bad Day – Daniel PowterGeile Zeit – JuliHuman – Of Monsters and MenI Still Remember – Bloc PartyT-Shirt Weather – Circa WavesNevermind – LeonidenBreakfast at Tiffany’s – Deep Blue Something

Kapitel 1

Endlich ist es offiziell: Ich werde diese Saison erneut in der Formel 2 starten. Mein Dank geht an meinen Manager Maxim und natürlich an meine Fahrerakademie für euren unermüdlichen Support und dafür, dass ihr stets an mich glaubt!

#racingDriver #formula2 #roadToF1 #fahrerAkademie #announcement #finallyItsOfficial #neuerVertrag

silverstone_lover: Gratuliere!

fansOfJadenJones: WOW, das ist klasse. Du wirst das rocken!

„Bitte, Emi, du musst unbedingt mitkommen“, flehte mich meine beste Freundin Hannah durchs Telefon an. „Ich kenne da doch niemanden.“

„Als ob“, schnaubte ich. „Ich glaube, auf der Party wird niemand sein, den du nicht kennst.“

„Aber ohne dich ist es nicht das Gleiche, Emi. Ich weiß, dass du das durchziehen musst und wie wichtig es dir ist. Aber was ist mit uns? Denk an den armen Josh“, versuchte sie mich trotzdem weiter zu überzeugen.

„Josh kennt mich und wird es verstehen.“

„Ja, schon, aber …“

„Hannah“, seufzte ich schließlich ins Telefon. „Du weißt genau, warum ich nicht mitkomme. Bitte hör auf, mich zu überreden.“ In der aufkommenden Stille schloss ich kurz die Augen. Ich wusste, dass Hannah es nicht böse meinte.

„Sorry, Emi“, entschuldigte sie sich auch gleich. „Es ist nur … ich musste es einfach versuchen. Weißt du, mein Bruder leiht mir vielleicht seine Kamera für heute Abend!“ Dieser Themenwechsel war so typisch für Hannah, dass ich unwillkürlich grinsen musste. Ich war ihr dankbar, dass sie mich nicht weiter drängte.

„Vorhin hat er mir schon ein paar Einstellungen erklärt.“ Seit die neue Staffel von Germany’s Next Topmodel lief, war Hannah ganz begeistert von allem, das sich ums Thema Modeln drehte, und wollte am liebsten alles und jeden fotografieren.

„Hast du das Foto von Selina gesehen? Es ist wirklich unglaublich, warte, ich schicke dir den Link“, beantwortete Hannah ihre ohnehin rhetorische Frage. Sie wusste genau, dass ich die Sendung nicht verfolgte.

Während ich mein Handy in Erwartung von Hannahs Nachricht vom Ohr nahm, sah ich auf einmal das Twitch-Symbol auftauchen. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Gleich würde er live gehen.

„Hm“, machte ich geistesabwesend, während ich überlegte, ob ich Twitch parallel zu einem Anruf auf meinem Telefon starten konnte.

„Du bist mit den Gedanken gar nicht da. Hm ist eine unzureichende Antwort auf die Frage, wo ich spontan ein so tolles Kleid herbekomme“, maulte Hannah.

„Wolltest du nicht das blaue Kleid anziehen?“, fragte ich, bemüht, mich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Aber Hannahs Interesse hatte sich schon wieder einen neuen Fokus gesucht.

„Jetzt sag, was lenkt dich so ab?“, fragte sie neugierig.

Unsicher räusperte ich mich. „Jaden fängt gerade an zu streamen.“

„War ja klar … du und dein Rennfahrer-Crush!“ Ich konnte Hannahs wissendes Grinsen beinahe durchs Telefon sehen.

„Er ist nicht mein …“, versuchte ich alles abzustreiten, doch sie ließ mich gar nicht zu Wort kommen.

„Pah, als ob. Das kannst du vielleicht deiner Oma erzählen, aber nicht mir.“ Schon seit ein paar Wochen zog mich Hannah mit Jaden auf, nur weil ich jeden seiner Streams verfolgte. Dabei war ich einfach nur ein großer Formel-1- beziehungsweise Formel-2-Fan. Die Rennen in der Juniorkategorie waren mindestens genauso spannend, und Jaden erzählte in seinem Stream immer mal wieder von seinem Alltag als Rennfahrer. Das fand ich megainteressant.

„Na los, mach dir schon den Stream an.“ Gnädig ließ Hannah mich gewähren. „Wir sehen uns ja spätestens am Montag!“

„Danke, Hannah“, murmelte ich, ehe ich sie wegdrückte und schnell die Twitch-App auf meinem Handy öffnete. Es dauerte keine zwei Sekunden, da sah ich schon Jadens grüne Augen in die Kamera blitzen. Das Video zeigte ihn in seinem Wohnzimmer, wo er in einem professionellen Rennsimulator saß.

„Guten Morgen zusammen“, begrüßte er gerade seine Follower, während er gut gelaunt mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. Es war kurz nach 13:00 Uhr. Bei ihm also vermutlich kurz nach 12:00 Uhr, denn er lebte in England.

‚Ganz schön später Morgen :p‘, schrieb ich. Ich beobachtete, wie meine Nachricht mit einer kurzen Verzögerung bei ihm im Chat auftauchte und durch die vielen anderen Begrüßungen Stück für Stück oben aus dem Bildschirm geschoben wurde.

„Ach, komm schon, es ist noch nicht mal zwölf“, sagte Jaden und sah auf seine Uhr. „Na gut, oder eben kurz nach zwölf.“ Lachend sah er in die Kamera.

Auch ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er hatte auf meine Nachricht reagiert!

Schnell tippte ich wieder in den Chat. ‚Ich gebe zu, bei mir ist es auch schon eine Stunde später.‘

„Leute, wie es aussieht, haben wir sogar internationale Follower“, sagte er grinsend. Ich liebte den Klang seines sauberen britischen Englischs, das so gar nichts mit der harten Aussprache meiner Englischlehrerin gemeinsam hatte. „Wo kommst du denn her?“

Wow, Jaden unterhielt sich mit mir! Mein Puls schoss in die Höhe, während ich wieder eine Antwort tippte: ‚Aus Deutschland – Berlin.‘

Ich wartete gespannt, ob er erneut auf meine Nachricht reagieren würde, aber er war gerade damit beschäftigt, Einstellungen an seinem Stream zu ändern.

Als ich schon fast nicht mehr damit rechnete, antwortete er doch noch. „Leiä aus Berlin“, sagte er, während er am Mikrofon seines Gaming-Headsets herumspielte. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass Leiä seine englische Aussprache meines Twitch-Nicknames lia_05 war.

„Ich war noch nie in Berlin, aber ich würde gern mal hin. Hast du einen Geheimtipp für uns?“, fragte er weiter.

Ich zögerte kurz. Berlin war meine Heimatstadt – ich besuchte also eher selten die typischen Touristenplätze. ‚Nun, mein Lieblingsplatz ist nicht unbedingt eine Touristenattraktion. Es ist der Flughafensee. Aber wenn du Berlin besuchst, solltest du unbedingt mal auf die Siegessäule.‘

„Was ist ein Flughafensee?“, fragte Jaden verwundert, und ich überprüfte noch mal kurz, ob ich es richtig übersetzt hatte.

‚Na, ein See direkt am Flughafen :p‘, erwiderte ich im Chat.

„Warum sollte jemand einen Flughafen neben einen See bauen?“, wunderte sich Jaden weiter.

‚Ich glaube eher, der See ist beim Bau entstanden^^‘, tippte ich schnell.

Ehe ich michs versah, öffnete Jaden den Browser und suchte auf Google Maps nach dem Berliner Flughafensee. „In der Tat, hier ist ein See neben dem Flughafen.“ Jaden runzelte die Stirn und wandte sich wieder der Kamera zu. „Wusstet ihr das?“, fragte er seine anderen Follower. Sofort wurde der Chat mit verneinenden Aussagen und Reiseberichten in meine Heimatstadt geflutet.

„Ist es nicht laut dort?“ Während Jaden sprach, blickte er direkt in die Kamera. Ich hatte das Gefühl, er würde mir tatsächlich in die Augen sehen. In meinem Bauch begann es zu kribbeln, als mich sein Blick so intensiv traf.

‚Nein, eigentlich nicht. Die Flugzeuge fliegen nicht darüber‘, erklärte ich, doch es ging in den ganzen Kommentaren der anderen unter.

„Leute, hört auf, so viel zu schreiben, wie soll ich da Leiäs Antwort finden.“ Jaden kniff die Augen zusammen und rieb sich über die wenigen Stoppeln an seinem Kinn. Doch natürlich versuchten weiterhin viele Follower, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Unmengen von Kommentaren, bunt markiert durch die verschiedensten Abzeichen, die man bei Twitch erhalten konnte, flogen durch das Chatfenster.

‚Berlin ist voll cool, ich war da mal im Urlaub.‘

‚Jetzt fang endlich an zu spielen!‘

‚Warst du auch schon mal in Stockholm, Jaden?‘

Doch Jaden ließ sich davon nicht beeindrucken. „Sag mal, spreche ich deinen Namen überhaupt richtig aus?“

‚:D‘, antwortete ich. ‚Ich denke, ein Ja wäre definitiv gelogen.^^‘

„Oh nein!“ Anscheinend hatte Jaden meine Antwort unter den vielen Nachrichten ausmachen können. „Wie spricht man ihn denn aus?“

‚Wie soll ich das beschreiben?‘, tippte ich mit nervösen Fingern in den Chat. Ich konnte mich nicht erinnern, dass Jaden so ein Gespräch schon einmal mit einem anderen Follower geführt hatte. ‚Im Deutschen spricht man das I wie euer E aus, und das A wird eher kurz und gerade wie in ‚see ya‘ ausgesprochen.‘

„Oh mein Gott!“ Jaden lachte, nachdem er meine Antwort gefunden hatte. „Liiiia“, sagte er probeweise.

‚Deutlich besser.^^‘

„Jaja, Leute, jetzt hört auf zu drängeln, ich fange ja schon an zu spielen. Aber es ist auch mal ganz nett, mit euch zu plaudern“, verteidigte er sich gegen die vielen Kommentare, die ihn nun aufforderten, endlich loszulegen.

Während Jaden das Rennspiel startete, übte er immer noch die Aussprache von Lia. „Ist das dein richtiger Name?“, fragte er dann.

‚Nein, eigentlich ist es Emilia‘, tippte ich aufgeregt. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass wir gerade ein richtiges Gespräch führten. Ich meine, das hier war Jaden Jones! Ja, für Nicht-Formel-1-Fans hatte sein Name vermutlich wenig Bedeutung, aber ich war, seit ich denken konnte, ein großer Fan. Seitdem die Formel 2 im Fernsehen ausgestrahlt wurde, war ich insbesondere auch an den Rennserien der jüngeren Fahrer, zu denen Jaden gehörte, interessiert. Das lag vermutlich zum einen daran, dass sie mir altersmäßig deutlich näher waren, und zum anderen waren diese Fahrer häufig auf Social Media unterwegs, wodurch ich nicht nur einen Einblick in den Sport, sondern fast in ihr gesamtes Leben bekommen konnte.

„Imeiliiia? Oh Gott, das ist bestimmt komplett falsch.“ Jaden setzte unser Gespräch weiter fort. „Kann einer von euch Deutsch?“, fragte er die anderen Zuschauer. Er googelte nach einer Website, auf der man sich Namen in verschiedenen Sprachen vorsprechen lassen konnte. Nachdem die Computerstimme ihm und damit auch uns anderen mehrfach meinen Namen vorgesprochen hatte, probierte er es noch mal. „Emilia.“

Überrascht hielt ich inne. Feine Gänsehaut überzog meinen Unterarm, verursacht durch den Klang meines Namens aus seinem Mund.

„Das ist ein sehr schöner Name“, sagte er, und ich merkte, wie ich endgültig total ins Schwärmen geriet. Vielleicht musste ich Hannah doch recht geben.

Während Jaden die ersten Runden auf der Rennstrecke zu drehen begann, erlaubte ich mir, ihn mal wieder intensiv zu mustern. Seine tiefe, ruhige Stimme war mir schon öfter aufgefallen. Dadurch klang er sehr erwachsen. Wobei er auch schon einundzwanzig war. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, ständig Witze zu reißen und viel zu lachen. Seine kurzen dunkelblonden Haare, die ihm normalerweise wild vom Kopf abstanden, wurden heute durch die großen Kopfhörer seines Gaming-Headsets gebändigt. Seine Statur war typisch für einen Rennfahrer. Er war sehr schmal gebaut, aber dennoch definiert. Wenn ich an die Bilder von ihm in der typischen hautengen Rennfahrerunterwäsche dachte … Ich merkte, wie meine Wangen schon bei dem Gedanken anfingen zu glühen.

Nach einer Weile startete ich meinen Laptop, um mir den Stream dort auf dem größeren Bildschirm anzusehen. Virtuelle Rennen zu schauen, war nicht annähernd so spannend, wie reale, weil insbesondere die Überholmanöver nicht immer realistisch aussahen. Trotzdem genoss ich es, Jaden zuzuschauen, weil er das Ganze mit seinen witzigen Kommentaren unterhaltsam machte. Aktuell trainierte Jaden sogar für einen virtuellen Grand Prix, der uns Fans die Formel-1-Winterpause verkürzen sollte. Deswegen war er auch ungewohnt konzentriert.

Als sich das Rennen langsam der letzten Runde näherte, wurde ich zunehmend nervös. Auf der einen Seite wartete und hoffte ich auf das Ende, weil Jaden dann mit seinen Followern normalerweise ein kleines Minispiel veranstaltete, auf der anderen Seite wünschte ich mir, ihm noch etwas länger zusehen zu können.

Als es schließlich so weit war, spürte ich sofort ein Kribbeln im Bauch. Ob er noch mal meinen Namen sagen würde? Das Minispiel war zugegebenermaßen nicht wirklich anspruchsvoll. Jeder Follower konnte mit einem Kommentar im Chat teilnehmen. Dann rollten Murmeln, die mit je einem Teilnehmernamen beschriftet waren, durch eine virtuelle Bahn. Dabei kommentierte Jaden immer mal wieder das Geschehen auf der Bahn und erwähnte den ein oder anderen Nickname. Als Jaden das Spiel startete, beeilte ich mich, den entsprechenden Befehl in den Chat einzugeben. Nach einigen Sekunden ertönte das Startsignal, und die Murmeln rollten bunt durcheinander über den Bildschirm. Obwohl von den über fünfhundert Zuschauern nur hundertdreiundachtzig mitspielten, war es verdammt unübersichtlich. Ich konnte meine Murmel zwischen all den anderen nicht ausfindig machen. Etwas enttäuscht sah ich zu, wie Jaden sich anschließend von uns verabschiedete.

Egal, dachte ich mir. Der Stream heute war trotzdem etwas ganz Besonderes gewesen.

Nachdem ich meinen Laptop wieder heruntergefahren hatte, beschloss ich, meine Hausaufgaben noch weiter vor mir herzuschieben und mir lieber ein spätes Mittagessen zu kochen. Möglichst unauffällig ging ich an der offenen Wohnzimmertür vorbei, denn ich hatte keine große Lust auf eine Diskussion mit meiner Mutter.

In der Küche sah ich unsere Vorräte durch und stellte fest, dass meine Mutter beim Einkaufen anscheinend ausnahmsweise an mich gedacht hatte. Ich fand allerlei frisches Gemüse, Hackfleisch und die Zutaten, um einen Nudelteig zu machen.

Ich stellte mir leise Musik an und begann mit der entspannenden Arbeit. Ich liebte es, in der Küche zu stehen und in Ruhe zu kochen. Während im Hintergrund abwechselnd Songs von Mighty Oaks und The Lumineers liefen, knetete ich den Teig und drehte ihn anschließend durch unsere Nudelmaschine.

Als ich mir gerade die letzten Mehlreste von den Händen klopfte, betrat meine Mutter die Küche.

„Hallo, Emilia, erwartest du Besuch?“, fragte sie mich hoffnungsvoll.

„Nein“, antwortete ich einsilbig. „Du kannst gern was abhaben“, ergänzte ich, damit ich nicht zu unfreundlich klang.

„Danke, nicht nötig, ich bin noch verabredet.“

Daraufhin folgte ein kurzes Schweigen. So ähnlich meine Mutter und ich uns auch sahen, so unterschiedlich waren unsere Persönlichkeiten. Meine undefinierbaren graublauen Augen und die blonden Haare, die ich im Gegensatz zu ihr sehr lang trug, hatte ich eindeutig von ihr geerbt. In meiner Persönlichkeit kam ich mehr nach meinem Vater.

„Was hast du sonst noch vor dieses Wochenende?“, fragte sie in einem Tonfall, der unbeschwert sein sollte, aber in meinen Ohren dennoch gestellt klang.

„Nichts, Mom“, antwortete ich und sparte mir weitere Erklärungen. Sie wusste genau, wo ich dieses Wochenende gern wäre, wenn sie es mir nicht verboten hätte.

„Man kann doch nicht ein ganzes Wochenende nichts machen“, tadelte sie mich sofort wieder. Verschwunden war ihr locker-leichter Tonfall.

„Okay, ich spezifiziere: Ich mache Hausaufgaben und werde wahrscheinlich das neue Buch von Rose Snow lesen.“ Ich rollte mit den Augen. Dieses Gespräch war so was von unnötig. Ich wusste, dass sie hören wollte, dass ich etwas mit Freunden unternahm, und sie sollte eigentlich schlau genug sein, um zu begreifen, warum ich genau das nicht tat. Aber ich hatte nicht vor, ihr das auf die Nase zu binden. Es hätte nur dafür gesorgt, dass sie mich noch mehr nervte.

„Warum unternimmst du nichts? Du könntest ausgehen. Es gibt auch Diskotheken, die schon unter Achtzehnjährige einlassen. Schnapp dir eine Freundin und zieht gemeinsam um die Häuser“, sagte sie und versuchte mich weiter zu überreden.

„Ich habe aber keine Lust, in Discos zu gehen. Freu dich doch darüber. Die meisten Eltern würden sich wünschen, dass ihre Kinder zu Hause bleiben.“ Am liebsten hätte ich das Gespräch an dieser Stelle beendet, aber da ich gerade mitten beim Kochen war, konnte ich nicht einfach die Küche verlassen. Stattdessen drehte ich mich um und checkte noch einmal das Rezept, damit ich keinen Schritt vergaß.

„Es ist unhöflich, mir mitten im Gespräch den Rücken zuzudrehen, Emilia!“ War ja klar, dass ihr das nicht passte.

„Ich dachte auch, wir wären fertig“, erwiderte ich nur.

Daraufhin verließ sie beleidigt die Küche. Ich fragte mich, wie sie mit den Klienten in ihrer psychologischen Praxis umging, wenn sie das bisschen Teenager-Trotz schon so aus dem Konzept brachte. Dabei hielt ich mich eigentlich für eine ziemlich pflegeleichte Tochter. Ich versorgte mich selbst, ich hatte gute Noten in der Schule, trank so gut wie keinen Alkohol. Aber sie hatte mir schon oft genug gezeigt, dass ich nicht ihren Vorstellungen entsprach.

Kapitel 2

Wenn man in der Winterpause so verzweifelt das Fahren vermisst, dass man die kleine Schwester und ihre Horde Freundinnen freiwillig zum Tanzunterricht chauffiert.

#winterseason #zeitMitDerFamilie #kleineSchwester #kreischendeMädchen #missingRacing

Den Sonntag verbrachte ich hauptsächlich am Computer und wartete insgeheim darauf, dass Jaden vielleicht noch mal auf Twitch streamte, aber leider tat er mir den Gefallen nicht.

Am frühen Abend klingelte mein Handy, und mein Vater rief an.

„Hey, Dad!“ Ich lief durch mein Zimmer, um es mir während des Gesprächs auf dem Bett bequem zu machen.

„Hey, Emi-Maus, wie geht’s dir?“

Ich seufzte, denn ich wusste nicht, wie ich ihm darauf antworten sollte, ohne dass unser Gespräch sofort wieder zu unserem einzigen Streitthema führen würde. Dabei wollte ich gern mit ihm telefonieren, ohne zu streiten.

„Alles beim Alten“, antwortete ich diplomatisch. „Wie geht’s euch, was habt ihr am Wochenende gemacht?“

„Daniel kränkelt ein bisschen“, erzählte er. „Er hat es wohl mit dem Schwimmen übertrieben und sich eine Erkältung eingefangen. Aber sonst geht es uns gut. Stella und ich waren gestern Abend auf dem Geburtstag einer Freundin.“

Daniel war der achtzehnjährige Sohn der neuen Frau meines Dads. Vor etwa zwei Jahren hatten sich meine Eltern scheiden lassen, weil Dad Stella kennengelernt hatte. Der Gedanke an die Trennung meiner Eltern tat mir immer noch weh, obwohl mir eigentlich klar war, dass sie nur noch eine Zweckehe geführt hatten. Es war hart gewesen, zu beobachten, wie er alle seine Habseligkeiten in Kisten verstaut und unser gemeinsames Leben hinter sich gelassen hatte. Vollkommen rational und ohne jede Gefühlsregung hatten er und meine Mutter die Formalitäten geklärt, und schließlich waren wir nicht mehr ein und dieselbe Familie gewesen. Gleichzeitig freute ich mich aber auch für meinen Vater, dass er wieder glücklich war. Stella war eine tolle Frau, die, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, sehr gut zu ihm passte.

„Und wie geht es Liz?“, fragte ich möglichst neutral. Meine Schwester war zu Schuljahresbeginn zu unserem Vater nach Hamburg gezogen, während ich in Berlin geblieben war.

„Liz geht es gut. Sie war viel unterwegs und hat heute den halben Tag verschlafen. Du weißt ja, wie sie ist.“

Ja, ich wusste, wie Liz war. Natürlich tat ich das. Ich versuchte den Kloß in meinem Hals, der sich bei dem Gedanken an sie gebildet hatte, herunterzuschlucken. Nicht an Liz zu denken, war nicht leicht, doch es war die einzige Option, die mir geblieben war.

„Was hast du denn dieses Wochenende getrieben?“, fragte mein Dad, um mich vom Thema abzulenken.

„Ich habe Nudeln selbst gemacht und Bolognese dazu gekocht“, erzählte ich ihm stolz, denn mein Vater hatte meine Leidenschaft fürs Kochen geprägt und mir das meiste, was ich darüber wusste, beigebracht.

„Uhh, und ist sie gelungen?“ Es war der erste Moment in unserem Gespräch, in dem er ehrlich interessiert und weder besorgt noch gezwungen klang.

„Ja, es war sehr lecker“, erklärte ich, wusste aber nicht, was ich sonst noch erzählen sollte. Wir schwiegen beide für einen Moment. Es war kaum noch möglich, mich entspannt mit meinem Dad zu unterhalten, weil wir eigentlich immer das eine große Thema umschifften.

„Und hast du was mit Freunden unternommen?“, fragte er, als auch er nicht mehr zu wissen schien, wie wir den Elefanten in der Leitung ignorieren sollten.

„Nein.“

„Warum nicht, Emilia?“ Seine Stimme klang resigniert.

„Das weißt du genau“, antwortete ich nun doch aufbrausend. „Es wäre das Wochenende gewesen, das ich bei euch verbracht hätte, wenn ihr es mir nicht verboten hättet.“

„Emi“, sagte mein Dad mit einem verzweifelten Unterton. „Wir wollen alle nur das Beste für dich.“

„Ich bin siebzehn! Meinst du nicht, ich hätte etwas Mitspracherecht darüber verdient, was das Beste für mich ist?“

Daraufhin schwieg mein Vater, wie so oft, wenn wir diese Diskussion führten. Ich verstand nicht, warum er sich nicht auf meine Seite schlagen konnte. Früher hatte er das auch immer getan.

„Darf ich wenigstens kurz mit Liz sprechen?“, fragte ich hoffnungsvoll.

„Ich weiß nicht, Emi, vielleicht wäre es besser, wenn ihr euch eine Weile nicht hört.“ Jetzt durfte ich nicht einmal mehr mit ihr telefonieren. In diesem Moment verzweifelte auch der letzte Teil von mir, der die Hoffnung noch nicht vollends aufgegeben hatte. Ich drückte meinen Vater ohne ein Wort des Abschieds weg. Tränen rannen mir über die Wangen. Vor lauter Verzweiflung schluchzte ich in mein Kissen. Ich zog mir die Decke über den Kopf, umarmte meine Beine und machte mich so klein wie möglich. Ich wusste einfach nicht, wie ich es ohne Liz aushalten sollte.

Meine Augen waren vom Weinen verklebt, als ich am nächsten Morgen noch vollständig angezogen und viel zu früh aufwachte. Da ich aber definitiv nicht mehr einschlafen konnte, stand ich auf und machte mich für die Schule fertig. Der Vorteil war, dass ich so zumindest meiner Mutter nicht begegnen musste, sondern mich noch, bevor sie aufstand, aus dem Haus schleichen konnte. An diesem Februarmorgen war es noch kalt und dunkel, aber ich beschloss, dass mir ein bisschen Bewegung guttun würde. Ich verdrängte die Erinnerungen an den gestrigen Abend und sperrte sie in die hinterste Schublade meines Kopfes. Ich entschied, nicht in der Kälte auf den Bus zu warten, sondern ging den Weg zur Schule zu Fuß.

Als ich ankam, war ich zwar ziemlich durchgefroren, aber immerhin fühlte ich mich wach und meine roten Wangen konnten meine vom Weinen immer noch verquollenen Augen kaschieren. Das redete ich mir zumindest ein, als ich nach einem kurzen Blick in die sich spiegelnde Eingangstür das Schulgebäude betrat.

„Hey, warum warst du nicht im Bus?“, begrüßte mich Hannah mit gerunzelter Stirn, als ich im Klassenraum ankam. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“ Sofort trat sie auf mich zu und umarmte mich. „Boah, warum bist du denn so kalt?“

„Ich bin zur Schule gelaufen“, entgegnete ich, während ich meine Hände aneinanderrieb.

„Was? Emi, das sind von dir aus bestimmt anderthalb Stunden Fußweg, und das bei der Kälte!“

„Ich war so früh wach“, sagte ich und zuckte mit den Schultern.

Hannah seufzte und sah mich verständnisvoll an. „Kein gutes Wochenende gehabt?“, fragte sie, während sie sich eine Strähne ihrer blonden Locken hinters Ohr strich.

„Lass uns am besten gar nicht erst darüber reden.“ Ich schüttelte nur den Kopf und versuchte, die Schublade in meinen Gedanken geschlossen zu halten. Zum Glück kam in diesem Moment unser Deutschlehrer herein und lenkte Hannah ab.

„Emi, sag mal, hast du bei dieser blöden Gedichtinterpretation irgendwas verstanden?“, fragte sie mit leicht verzweifeltem Unterton. „Ich habe sie gemacht und mir wirklich Mühe gegeben, aber als ich mir die Lösungsvorschläge angeguckt habe, hatten die da völlig andere Interpretationen.“

Wir steckten gerade mitten in der Prüfungsvorbereitung für unser Abitur und sollten fast jedes Wochenende alte Abituraufgaben als Beispiel üben. Dass Hannah Deutsch nicht so lag, war nichts Neues, aber jetzt wuchs natürlich der Druck mit jeder nicht gut gelösten Aufgabe.

„Ich glaube, bei mir war es ganz okay. Wir können gern noch mal zusammen üben, wenn du möchtest“, bot ich an, und Hannah nickte mir dankbar zu. Sprachen fielen mir im Allgemeinen sehr leicht, und Deutsch zählte neben Englisch zu meinen Lieblingsfächern.

Der Schultag schlich so vor sich hin. Es stellte sich heraus, dass meine Gedichtinterpretation tatsächlich recht gelungen war, dafür hatte ich in Mathe mehr Fehler als erhofft.

In der Mittagspause aßen wir gemeinsam mit Josh und Sina in der Mensa zu Mittag. Eigentlich gingen nur die jüngeren Schüler in der Kantine essen, während die Älteren nach der Schule zu Hause aßen oder sich etwas mitbrachten. Montags und donnerstags gingen Sina, Hannah und ich aber direkt im Anschluss an den Unterricht zum Volleyballtraining und fanden es angenehmer, schon etwas Warmes im Magen zu haben. Und Josh war schon immer unser Hahn im Korb gewesen. Seit der siebten Klasse bildeten wir eine Clique und verbrachten unsere Pausen gemeinsam. Deswegen sah er es gar nicht ein, auf uns zu verzichten, wenn er uns stattdessen sogar kombiniert mit einer Portion warmen Essens bekam.

„Und, hast du nach der Party am Samstag bei dir zu Hause schon wieder alles aufgeräumt?“, fragte ich ihn, während wir uns mit unseren vollbeladenen Tabletts an einen freien Vierer-Tisch setzten. Die Aula war schon recht gut gefüllt, und es war nicht gerade leise, aber man konnte sich noch einigermaßen unterhalten.

„Ja, alles wieder sauber“, erklärte er, während er seine Gabel in die Hand nahm. „Sonst hätten mir meine Ellis gestern auch die Ohren langgezogen.“

„Und das wäre zu schade, denn die Ohren sind das Einzige, was nicht lang an dir ist“, stichelte Sina lachend. Josh war wirklich ein ziemlicher Riese, und seine sehr schlanke Gestalt verstärkte den Eindruck noch. Früher hatte Josh das ziemlich belastet, weil er oft als Spargeltarzan bezeichnet wurde, doch heute stand er zum Glück über solchen Aussagen. Ich war froh, dass er nicht krampfhaft ins Fitnessstudio rannte und versuchte, seinen Körper mit Krafttraining zu verändern. Aus meiner Sicht gab es dazu nämlich überhaupt keinen Grund, denn Josh sah gut aus. Er war schlank und durchtrainiert vom vielen Lauftraining, hatte warme braune Augen und kurze, strubbelige braune Haare. Dazu hatte er eigentlich immer ein sympathisches Grinsen auf dem Gesicht.

„Du hast es erfasst“, sagte Josh und wackelte bedeutungsvoll mit seinen Augenbrauen. „Wirklich das Einzige, was nicht lang ist.“

„Boah, Josh!“, rief Hannah und boxte ihm gegen die Schulter. „So genau wollen wir das gar nicht wissen.“

Unschuldig drehte er den Kopf zu ihr. „Sorry, Hannah, bei der Vorlage konnte ich nicht anders“, antwortete er und schob sich ein Stück Kartoffel in den Mund.

„Aber kommen wir mal zu der wichtigsten Frage des Tages“, sagte Hannah und blickte erwartungsvoll von einem zum anderen. „Was machen wir denn am Wochenende?“

„Hannah“, rief ich lachend, während ich noch damit beschäftigt war, meine Kartoffeln mit dem Quark zu einer einheitlichen Pampe zusammenzustampfen. „Es ist gerade mal Montag!“

„Ja, aber man kann nicht früh genug anfangen zu planen. Außerdem bist du nächstes Wochenende wieder mit am Start.“

„Ich weiß nicht …“, setzte ich an, wurde aber sofort unterbrochen.

„Nichts da, Emi“, protestierte Hannah. „Du kannst dich von mir aus jedes zweite Wochenende aus Protest in deinem Zimmer verkriechen. Das verstehe ich sogar. Aber die anderen Wochenenden wirst du etwas mit uns unternehmen. Basta!“

Verlegen sah ich zur Seite. „Okay.“, gab ich etwas kleinlaut nach. Hannah hatte ja recht. Noch mehr Zeit zu Hause würde nur dazu führen, dass ich immer weiter über meine Situation nachdachte.

„Ihr könntet zu meinem Spiel kommen“, schlug Josh mit vollem Mund vor.

„Und euch zwei Stunden in der Kälte dabei zuschauen, wie ihr einen Ball von A nach B schubst?“ Sina blickte skeptisch zu Josh. „Nee, sorry, lass mal. Im Sommer gern wieder, aber nicht, solange wir Minusgrade haben.“

„Es sind nur neunzig Minuten“, betonte Josh, der leicht enttäuscht guckte. „Außerdem komme ich auch immer zu euren Spielen.“

„Ja, aber erstens“, Hannah reckte ihren Zeigefinger in die Höhe, „kommst du da freiwillig mit, und zweitens spielen wir drinnen.“

„Dafür ist es in der Halle stickig“, beschwerte sich Josh.

„Lieber stickig als zu kalt“, sagte Sina.

Während ich den dreien zuhörte, wie sie über die Vor- und Nachteile von Fußball und Volleyball diskutierten – nicht, dass sie diese Diskussion nicht schon zwanzigmal geführt hatten, allein in diesem Jahr –, merkte ich, wie froh ich war, sie zu haben. Einfach ein wenig Zeit mit meinen engsten Freunden zu verbringen, nahm mir etwas von diesem drückenden Gefühl, das in meinem Inneren herrschte.

„Wollen wir diese Woche trotzdem laufen gehen?“, fragte ich Josh. „Oder willst du dich vor dem Spiel lieber schonen?“

„Nein, bloß nicht. Wir gehen auf jeden Fall laufen, wenn du möchtest“, sagte er sofort zu.

„Ihr lenkt ab!“, bemerkte Hannah und wedelte streng mit erhobenem Zeigefinger zwischen uns hin und her. „Wochenendplanung war das Thema!“

„Wie wäre es, wenn wir Samstagabend einen Spieleabend machen?“, schlug ich vor. „Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht.“ Ich dachte an unsere letzte Spielerunde zurück. Wir hatten bis tief in die Nacht Cluedo gezockt und waren im Laufe des Abends immer alberner geworden. Ob Jaden auch Spaß an Brettspielen hatte? Oder ging er lieber feiern? Vermutlich hatte er für beides wenig Zeit, so viel wie er unterwegs war. Was er wohl gerade machte?

„Kochst du für uns?“ Josh riss mich aus meinen Gedanken.

„Ja, aber nur, wenn du mich nicht noch mal mit deinem Hundeblick ansiehst“, antwortete ich lachend. „Und wenn wir uns nicht bei mir treffen müssen.“ Ich hatte keine Lust, meiner Mutter Bescheid zu geben, dass ich Besuch bekam.

„Mein Zimmer ist leider zu klein.“ Sina hob entschuldigend die Schultern. Sie wohnte mit ihren Eltern in einer kleinen Plattenbauwohnung am Rande von Berlin-Tegel.

„Bei mir geht’s auch nicht schon wieder“, erklärte Josh.

„Jaja, ist ja gut. Ich frage meine Eltern schon“, meinte Hannah. „Vielleicht können wir auch in unseren Partykeller, da ist ein großer Tisch, dann müssen wir nicht in meinem Zimmer auf dem Boden hocken.“ Ich lächelte bei dem Gedanken an Hannahs Eltern. Als ob sie uns je einen Abend in ihrem Keller abgeschlagen hätten.

Das schrille Klingeln der Schulglocke unterbrach uns wie immer viel zu früh. Es war kaum möglich, in der kurzen Zeit in einem gesunden Tempo zu essen. Doch nach all den Jahren hatten wir uns daran gewöhnt, und unsere Teller waren bereits leer.

Am Nachmittag joggten wir vom Schulgebäude zur Turnhalle. Da unsere Volleyball-Mannschaft seit dem letzten Jahr nicht mehr so erfolgreich war, was hauptsächlich an fehlenden Spielerinnen lag, hatte man uns die Hallenzeit gekürzt. Dabei hatte man unser Training auch noch so ungünstig gelegt, dass wir jetzt nach unserer letzten Stunde regelrecht zur Halle hetzen mussten. Na ja, immerhin hatten wir so gleich eine erste Erwärmung.

Trotz der kurzen Zeit machte mir das Training mit den Mädels immer Spaß und bot den perfekten Ausgleich zum ständigen Sitzen. Richtig ehrgeizig war ich allerdings noch nie gewesen. Auch wenn ich gern mal ein Spiel gegen eine andere Mannschaft spielte, so war es mir doch ziemlich egal, welchen Platz wir in unserer Liga belegten.

Zurzeit störten mich nur die Basketballer, die nach uns Hallenzeit hatten und schon während unserer letzten Trainingsminuten drängelnd mit blöden Kommentaren am Rand der Halle saßen und sich über uns lustig machten. Nur weil sie aktuell auf Tabellenplatz zwei in ihrer ach so starken Liga waren, brauchten sie sich nicht einzubilden, dass ihr Training wichtiger war als unseres.

Genervt nahm ich die letzten beiden Volleybälle, um sie in das dafür vorgesehene Netz zu bringen. Dafür musste ich direkt zwischen zwei riesigen Typen durchlaufen, die natürlich auch nicht den Anstand besaßen, auch nur einen Millimeter zur Seite zu weichen.

„Darf ich mal bitte?“, fragte ich, während ich bedeutungsvoll in den Lagerraum hinter ihnen schaute. Meine Worte ignorierend, blickte der Typ, der links von mir stand, anzüglich an mir hinunter. Sofort kroch mir Hitze die Wangen hinauf. Beim Volleyball trug ich auch im Winter nur Shorts, weil meine Knieschoner über keine Hose passen wollten. Doch unter den aufdringlichen Blicken der Jungs kam ich mir entblößt vor.

„Bist du nicht ein bisschen klein für diesen Sport?“, fragte er verächtlich. Mit meinen ein Meter zweiundsechzig war ich wirklich nicht sonderlich groß, aber das ging ihn überhaupt nichts an. In dem Moment ertönte der gellende Pfiff des Basketballtrainers und erlöste mich aus dieser unangenehmen Situation. Die Jungs setzten sich schnell in Bewegung, und ich konnte endlich die Bälle wegräumen.

„Was war das denn?“, fragte Hannah, die am Hallenausgang auf mich gewartet hatte.

„Ach, nichts“, winkte ich ab. „Diese Typen bilden sich echt ein, sie wären sonst wer.“

Als ich nach dem Sport zu Hause ankam, stieg ich direkt unter die Dusche. Das prasselnde Wasser half mir, den anstrengenden Tag und die letzte Nacht hinter mir zu lassen. Ich zog mir gerade meine Lieblings-Jogginghose an, als mein Handy mich informierte, dass Jaden jetzt live auf Twitch zu sehen war. Schnell wickelte ich mir ein Handtuch um meine langen Haare, deren blonde Strähnen im nassen Zustand viel dunkler wirkten. In meinem Zimmer angekommen, warf ich mich aufs Bett und nach einem kurzen Tippen auf das Handydisplay sah ich Jadens freches Grinsen auf dem Bildschirm.

„Hallo, alle zusammen, ich hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende“, begrüßte er uns gerade fröhlich auf Englisch. „Meins war ziemlich trainingsintensiv, und damit meine ich ausnahmsweise mal nicht Simulator fahren, sondern Krafttraining. Was tut man nicht alles für diesen Sport?“ Zwar seufzte er bei diesen Worten, aber man sah an seinen funkelnden Augen, dass es ein Witz sein sollte. So wie ich Jaden aus der Ferne einschätzte, war Motorsport das, was er über alles liebte. Um so weit zu kommen, wie er schon gekommen war, musste man sicherlich einiges dafür opfern.

‚Ich komme auch gerade vom Training‘, schrieb ich in den Chat, um mich an der regen Diskussion zu beteiligen, die dort gerade stattfand.

„Sieh an, Lia aus Berlin ist auch wieder mit am Start“, sagte Jaden sofort.

Ich wusste nicht genau, was ich erwartet oder gehofft hatte, aber ich hatte definitiv nicht damit gerechnet, dass er mich heute gleich als Allererstes wieder ansprechen würde.

„Was machst du denn für einen Sport?“, fragte er unbeirrt weiter, als wären wir allein.

‚Volleyball‘, schrieb ich mit zitternden Fingern in den Chat.

Seine grünen Augen zuckten über den Bildschirm, und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn, während er die Kommentare überflog. Nach einem Moment legte sich ein Grinsen auf seine Lippen. „Cool, ich mag Volleyball. Besonders wenn ich am Strand bin, liebe ich es, eine Runde zu beachen“, antwortete er. „Spielst du denn schon lange?“

‚Ja, schon ein paar Jahre. Aber nie richtig professionell. Es ist mehr ein Hobby.‘ Ich tippte so schnell ich konnte.

„Das ist ja auch voll okay, nicht jeder muss so verrückte Ziele haben wie ich.“ Jadens Stimme klang ungewohnt ernst bei diesen Worten. Es war das erste Mal, dass ich so etwas wie Zweifel in seinen Augen aufblitzen sah. Ich fragte mich, woran er gerade dachte und was das Rennfahrerleben für Einschränkungen mit sich brachte. Aber in einem Chat mit über fünfhundert Zuschauern und noch vielen weiteren, die die Wiederholung anschauen würden, konnte ich ihn so etwas Persönliches schlecht fragen.

Daher schrieb ich: ‚Nur weil du einen ungewöhnlichen Weg gewählt hast, ist er nicht verrückt. Für seine Ziele zu kämpfen, ist nie verkehrt.‘

Zwar antwortete er mir nicht auf meine Nachricht, aber ich bildete mir ein, dass ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Obwohl unser Gespräch an dieser Stelle endete, hatte ich die ganze Zeit, während er spielte, ein breites Grinsen im Gesicht.

‚Er hat wieder mit mir gesprochen!‘, teilte ich Hannah auch gleich per Chat mit. Natürlich hatte ich ihr in der Schule schon haarklein von seinem letzten Stream berichtet.

‚Lustig!‘, antwortete sie. ‚Wie heißt er noch mal? Ich will mir mal Fotos von ihm ansehen, damit ich ein Gefühl für deinen Männergeschmack bekomme. :p‘

‚Jaden Jones‘, schrieb ich und schickte gleich noch seinen Instagram-Kanal in den Chat.

‚Süß, definitiv eine Milchschnitte‘, kommentierte Hannah ein paar Minuten später. ‚Für einen McBueno ist er zu blass … aber er kann auch ganz schön verwegen aussehen. :D‘ Hannah schickte ein GIF von Jaden, wie er sich lässig die Haare aus dem Gesicht strich.

‚Er ist ja auch ein Brite. Entweder blass oder krebsrot :D‘, antwortete ich. ‚Aber ist er genehmigt? :p‘

‚Allerdings‘, bestätigte Hannah. ‚Warte, oh nein, er ist keine Milchschnitte, er ist ein Happy Hippo!‘, schrieb sie kurze Zeit später, nachdem sie mir ein Video von Jaden geschickt hatte, in dem er lachend mit seiner kleinen Schwester zu sehen war.

‚Warum bewertest du Männer eigentlich immer nach Kinder-Schokoladenprodukten?‘

‚Weil Kinder-Schokolade toll ist – genauso wie Männer :D‘ Hannahs Antwort ließ mich schmunzeln. ‚Und wie ist das Ranking? Also was magst du am liebsten?‘

‚Ich liebe alle Kinder-Schokoladenprodukte, genauso wie ich ganz unterschiedliche Männer attraktiv finde. Ich könnte mich niemals festlegen. :D‘

Ich wollte Hannah noch antworten, doch da drang Jadens Stimme wieder an mein Ohr.

„Leute, ihr wisst, was das heißt – Zeit für Marbles“, rief er gut gelaunt in die Kamera und klatschte auffordernd in die Hände. Ich beeilte mich, den entsprechenden Kommentar, der eine Kugel mit meinem Nickname auf dem Bildschirm erscheinen ließ, in den Chat zu schicken.

„Lia, du bist ja immer noch dabei“, reagierte er erfreut.

‚Na selbstverständlich‘, kommentierte ich.

„Okay, Leute, auf geht’s! Ihr wisst, der Gewinner bekommt einen VIP-Status in meinem Chat“, wiederholte er die Regeln. Tatsächlich war es das erste Mal, dass ich mir den Status gewünscht hätte. Bisher hatte mich das wenig interessiert, aber so könnte Jaden meine Chatnachrichten zukünftig leichter finden. Doch schon in der ersten Runde hatte ich kein Glück.

„Oh nein, Emilia, du bist gestorben“, kommentierte Jaden bestürzt, als meine Kugel direkt nach dem Start von der Bahn fiel. Auch wenn ich gern gewonnen hätte, so machte die Tatsache, dass Jaden meinen Namen erneut erwähnte und mich wieder Emilia und nicht nur Lia nannte, alles wieder wett. „Emilia“, wiederholte er noch mal leise, als ob er den Klang auf seiner Zunge testete. Mir lief ein wohliges Kribbeln über den Rücken.

In der dritten von fünf Runden des virtuellen Murmelspiels hatte ich tatsächlich etwas mehr Glück und kam sogar aufs Podium mit meiner Kugel.

„Glückwunsch zum Podium, Lia“, kommentierte Jaden fröhlich.

Insgesamt reichte es bei Weitem nicht für den Sieg. Trotzdem schlief ich an diesem Abend seit Langem mal wieder mit einem leichten Lächeln im Gesicht ein.

Kapitel 3

Ich wurde heute tatsächlich auf der Straße angesprochen und nach einem Autogramm gefragt! Abseits der Rennstrecke fühlt sich das noch seltsam an. Aber, Leute, ihr rockt!

#bestFansEver #VIP #formula2 #roadToF1

tomasomoretti: Oh nein, und ich bin nicht im Land, um dich wieder von deinem hohen Ross herunterzuholen …

jaden.jones.official: Pah, du bist doch nur neidisch!

tomasomoretti: Glaubst du etwa, mir wäre das noch nie passiert? Ich sage es mal so: Die Formel-2-Fans wissen, wer ihr wahrer Champion ist ;)

Jaden streamte die ganze Woche nicht mehr. Ich versuchte, nicht zu oft an ihn zu denken, aber so richtig gelang es mir nicht. Erst am Samstag, als ich schon in der Küche stand und das Essen für den Abend mit meinen Freunden vorbereitete, gab mein Handy den vertrauten Ton von sich und teilte mir mit, dass Jaden live auf Twitch war.

Schnell trocknete ich mir die nassen Hände am Geschirrhandtuch ab, setzte mich auf den Hocker am Küchentresen und öffnete den Stream.

„Guten Morgen zusammen“, begrüßte er uns. „Und nicht zu vergessen, guten Mittag nach Berlin.“ Ich sah auf die Uhr. Es war wieder kurz nach dreizehn Uhr. Sofort schlich sich ein Grinsen auf mein Gesicht. Jaden spielte erneut auf meinen Kommentar vom letzten Samstag an.

‚Guten Morgen zurück nach UK‘, tippte ich meine Antwort in den Chat, während ich immer noch vor mich hin lächelte.

„Wisst ihr, ich habe mir etwas überlegt“, erklärte Jaden, während er an seinem Headset herumspielte. „Ihr wisst ziemlich viel von mir, aber ich weiß so gut wie gar nichts über euch. Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt immer mit einer kleinen Fragerunde in den Stream starten?“

Ich war im ersten Moment zu baff, um darauf zu antworten. Wie kam Jaden jetzt auf einmal auf diese Idee?

„Fangen wir mal mit etwas Einfachem an“, sagte Jaden und ignorierte die teils positiven, teils aber auch negativen Nachrichten im Chat. Einige wollten, dass er sich aufs Spielen konzentrierte, andere fanden die Idee super. Die meisten forderten jedoch, dass er ihre Fragen dann auch beantworten musste. „Wie alt seid ihr denn so?“, fragte Jaden.

Ich zögerte einen Moment, ehe ich ‚18‘ in den Chat schrieb. Achtzehn war nur drei Jahre jünger als einundzwanzig, und ich wollte nicht, dass er mich noch für ein Kind hielt. Außerdem wurde ich in wenigen Monaten tatsächlich achtzehn und sehnte diesen Tag inzwischen stark herbei. Dann konnte ich endlich selbst über mein Leben entscheiden.

„Okay, wow, so viele Antworten und dazu noch so bunt gemischt“, sagte Jaden. Der Chat wurde geflutet von Altersangaben, die zwischen dreizehn und dreißig variierten. Ich bezweifelte, dass Jaden mein Alter überhaupt gelesen hatte, so schnell flogen die Kommentare durch den Chat auf seinem Bildschirm.

„Was sind so eure Hobbys, außer euren Samstagmittag damit zu verbringen, einem talentfreien Racer beim Gegen-die-Wand-Fahren zuzusehen?“, fragte er und spielte damit auf seine letzte nicht sonderlich erfolgreiche Session an.

‚Neben Volleyball spielen gehe ich gerne joggen, lese viele Bücher und liebe es zu kochen. Ach so, Formel 1 natürlich nicht zu vergessen – wenn gerade keine Winterpause ist.‘

„Oh Gott, so viele Antworten!“, rief Jaden, als die Kommentare nur so über seinen Bildschirm flogen. „Wartet, so funktioniert das nicht, so schnell kann ich gar nicht lesen.“ Er öffnete Twitch auf seinem Computer und klickte auf seinen eigenen Stream, was für einen lustigen Unendlich-Effekt im Bild sorgte. Dort konnte er die Kommentare nach Belieben durchscrollen, ohne dass immer wieder neue ins Bild flogen.

„Formula_fan_27 baut gerne Möbel in seiner Werkstatt. Ziemlich cool. Joane liest gerne Bücher und strickt. Wie ulkig.“ Er gluckste und scrollte weiter. Da tauchte mein Kommentar auf, und mein Herz begann zu pochen. Würde er ihn auch wieder vorlesen? „silverstone_lover hat geschrieben, dass er surft. Würde ich auch gerne, aber dazu fehlt mir eindeutig das Talent.“ Lachend fuhr er sich durch seine leicht abstehenden Haare und scrollte weiter. Hatte er meinen Kommentar nicht gelesen?

Enttäuschung machte sich in mir breit. Er war am Ende angekommen und richtete seinen Blick wieder auf die Kamera. „Ich mag es auch zu kochen, Lia.“

Oh Mann, er hatte meinen Kommentar doch gelesen. Ich war zu gefangen von seinem Blick, als dass ich reagieren und eine Antwort tippen konnte. Wenn seine grünen Augen so intensiv in die Kamera blickten, vergaß ich oft, dass er mich gar nicht sehen konnte.

„Das war ganz cool für den Anfang“, meinte Jaden schließlich und brach damit meinen Bann. „Ich überlege mir zwei weitere Fragen bis zum nächsten Mal.“ Mit diesen Worten minimierte er die Streaming-App und startete nun wieder sein Spiel.

Ein paar Minuten ließ ich mich von seinem virtuellen Rennen gefangen nehmen, ehe ich das Handy so gegen meine Wasserflasche lehnte, dass ich nebenbei weiter Gemüse schnippeln konnte.

Ich bereitete eine Guacamole vor, einen Zitronen-Kräuterquark und verschiedene Gemüsebeilagen. Heute Abend sollte es Süßkartoffel-Kumpir geben. Kumpir kannte ich aus einem türkischen Laden bei uns in der Nähe: riesengroße Ofenkartoffeln, die mit Käse, Butter und verschiedenen Beilagen gefüllt wurden und einfach himmlisch schmeckten. Jeder Bissen hielt eine neue Überraschung bereit, denn man hatte niemals die gleiche Kombination auf dem Löffel.

Als Jaden sein Spiel beendete, verstaute ich gerade das letzte Gemüse in einer Dose, um es nachher transportieren zu können. Er verabschiedete sich, und ich schloss den Stream.

Später am Nachmittag radelte ich mit den Dosen auf dem Gepäckträger zu Hannah. Sie wohnte mit ihren Eltern in einem Einfamilienhaus nicht weit von uns. Trotz des kalten Wetters hatte ich mich entschieden, mit dem Rad zu fahren. So war ich heute Nacht nicht vom Bus abhängig.

„Emi!“ Hannah riss stürmisch die Tür auf, nur Sekunden nachdem ich geklingelt hatte. Josh war schon da, zog aber gerade erst seine Jacke aus, als ich eintrat. Das erklärte, warum Hannah bereits im Flur gewesen war, als ich geklingelt hatte.

„Hier.“ Ich reichte Hannah den Beutel mit den Beilagen. „Bitte einmal alles in den Kühlschrank stellen.“

„Was gibt es denn?“, fragte Hannah neugierig.

„Ich hatte den Auftrag, die vier größten Süßkartoffeln zu kaufen, die ich im Supermarkt finden konnte“, erklärte Josh an Hannah gewandt und sah mich ebenso erwartungsvoll an.

„Tja, das wird noch nicht verraten“, antwortete ich augenzwinkernd. Nachdem ich mich ebenfalls meiner Jacke entledigt hatte, gingen wir in die offene Küche. Dort angekommen, begrüßte ich Hannahs Eltern. Während wir auf Sina warteten, machte ich mich daran, die Kartoffeln zu waschen und in den Ofen zu legen.

„Und nun?“ Hannah schaute durch die Ofentür.

„Nichts und nun“, sagte ich lachend und scheuchte sie weg vom Ofen. „Jetzt heißt es, Geduld haben. Es dauert noch mindestens eine Stunde, bevor wir essen können.“

Als es endlich so weit war, hatten wir die verschiedenen Beilagen auf einem Tisch im Partykeller aufgebaut, und jeder hatte eine heiße Ofenkartoffel vor sich liegen.

„Das sieht nach sehr seltsamen Kombinationen aus“, befand Hannah, während sie die Erbsen, den Mais und die Guacamole skeptisch begutachtete.

Ich zeigte den anderen, wie sie die Kartoffel aufschneiden sollten, um sie mit Käse und Butter zu zerquetschen. „Und jetzt einfach bunt mischen“, erklärte ich und begann, aus jeder Schüssel einen großzügigen Löffel der Beilagen auf meiner Kartoffel zu verteilen.

„Passt das wirklich alles zusammen?“, fragte auch Sina noch nicht ganz überzeugt.

Ich nickte. „Das tut es, jeder Bissen wird einzigartig sein. Vertraut mir!“, forderte ich sie auf, während ich noch ein paar Kräuter über meine Variation streute.

„Ich vertraue dir.“ Josh sah mir kurz in die Augen und häufte ebenfalls verschiedene Zutaten in und auf seiner Kartoffel an. Nach und nach probierten sich auch die Mädels daran. Spätestens nach zwei Löffeln waren sie überzeugt.

Nach dem Essen versuchten wir uns an einem Exit Game, das Sina letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hatte. Allerdings stellten wir uns beim Rätseln ziemlich lausig an und kamen nur mit einigen Tipps zum Ziel.

Besser waren wir dagegen in dem Spiel Die Legenden von Andor, bei dem wir gemeinsam gegen Monster kämpfen mussten.

Nachdem wir die finale Schlacht gewonnen hatten, streckte Josh sich gähnend. „So, ich müsste langsam mal, sonst kann ich die Partie morgen vergessen und schlafe auf dem Rasen ein.“

„Wann musst du denn da sein?“ Sina nahm mir die Spielfiguren aus der Hand und ließ sie in die Schachtel fallen.

„Um zehn Uhr“, antwortete Josh, während er auf seine Armbanduhr schaute. Es war inzwischen ein Uhr in der Nacht. „Wollen wir ein Stück zusammen fahren?“, fragte er an mich gewandt.

„Gerne.“ Ich lächelte und war froh, mich jetzt nicht allein in die Kälte aufs Fahrrad schwingen zu müssen.

Gemeinsam brachen wir auf und brachten Sina noch zu ihrer Haltestelle. Am Ende radelten Josh und ich nicht nur ein Stück zusammen, sondern er begleitete mich sogar bis nach Hause.

„Danke, dass du den Umweg für mich gemacht hast.“

„Nicht der Rede wert“, erklärte er mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich fröstelte leicht, als ich vor unserem Grundstück vom Rad stieg, was sicher nicht nur an der Temperatur, sondern auch an meiner Müdigkeit lag.

Josh hingegen wirkte nicht so, als wäre er sonderlich erschöpft. Im Gegenteil, er schien ungewöhnlich zappelig, wie er an den Bremsen seines Rads herumspielte und unser Nachbarhaus anstarrte.

Ich runzelte die Stirn. „Alles okay?“

„Ja, ich …“, zögerte er. Dann drehte er mir sein Gesicht zu. „Hättest du vielleicht Lust, nächstes Wochenende mit mir zum zweiten Ligaspiel der Volleyball-Damen zu gehen?“, fragte er hastig.

„Josh …“ Ich schluckte. „Ich kann doch nächstes Wochenende nicht.“ Ich sah die Enttäuschung in seinem Blick. „Aber gerne ein andermal“, versprach ich daher sofort.

Er sah mir in die Augen und lächelte mich traurig an. „Ich hoffe, du erreichst etwas bei deinen Eltern mit dem ganzen Zu-Hause-Gehocke.“

Ich seufzte. „Das hoffe ich auch.“ Dann schritt ich auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Josh beugte sich tief zu mir hinunter, so groß war er, und hielt mich länger fest als üblich.

„Gute Nacht, Emilia“, wünschte er mir leise, ehe er davonfuhr.

Ich blickte ihm hinterher und wunderte mich, wann er mich das letzte Mal bei meinem vollen Namen genannt hatte.

Kapitel 4

Deutsch ist eine schwere Sprache … Meine Twitch-Follower wissen warum :D

#fremdeSprachen #twitch #streaming #F1gaming

theOneAndOnlyJ04ne: Du und diese Lia, was findest du an der?

silverstone_lover: Die neuen Fragerunden sind voll cool! Mach das unbedingt weiter.

Die Sonne stand hell am Himmel und leuchtete in mein Zimmer, als ich die Augen aufschlug. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es schon zehn Uhr morgens war. Wann hatte ich das letzte Mal so lange geschlafen? Gerade als ich mein Handy wieder auf den Nachttisch legen wollte, leuchtete das inzwischen so vertraute Twitch-Symbol auf. Ich wunderte mich etwas, dass Jaden so früh am Morgen streamte, aber ich klickte sofort auf die App und lud sein Video.

„Guten Morgen zusammen!“, begrüßte uns Jaden übertrieben laut und fröhlich am Mikrofon. „Na, wen habe ich geweckt?“ Grinsend fuhr er sich durch seine blonden, wuscheligen Haare und rückte das Headset auf seinem Kopf zurecht.

‚Guten Morgen‘, tippte ich in den Chat und ergänzte ein gähnendes Smiley.

„Na, na, na, Lia, es ist bei dir doch schon eine Stunde später, du solltest dich also am wenigsten beschweren“, antwortete er sofort auf meinen Kommentar.

‚Da schläft man einmal in der Woche aus …‘, schrieb ich zurück. Als ich den Kommentar gesendet hatte, stutzte ich kurz. Da war ein VIP-Zeichen vor meinem Nickname zu sehen. Hatte Jaden mich etwa zu einem VIP in seinem Chat gemacht? Die letzte Runde Marbles hatte ich jedenfalls nicht gewonnen. Dennoch prangte das Zeichen nicht nur vor diesem Kommentar, sondern auch schon vor meinem vorherigen. Auch wenn es mir dort zuerst nicht aufgefallen war.

„Ich habe euch heute wieder zwei Fragen mitgebracht“, sagte Jaden und ließ sich nicht von den bisher tatsächlich ungewöhnlich wenigen Live-Zuschauern stören. „Seid ihr eher Frühaufsteher oder Langschläfer?“

‚Normalerweise eine Frühaufsteherin … nur heute hast du mich auf dem falschen Fuß erwischt :D‘, tippte ich in den Chat.

„Heißt das etwa, dass du noch im Bett liegst?“ Jaden sah bei diesen Worten frech in die Kamera. Zum Glück konnte er mich nicht sehen, denn meine Wangen glühten sofort. Ich verbarg mein Gesicht kurz in meinem Kissen. ‚Erwischt‘, antwortete ich im Chat, was Jaden zu einem herzhaften Lachen verleitete.

„Aber so was auch! Haben wir noch mehr Faulpelze unter uns, die mir noch vor dem Aufstehen beim Arbeiten zuschauen wollen?“, wandte er sich an den Rest seiner Follower. Es kam selten vor, dass er jemandem direkt antwortete, so wie er es bei mir inzwischen regelmäßig tat. Nur zwei weitere Follower nannte er immer wieder beim Namen, doch ich hatte das Gefühl, dass er die im Gegensatz zu mir aus dem echten Leben kannte.

„Okay, kommen wir nun zu meiner zweiten Frage!“, sagte Jaden. Er trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad vor seiner Nase. „Es ist eine echte Glaubensfrage … und zwar: Hunde oder Katzen?“

Ich grinste und schrieb gespannt in den Chat: ‚Katzen, ganz klar und ohne jeden Zweifel.‘

„Hundert Punkte füüüüüür …“ Er trommelte wieder rhythmisch auf sein Lenkrad. „Lia! Das war die einzig richtige Antwort auf diese Frage. Sorry, Leute!“

‚Buuuuh‘, schrieb wohl einer der Hundefans zurück, doch ich grinste, denn damit hatten wir definitiv eine Gemeinsamkeit.

Dann startete Jaden das Spiel und konzentrierte sich mehr oder weniger aufs Rennfahren. Ich blieb noch eine Weile im Bett liegen und schaute ihm zu. Erst gegen Mittag stand ich schließlich auf, um mir ein spätes Frühstück zu machen.

Die nächste Woche verlief ähnlich wie die vorherigen. Doch anstelle der starken Vorfreude, die ich früher vor jedem zweiten Wochenende empfunden hatte, weil ich mich auf die Zeit in Hamburg bei meinem Dad und Liz gefreut hatte, war da nun nur eine dumpfe Leere.

Trotz des indirekten Verbots meines Vaters versuchte ich Liz zweimal anzurufen. Sie ging beide Male nicht ans Telefon. Also schrieb ich ihr, dass ich sie vermisste, und forderte sie auf, sich mal eines von Jadens letzten Videos anzuschauen. Sie entschuldigte sich kurz angebunden dafür, dass sie keine Zeit hatte, und versprach, sich das Video bald anzusehen. Ich versuchte den Schmerz zu ignorieren, der in meiner Brust aufflammte, als ich ihre kurze Nachricht las.

Auf Instagram verfolgte ich Jadens Sporttraining, während er uns auf Twitch weiter mit seinen Fragen löcherte. Der Beginn seines Streams wurde damit zu meinem Highlight, denn seine Fragen waren meistens sehr lustig und bezogen sich oft auf Dinge, die wir über ihn bereits wussten. Wenn er einmal etwas zu einem Thema fragte, was über ihn nicht allgemeinhin bekannt war, beantwortete er die Fragen auch immer selbst. So erfuhr ich zum Beispiel, dass er passabel singen konnte, wenn er wollte, und dass er das Haus niemals ohne seine Kopfhörer verließ.

In der Schule schwärmte Hannah mir von ihrem aktuellen Kinder Pingui – aka Mr Right – vor. Es war einer der Jungs aus Joshs Fußballmannschaft, und Hannah zufolge war er ihr absoluter Traumprinz. Wobei das bei Hannah nicht allzu viel zu sagen hatte, denn ihre Crushs wechselte sie öfter als ihre Haargummis. Glücklicherweise endete das bei ihr selten mit echtem Liebeskummer, dazu war sie zu ungebunden in Liebesangelegenheiten. Im Gegenzug erzählte ich ihr mehrfach von dem lustigen Austausch mit Jaden auf Twitch. Gemeinsam überlegten wir, ob er das mit der Fragerunde meinetwegen angefangen hatte. Es war schon etwas seltsam, dass er so oft mit mir sprach. Hannah blieb dabei, ihn Happy Hippo zu nennen, was dazu führte, dass Josh mir am Donnerstag in der Mittagspause einen echten Happy Hippo schenkte. Uns Mädels brachte das laut zum Lachen, denn da Josh nichts davon wissen sollte, dass Hannah für einen seiner Fußballkumpels schwärmte, hatte sie ihn nicht über die tiefere Bedeutung der Kinder-Schokoladenprodukte in unseren Gesprächen aufgeklärt.