Speed up for You - Josy Greifenberg - E-Book

Speed up for You E-Book

Josy Greifenberg

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Er ist auf dem Weg in die Formel 1, sie auf einer Reise zu sich selbst. Werden sie dabei die Liebe finden?  Abenteuer, Spaß und Action stehen auf Hannahs Bucketlist, als die quirlige Fotografie-Studentin ihre Backpacking-Reise beginnt – verlieben sicher nicht. Als sie dem Profirennfahrer Tomaso begegnet, werden ihre Pläne gehörig durcheinandergewirbelt. Tomaso ist witzig, sexy und bringt die sonst so schlagfertige Hannah mit seinen Flirtversuchen regelmäßig in Verlegenheit. Zum Glück reist sie nach einer gemeinsamen Nacht bald weiter, denn in einem ist sie sich sicher: Eine feste Beziehung kommt für sie nicht infrage. Zwei Menschen, die sich nicht verlieben wollen – zwei Herzen, die sich nichts vorschreiben lassen Blöd nur, dass sie Tomaso einfach nicht vergessen kann. Als sie schließlich von ihm zu einem Rennen nach Monaco eingeladen wird und die beiden sich erneut näherkommen, bleibt Hannah nichts anderes übrig, als sich ihre Gefühle endlich einzugestehen. Doch auch Tomaso hat seine Gründe, warum er lieber Single bleibt ... Lass dich mitnehmen in das rasante Abenteuer von Hannah und Tomaso, deren Liebe im zweiten Teil der heißen Motorsport-Reihe auf dem Spiel steht. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 472

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Speed up for You

Die Autorin

Josy Greifenberg wurde 1994 in Berlin geboren. Auch heute lebt sie dort noch gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Katzen. Als Programmiererin arbeitet sie meist mit einer Katze auf dem Schoß aus dem Homeoffice. In ihrer Freizeit liest sie unglaublich gerne Romance und Romantasy, schaut Formel 1 und treibt viel Sport, wobei sie auch regelmäßig neue Sportarten ausprobiert. Der erste Lockdown und die zu der Zeit streamenden Formel-1-Fahrer haben sie zum Schreiben ihres ersten Romans inspiriert.

Das Buch

Er ist auf dem Weg in die Formel 1, sie auf einer Reise zu sich selbst. Werden sie dabei die Liebe finden? 

Abenteuer, Spaß und Action stehen auf Hannahs Bucketlist, als die quirlige Fotografie-Studentin ihre Backpacking-Reise beginnt – verlieben sicher nicht. Als sie dem Profirennfahrer Tomaso begegnet, werden ihre Pläne gehörig durcheinandergewirbelt. Tomaso ist witzig, sexy und bringt die sonst so schlagfertige Hannah mit seinen Flirtversuchen regelmäßig in Verlegenheit. Zum Glück reist sie nach einer gemeinsamen Nacht bald weiter, denn in einem ist sie sich sicher: Eine feste Beziehung kommt für sie nicht infrage.

Blöd nur, dass sie Tomaso einfach nicht vergessen kann. Als sie schließlich von ihm zu einem Rennen nach Monaco eingeladen wird und die beiden sich erneut näherkommen, bleibt Hannah nichts anderes übrig, als sich ihre Gefühle endlich einzugestehen. Doch auch Tomaso hat seine Gründe, warum er lieber Single bleibt ...

Josy Greifenberg

Speed up for You

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Januar 2023© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-738-2

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.

Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Hannahs Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Racing for You

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Hannahs Playlist

Widmung

Für Flo

Worte können nicht ausdrücken, wie glücklich ich bin, dich an meiner Seite zu wissen.

Hannahs Playlist

T-Shirt Weather – Circa Waves

New Estate – Giant Rooks

Wild Stare – Giant Rooks

Dancing in My Room – Rikas

Tortellini Tuesday – Rikas

Go Rilla – FIL BO RIVA

She Longs for You – Some Sprouts

Knockin’ on Heaven’s Door – Bob Dylan

Good Riddance (Time of your Life) – Green Day

One Rizla – shame

Shake the Disease – Pabst

Ibuprofen – Pabst

They Don’t Care About Us – Matty Carter + Ariel

King of Shadow – Kat Cunning

Happy – Pharrell Williams, Scott Rogers

Kapitel 1

Mein kleiner großer grüner Rucksack

Steht draußen vor der Tür,

Hollari, hollari, hollaro.

#traveldiary #morgenGehtsLos #bestimmtDieHälfteVergessen #reisegepäck #mitDemRucksackOnTour #freiheit

»Bist du dir sicher, dass du das wirklich durchziehen willst?« Mein großer Bruder sah mich mit diesem sorgenvollen Blick an, den er in den letzten Wochen offenbar nur für mich reserviert hatte.

»In weniger als einer Stunde geht mein Flieger. Natürlich bin ich mir sicher!« Ich sah Derek fest in die grünen Augen, die meinen so ähnlich waren. Es war süß, wie sehr er sich um mich sorgte, und ich war ihm wirklich dankbar für alles, was er in den vergangenen Tagen für mich getan hatte. Doch heute war es an der Zeit, mein Abenteuer zu starten.

»Der Nächste bitte«, rief die genervt aussehende Flughafenmitarbeiterin, und ich trat eilig an den frei gewordenen Check-in-Schalter.

»Ich möchte gern für den Flug nach London einchecken«, erklärte ich und reichte der Dame meine Papiere. Mit einem Stirnrunzeln im Gesicht und zusammengepressten Lippen starrte sie mich finster an, als wäre meine Anwesenheit der Grund für ihre schlechte Laune. Dann erst prüfte sie meine Dokumente. Ich fragte mich, was wohl ihre Geschichte war. Wie war sie zu einem Job gekommen, der ihr augenscheinlich keinen Spaß machte? Ich war der festen Überzeugung, dass man jeden Augenblick des Lebens genießen und so wenig Zeit wie möglich mit Dingen verplempern sollte, die einen nicht glücklich machten.

Das knappe Kopfnicken in Richtung des Gepäckbandes deutete ich als Zeichen, meinen grünen Backpacker-Rucksack auf das Band zu wuchten. Bei mir behielt ich nur eine kleine Umhängetasche und Emma, meine Spiegelreflex-Kamera, ohne die ich nirgendwo hinging.

Einen Moment später reichte mir die wortkarge Frau mein Flugticket. Erfreut stellte ich fest, dass ich einen Fensterplatz bekommen hatte. Das war perfekt, um ein paar Fotos von den weißen, fluffigen Wolken zu machen, die heute vereinzelt am Himmel hingen.

Auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle wedelte ich fröhlich mit dem Ticket vor dem Gesicht meines Bruders herum und erzählte ihm von meinem Plan. Vielleicht hatte er noch ein paar Tipps für gute Kamera-Einstellungen, mit deren Hilfe ich die Scheibe vom Fenster ausblenden konnte.

Doch Derek war offenbar nicht nach Reden zumute. Stattdessen zog er ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter.

»Du bist verdammt stur, kleines Schwesterchen«, seufzte er schließlich.

»Um es mit Papas Worten zu sagen: Wer nicht weiß, was er will, wird im Leben nicht viel erreichen.«

»Du weißt selbst, dass er das in diesem Zusammenhang so nicht sagen würde.« Derek lief kopfschüttelnd neben mir her. Ich ahnte, was in ihm vorging. »Der Satz ist trotzdem von ihm«, gab ich zurück. Ich würde mir jetzt nicht durch Gedanken an unsere Eltern die Stimmung verderben lassen, denn wenn es nach ihnen ginge, würde ich diese Reise nicht antreten. »Und ich weiß, was ich will.«

»Es ist okay, Hannah.« Derek unterbrach mich und zog mich in seine starken Arme. »Ich verstehe dich, sonst wäre ich nicht hier.« Wir waren inzwischen nur noch wenige Meter vom Sicherheitsbereich entfernt. Ab hier würde ich meine Reise allein bestreiten.

»Ich wünsche dir ganz viel Spaß. Genieße es und pass auf dich auf, ja?«, murmelte Derek in meine Haare, während er mich fest an seine Brust drückte.

Ich erwiderte seine Umarmung mindestens genauso doll und sog seinen vertrauten Duft in mich auf. Derek roch für mich nach zu Hause. Ein Geruch, den ich in den nächsten Monaten vermissen würde.

»Danke. Für alles«, flüsterte ich, ehe wir uns langsam voneinander lösten. Dann drehte ich mich um und schritt ohne zurückzublicken durch die Zutrittsschranke am Eingang der Sicherheitskontrolle. In der Schlange der Wartenden atmete ich tief durch und zwang mich zu einem Lächeln. Jetzt war keine Zeit für Abschiedsschmerz! Ich zückte mein Handy und öffnete meine Before-21-Bucketlist. Bei»Eine Backpacking-Reise starten« setzte ich einen Haken. Was für ein Gefühl! Ich ließ meinen Blick über die zahlreichen Punkte schweifen, die sich insbesondere auf die kommenden drei Monate bezogen.

☑ Eine Backpacking-Reise starten☐ Gesund und munter von einer Backpacking-Reise zurückkehren☐ Auf einer Welle reiten☐ Freunde überall auf der Welt* finden (*fürs Erste ist Europa auch o. k.)☐ Ein One-Night-Stand mit einem heißen Kerl☐ In einem Hostel mit mindestens sieben fremden Leuten im gleichen Raum schlafen☐ Mich von einer einheimischen Oma bekochen lassen☐ Ein Foto von einem nackten Mann schießen☐ Je ein Panoramabild der wichtigsten Sehenswürdigkeit von vier Hauptstädten Europas aufnehmen☐ Einen Einheimischen entscheiden lassen, was die wichtigste Sehenswürdigkeit ist☐ »Hallo, wie geht’s?« in 10 verschiedenen Sprachen lernen☐ Ein Ausritt durch atemberaubende Landschaft☐ Mit einem Straßenmusiker gemeinsam musizieren

Während ich mir die nächste Zeit ausmalte, wurde das Lächeln auf meinem Gesicht tatsächlich echt. Kribbelnde Vorfreude gesellte sich zu der Aufregung in meiner Magengegend. Diese Reise würde mein persönliches Abenteuer werden. Da blieb schlichtweg keine Zeit zum Trübsalblasen oder Heimweh Haben. Jetzt galt es, das Leben in vollen Zügen zu genießen!

An der Sicherheitskontrolle beobachtete ich interessiert, wie das Innere meiner Tasche durchleuchtet wurde. Ob ich so einen Effekt in Photoshop hinbekommen würde?

Seit etwa einem Jahr studierte ich Fotografie an einer Berliner Universität. Parallel dazu verbrachte ich viel Zeit mit einem Praktikum im nahe gelegenen Filmpark Babelsberg. Von der Kinderbespaßung im Sandmannhaus bis hin zur Arbeit in der Maske von GZSZ war alles dabei. Dort lernte ich jeden Tag beeindruckende Menschen kennen und sammelte unglaublich tolle Erfahrungen. »Nichts als Zeitverschwendung«, hörte ich die Stimme meines Vaters in meinem Kopf. »Und das auch noch für einen Hungerlohn«, ergänzte meine Mutter. Aus ihrer Sicht war Fotograf ein viel zu unsicherer Berufszweig, und sie sähen mich lieber in einem Wirtschaftsstudium. Mit aller Macht schob ich den Gedanken an das ewige Streitgespräch mit meinen Eltern beiseite.

Von diesem angeblichen Hungerlohn würde ich mir nun meine Europareise finanzieren, und es würde großartig werden!

»Entschuldige bitte?«

Kaum saß ich im Wartebereich vor dem Gate, riss mich eine fremde Stimme aus meinen Gedanken. Ich hob den Kopf und sah einen kleinen, durchtrainierten Typen vor mir stehen. Aufgrund seiner muskulösen Arme und der dünnen Beine sortierte ich ihn gleich in die Schublade der typischen Fitnessstudiogänger. Dennoch gefiel mir, was ich sah – spontan bezeichnete ich ihn als Kinder-Schoko-Bons, ein kleiner netter Snack für zwischendurch.

»Sind die noch frei?« Er deutete mit einer Hand auf die beiden Plätze zu meiner Rechten.

»Selbstverständlich«, antwortete ich fröhlich und mit einem frechen Augenzwinkern, das ich erst neulich noch vor dem Spiegel geübt hatte. Ich nahm Emma und meinen kleinen Beutel auf den Schoß und sah mich das erste Mal aufmerksam im Wartebereich um. Inzwischen waren bereits viele Passagiere eingetroffen, und ich schloss daraus, dass mein Flug bald zum Boarding ausgerufen wurde.

Mr. Schoko-Bons ließ sich auf den Sitz neben mir fallen, und ich nutzte die Zeit, um ihn noch etwas genauer zu mustern. Seine kurzen Haare waren mit Gel bombenfest fixiert und etwas hellblonder als meine. Dazu trug er ein weites Achselshirt und kurze Bermuda-Shorts und sah damit so aus, als ob er geradewegs auf dem Weg nach Spanien an den Strand wäre. Ich schätzte ihn auf Mitte zwanzig und damit ein paar Jahre älter als mich.

Ich setzte mich etwas aufrechter hin und drehte meinen Oberkörper leicht in seine Richtung. Flirten war alles eine Sache der Körpersprache. Allerdings ließ ich affektierte Bewegungen, wie übertrieben oft die Haare zurückzustreichen oder künstlich mit den Wimpern zu klimpern, aus. Immer natürlich bleiben, war mein Motto, und es funktionierte erstaunlich oft.

»Was hast du in London vor?«, sprach der Typ mich freundlich an. Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Woher wusste er, wohin ich fliegen wollte? Er schaute verschmitzt und deutete auf die Boardingkarte, die ich ziemlich offensichtlich an die Seite von Emmas Tasche gesteckt hatte.

»Ich besuche meine beste Freundin und ihren Freund«, antwortete ich und bemerkte, wie ich bei dem Gedanken, Emi und Jaden in ungefähr zwei Stunden wiederzusehen, sofort grinsen musste. Meine schüchterne beste Freundin hatte sich tatsächlich in unserem letzten Abi-Jahr einen britischen Formel-1-Fahrer geangelt. Die beiden waren seitdem so gut wie unzertrennlich. Wann immer es möglich war, begleitete Emi Jaden zu seinen Rennen, und in den Semesterferien hatte sie auch schon Praktika im Formel-1-Paddock absolviert. Innerlich verdrehte ich die Augen. Formel-1-Paddock, dass ich Fachbegriffe wie den des VIP-Bereichs der Formel 1 überhaupt kannte … Daran war nur Emi schuld, denn ich konnte dem Sport definitiv nichts abgewinnen.

»Du scheinst dich ja wirklich zu freuen«, unterbrach mein Sitznachbar meine Gedanken.

»Und wie!«

»Wie kommst du denn an eine beste Freundin aus England?« Auch wenn die Frage vielleicht etwas komisch war, freute mich sein Interesse an einem Gespräch mit mir.

»Oh, sie ist gar nicht aus London«, erklärte ich, doch Mr. Schoko-Bons fiel mir ins Wort.

»Lass mich raten, sie macht ihr Austauschjahr dort?« Siegesgewiss sah er mich an. Für wie alt er mich wohl hielt? Ich schüttelte den Kopf und stieg in sein Spiel mit ein. »Nope, daneben. Aber du hast noch zwei Versuche«, gab ich mich großzügig und sah ihm schelmisch direkt in die grauen Augen.

Er wackelte mit den Brauen. »Wenn ich gewinne, bekomme ich deine Handynummer«, erklärte er selbstsicher.

»Von mir aus. Da kommst du sowieso nicht drauf«, erklärte ich gelassen. Ob ich ihm meine Nummer geben würde, hatte ich noch nicht entschieden und würde es auch nicht von einer banalen Wette abhängig machen.

»Na gut … sie ist zum Studium dorthin gegangen?«

Stirnrunzelnd sah ich ihn an, er schien nicht sonderlich kreativ zu sein. »Du denkst zu offensichtlich, so wirst du nie draufkommen.«

Er kniff die Augen zusammen und schien ernsthaft nachzudenken. Wenn er meine Nummer haben wollte, musste er mich jetzt wenigstens zum Lachen bringen.

»Ich hab’s! Sie ist wegen ihres Freundes dorthin gezogen.« Ich schüttelte nur den Kopf. So ein einfallsloser Mensch … Wo blieb denn da der Spaß?

»Was denn dann?«, fragte er frustriert.

»Ihr Freund, Jaden, ist ein Formel-1-Fahrer, und die beiden verbringen die Zeit zwischen den nächsten Rennen bei ihm zu Hause.«

»Formel-1-Fahrer? Oh, man, du willst mir doch nicht erzählen, du kennst Jaden Jones?« Fassungslos sah der Typ mich an. Manchmal vergaß ich, dass es echt Menschen gab, die den Sport guckten.

»Wir kennen uns«, gab ich zu und verschränkte genervt die Arme vor der Brust. Doch so gut der Beginn des Flirts mittels Körpersprache funktioniert hatte, so schlecht ließ sich das Gespräch damit jetzt beenden.

»Wow, noch ein Grund mehr, deine Nummer zu bekommen. Wo sitzt du denn? Vielleicht ist heute mein Glückstag!« Also, wenn das ein Kompliment oder ein Anmachspruch werden sollte, musste der Kerl echt noch mal üben.

»Oder wirst du vielleicht sogar von ihm abgeholt? Kannst du mir ein Autogramm organisieren?« Vollkommen euphorisch plapperte er einfach weiter. Den Blick, den er mir bei diesen Worten zuwarf, konnte man zwar fast als sexy bezeichnen, aber mit dem Gespräch begann er mich inzwischen tierisch zu nerven.

»Nein, er wird mich nicht vom Flughafen abholen«, log ich ihn an und erhob mich. »Entschuldige mich bitte kurz, ich muss mal eben wohin.« Mit diesen Worten stand ich auf und lief zielstrebig zu den Damentoiletten.

Schon auf dem Weg dorthin schüttelte ich das ungute Gefühl, das der Typ bei mir hinterlassen hatte, ab. Nicht jeder Flirt endet mit tollen Gesprächen, aber trotzdem war es immer einen Versuch wert, wie ich fand.

Nachdem ich mich im Waschraum etwas frisch gemacht hatte, betrachtete ich mich selbst im Spiegel. Meine blonden langen Haare hatte ich mir heute zu einem Pferdeschwanz gebunden, der lustig über meine Schultern hüpfte. Seit ich regelmäßig schwimmen ging, war mein ohnehin schon etwas kräftiges Kreuz noch breiter geworden. Ich war zwar schlank, aber für eine Frau muskulös gebaut. Meine grünen Augen fixierten mein Spiegelbild, während ich überlegte, ob ich Emi warnen sollte, dass mich womöglich ein stalkender Fan begleiten würde. Dann schüttelte ich den Kopf und entschied, es bleiben zu lassen. Zum einen war ich mir nicht sicher, ob er mir wirklich folgen würde, und zum anderen wusste ich, dass Jaden kein Problem damit hatte, in der Öffentlichkeit von Fans angesprochen zu werden. Als Formel-1-Fahrer eines Mittelfeldteams war es nicht so, dass er nicht mehr allein auf die Straße gehen konnte.

Auf dem Weg zurück in die Wartehalle hielt ich nach einem neuen Sitzplatz Ausschau. Zum Glück erlöste mich in diesem Moment der Aufruf zum Boarding.

»Also los, Hannah, lass das Backpacking-Abenteuer beginnen«, murmelte ich mir selbst zu, als ich mich in die Schlange der wartenden Passagiere einreihte.

Kapitel 2

Los geht die große Reise!

#traveldiary #day1 #aufInsAbenteuer #backpacking #europatour #berlin #keinTegelMehr #dasErsteMalBER #reiseMeinesLebens #lampenfieber

Die Zeit während des Flugs nutzte ich, um das Abschiedsfoto, das mein Bruder von mir und meinem Rucksack vor dem Flughafengebäude geschossen hatte, zu bearbeiten und als Post für Instagram vorzubereiten. Sobald ich gelandet war, konnte es hochgeladen werden. Ich hatte mein bestehendes Profil in @hannahs_traveldiary umbenannt und wollte so meine Reise für mich und meine Follower festhalten.

Vermutlich war es nicht sonderlich spannend, seine Backpacking-Reise mit dem Besuch der besten Freundin zu beginnen, aber jeder fing einmal klein an, oder? Außerdem hatte ich Emi schon ewig nicht mehr gesehen. Während ihre Zwillingsschwester Liz und ich uns regelmäßig besuchten, war Emi zu unserer kleinen Weltenbummlerin geworden. Sosehr ich sie vermisste, so sehr freute ich mich auch für sie, dass sie ihren Traum lebte, und das zusammen mit ihrer großen Liebe. Für mich käme das nicht infrage.

Aktuell suchte ich nur das ein oder andere Abenteuer, und Verlieben stand ganz bestimmt nicht auf dem Programm. Um eine Familie zu gründen, blieb mir später schließlich noch genug Zeit. Das Leben in meinem Alter war dafür gedacht, sich auszuprobieren, und genau das war auch der Grund, warum ich meine Reise in diesem Sommer angetreten hatte – und zwar allein. Bis auf die erste Woche, die ich mit Emi in Jadens WG verbringen wollte, hatte ich noch nichts weiter geplant. Ich wusste noch nicht einmal, ob ich anschließend weiter in Richtung Schottland wollte oder ob ich eher nach Frankreich aufbrechen würde.

Als der Flieger in London gelandet war, zückte ich wieder mein Handy und schoss für meinen Bruder einen Schnappschuss vom Londoner Flughafen.

›Ich bin sicher gelandet‹, schrieb ich unter das Bild. Auch wenn ich gerade noch keinen Empfang hatte, war ich zufrieden mit mir, weil ich überhaupt daran gedacht hatte.

Als ich das Flugzeug verließ, achtete ich darauf, vor dem nervigen Typen aus dem Wartebereich auszusteigen. Doch er hatte meine kleine Flucht zur Toilette anscheinend richtig gedeutet, denn auch als wir uns an der Gepäckausgabe noch einmal gegenüberstanden, nahm er nicht erneut Kontakt mit mir auf.

Kaum dass ich mir mein großes grünes Ungetüm von einem Rucksack auf den Rücken gewuchtet hatte, marschierte ich schnurstracks auf den Ausgang zu. Gleich würde ich Emi wiedersehen!

Ich trat durch die Schiebetür und sah mich aufgeregt nach ihr um. Es warteten einige Menschen auf ihre Angehörigen, nur Emi und Jaden konnte ich nicht entdecken.

Langsam ließ ich meinen Blick ein zweites Mal über die Menge schweifen. Von meiner besten Freundin keine Spur. Stattdessen entdeckte ich einen dunkelhaarigen jungen Mann, der ein Schild mit dem Namen ›Hannah‹ herumwedelte. So wild, dass die Leute um ihn herum auf Sicherheitsabstand gegangen waren. Meinte er etwa mich? Ich checkte noch einmal mein Handy, und tatsächlich hatte es sich endlich in das neue Netz eingewählt und zeigte mir prompt eine Nachricht von Emi.

›Hannah, es tut mir so leid! Wir schaffen es nicht pünktlich, dich abzuholen, deswegen kommt Tomaso zum Flughafen. Du wirst ihn schon erkennen :D Gute Fahrt euch beiden und bis gleich :* P.S: Ich freue mich riesig auf dich!‹

Dann musste der wild winkende Typ wohl Tomaso sein – Jadens Mitbewohner und bester Freund. Während ich gemächlich auf ihn zuging, musterte ich ihn genauer. Man sah ihm seine italienischen Wurzeln bereits von Weitem an. Er hatte schwarzes Haar, das ihm wuschelig vom Kopf abstand, als wäre er gerade erst aufgestanden. Er war nicht sonderlich groß, aber ich schätzte ihn aus der Ferne trotzdem größer ein als mich Zwerg. Dazu war er sehr drahtig und hatte fein definierte Muskeln.

Inzwischen war ich nur noch wenige Meter von Tomaso entfernt, und er musste längst bemerkt haben, dass ich seine gesuchte Person war. Wie ich Emi kannte, hatte sie ihn sicherlich gebrieft und ihm ein Foto von mir gezeigt. Doch er wedelte immer noch wie verrückt mit seinem Schild herum. Ich grinste ihn an, und er zwinkerte zurück. Ein verschmitzter Ausdruck huschte über sein Gesicht, und ich fragte mich, ob er seine Show mit Absicht durchzog, damit ich peinlich berührt wurde. Was er konnte, konnte ich schon lange. Ich blieb abrupt, in ungefähr fünf Metern Entfernung zu ihm, stehen. Dann hob ich beide Arme und winkte wild. Tomaso lachte, und, wie auch immer das möglich war, verstärkte er sein Wedeln mit dem Schild noch mal. Ich ignorierte die klappernden Geräusche, die mein Rucksack von sich gab, ebenso wie die seltsamen Blicke, die uns einige der umstehenden Leute zuwarfen, und hüpfte weiter wedelnd auf ihn zu.

Als ich schließlich vor dem breit grinsenden Typen stand, prusteten wir beide los. »So, ich hoffe jetzt mal, dass du Tomaso bist, wäre sonst vielleicht unangenehm«, sprach ich ihn schließlich auf Englisch an. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er mich. »Ich heiße Tristan«, erklärte er todernst.

»Ja, klar, und ich Isolde.«

»Oh, Mist. Ich suche aber eine Hannah … Anscheinend war ich noch nicht deutlich genug. Meinst du, ich sollte anfangen zu rufen?« Wieder prustete ich los.

»Du kannst es ja mal versuchen. Ich warte hier so lange darauf, von einem Tomaso abgeholt zu werden.« Ich ließ mich nicht verunsichern.

»Du gefällst mir.« Anerkennend nickte er mir zu und streckte seine Hand aus. »Tomaso Moretti, stets zu Diensten, Ma’am«, erklärte er, während ich einschlug.

»Hannah Ziegler«, stellte auch ich mich vor. »Freut mich, dich endlich mal kennenzulernen. Emi erzählt viel von dir.«

»Emi?« Fragend sah er mich an. Erst vermutete ich einen weiteren Spaß, bis mir wieder einfiel, dass Jaden Emi schon immer Lia nannte, weil sie sich ihm auf Twitch bei ihrem Kennenlernen so vorgestellt hatte und seine Freunde diesen Spitznamen sicherlich übernommen hatten.

»Ach ja, ihr nennt sie ja Lia.«

»Mmh, kann ich sie damit ärgern, wenn ich sie Emi nenne?«, fragte Tomaso hoffnungsvoll.

»Da muss ich dich leider enttäuschen. In Deutschland nennen sie alle ihre Freunde so.«

»Schade … aber na ja, wir haben ja noch die ganze Fahrt, vielleicht erzählst du mir da etwas Nützliches.«

Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn skeptisch an. »Dir ist aber schon klar, dass sie meine beste Freundin ist? Wir halten zusammen wie Pech und Schwefel!«

»Na gut, dann muss ich selbst weitersuchen.« Schulterzuckend wandte Tomaso sich in Richtung Ausgang. »Komm, lass uns fahren.«

Seine lässige Einstellung gefiel mir. Während ich ihm folgte, musterte ich seine Statur noch einmal aus der Nähe. Er war eindeutig ein Kinder Bueno. Seine verstrubbelten tiefschwarzen Haare, der leicht dunkle Teint, die schmale trainierte Figur – einfach zum Anbeißen! Im Gegensatz zu dem Typen vom Flughafen sahen Tomasos Muskeln echt aus und nicht so aufgepumpt – von den definierten Waden, die aus seinen Shorts herausguckten, bis hin zu den Oberarmmuskeln, die halb von seinem T-Shirt verdeckt wurden.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, drehte Tomaso sich im Gehen noch mal zu mir um und zwinkerte mir zu. Und ich? Wurde tatsächlich rot … Verdammt, ich wurde doch sonst nicht rot, wenn ein Kerl mit mir flirtete.

Um meine Verlegenheit zu überspielen, schloss ich die zwei Schritte zu Tomaso auf und fragte ihn das Naheliegendste, was mir in den Sinn kam. »Warum sind Emi und Jaden eigentlich nicht gekommen, um mich abzuholen?«

»Weil die beiden noch wilden Sex hatten.« Wieder sah er mich todernst an und hatte diesen lauernden Ausdruck in den Augen.

Ich schüttelte den Kopf. »Da kennst du Emi aber schlecht.« Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Emi, die Zuverlässigkeit in Person, mich für ein Schäferstündchen mit Jaden hängen lassen würde.

»Oder du Jaden«, konterte Tomaso sofort. »Als ich die beiden daran erinnern wollte, dass sie langsam losmüssen, habe ich sie jedenfalls nackt in Jadens Zimmer vorgefunden. Vielleicht haben sie auch nur Karten gespielt. Wer weiß das schon …« Tomaso hob die Schultern und sah mich mit funkelnden Augen an. Ich wusste, dass er mich testete, und tatsächlich war ich mir inzwischen unsicher, ob ich ihm Glauben schenken sollte oder nicht.

So oder so hatte ich nicht vor, Tomaso meine Unsicherheit zu zeigen. Daher erwiderte ich seinen Blick möglichst ungerührt … und versank beinahe in seinen schokoladenbraunen Augen. Verdammt, Tomaso gefiel mir viel zu gut.

Zum Glück kamen wir in diesem Moment bei seinem Wagen an.

»Schicke Karre«, sagte ich bewundernd, als ich den mattgrauen Sportwagen abcheckte, dessen Scheinwerfer uns fröhlich angeblinkt hatten, nachdem Tomaso sich ihm genähert hatte. Ich fand, dass ein Auto mit seinen Lichtern lächeln konnte, und Tomasos Wagen hatte definitiv süße Gesichtszüge. Doch den Kommentar sparte ich mir lieber, da Männer selten begeistert davon waren, wenn man ihren Wagen verniedlichte.

»Tja, es hat eben seine Vorteile, ein Rennfahrer zu sein – das ist mein Dienstwagen.«

»Bekommen alle Formel-2-Fahrer einen Wagen von ihren Teams gestellt?« Von Emi wusste ich, dass Tomaso immer noch in der Nachwuchskategorie fuhr, während Jaden dieses Jahr seine erste Formel-1-Saison bestritt.

»Nein, das gibt’s nur von den Akademien der Formel-1-Teams, die uns junge Fahrer fördern. Die anderen sind froh, wenn sie mit den Sponsorengeldern genug haben, um die Formel-2-Saison zu bezahlen.« Wie von Zauberhand öffnete Tomaso den Kofferraum und half mir, meinen Rucksack zu verstauen. Als wir im Auto saßen und der Motor leise schnurrte, setzte ich unser Gespräch fort. »Was kostet denn so eine Saison in der Formel 2?«

»So zwei bis drei Millionen.«

Schockiert sah ich Tomaso von der Seite an, doch er bemerkte meinen Blick nicht, weil er den Wagen durch das Gedränge ein- und ausparkender Wagen manövrierte.

»Wer soll denn das bezahlen?«, stieß ich empört aus.

Tomaso zuckte nur mit den Schultern. »Es gibt schon ziemlich viele reiche Leute in unserem Sport. Aber ohne Sponsoren läuft sowieso bei fast niemandem was … Zumindest, wenn man nicht Gabriel heißt.« Den letzten Teil des Satzes murmelte er nur leise vor sich hin. Als ich ihn fragend ansah, winkte er ab. Stattdessen erklärte er: »Schau mal, was alles dazugehört. Wir fahren zwölf Rennen im Jahr, die auf der ganzen Welt verteilt stattfinden. Auch wenn die Autos alle identisch sind, muss jedes einzelne gebaut werden, wir brauchen Mechaniker und Ingenieure, die uns das ganze Jahr betreuen. Dazu noch die Presseleute, die uns begleiten, und von der Logistik habe ich noch gar nicht angefangen.«

Erstaunt sah ich ihn von der Seite an. So hatte ich das Ganze noch gar nicht betrachtet. Vielleicht hätte ich Emi ab und an aufmerksamer zuhören sollen, wenn sie mir von dem Sport vorgeschwärmt hatte.

»Also kannst du dich ziemlich glücklich schätzen, in einem Junior Team zu sein?« fragte ich ihn.

»Ja, vermutlich.« Doch bei seinen Worten verzog Tomaso das Gesicht und sah starr geradeaus auf den Verkehr. Im nächsten Moment lächelte er mich wieder ungezwungen an. »Genug von mir, erzähl du lieber, was für eine spannende Reise du geplant hast.«

Auch wenn mir seine Frage wie ein Ablenkungsmanöver vorkam, akzeptierte ich den Themenwechsel, denn schließlich gingen mich seine Probleme nichts an.

Die restliche Fahrt unterhielten wir uns über meine bevorstehenden Reiseziele, und Tomaso gab mir einige gute Tipps für Orte, die ich unterwegs besuchen sollte. Ein paar davon klangen sogar so einladend, dass ich sie sofort in mein digitales Notizbuch schrieb, in dem auch meine Bucketlist ihren Platz hatte.

»Emi, Emi, Emi«, quietschte ich aufgeregt, als wir wenig später durch die Wohnungstür der Fahrer-WG traten.

»Hannah!«, rief sie zurück, doch ihre Worte gingen unter, als ich mich aufgeregt in ihre Arme warf. Es war schon viel zu lange her, dass wir uns gesehen hatten.

»Es ist sooo schön, dass du hier bist«, murmelte sie. Emi roch so vertraut wie eh und je nach etwas wahnsinnig Leckerem, was sie bestimmt wieder in der Küche gezaubert hatte.

»Du riechst zum Anbeißen«, sagte ich, als wir uns schließlich voneinander gelöst hatten.

Sofort zog Jaden Emi näher zu sich und sah mich empört an. »Das kannst du aber vergessen. An Lia rumknabbern darf nur ich!« Lachend begrüßte ich auch ihn mit einer Umarmung.

»Seit wann kannst du Deutsch?«, fragte ich Jaden verwundert, da ich bei Emis Begrüßung automatisch in meine Muttersprache gewechselt hatte.

»Ich mache einen Kurs und verstehe ein bisschen«, antwortete Jaden schulterzuckend auf Englisch.

»Er spricht auch ein bisschen, traut sich nur nicht«, flüsterte Emi mir verschwörerisch zu, ehe sie sich umwandte. »Komm, ich zeig dir gleich alles.« Emi ergriff meine Hand und führte mich durch den Eingangsbereich. »Hier schläft Tomaso, hier findest du das Gäste-WC …« Im Vorbeigehen deutete Emi auf verschiedene Türen, die von dem geräumigen Flur abgingen. Vor einer offenen Tür blieb sie stehen und deutete hinein. Hier wohnt Jaden und na ja …«

»Und du«, unterbrach Jaden sie und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. Die beiden waren einfach süß zusammen. Wann immer Jaden Emi berührte, entspannte sich ihr ganzer Körper, und ein Leuchten trat auf ihr Gesicht. Ein bisschen beneidete ich die beiden schon, aber ich war auch nicht bereit, meine Freiheit dafür aufzugeben.

Ich betrat das Zimmer und sah mich neugierig um. Der Raum war in anthrazitfarbenen Tönen gehalten, nur das Doppelbett, das an einer Seite stand, stach mit seiner dunkelgrünen Tagesdecke etwas hervor. In einer Ecke des Raumes stand ein Schreibtisch, und überall an den Wänden waren einzelne Regalbretter angebracht, auf denen Pokale und Fotos standen. Den einzigen Farbfleck im Raum bildete ein Regalbrett, vollgestopft mit Büchern, die nur zu Emi gehören konnten. Verwundert stellte ich fest, dass noch zwei schmale Türen von dem Raum abgingen, ehe die riesige Fensterfront meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

»Wow«, sagte ich andächtig und trat näher. Von hier konnte man gefühlt ganz London überblicken. Wir befanden uns im 12. Stock eines Hochhauses, mitten in der Innenstadt. Die Straßen sahen aus, als wären sie Teil eines riesigen Wimmelbilds. Ich hätte stundenlang hier stehen bleiben können. Doch Emi, die sich endlich von Jaden gelöst hatte, zog mich ungeduldig weiter, um mir den Rest der Wohnung zu zeigen.

»Hier wirst du schlafen«, sagte sie schließlich, als wir um die Ecke liefen und vor einem geöffneten Zimmer standen, das ähnlich groß, allerdings fast leer war.

»Ich dachte, ihr habt kein Gästezimmer und ich campiere auf eurem Sofa?«, fragte ich verwundert beim Anblick des zwar möblierten, aber dennoch eindeutig unbewohnten Raumes.

»Jeremy, der dritte Mitbewohner, ist letzte Woche ausgezogen«, erklärte Emi mir. »Daher kannst du hier schlafen.«

»Wo ist er denn hin?« Neugierig sah ich mich in dem Zimmer um. Es war ähnlich aufgebaut wie das von Jaden. Nur gab es hier anstatt der bodentiefen ein halbhohes langes Fenster. Zwar befand sich direkt davor eine gemütliche Lesenische, doch der Raum hatte damit in meinen Augen nicht halb so viel Charme.

»Er ist nicht mehr Mitglied der Akademie, deswegen musste er ausziehen«, erklärte mir Emi leise.

»Mitten in der Saison?« Zwar verstand ich nicht viel von dem Sport, aber das klang selbst in meinen Ohren etwas ungewöhnlich. Als Jaden in diesem Moment ächzend mit meinem Gepäck in der Hand den Raum betrat, schüttelte Emi bloß den Kopf. Das war also ein Thema für später.

»Boah, hast du Steine eingepackt, oder warum ist das so schwer?« Jaden ließ meine Sachen unsanft auf das Bett fallen.

»Ey, pass auf meine Emma auf!«, sagte ich, starrte ihn böse an und kontrollierte, ob meine Kamera die Kollision mit dem Rucksack unbeschadet überstanden hatte.

»Wer ist Emma?«

Da ich die Tasche sowieso geöffnet hatte, holte ich meine Kamera hervor, startete sie mit einem kurzen Fingerdruck und schoss einen Schnappschuss des überrascht dreinblickenden Jaden. »Das ist Emma«, erklärte ich.

In dem Moment betrat auch Tomaso das Zimmer.

»Lia, kommt ihr jetzt endlich in die Küche?«, fragte er und sah meine beste Freundin mit einem perfekten Hundeblick an. Obwohl der Ausdruck nicht mir galt, hätte ich dahinschmelzen können. Emi hingegen warf Tomaso nur finstere Blicke zu. »Pff, ich weiß nicht, ob wir dir überhaupt etwas abgeben sollen.«

Dann wandte sie sich wieder an mich. »Ich habe eine kleine Überraschung für dich.«

»Ist das der Grund, warum es in der gesamten Wohnung so fantastisch riecht?«, fragte ich sie aufgeregt.

Emi lächelte mich wissend an. »Komm mit, ich zeig’s dir.« Sie ergriff meine Hand und zog mich wieder aus dem Zimmer.

Wir durchquerten einen geräumigen Wohnbereich mit einem gigantischen Flatscreen und einer ebenso großen Sofalandschaft davor, ehe wir um die Ecke in einen offenen Küchenbereich traten.

Kurz bestaunte ich die hochwertigen Armaturen, denn auch wenn meine Eltern nicht unbedingt arm waren, wirkte in dieser Wohnung alles noch einmal deutlich teurer als bei uns. Lange hielt meine Bewunderung für die Küchenmöbel allerdings nicht an, denn ich entdeckte, was augenscheinlich Emis Überraschung für mich war.

»Oh, mein Gott, Emi!« Mit großen Augen bestaunte ich die riesige Torte, auf der allerlei Kinderschokoladeprodukte verteilt waren. Ich entdeckte halb im Kuchen versenkte Kinderriegel, Überraschungsei-Schokolade, Schoko-Bons, Happy Hippos und sogar Kinder Buenos – meine Lieblinge.

»Ich konnte dir schon zu deinem Geburtstag nichts backen«, erklärte Emi verlegen.

»Die Torte ist der Wahnsinn!« Erneut drückte ich Emi stürmisch an mich. »Darf ich?«, fragte ich sie, während ich mit meiner Kamera, die ich mir aus Gewohnheit um den Hals gehängt hatte, auf die köstlich aussehende Torte deutete.

»Klar.« Emi zuckte mit den Schultern. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, denn dieses Heiligtum musste für die Nachwelt festgehalten werden. Erst suchte ich nach einem gut beleuchteten Platz, doch Emi, die diesen Spleen von mir schon kannte, knipste ohne zu fragen ein helles Licht an, das die ganze Arbeitsplatte ausleuchtete.

»Perfekt«, befand ich und machte mich daran, meine Kamera einzustellen.

Erst schoss ich Fotos von der Seite, dann überlegte ich, wie ich einen besseren Winkel hinbekommen könnte. Als ich gerade dabei war, auf die Arbeitsplatte zu klettern, räusperte sich Jaden leise. Ich drehte mich zu ihm und stellte überrascht fest, dass er und Tomaso mich skeptisch beobachteten. Fragend hob ich eine Augenbraue.

»Hast du auch vor den Kuchen heute noch zu essen, oder muss er für alle Ewigkeit dein Fotomodel spielen?«, fragte Jaden belustigt.

»Tz, du ehrst ihn gar nicht richtig, wenn du ihn einfach so verdrücken willst«, konterte ich und widmete mich wieder meiner Kamera.

Als ich schließlich zufrieden mit meinen Bildern war, standen die beiden Jungs immer noch unverändert neben dem Küchentresen und starrten schon fast sehnsüchtig auf den Kuchen. Wenn sie Hunde gewesen wären, liefe ihnen wohl bereits der Sabber aus dem Mund. Ich schüttelte belustigt den Kopf und hob meine Kamera, um einen weiteren Schnappschuss, diesmal aber von meinen beiden Zuschauern, zu machen.

»Ihr könnt es wohl gar nicht abwarten?«, fragte ich.

»Es ist Cheat-Day, und ich habe seit zwei Stunden keine Schokolade mehr gegessen«, quengelte Tomaso sofort und brachte mich damit wieder zum Lachen.

»Oh, seit zwei Stunden?«, fragte ich mit gespieltem Mitleid.

Davon ließ er sich nicht beeindrucken. »Vielleicht sind es inzwischen sogar drei!«

»Tomaso, hör auf, Hannah zu drängeln! Ich habe immer noch nicht entschieden, ob wir dir überhaupt etwas abgeben.« Wieder funkelte Emi Tomaso gespielt böse an.

Neugierig schaute ich zwischen den beiden hin und her. »Was hat er denn angestellt?«

»Er hat heute Morgen zum Frühstück eine halbe Packung Kinderriegel vertilgt!«, empörte sich Emi. »So viele, dass wir noch mal los in den Supermarkt mussten, um neue für den Kuchen zu kaufen.« Während ihrer Worte sah Emi abwechselnd zwischen mir und Tomaso hin und her. »Nur deswegen habe ich es nicht pünktlich geschafft, und wir konnten dich nicht vom Flughafen abholen.«

»Daran warst du also schuld?« Mit hochgezogenen Brauen sah ich Tomaso an. »Das klang vorhin aber noch ein bisschen anders.«

Misstrauisch schaute Emi mich an. »Was hat er behauptet?«

Während Tomaso, der wahrscheinlich seine Chancen auf ein Stück Torte weiter schwinden sah, mir einen flehenden Blick zuwarf, feixte ich siegesgewiss. »Laut Tomaso hattet ihr, ich zitiere, ›wilden Sex‹ und deshalb keine Zeit, mich abzuholen.«

Während ich innerlich triumphierte, schnappte Emi empört nach Luft. »Tomaso!« Mit großen Schritten lief sie zu ihm und boxte ihm in die Seite.

»Ich sollte ihr doch nichts von dem Kuchen erzählen«, verteidigte er sich kleinlaut, während Jaden sich lachend an der Tischplatte abstützte.

Dann öffnete er eine Schublade und reichte mir ein großes Messer. »Bereit, das Kunstwerk zu essen?«

Lächelnd nahm ich das Messer entgegen. Eine Woche mit den dreien zusammen konnte in jedem Fall nur lustig werden.

Kapitel 3

Danke @emiliaglemmig für die leckerste Torte ever. Falls ich mich in den nächsten Tagen nicht mehr melden sollte, bin ich wohl an einem Zuckerschock gestorben. Aber hey, dann war es wenigstens ein glücklicher Tod!

#soWirdManGernBegrüßt #überraschung #ichLiebeKinderSchokolade #london #couchSurfingBeiFreunden

Seufzend ließ ich mich in das weiche Bett fallen. Himmel, war das bequem! Ich liebte es, wenn ein Bett so gemütlich war, dass man das Gefühl hatte, von der Matratze umarmt zu werden. Zu Hause war mein Bett leider nicht annähernd so kuschelig, weil meine Mutter der festen Überzeugung war, dass es rückenschädigend wäre, so zu schlafen. Doch dieses Bett würde ich nie wieder verlassen, beschloss ich und grub mich noch tiefer in die Kissen. Ich verdrängte das ungute Gefühl, das bei dem Gedanken an zu Hause in mir aufkam, und konzentrierte mich lieber wieder auf das Hier und Jetzt.

Nachdem wir Emis köstliche Torte vertilgt hatten – wobei Tomaso und Jaden meinen vollen Respekt genossen für die Unmengen an Kuchen, die sie verdrücken konnten -, waren wir alle vier für einen gemütlichen Abend auf die Couch gewandert. Wir haben viel gelacht, uns auf der PlayStation gebattelt und eine schöne Zeit zusammen verbracht. Später am Abend haben wir gemeinsam Burger bestellt. Während ich nach dem ganzen Kuchen meinen nicht mal aufessen konnte, veranstalteten die Jungs ein Wettessen, und jeder verdrückte mindestens drei verschiedene Burger. Emi hatte mir nach meinen skeptischen Blicken versichert, dass es diese Art von Cheat-Day höchstens alle zwei Monate gab.

Nach dem Essen sahen wir uns einen Film an, doch ziemlich schnell schlief meine beste Freundin auf dem Sofa ein. Das hatte ich zum Anlass genommen, mich auch zurückzuziehen. Obwohl auch ich mich ziemlich erschlagen fühlte, denn so ein Reisetag war immer anstrengend, egal wie lange man unterwegs war, hatte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, die beiden Räume hinter den mysteriösen Türen zu erkunden.

Im ersten Raum hatte ich ein Badezimmer entdeckt und damit auch das Rätsel gelöst, wo sich die Duschen in dieser Wohnung befänden. Hinter der anderen Tür war ein riesengroßer begehbarer Kleiderschrank versteckt, der – wenn er denn voll wäre – so ziemlich jedes Frauenherz höherschlagen lassen würde.

Ich schaute mich noch einmal in dem dunklen Zimmer um, ehe ich mir die Bettdecke bis zur Nasenspitze zog. Glücklich und zufrieden mit diesem ersten Urlaubstag, schloss ich entspannt die Augen.

Auf einmal nahm ich wahr, dass sich die Zimmertür wieder öffnete. Nanu – wer wollte denn jetzt noch etwas von mir? Verschlafen öffnete ich die Augen und blinzelte in Richtung des Eingangs. Dort im Türrahmen, lässig an die Wand gelehnt, stand Tomaso. Er war umgeben von gleißend hellem Licht.

Und vor allem war er nackt.

Seine dunkelbraunen Augen blitzen mich so schelmisch an, wie sie es schon den ganzen Tag über immer wieder getan hatten.

Lächelnd setzte ich mich im Bett auf und drehte mich in seine Richtung. Tomaso rekelte sich elegant in der Tür, eine Hand lässig an den Rahmen gelehnt, mit der anderen strich er sich durch seine zerzausten Haare. Fasziniert ließ ich meinen Blick über seine Armmuskeln gleiten. Ein erwartungsvoller Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Gespannt beobachtete ich, wie Tomaso langsam näher kam. Ich sog den Anblick seines schlanken Körpers in mich auf. Er sah verdammt sexy aus. Neugierig versuchte ich die einzelnen Muskeln seines Sixpacks zu erspähen und mir Zeit zu lassen, bevor ich meine Augen noch tiefer gleiten ließ. Je näher er kam, umso undeutlicher sah ich ihn vor mir. Sein langer Schatten fiel auf mich und nahm mir die Sicht. Verwundert schaute ich wieder nach oben und keuchte erschrocken auf. Verdammt, was sollte das? Was machte er hier? Panisch wollte ich ans andere Ende des Bettes zurückweichen. Denn das war gar nicht Tomaso, der in mein Zimmer getreten war. Mir gegenüber stand Marc, und aus seinen Augen loderte abgrundtiefer Hass.

Wie wild strampelte ich mit meinen Füßen. Ich wollte diese Bettdecke loswerden, doch sie schlang sich immer enger um meine Beine. Marc kam näher und näher, und egal, was ich tat, die Decke hielt mich fest. Langsam, fast schon gemächlich, wie ein lauernder Tiger, der seine Beute begutachtete, beugte er sich über mich und funkelte mich mit seinen tiefschwarzen Augen an. Wimmernd kroch ich quer über das Bett. Weg! Ich wollte einfach nur weg. Endlich kam ich auf die Knie und robbte vorwärts und …

Plong! Mit einem lauten Krachen stieß ich mir den Kopf an der Wand und öffnete ruckartig die Augen. Hektisch sah ich mich in dem kahlen Zimmer um. Die Tür war geschlossen, und außer mir war niemand im Raum.

Nur ein Traum, verdammt!

»Tief durchatmen, Hannah«, murmelte ich mir selbst zu und ließ mich zurück in die Kissen fallen.

Ich lag schweißgebadet in dem fremden Bett und versuchte zu begreifen, was passiert war. Mein Atem tönte keuchend durch den stillen Raum, als wäre ich gerade weite Strecken gerannt. Warum musste dieser Typ mich bis in meine Träume verfolgen?

Nach und nach kam ich wieder zu mir. Ich registrierte, dass es bereits hell und mein erster richtiger Tag in London schon angebrochen war.

Vorsichtig tastete ich nach meinem Kopf. Das würde bestimmt eine Beule geben. Seufzend setzte ich mich auf und schüttelte die letzten Überreste des Traumes ab.

Bevor ich mich noch weiter im Bett herumwälzen würde, konnte ich auch aufstehen.

Da ich aus dem Flur Geräusche wahrnahm, war ich wohl nicht die Erste, die auf den Beinen war. Ich schlüpfte in eine gemütliche Stoffhose und mein Lieblingsshirt, ehe ich, schon wieder deutlich besser gelaunt als noch vor wenigen Minuten, den Flur betrat. In Erwartung, meine beste Freundin, eine Frühaufsteherin, vorzufinden, lief ich zielstrebig in die Küche. Umso überraschter war ich, dort Tomaso anzutreffen. Er stand halb nackt am Küchentresen und wog etwas Müsli in einer Schüssel ab. Am liebsten wäre ich rückwärts wieder rausgegangen, aber ich konnte meinen Blick nicht von seinem freien Oberkörper abwenden. Tomaso sah oben ohne noch einladender aus, als es sich mein Unterbewusstsein vergangene Nacht vorgestellt hatte. Fasziniert beobachtete ich das Spiel der feinen Schultermuskeln, während Tomaso aus verschiedenen Packungen Zutaten in seine Schale gab.

Erst als er in Richtung des Kühlschranks griff und sich dabei halb umdrehte, bemerkte er mich. Überraschung spiegelte sich in seinen Augen wider. Einen Moment sahen wir uns nur stumm an, bis er langsam die Mundwinkel hob und, wie in Zeitlupe, anfing, mich wissend anzugrinsen. Verdammt! Da hatte er mich bereits zum zweiten Mal in zwei Tagen beim Starren erwischt.

Jetzt bloß nicht wieder rot werden, Hannah, dachte ich leicht panisch und versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen, indem ich möglichst tief und gleichmäßig weiteratmete.

»Gestern Abend noch ein Burger-Wettessen veranstalten und heute Morgen das Müsli aufs Gramm genau abwiegen?« Mit einem lockeren Spruch ließ sich die Situation schließlich am besten überspielen, oder?

»Wusstest du, dass laut dem amerikanischen Lebensmittelrecht in 100 Gramm Schokolade – also einer einzigen Tafel – im Schnitt sechzig Insektenteile oder ein Nagetierhaar enthalten sein dürfen? 60 Insektenteile!« Inzwischen hatte Tomaso sich ganz zu mir gedreht. Die Arme vor der Brust verschränkt, sah er mich düster an.

Während ich angestrengt versuchte, ihm ins Gesicht zu sehen und nicht die Bauchmuskeln zu bewundern, die mir in meinem Traum verwehrt geblieben waren, verarbeitete ich das Gehörte.

»Ihh, das ist widerlich«, gab ich schließlich mit etwas Verzögerung zurück.

»Der Gedanke hilft leider trotzdem nicht, mir den Appetit auf das letzte Kuchenstück, das noch im Kühlschrank steht, zu verderben.«

»Oh, es ist noch Kuchen da?«, fragte ich erfreut zurück.

»Allerdings.« Tomaso sah mich mit gequälter Miene an. »Bitte vernichte es, aber am besten ganz weit weg von mir!«

Langsam entspannte ich mich etwas und konnte sogar ein wenig über Tomaso lachen. Sein Anblick zog mich zwar immer noch mehr in den Bann, als er es eigentlich sollte, doch das schob ich einfach auf den seltsamen Traum. Normalerweise träumte ich nämlich nicht von nackten Männern im gleißenden Licht. Wobei ich zugeben musste, dass ich nichts dagegen hätte, wenn der Traum anders ausgegangen wäre … Stopp! Falsche Richtung, Gedanken!

»Musst du sonst echt so streng Diät halten, dass du dein Essen abwiegst?«, fragte ich, um mich abzulenken, und deutete auf die ganzen Utensilien, die Tomaso für sein Frühstück vorbereitet hatte.

»Na ja, ich muss eigentlich nicht. Ich habe zwar schon Ernährungscoachings, trotzdem wird noch nicht so sehr darauf geachtet. Aber Jaden hat dieses Jahr einen sehr strengen Plan bekommen, und ich dachte, da mache ich mit, weil … ach, keine Ahnung.« Wieder hörte ich einen Hauch Frustration in Tomasos Worten. Es war der gleiche Tonfall, den er gestern bei seinen Worten über diesen Gabriel benutzt hatte. Irgendetwas war da im Busch, und langsam interessierte mich, was das wohl war. Bevor ich weiter nachhaken konnte, betrat Jaden – ebenfalls oberkörperfrei – die Küche. Er schlang von hinten die Arme um Tomaso und schlug ihm brüderlich auf die Brust. »Weil du mich liebst, Tomasolein«, erklärte er mit einem übertriebenen Augenaufschlag.

»Jetzt, wo du es sagst … genau deshalb, Alter«, gab Tomaso lachend zurück, während ich entsetzt zu Emi schaute, die hinter Jaden die Küche betrat. Liefen die beiden hier immer so rum, und wenn ja, wie hielt sie das aus? Emi verdrehte nur die Augen über die sich inzwischen kabbelnden Jungs und fragte mich, was ich frühstücken wollte.

»Hast du eigentlich mal etwas von Marc gehört?«, fragte ich Emi möglichst beiläufig, während ich mich erschöpft auf eine Steinkante niederließ. Nach dem Frühstück hatten wir uns aufgemacht, um die Stadt zu erkunden. Von der Waterloo Bridge über den Piccadilly Circus, vom British Museum über den Buckingham Palace hatten wir schon einige namhafte Sehenswürdigkeiten Londons bewundert. Inzwischen saßen wir im Hyde Park und ließen die schwer gewordenen Füße baumeln. Ich hatte gerade die letzten Reste meines Mushroom-Pie, einer Teigtasche gefüllt mit Pilzen, verzehrt.

Überrascht sah Emi mich von der Seite an. »Nein, wir hatten ja noch nie viel Kontakt.«

Während unserer Abiturzeit war Marc in unserem Jahrgang gewesen, hatte aber nie zu unserem engen Freundeskreis gezählt. Ich schluckte den Kloß hinunter, der sich bei dem Gedanken an ihn in meinem Hals gebildet hatte. »Ich dachte nur, vielleicht hast du ja auf Social Media was von ihm gesehen.« Eigentlich verbot ich mir jeglichen Gedanken an ihn, doch wohin das führte, hatte ich letzte Nacht gesehen. Obwohl nun schon über zwei Jahre vergangen waren, hatte er mich immer noch auf allen Kanälen blockiert.

»Machst du dir etwa immer noch Vorwürfe?«, fragte Emi mich besorgt.

»Nein, ich … ich habe heute Nacht von ihm geträumt, das ist alles.« Unruhig wippte ich vor und zurück. Es war keine gute Idee gewesen, mit dem Thema anzufangen. Ich sollte den Traum einfach vergessen. Aber der Gedanke, alles falsch gemacht zu haben, ließ mich einfach nicht los.

»Ich habe nichts von ihm gehört, aber wenn du willst, können wir gemeinsam nachschauen.« Emi kramte ihr Handy aus der Tasche. »Ich glaube, wir sind noch auf Facebook befreundet.«

»Nein, vergiss es … Ist nicht so wichtig.« Ich winkte ab. Sie würde mir wieder nur erklären, dass es nicht meine Schuld gewesen war. Aber das war es. Daran gab es nichts schönzureden. Ich setzte mich auf meine Hände, damit sie sich nicht mehr so zittrig anfühlten. »Erzähl mir lieber, was bei euch so los ist.«

Emi beobachtete mich noch einen Moment, ehe sie schließlich seufzend auf meinen Themenwechsel einging.

Während sie mir von ihrem neuen Alltag erzählte, atmete ich mehrmals tief durch und drängte das kalte Gefühl, das der Traum hinterlassen hatte, beiseite. Aufmerksam lauschte ich ihrem Plan, sich endlich gemeinsam mit Jaden eine Wohnung zu suchen.

»Hast du mit Liz schon darüber gesprochen?«, fragte ich. Von klein auf waren Emi und Liz unzertrennlich. Offiziell wohnten die Zwillinge immer noch gemeinsam in Hamburg in einer kleinen Studentenwohnung.

»Ja, und ich versuche sie zu überreden, mit nach England zu ziehen.«

»Vielleicht sollte ich mein nächstes Praktikum auch in London machen.« Ich legte kurz den Arm um Emis Schultern und drückte sie an mich. Der Gedanke, dass wir drei vielleicht für längere Zeit wieder in einer Stadt wohnen könnten, war zu schön. Aber das war alles noch Tagträumerei. Im Gegensatz zu der Stadt, die heute vor uns lag und weiter erkundet werden wollte.

»Genug gequatscht. Auf geht’s, Emi! Wir müssen noch ein Foto von der wichtigsten Sehenswürdigkeit Londons machen.« Voller Tatendrang sprang ich von der Mauer herunter und drehte mich zwei Runden im Kreis, ehe ich wieder vor Emi stehen blieb.

»Und was ist die wichtigste Sehenswürdigkeit von London?«, fragte sie skeptisch.

»Das, liebe Emilia, müssen wir natürlich noch herausfinden!«

Kapitel 4

Der Buckingham Palace – laut 4/5 Londonern meiner U-Bahn-Umfrage zufolge die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt.

#traveldiary #london #touristentag #mirTunDieFüßeWeh #panoramafoto #bucketlist

emiliaglemmig: Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du das wirklich durchgezogen hast!

hannahs_traveldiary: Was denn, war doch lustig!

emiliaglemmig: Die armen Menschen, die einfach nur ihren Feierabend genießen wollten^^

jaden.jones.official: Warum hast du mich nicht gefragt?

hannahs_traveldiary: Das wäre ja viel zu einfach gewesen :D

tomasomoretti: Also meine Antwort wäre kreativer gewesen

hannahs_traveldiary: Ich bin ganz Ohr :p

»Zu einem Rugby-Spiel?« Emi sah mich entgeistert an. »Wieso willst du denn zu einem Rugby-Spiel?«

Wir saßen mit ihrem Laptop am Esstisch, und während wir frühstückten, zeigte ich ihr einige Fotos, die ich im letzten Semester gemacht hatte.

»Tomaso hat mich auf die Idee gebracht. Er meinte, das wäre etwas traditionell Englisches, was man unbedingt gesehen haben muss.«

»Weißt du, wenn ich eines über Tomaso gelernt habe, dann, dass man nicht all seine Ideen in die Tat umsetzen sollte.« Den letzten Satz hatte Emi demonstrativ auf Englisch gesagt und ihre Stimme etwas gehoben.

Tomaso, der auf dem Sofa saß und mit seinem Handy beschäftigt war, sah auf und funkelte Emi an. »Das habe ich gehört, Lia!«

Sie drehte sich nicht einmal zu ihm um, sondern zwinkerte mir nur kumpelhaft zu. Einmal mehr musste ich feststellen, wie viel selbstbewusster Emi in den letzten Jahren geworden war.

»Unsere alte Mannschaft hat diese Woche ein Heimspiel, würde also echt passen.«

Überrascht sah ich zu Tomaso. »Du hast mal Rugby gespielt?«

Er schaute mich gespielt empört an. »Natürlich! Es ist schließlich ein englischer Volkssport … und Kartfahren hatte unsere Schule nicht im Programm.«

»Seit wann lebst du denn in England? Ich dachte, du bist in Italien aufgewachsen.«

»Klar. Die Akademie hat mich aber schon mit sechzehn aufgenommen, und dafür bin ich nach England gezogen. Natürlich musste ich trotzdem meinen Schulabschluss zu Ende machen. Deswegen hat die Akademie mich auf Jadens Schule geschickt«, erklärte er. »Lia, was denkst du? Jaden wäre sicher auch begeistert, unserer alten Schule mal wieder einen Besuch abzustatten.« Ich schmunzelte über seinen geschickten Versuch, Emi zu überreden.

»Ich wäre auch mitgekommen, wenn du nicht die Jaden-Karte ausgespielt hättest, Tomaso«, tadelte sie ihn.

Tomaso grinste zufrieden. »Perfekt, ich sag ihm Bescheid.«

»Wollen wir los, wenn du fertig bist?«, fragte Emi, und ich nickte. Da Jaden mit den Vorbereitungen auf das nächste Rennen beschäftigt und deshalb seit gestern irgendwo im Süden Englands war, stand heute ein Mädelstag mit Shopping in der Londoner Innenstadt auf dem Programm. Gestern war ich allein in der Stadt unterwegs gewesen und hatte mir das British Museum angesehen. Am spannendsten fand ich die Ausstellung über die Arktis und die dortigen Veränderungen durch den Klimawandel. Ehrlich gesagt, hatte ich vorher gar nicht gewusst, dass es überhaupt so viele Menschen gab, die dort lebten.

Während wir in der U-Bahn saßen, versuchte ich mich noch an ein paar der Fakten zu erinnern, die ich gestern in der Ausstellung gelesen hatte. Aber unter den skeptischen Blicken, die Emi mir von der Seite zuwarf, konnte ich mich kaum konzentrieren.

»Was ist los?«, fragte ich.

»Du bist so ruhig. Heckst du wieder irgendetwas aus?«

Ich konnte ein prustendes Lachen nicht unterdrücken. Seit ich an unserem ersten gemeinsamen Tag beim Sightseeing spontan eine Umfrage mit einigen Londonern durchgeführt hatte, rechnete Emi dauernd damit, dass ich wieder etwas Verrücktes plante.

Den Vormittag über schlenderten wir von Laden zu Laden und probierten viele verschiedene Klamotten an. Da ich in einer Modezeitschrift gelesen hatte, dass es in London insbesondere tolle Secondhandläden geben sollte, hatten wir uns vorher eine Liste mit ein paar Adressen herausgesucht, die wir nun nach und nach abklappern wollten.

Gleich der erste Secondhandladen begeisterte mich. Während das Geschäft von außen recht unscheinbar wirkte, veränderte sich die Atmosphäre schlagartig, als wir eintraten. Der komplette Laden war im Vintage-Stil gehalten. An der Decke hing ein gigantischer Kronleuchter, und die Wände waren in einem recht aufdringlichen Roséton gestrichen. Der Laden wirkte klein und gedrungen, weil er so verwinkelt war, und die vollen Kleiderständer mit farbenfrohen Klamotten standen dicht an dicht. Mit jedem Schritt durch den Laden wurden meine Augen größer. Das hier war mein Paradies!

Begeistert stürzte ich mich auf die riesige Auswahl an Sommerkleidern. Wenn ich in den nächsten Wochen ein wenig Zeit am Strand verbringen würde, wollte ich schließlich gut aussehen. Auch auf einem Ausflug in die Stadt konnte ich die Kleider sicherlich gut gebrauchen.

»Emi, guck mal!«, rief ich aufgeregt, als ich ein paillettenbesetztes blaues Kleid entdeckte, das wunderschön funkelte.

»Oh, und hier!« Ich fand ein sonnengelbes Baumwollkleid mit einem weit fallenden Rock. Über meine Euphorie den Kopf schüttelnd, kam Emi zu mir, und wir suchten die Ständer nach mehr Kleidern ab. Erst als mein Stapel schon so groß war, dass ich ihn kaum noch tragen konnte, machten wir uns auf die Suche nach einer Umkleidekabine. Auf dem Weg dorthin entdeckte ich einen Ständer mit den abgedrehtesten Jeansmodellen der Achtzigerjahre. Darunter waren weite Schlaghosen, ausgewaschene High Waist Bluejeans und sogar ein paar echte Levis. Die musste ich mir später definitiv genauer ansehen!

Der Raum, in dem sich die Umkleiden befanden, war ebenfalls im Vintage-Stil gehalten. Die einzelnen Kabinen wurden durch samtgrüne Vorhänge mit goldenen Gardinenstangen voneinander getrennt, und davor befanden sich hellbraune abgenutzt wirkende Ledersofas.

Wir suchten uns eine geräumige Umkleide, in die wir zu zweit passten, und verteilten unsere Kleider auf den Haken. Was zugegebenermaßen mit der Vielzahl der Sachen, die wir – oder vielmehr ich – ausgesucht hatten, ziemlich schwierig war.

»Weißt du eigentlich schon, was du zu Jadens Geburtstagsparty anziehen willst?«, fragte ich Emi, während wir die ersten Kleider anprobierten.

»Ich habe einen Plan B, aber Plan A ist, dass wir heute was Hübsches finden.«

»Du musst unbedingt das hier anprobieren«, erklärte ich und drückte ihr das paillettenbesetzte Kleid in die Hand.

»Aye, aye Captain«, sagte Emi und lachte.

Nach und nach probierten wir uns durch die Einzelstücke durch. Anschließend sortierten wir nach Präferenzen.

Irgendwann war das Chaos in der Umkleidekabine zu groß, um es zu beherrschen. Daher trat ich auf den Flur und suchte uns einen leeren Kleiderständer, an dem wir die Sachen besser ordnen konnten.

Nachdem jede von uns fünf Favoriten gewählt hatte, machten wir uns endlich auf den Weg zu den traumhaften Jeans.

»Jaden feiert nicht zufällig eine Achtziger-Party?«, fragte ich Emi, während ich eine Schlaghose vor sie hielt, um zu prüfen, ob sie so etwas tragen konnte.

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Verdammt!«

Natürlich hielt mich das trotzdem nicht vom Anprobieren ab. »So, Schluss jetzt!«, erklärte Emi, als die Kleiderstange fast voll war.

Sie hatte zwei Sommerkleider, ein Top und Skinny Jeans gefunden. Ich hatte zwei Kleider, eine Schlaghose, zwei T-Shirts und ein Paar Shorts ausgewählt.

»Willst du das wirklich alles nehmen?«, fragte Emi mich skeptisch.

»Klar, warum denn nicht?«

»Wie würdest du denn den Zustand deines Rucksacks bei deiner Anreise beschreiben?« Stirnrunzelnd sah ich sie an.

»Grün?«, fragte ich zurück. »Oder neu?«

»Das sicherlich auch, aber ich meinte eher voll. Wie willst du das alles noch mit reinbekommen?«

»Ahhh.« Jetzt strahlte ich Emi an. »Dafür habe ich einen Masterplan entwickelt! Mein liebes Brüderchen hat mir zwei aufblasbare Kopfkissen von sich mitgegeben, die ich mit Luft gefüllt in den Rucksack gestopft habe. Damit habe ich also Platz eingeplant.« Shoppen war eine meiner größten Leidenschaften, und mein Ziel war, in jedem Land, das ich besuchte, mindestens einmal auf eine Tour zu gehen.

»Euer Verhältnis hat sich ziemlich verändert, oder?«

»Ja, total. Seit meine Eltern die Sache mit Amerika angezettelt haben, war er viel für mich da und hat mir geholfen.« Als mein Bruder nach dem Abi mit seinem Fotografiestudium gestartet hatte, waren er und meine Eltern so zerstritten, dass sie jahrelang keinen Kontakt hatten. In dieser Zeit hatte ich kaum etwas von meinem großen Bruder gehört, weil er nicht wollte, dass ich zwischen die Fronten geriete. Dass ich nun in seine Fußstapfen trat, war meinen Eltern ein ebenso großer Dorn im Auge, doch sie versuchten es mit einer anderen Taktik als bei Derek. Sie versagten mir nicht jegliche Unterstützung, aber sie wollten mich überreden, sie nach Amerika zu begleiten, wo meine Mutter nächsten Monat einen neuen Job antrat, und dort an einem College etwas Handfestes zu studieren.