Radikale Selbstvergebung - Colin C. Tipping - E-Book

Radikale Selbstvergebung E-Book

Colin C. Tipping

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  • Herausgeber: Integral
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Selbst-Vergebung ist die größte Heilung

Dieses Buch ist eine Offenbarung, um Leiden und Unglück von innen her zu heilen! Es krönt die vom Autor entwickelte, weltweit bekannte Methode der „Radikalen Vergebung“, indem es sie in einem ganz entscheidenden Punkt weiter führt: hin zur „Radikalen Selbst-Vergebung“. Damit stoßen wir zum Dreh- und Angelpunkt unserer allergrößten seelischen Last vor, nämlich zu den verdrängten negativen Gefühlen in uns selbst. Endlich kann anstelle von Schuld die innere Befreiung, anstelle von Angst die Zuversicht treten – und anstelle von Zorn die Liebe.

Hunderttausende Menschen in aller Welt haben die Methode Colin Tippings höchst erfolgreich angewendet. Sehr oft verzeichnete ihr Leben eine dramatische Änderung zum Besseren. Mit diesem Praxisbuch erhält die Tipping-Methode eine neue Dimension. Sie dringt vor zum innersten Kern des Problems, nämlich zu jenen Persönlichkeitsanteilen in uns selbst, die unser Glück immer wieder sabotieren und infrage stellen. Jeder kann „Radikale Selbst-Vergebung“ praktizieren. Wir alle profitieren davon, denn jeder Mensch, der innerlich befreit in sich ruht, ist ein Gewinn für diese Welt.

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Seitenzahl: 265

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Die amerikanische Originalausgabe »Radical Self Forgiveness« erscheint bei Global 13 Publications.

Inhaltsverzeichnis

VORWORTERSTER TEIL - Vergebung – ein Überblick
1 - VORBEUGENDE VERGEBUNG
OpferbewusstseinEntstehung des OpferbewusstseinsDas Bedürfnis nach Vergebung
2 - HERKÖMMLICHE VERGEBUNG3 - RADIKALE VERGEBUNG4 - SELBSTVERGEBUNG IST KEINE LEICHTE SACHE
ZWEITER TEIL - Die Struktur des Selbst
5 - DIE ICH-ANTEILE
Das »ICH BIN-Selbst«Die menschliche Identität
Das authentische IchDas abgeleitete IchDas ideale IchDas sozial angepasste IchDie verlorenen Ich-AnteileDie verleugneten Ich-AnteileDas sabotierende IchDas sexuelle IchDas urteilende IchDas selbstliebende Ich
DRITTER TEIL - Schuld und Scham
6 - SCHULD
Schuld ist gutAngemessene rückblickende SchuldUnangemessene rückblickende Schuld
7 - SCHAM
Wie schädlich ist eine Überzeugung, die auf Scham basiert?Erster Schritt: Kernüberzeugungen entdeckenZweiter Schritt: Die Stimmen aus der Vergangenheit erkennenWarum unsere Kernüberzeugungen fast immer falsch sindDritter Schritt: Auswertung der KernüberzeugungenVierter Schritt: Kernüberzeugungen neutralisierenFünfter Schritt: Kernüberzeugungen transformieren
VIERTER TEIL - Der Prozess der Radikalen Selbstvergebung
8 - WAS ICH GLAUBE9 - DIE FÜNF STADIEN
Das erste Stadium: Die Geschichte erzählenDas zweite Stadium: Auf Gefühle einlassenDas dritte Stadium: Die Geschichte auseinandernehmenDas vierte Stadium: Die Geschichte neu fassen
Erstes ParadigmaFünftes Paradigma
Das fünfte Stadium: Den Wandel integrieren
FÜNFTER TEIL - Susans Geschichte
SUSANS GESCHICHTE
SECHSTER TEIL - Die Methode der Radikalen Selbstvergebung und Selbstakzeptanz
10 - DIE DREI BRIEFE
Der Brief aus der OpferperspektiveDer Brief aus der TäterperspektiveSusans drei Briefe an sich selbst
Erster BriefZweiter BriefDritter Brief
11 - SPIRITUELLE INTELLIGENZ12 - DAS ARBEITSBLATT ZUR RADIKALEN SELBSTVERGEBUNG
1. Was ich getan oder versäumt habe, ist Folgendes … (Wofür ich mich selbst beschuldige)2. Was mein urteilendes Ich über mich sagt3. In Bezug auf die Situation oder im Allgemeinen fühle ich mich …4. Ich erkenne meine Gefühle liebevoll an, akzeptiere sie und höre auf, sie zu beurteilen.5. Ich mache mir meine Gefühle zu eigen. Emotionen (oder Überzeugungen) sind mit einem Gefühl verbundene Gedanken. Sie reflektieren, wie ich mich in Bezug auf diese Situation sehe.6. Ich fühle mich schuldig7. Auch wenn ich nicht weiß, wie oder warum, sehe ich jetzt, dass meine Seele diese Situation herbeigeführt hat, damit ich lernen und wachsen kann.8. Ich bin bereit zu sehen, dass es Teil meiner Lebensaufgabe oder Seelenvereinbarung war, zu tun, was ich getan habe – aus welchem Grund auch immer.9. Ich erkenne jetzt, dass nichts von dem, was ich oder andere tun, richtig oder falsch ist. Ich lasse alle Urteile fallen.10. Ich lasse das Bedürfnis los, mich selbst zu beschuldigen und im Recht zu sein, und ich bin bereit, die Vollkommenheit in der Situation zu sehen.11. Auch wenn ich nicht weiß, warum oder wie, erkenne ich nun, dass ich genau das bekommen habe, was ich unbewusst wollte. (Falls andere beteiligt sind: Alle Beteiligten haben einen heilenden Tanz mit- und füreinander getanzt.)12. Ich ehre mich selbst dafür, dass ich bereit bin, eine Rolle bei der Heilung einer anderen Person zu spielen, und ich danke der Person, dass sie bereit ist, eine Rolle bei meiner Heilung zu spielen.13. Ich entlasse alle Urteile aus meinem Bewusstsein (wie unter 3.).14. Ich ehre meine Bereitschaft, meine falschen Wahrnehmungen zu sehen und mir die Gelegenheit zu geben, Radikale Selbstvergebung zu praktizieren.15. Die Neufassung: Ich erkenne jetzt, dass das, was ich erlebt habe (meine Täter-Opfer-Geschichte), eine genaue Widerspiegelung meiner menschlichen Wahrnehmung der Situation war. Jetzt verstehe ich, dass ich diese »Realität« ändern kann, indem ich bereit bin, die spirituelle Vollkommenheit in der Situation zu sehen.16. Ich vergebe _____________________ mir (Ihr Name)17. Ich gebe mich nun ganz der höheren Macht hin, die ich als _____________________ sehe,18. Eine Notiz für eine Person, die ich auf irgendeine Weise verletzt oder negativ berührt habe19. Eine Notiz an mich selbstArbeitsblatt zur Selbstvergebung
13 - SICH ENTSCHULDIGEN
Die Radikale EntschuldigungEine Radikale Entschuldigung für AmerikaIst eine Entschuldigung für das angebracht, was unsere Vorfahren getan haben?
14 - DAS ARBEITSBLATT ZUR RADIKALEN SELBSTAKZEPTANZ
Arbeitsblatt zur Selbstakzeptanz
SIEBTER TEIL - Ich vergebe mir …
15 - ICH VERGEBE MIR DAFÜR, DASS ICH MIR GELDPROBLEME SCHAFFE
Erster BriefZweiter BriefDritter Brief
16 - ICH VERGEBE MIR WEGEN MEINES ÜBERGEWICHTS17 - ICH VERGEBE MIR FÜR MEINEN SCHLECHTEN GESUNDHEITSZUSTAND18 - ZUM ABSCHLUSS
Du bist einzigartig
MEINE RADIKALE ENTSCHULDIGUNG
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ÜBER DEN AUTOR
Die Tipping-Methode der Vergebung in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Copyright

VORWORT

Wenn man einmal bedenkt, wie weit uns die Evolution geführt hat, seit wir den Planeten als affenähnliche Wesen bevölkerten, könnten wir heute, zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, eigentlich zufrieden mit uns sein. Dem ist aber nicht so. Als C. G. Jung und andere einen tiefen Blick in die menschliche Psyche wagten, erkannten sie, dass wir offenbar alle unter einer tief sitzenden und immer wiederkehrenden Unzufriedenheit mit uns selbst leiden.

Eine der Ursachen für diesen tief sitzenden Selbsthass ist, wie viele meinen, unser Glaube, dass wir uns für ein Leben in Trennung von Gott entschieden und damit die »Erbsünde« auf uns geladen haben. Im Moment der Trennung – so die Geschichte  – glaubten wir, Gott sei sehr wütend auf uns, weil wir uns auf dieses Experiment eingelassen haben, und würde uns eines Tages schwer dafür bestrafen. Seitdem fühlen wir uns schuldig, und die einzige Möglichkeit, mit dieser Schuld umzugehen, besteht darin, sie zu unterdrücken und sie, wenn sie doch wieder auftaucht, auf andere zu projizieren.

Selbst wenn wir die Geschichte mit der Erbsünde nicht so recht glauben wollen – ich bin jedenfalls nicht sicher, ob ich sie glauben will –, ist unbestritten, dass Kriege und Angriffe gegen diejenigen, die wir für unsere Feinde halten, in der Regel nichts weiter sind als Projektionen unseres tief sitzenden Selbsthasses. Das ist wahr, ganz unabhängig davon, was der Grund für den Angriff ist oder war.

Wir können heutzutage sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, dass dieser Selbsthass dazu geführt hat, dass wir unseren Planeten für uns selbst und viele andere Spezies unbewohnbar machen. Wir sind auf Selbstzerstörungskurs.

Dieses Buch hat daher zwei Ziele:

1. diesen Selbsthass mit den Methoden der Radikalen Selbstvergebung und der Radikalen Selbstakzeptanz zu heilen. Dies wird uns ein viel besseres Selbstwertgefühl geben, und unsere Schwingungsenergie deutlich erhöhen.

2. den Selbsthass im kollektiven Bewusstsein – für die Menschheit als Ganzes – zu heilen. Wenn uns das gelingt, werden wir aufhören, unseren Selbsthass in Kriegen und anderen Formen der Aggression auf andere zu projizieren. So gesehen ist das Ziel dieses Buches kein geringeres, als den Weltfrieden zu schaffen, den Planeten zu retten und die Menschheit zu verändern.

Obwohl wir diese hehren Ziele nicht aus den Augen verlieren wollen, liegt der Schwerpunkt dieses Buches ganz klar auf dem ersten Ziel: Ihnen als Individuum zu helfen, Ihren Selbsthass im Prozess der Radikalen Selbstvergebung und Selbstakzeptanz aufzulösen. Dieses Buch ist keine graue Theorie. Es wird Ihnen helfen, mehr Energie und Lebensfreude zu entwickeln.

Doch soweit wir wissen, hat eine einzelne Person, die eine tief greifende Bewusstseinsveränderung durchlebt, einen großen Einfluss auf das kollektive Bewusstsein. Sie werden also, indem Sie sich selbst verändern, einen großen Beitrag zur Heilung des menschlichen Bewusstseins und für den Frieden in der Welt leisten. Und damit helfen Sie auch mir bei der Verwirklichung meines persönlichen Lebensziels: Das Bewusstsein des Planeten durch Radikale Vergebung zu erhöhen und in absehbarer Zukunft eine Welt der Vergebung zu schaffen. Das funktioniert so ähnlich wie das »Prinzip des hundertsten Affen«.

(Die Idee vom Prinzip des hundertsten Affen stammt aus einem Bericht von Forschern, die beobachtet hatten, wie sich Affen verhielten, denen man Süßkartoffeln fütterte. Eines Tages fing ein Affenweibchen damit an, die Kartoffeln vor dem Verzehr im Meer zu waschen, um Sand und Schmutz abzuspülen.

Dies war ein völlig neues Verhalten, das nie zuvor beobachtet worden war, doch sehr bald begannen auch die anderen Affen, ihre Süßkartoffeln zu spülen. Sehr zum Erstaunen der Forscher nahmen aber auch Affen auf anderen Inseln, die dies nicht hatten beobachten können, dieses Verhalten an.

Es schien, als sei dieses Verhalten, nachdem es von einer bestimmten Anzahl von Affen (die Forscher gingen von 100 aus) angenommen worden war, in das Gruppenbewusstsein aller Affen dieser Art eingegangen, ganz gleich, wo auf der Welt sie sich befanden.)

Es scheint immer um Energie zu gehen. Wie alle Lebewesen sind auch Menschen Energiewesen. In seinem Buch Heilende Energie beschreibt Leonard Laskow unseren Körper als komplexe Ansammlung miteinander verwobener Energiefelder.

Und das gilt nicht nur für unseren physischen, sondern auch für unseren feinstofflichen Körper, den die meisten von uns nicht sehen können, der aber dennoch vorhanden ist.

Jeder Mensch ist ein Energiewesen mit einer bestimmten Schwingung, deren Frequenz von vielen Faktoren abhängig ist: allgemeiner Gesundheitszustand, Stress, Sorgen, Ärger, Angst und andere Emotionen. Doch nichts zieht unsere Schwingung so sehr herunter wie Selbsthass.

In seinem Buch Power vs. Force (dt. Titel: Die Ebenen des Bewusstseins) präsentiert David Hawkins eine Rangordnung der Schwingungsfrequenzen, die von bestimmten geistigen Zuständen und den entsprechenden Emotionen verursacht werden:

ZustandWertEmotionErleuchtung700–1000reines BewusstseinFrieden600GlückseligkeitFreude540heitere GelassenheitLiebe500VerehrungVernunft400VerständnisAkzeptanz350VergebungBereitwilligkeit310OptimismusNeutralität250VertrauenMut200BejahungStolz175VerachtungWut150HassVerlangen125GierFurcht100SorgeTrauer75BedauernApathie50VerzweiflungSchuld30VorwurfshaltungScham20Erniedrigung

Wie man sieht, stehen Schuld und Scham ganz unten auf der Liste. Stellen Sie sich vor, wie Schuld, Scham oder beides auf Dauer Ihr Schwingungsniveau senken. Es ist daher nur natürlich, dass wir ein starkes Bedürfnis haben, sie aus unserem Energiefeld zu verbannen.

Vergebung und Akzeptanz hingegen stehen auf der Liste ganz weit oben, nahe oder sogar direkt an dem Punkt, der laut David Hawkins den Übergang zu einer höheren Bewusstseinsebene markiert (350–400). Dies ist der Punkt des Übergangs vom gegenwärtigen, auf Angst basierenden Bewusstsein zu einem Bewusstsein, das auf Liebe und Harmonie gründet, des Wechsels von der dreidimensionalen zur multidimensionalen Realität. Und dieser Übergang findet statt, wenn die kritische Größe im kollektiven Bewusstsein erreicht ist und das Hundert-Affen-Prinzip seine Wirkung entfaltet.

David Hawkins spricht außerdem davon, dass jemand, der zwischen 350 und 400 schwingt, ein Gegengewicht zu etwa 200000 Menschen bildet, deren Schwingungsenergie unter 200 liegt, was derzeit für die Mehrheit der Weltbevölkerung zutrifft. Wenn Sie das erkennen, können Sie durch diese Arbeit einen Beitrag leisten, der mehr bewirkt als nur Ihr eigenes persönliches Wachstum.

Es gibt jedoch eine wichtige Einschränkung. Das Ganze funktioniert nur, wenn Ihr gesamtes Bemühen um Selbstvergebung und Selbstakzeptanz auf Radikaler Vergebung beruht und nicht auf gewöhnlicher Vergebung. Gewöhnliche Vergebung basiert auf einem Opferbewusstsein, das eher zu den niedrigen Schwingungsebenen gehört.

Radikale Vergebung hingegen ist frei von Opferbewusstsein und bewirkt damit eine höhere Schwingungsenergie. Im ersten Kapitel geht es um diesen Unterschied und andere Definitionen, die Ihnen helfen, Klarheit in die Sache zu bringen.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch hilfreich und befreiend für Sie ist und Ihnen neue Wege zu Freude und Glück eröffnet. Herzlich,

Colin Tippingim August 2008

ERSTER TEIL

Vergebung – ein Überblick

1

VORBEUGENDE VERGEBUNG

Ein Buch über Vergebung damit zu beginnen, wie man es vermeiden kann, vergeben zu müssen, mag seltsam erscheinen. Ein Großteil unseres Leidens könnte jedoch verhindert werden, wenn wir fähig wären, in bestimmten Situationen gar nicht erst verärgert zu sein oder uns angegriffen zu fühlen. Das ist mit »vorbeugender Vergebung« gemeint.

Ich bin nicht der Meinung, dass Vergebung durch eine rein gedankliche Entscheidung zu erreichen ist. Die Gründe dafür werde ich später erläutern. Ich glaube jedoch, dass man bewusst entscheiden kann, ob man sich in einer Situation als Opfer fühlt oder nicht. Dies hängt davon ab, wie man das, was einem geschieht, deutet – ob man es zu einer Geschichte von Tätern und Opfern macht oder nicht. (Dies gilt natürlich nicht für kleine Kinder.) Ein wichtiger Teil der Vergebung besteht darin, der Sache auf den Grund zu gehen und genau hinzuschauen: Wie deute ich, was mir im Leben zustößt?

Wenn es uns gelingt, im Augenblick des Geschehens zu erkennen, wie wir es auf eine ganz bestimmte Art und Weise deuten, können wir selbst entscheiden, ob wir uns darüber ärgern wollen oder nicht. Wir müssen diese Entscheidung jedoch sehr schnell treffen, bevor sich der erste Ärger verhärtet und zu etwas Dauerhaftem wird wie zum Beispiel Verstimmung oder gar Verbitterung.

Ärger kann etwas sehr Flüchtiges sein und schnell wieder verfliegen. Verbitterung hingegen hat die Tendenz, sich selbst zu verstärken, und führt dazu, dass wir uns im Kreise drehen. Wir erleben das, worüber wir uns geärgert haben, immer wieder und grübeln darüber nach, was wir hätten sagen oder tun sollen. Verbitterung lässt uns Rachegedanken ausbrüten oder dafür sorgen, dass die Schuldigen bestraft werden.

Verbitterung ist hartnäckig und kann nur durch Vergebung aufgelöst werden. Und dafür ist meiner Überzeugung nach nur Radikale Vergebung wirklich geeignet. Herkömmliche Vergebung reicht hier nicht aus (siehe Kapitel 2).

Ich sage nicht, dass diese Entscheidung leicht ist. Wenn wir uns entscheiden, ein Geschehen als empörend zu deuten, kann unsere Empörung durchaus aus der Überzeugung kommen, dass ein wichtiger Grundsatz verletzt wurde und es sozusagen unsere Pflicht ist, wütend oder aufgebracht zu sein. Wir fühlen uns im Recht. Sollen die Übeltäter, die uns so verletzt haben, etwa ungeschoren davonkommen?

Andererseits ist es gut möglich, dass unsere Empörung auf völlig unzutreffenden Informationen beruht. Das Ganze hat möglicherweise überhaupt nichts mit uns zu tun. Unter anderen Umständen würden wir uns vielleicht gar nicht darüber aufregen. Außerdem schadet zu viel Aufregung ohnehin der Gesundheit. Wie dem auch sei, wir haben die Wahl, ob wir aus dem, was geschehen ist, eine Opfergeschichte machen oder nicht.

Wenn wir etwas tun, was allgemein als falsch gilt, gehen wir natürlich davon aus, dass wir uns schuldig zu fühlen haben. In vielen Fällen ist unsere Schuld jedoch völlig unangebracht. Wir haben nichts getan, womit wir sie uns eingehandelt hätten (siehe Kapitel 6).

Wir entscheiden selbst, ob wir Schuld auf uns nehmen oder nicht. Ein wichtiger Schritt bei herkömmlicher ebenso wie bei Radikaler Vergebung besteht darin zu entscheiden, ob es angebracht ist, sich schuldig zu fühlen, oder nicht.

Diese Entscheidung ist bei der Radikalen Vergebung zwar eine völlig andere als bei der herkömmlichen Vergebung, bleibt aber immer unsere eigene Entscheidung. Wenn es uns gelingt, weniger empört zu sein, keine vorschnellen Urteile zu fällen und etwas weniger mit dem Finger auf andere Leute zu zeigen, kann unser Leben weitaus friedlicher verlaufen – und dann gibt es auch weniger zu vergeben.

Opferbewusstsein

Opfergeschichten sind nichts Ungewöhnliches. Wir können davon ausgehen, dass wir uns alle in vieler Hinsicht als Opfer sehen. Wir brauchen daher Vergebung, wie auch immer sie aussehen mag, um das Opferbewusstsein loslassen zu können.

Eine Opfergeschichte beruht auf der Überzeugung, dass wir auf eine bestimmte Weise von jemandem verletzt wurden und daher nicht in Frieden leben können. Die anderen sind für unser Unglück verantwortlich. All dies ist Teil dessen, was wir »Opferbewusstsein« nennen. Was können wir uns darunter vorstellen?

Opferbewusstsein ist eine Einstellung, die bewirkt, dass wir uns ständig als Opfer anderer sehen: unserer Mitmenschen, der Regierung, der Gesellschaft im Allgemeinen. Alles, was in unserem Leben nicht gut ist, hat seine Ursache in allem und jedem »da draußen«, statt »hier drinnen«. Auf uns selbst bezogen ist Opferbewusstsein die Überzeugung, dass »alles meine eigene Schuld« ist.

Entstehung des Opferbewusstseins

Ich bezweifle, dass das Opferbewusstsein ein Teil unserer frühen Stammeskultur war. Da das Überleben des Stammes auf Zusammenarbeit und gegenseitiger Abhängigkeit beruhte, konnte man es sich nicht leisten, Zeit damit zu vergeuden, sich gegenseitig zu beschuldigen und die Verantwortung auf andere abzuschieben. Wenn es Probleme gab, mussten sie unverzüglich innerhalb der Stammesgemeinschaft gelöst werden. Wahrscheinlich war man mit dem Prinzip vorbeugender Vergebung bestens vertraut.

Mit dem Aufkommen von Stadtstaaten vor etwa 15 000 Jahren wurde alles anders. Wo früher einvernehmliche Zusammenarbeit möglich gewesen war, hatten nun wenige Macht und Einfluss über viele. Das Volk verlor seine Autonomie, wurde ausgebeutet und entmachtet. Das Opferbewusstsein wurde zur vorherrschenden Lebensform. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Opferbewusstsein basiert auf Angst. Es führt zu Kriegen, Kämpfen, Gier, Eifersucht und all jenen Dingen, die dem Frieden und der Harmonie in der Welt entgegenstehen. Es entmachtet nicht nur die Opfer und die Unterdrückten, sondern auch diejenigen, die ihre Mitmenschen zu Opfern machen und Macht über sie ausüben. Opferbewusstsein vergiftet das Leben, körperlich, emotional und spirituell.

Das Bedürfnis nach Vergebung

Noch vor zwanzig Jahren war das Interesse an Vergebung relativ gering. Das lag sicher auch daran, dass man dachte, um wirklich vergeben zu können, müsse man fast ein Heiliger sein. Für gewöhnliche Menschen war es jedenfalls zu viel verlangt. Dies hat sich jedoch geändert. Mittlerweile sind wir uns alle einig, dass jeder Mensch zumindest versuchen sollte zu vergeben. Wir wissen, dass Vergebung gut für uns ist.

Selbst wenn weiterhin unklar ist, wie man Vergebung erlangt, sind ihre positiven Auswirkungen unbestritten. Es gilt mittlerweile als sicher, dass ein Festhalten an Ärger und Verbitterung sehr schlecht für die Gesundheit ist und schwere Erkrankungen wie Krebs und andere hervorrufen kann, ganz zu schweigen von weniger lebensbedrohlichen, aber sehr unangenehmen Nebenerscheinungen. Verbitterung ist hochgiftig.

Eine weitere positive Auswirkung des Vergebens ist, dass man seine Energie anschließend auf die Gegenwart konzentrieren kann, statt an der Vergangenheit festzuhalten. An Verbitterung festzuhalten ist eine gewaltige Energieverschwendung. Wenn Sie vergeben, erhalten Sie diese Energie zurück und können sie verwenden, um Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie es sich in Zukunft wünschen. Zweifellos werden sich dadurch auch Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen, zu Hause wie am Arbeitsplatz, verbessern, weil der Umgang mit Ihnen nun sehr viel angenehmer ist.

2

HERKÖMMLICHE VERGEBUNG

Dies ist die Form von Vergebung, mit der wir aufgewachsen sind und die wir, weil sie so schwierig ist, weiterhin für etwas halten, das wenigen Menschen vorbehalten ist. Obwohl wir alle zu wissen glauben, was Vergebung bedeutet, ist der Begriff zumeist alles andere als klar.

Das Wörterbuch definiert Vergebung als »Loslassen von Zorn und Kränkung« und »Aufgeben von Rachegedanken.« Aber die Frage ist: Wie lässt man los? Gibt es eine Methode, die uns hilft, die Vergangenheit auf sich beruhen lassen? Ein Patentrezept gibt es nicht.

Vergebung ist häufig gleichbedeutend mit Entschuldigung. Doch können wir eine Schuld überhaupt vergeben? Das liegt nicht in unserer Macht. Es wäre eine Anmaßung, sich einzubilden, man könne die Schuld anderer vergeben.

Wir sagen: »Vergeben und vergessen.« Doch wie kann man etwas vergessen, das sich quasi ins Gedächtnis gebrannt hat. Sinnvollerweise müsste es heißen: »Vergeben und erinnern.« Denn nur, wenn wir uns erinnern, können wir lernen, Fehler nicht zu wiederholen.

Robert Enright und die Studiengruppe Menschliche Entwicklung (1991) definierten Vergebung so: »Nicht nur der Entschluss oder die Entscheidung, das eigene Recht auf Zorn und negative Urteile aufzugeben, sondern auch die Notwendigkeit, diese durch Mitgefühl, Großzügigkeit und Liebe zu ersetzen.«

Sich in Gedanken zu entschließen, die eigene Wut aufzugeben und sie durch Mitgefühl zu ersetzen, ist eine Sache. Dies auch umzusetzen, ist etwas völlig anderes. Emotionen werden vom limbischen System gesteuert, nicht von der Großhirnrinde. Mit Gedanken allein können wir nicht entscheiden, welche Gefühle wir haben und welche nicht. Mitgefühl ist keine freie Entscheidung. Man kann sich ebenso wenig entschließen, Mitgefühl zu haben, wie man den Entschluss fassen kann, jemanden zu lieben. Mitgefühl ist entweder da oder nicht.

Paul T. P. Wong sagt über Vergebung: »Im Herzen der Vergebung liegt der Wandel unserer Einstellung und unserer Gefühle, unserer Gedanken und aller rechtmäßigen Ansprüche. Wir allein entscheiden aus freien Stücken, nicht mehr nachtragend zu sein und alle Rachegelüste aufzugeben. Es ist das aufrichtige Bemühen einer verletzten Person, den Angreifer in einem neuen, positiveren Licht zu sehen.

Wir vergeben unseren Feinden, indem wir Mitgefühl für sie haben, und zwar unseren natürlichen Gefühlen der Bitterkeit, der Feindseligkeit und der Angst zum Trotz. Vergebung ist ein freiwilliger, bewusster Akt: Wir sehen über die Fehler und Schwächen unserer Feinde hinweg, tilgen alle ihre Schulden und schlagen ein neues Kapitel auf. Dies ist ein äußerst ehrgeiziges Vorhaben.« Dies ist eine sehr schöne und eloquente Erklärung, aber sie zeigt uns keine praktische Methode auf.

Die Absicht zu vergeben scheint nicht so sehr das Problem zu sein. Die Frage ist, wie man es anstellen kann. Niemand kann uns wirklich sagen, wie man Vergebung leben kann oder wie man sie erkennt, wenn man ihr begegnet.

Charles Griswold, Professor für Philosophie an der Boston University und Autor eines Buches mit dem Titel Forgiveness (»Vergebung«), geht noch einen Schritt weiter. Er besteht darauf, dass es eine Gegenseitigkeit zwischen dem Verletzten und dem Verletzenden geben muss. Zur Vergebung gehören zwei. Damit echte Vergebung stattfinden kann, sagt Professor Griswold, muss der Täter eine Entschuldigung anbieten, und die muss angenommen werden. Ohne eine wie auch immer geartete Wiedergutmachung oder Genugtuung vonseiten des Täters kann man nicht von Vergebung sprechen, meint er.

Pater William Meninger, Trappistenmönch aus Snowmass, Colorado, sagt das genaue Gegenteil. Er geht davon aus, dass Vergebung im Wesentlichen etwas ist, was wir für uns selbst tun müssen, unabhängig davon, ob der Täter irgendeine Art von Reue zeigt. Vergebung vollzieht sich im Innern.

Dem stimme ich zu. Ich würde sogar noch hinzufügen, dass es der Gipfel der Arroganz ist, jemandem zu sagen, dass man ihm vergibt. Die Person, der Sie so großzügig vergeben, ist sich möglicherweise nicht einmal bewusst, dass sie Ihnen etwas angetan hat. Diese Art von »Vergebung« ist nichts weiter als ein Manipulationsversuch und wird bei der anderen Person wahrscheinlich auf Ablehnung stoßen.

Die Definition von Charles Griswold nimmt dem Vergebenden regelrecht die Möglichkeit zu handeln, weil sie die Vergebung vom Täter abhängig macht. Dies verstärkt das Opferbewusstsein und macht das Opfer machtlos, versetzt es sogar in die Lage, sagen zu müssen: »Ich könnte ja vergeben. Doch du lässt es nicht zu.« Oder: »Weil du nicht vergibst, kann ich mich nie von diesen Schmerzen befreien.« Und was ist, wenn die Person nicht mehr lebt? Gibt es dann keine Vergebung? Wohl kaum.

Der Verwirrung liegt meiner Ansicht nach eine Vermischung von zwei Begriffen zugrunde: Vergebung und Versöhnung. Bei der Vergebung kommt es definitiv nur auf denjenigen an, der vergibt, während Versöhnung sicherlich auf Gegenseitigkeit beruhen muss. Sowohl der Verletzte als auch derjenige, der verletzt, müssen die Absicht haben, sich zu versöhnen. Beide Parteien müssen erkennen, dass einer von beiden verletzt wurde, und beide müssen den Wunsch haben, die Wunden zu heilen und die Beziehung zu reparieren.

Bei der Versöhnung ist das Opfer bereit, seinen Zorn und sein Bedürfnis nach Rache aufzugeben, und der Täter wird durch das Angebot einer Entschuldigung oder Wiedergutmachung seiner Schuld enthoben. Man kann annehmen, dass der Täter sich dabei auch selbst vergeben muss. Die Vereinbarung zur Versöhnung kann außerdem eine Art Wiedergutmachung oder sogar Entschädigungszahlungen beinhalten.

Wenn ein Ehepaar versucht, die zerbrochene Beziehung wieder zu heilen, um die Ehe zu retten, ist wahrscheinlich eher Versöhnung als Vergebung gefragt, selbst wenn einer von beiden etwas getan hat, für das Vergebung nötig wäre. Doch um aus der Beziehung wieder eine funktionierende Partnerschaft entstehen zu lassen, ist ein Geben und Nehmen erforderlich, das eher zur Versöhnung als zur Vergebung gehört.

Im Rahmen einer Versöhnung ist es oft erforderlich, dass man sich selbst und dem anderen vergibt. Das ist umgekehrt nicht der Fall. Versöhnung ist keine Voraussetzung für Vergebung.

Neben der Versöhnung gibt es viele andere Begriffe, die oft mit Vergebung verwechselt werden und zur Begriffsverwirrung beitragen. Worte wie Straffreiheit, Billigung und Entschuldigung werden oft im Zusammenhang mit Vergebung verwendet und verwässern die Bedeutung dieses Begriffes oft bis zu einem Punkt, an dem man nur noch von Pseudovergebung sprechen kann.

Wenn es schon so schwierig ist, sich auf eine Definition des Begriffes Vergebung (für andere) zu einigen, um wie viel problematischer muss es dann sein, wenn es um Selbstvergebung geht. In den folgenden Kapiteln werden wir einigen Problemen, die wir mit Selbstvergebung haben, auf den Grund gehen.

Die Diskussion über das Wesen der Vergebung wird wohl noch lange weitergeführt werden, doch in einem Punkt ist man sich weitgehend einig: Herkömmliche Vergebung ist extrem schwierig, und nur sehr wenigen Menschen gelingt es jemals, sie zu praktizieren. Einen Beweis dafür braucht es kaum. Wir brauchen nur in unserem eigenen Leben zu schauen, was passiert, wenn wir die Absicht haben, jemandem zu vergeben. Wirkliche Vergebung ist so selten, dass Menschen, denen sie tatsächlich gelingt, häufig Prominentenstatus erhalten und in Talkshows auftreten.

Ein Beispiel dafür ist die Frau, die in einer großen US-Talkshow zu Gast war und dort berichtete, sie habe dem Mörder ihres Sohnes vergeben. Nicht nur das, sie hat ihn sogar mehrmals in seiner Todeszelle besucht und ihn zum Essen in ihr Haus eingeladen. Oprah Winfrey, die Gastgeberin der Talkshow, machte keinen Hehl daraus, dass sie dies kaum glauben konnte. Ich nehme an, dass es 99,9 Prozent ihrer Zuschauer genauso ging. Ich nenne diese Art von Vergebung außergewöhnliche Vergebung, denn sie ist extrem selten.

Paul T. P. Wong fasst das Problem der herkömmlichen Vergebung folgendermaßen zusammen: »Vergebung ist nicht möglich, ohne das innere Ringen, das damit verbunden ist, alle Verbitterung und alle schmerzhaften Erinnerungen loszulassen. Dies ist häufig ein langer und schwieriger Prozess, da die alten Wunden oft viele Jahre lang nicht heilen. Vergebung braucht Zeit und ist mit harter Arbeit verbunden.«

Ich glaube, der Grund, warum es so lange dauert und so schwierig ist, besteht darin, dass wir bei der herkömmlichen Vergebung versuchen, zwei widersprüchliche Energien auszugleichen: den Wunsch zu vergeben und das Bedürfnis zu verurteilen. Das liegt daran, dass wir bei der herkömmlichen Vergebung mit beiden Beinen fest im Opferbewusstsein stehen bleiben.

Bei der herkömmlichen Vergebung wird vorausgesetzt, dass der Täter dem Opfer etwas »Böses« getan und das Opfer in der Folge darunter gelitten hat. Das Bedürfnis, die andere Person zu beschuldigen und verantwortlich zu machen, bleibt sehr stark erhalten, ganz gleich, wie stark der Wunsch nach Vergebung ist.

Es scheint mir, dass Vergebung so gut wie unmöglich ist, solange man sich aufgrund dessen, was passiert ist, als Opfer fühlt. Für die meisten Menschen steht dies jedoch außer Frage. Ich habe keinen Zweifel, dass diese beiden Energien nicht miteinander in Einklang gebracht werden können. Das erklärt, warum nicht nur Oprah Winfrey kaum glauben konnte, dass es dieser Frau gelungen war. Ich konnte es auch nicht glauben. Das Bedürfnis zu verurteilen ist in 99,9 Prozent aller Fälle stärker.

In den kommenden Kapiteln werden wir einige begriffliche und existenzielle Fragen behandeln, die mit Selbstvergebung zu tun haben. Ich bin froh, dass keines dieser Probleme mit Definition oder Methodik die Radikale Vergebung betrifft. Da Radikale Selbstvergebung und Selbstakzeptanz auf den gleichen Prinzipien beruhen, sind auch sie nicht von diesen Problemen betroffen.

Im dritten Teil werde ich genau erklären, was es mit der Radikalen Vergebung auf sich hat, vor allem hinsichtlich der Selbstvergebung. Doch fürs Erste soll eine kurze Beschreibung der Merkmale genügen, die diese Form der Vergebung von der herkömmlichen Vergebung unterscheidet.

3

RADIKALE VERGEBUNG

Diese Form von Vergebung ist etwas völlig anderes als die herkömmliche Vergebung, sowohl in Bezug auf die Grundvoraussetzungen als auch hinsichtlich der Schnelligkeit und Leichtigkeit, mit der positive Ergebnisse erzielt werden können. Die Merkmale der Radikalen Vergebung sind:

a) Sie erfordert keine besonderen Begabungen oder Fähigkeiten. Jeder kann sie praktizieren, selbst die größten Skeptiker. Sie funktioniert immer. Radikale Vergebung basiert auf der Annahme, dass es keinen Zufall gibt und dass unsere Seele die Geschicke unseres Lebens zugunsten unserer spirituellen Entwicklung bestimmt hat. Es ist aber nicht notwendig, daran zu glauben. Erforderlich ist nur die Bereitschaft, die Möglichkeit, dass es so sein könnte, zuzulassen.

b) Da sich all dies auf der Energieebene abspielt, geschieht es jenseits der Grenzen von Zeit und Raum. Was die Radikale Vergebung für alle Beteiligten sowie für die Ereignisse, die ursprünglich zu den Verstimmungen geführt haben, bewirkt, ist nicht an Zeit und Entfernungen gebunden.

c) Es gibt bei der Radikalen Vergebung keinen zwangsläufigen Konflikt zwischen dem Bedürfnis zu verurteilen und dem Wunsch zu vergeben, da aus spiritueller Sicht nichts Falsches passiert ist und es daher nichts zu vergeben gibt. Es gibt keine Verurteilung. Deswegen ist auch keine Vergebung erforderlich. Darum geht es überhaupt nicht.

d) Aus diesen Gründen befreit uns die Radikale Vergebung vom Opferbewusstsein. Aus spiritueller Sicht gibt es keine Opfer und keine Täter – nur Lehrer und Lernende.

e) Anders als die herkömmliche Vergebung beinhaltet die Radikale Vergebung eine einfache, bewährte und praktische Methodik. Sie stellt Werkzeuge zur Verfügung, mit denen jeder, der es möchte, einen radikalen Vergebungsprozess durchlaufen kann oder auch mehrere – jederzeit, überall und aus allen möglichen Gründen.

Die Werkzeuge sind unkompliziert und einfach anzuwenden. Sie erfordern kein Training und keine besonderen Fähigkeiten. Bei ihrer Anwendung spielt der Verstand nur eine Nebenrolle. Die eigentliche Vergebung spielt sich nicht auf der gedanklichen Ebene ab. Radikale Vergebung wird von unserer spirituellen Intelligenz bewirkt, einem Teil von uns, der unser wahres Wesen kennt und direkt mit der universellen Intelligenz verbunden ist. (Wenn Sie Ihre universelle Intelligenz als Gott bezeichnen, stimmen Sie mit den meisten Weltreligionen überein, die alle davon ausgehen, dass nur Gott uns vergibt, nicht wir selbst.) In diesem Sinne könnte man sagen, dass die Werkzeuge der Radikalen Vergebung eine weltliche Form des Gebets sind. Sie funktionieren aber auch für Atheisten und Agnostiker. Niemand ist ohne spirituelle Intelligenz. Jeder besitzt sie zu einem bestimmten Grad.

f) Bei der Radikalen Vergebung liegt die Entscheidung, loszulassen, den Groll aufzugeben, Mitgefühl zu empfinden und all die anderen Dinge zu tun, die man angeblich zu tun hat, nicht bei Ihnen selbst (Ihrem Ego). All dies geschieht automatisch, wenn Sie von ihren Werkzeugen Gebrauch machen.

g) Die Werkzeuge führen Sie durch fünf Phasen:

die Geschichte erzählensich auf Gefühle einlassendie Geschichte auseinandernehmendie Geschichte neu fassenden Wandel integrieren

Die ersten drei Phasen sind allen, die mit herkömmlicher Vergebung vertraut sind, bekannt, während die beiden letzten Radikale Vergebung als etwas völlig anderes auszeichnen. Sie entspringen einer völlig anderen Weltsicht und machen Radikale Vergebung zu mehr als Vergebung. Wer sie erlebt, sieht die Welt mit anderen Augen und öffnet sich für eine völlig neue Einstellung dem Leben gegenüber. Im vierten Teil werden wir die einzelnen Phasen im Detail vorstellen.

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SELBSTVERGEBUNG IST KEINE LEICHTE SACHE

Wenn Sie der Meinung sind, dass schon gewöhnliche Vergebung (für andere) nicht gerade einfach zu definieren ist, können Sie sich bestimmt vorstellen, welche Schwierigkeiten es mit der Selbstvergebung gibt, auch wenn das Problem mit der Gegenseitigkeit dabei keine Rolle spielt. Oder vielleicht doch?

Bei der Selbstvergebung dreht sich alles um eine einzige Person, und das allein ist schon ein Problem. Denn der Begriff »Vergebung« scheint ja zu beinhalten, dass es jemanden gibt, der vergibt, und jemanden, dem vergeben wird. Damit Vergebung überhaupt Sinn macht, erfordert sie ein Subjekt (jemanden, der vergibt) und ein Objekt (jemanden, dem vergeben wird).

Wenn wir anderen vergeben, wird diese Voraussetzung erfüllt, es gibt es also kein Problem. Bei der Selbstvergebung ist dies jedoch anders. Der, der vergibt, (Subjekt) und der, dem vergeben wird, (Objekt) sind ein und dieselbe Person.

Logisch betrachtet ist dies ein Problem. Subjekt und Objekt können nur im Verhältnis zueinander existieren. Daher ist es unmöglich, dass beide miteinander identisch sind.

Wenn wir also davon sprechen, »uns selbst zu vergeben«, wer vergibt dann und wem wird vergeben? Und an wen oder was wenden wir uns, wenn wir uns selbst um Vergebung bitten?

Bei der Selbstvergebung ist dies ist keine rein philosophische, sondern eine durchaus praktische Frage. Wenn man gleichzeitig derjenige ist, der vergibt und dem vergeben wird, ist es so, als wäre man Kläger, Richter, Geschworener, Zeuge und Verteidiger, alles zur gleichen Zeit.

Es ist daher nicht einfach, ein vernünftiges Gespräch mit all den verschiedenen Parteien anzufangen und praktisch unmöglich, Klarheit in die Auseinandersetzung zu bringen, wenn man nicht einmal weiß, wer jeweils gerade zu wem spricht. Das heißt, wir müssen erst einmal definieren, wer wir »selbst« eigentlich sind.