Raffael - Band 2 - Eugène Müntz - E-Book

Raffael - Band 2 E-Book

Eugène Müntz

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Raffael - Band 2

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Eugène Müntz

Raffael

Band 2

Die Befreiung des Apostels Petrus

Autor:

Eugène Müntz

Redaktion der deutschen Ausgabe:

Klaus H. Carl

Layout:

Baseline Co. Ltd

61A-63A Vo Van Tan Street

4. Etage

Distrikt 3, Ho Chi Minh City

Vietnam

© Confidential Concepts, worldwide, USA

© Parkstone Press International, New York, USA

Image-Barwww.image-bar.com

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-78525-716-2

Inhalt

Einleitung

Umbrien

Florenz

Rom

Rom Stanze di Raffaello

Rom Madonnen und Porträts

Rom Ausgestaltung des Vatikans

Rom Die letzten Jahre

Zeichenbuch

Biografie

Abbildungsverzeichnis

Der Evangelist Johannes, Detail aus der Heiligen Cäcilia, 1513. Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 236 x 149 cm. Pinacoteca Nazionale di Bologna, Bologna.

Einleitung

Im Jahr 1500 trat Raffael in das Atelier Peruginos ein, und nur drei oder vier Jahre später hatte sich sein Ruf in Umbrien gefestigt. Von dort aus ging der junge Künstler 1504 direkt nach Florenz, um in der italienischen Hauptstadt der Kunst sein Glück zu machen. Nie wäre er ohne die strenge Ausbildung, die er dort erhielt, zu dem unvergleichlichen Zeichnermeister geworden, der unter Julius II. und Leo X. arbeitete und die Römische Schule begründete. Im Jahr 1508 begab sich Raffael in die Ewige Stadt. Während ihm die Umgebung von Florenz die anmutigsten Eindrücke geboten hatte, waren es hier, in den weiten, von zahlreichen Bergen begrenzten Ebenen, die Eindrücke von Strenge und Vornehmheit. Doch wie eindrucksvoll das Werk der Natur auch war, standen ihm die von Menschenhand geschaffenen in Nichts nach: die gewaltigen Linien der Aquädukte und die prachtvoll gereihten Gräber an der Via Appia hoben sich von einer Landschaft, die wie für ein unabhängiges Volk gemacht war, ab.

Umbrien

Das Wesen der umbrischen Kunst lag in ihrem ausschließenden Charakter, denn Ausflüge in die säkulare Welt und darüber hinaus in die Welt der antiken Klassik waren ihren Schülern aufgrund religiöser Skrupel und mangelnden Wissens verboten. In Perugia erhielt Raffael seine ersten Einführungen und wurde mit den Methoden der Umbrischen Schule vertraut gemacht. Perugia war jedoch nicht die einzige Stadt in Umbrien, die eine wichtige Rolle in Raffaels frühen Jahren spielte, da ihn auch Città di Castello herzlich empfing.

Umbrien war Raffael eine zweite Heimat geworden. Während er sich den Einflüssen der Schönheit der Region und den mystischen Neigungen seiner Bewohner hingab, entwi-ckelten auch die Umbrier eine enge Beziehung zu Raffael und dank ihrer großherzigen und frommen Gemütsart konnte Raffael einige seiner meist bewunderten Gemälde schaffen. Diese Ermutigungen waren notwendig, um ihn vor der Niedergeschlagenheit zu bewahren, die ihn ergriffen hätte, nachdem sein Meister Perugino Umbrien verlassen hatte, und Raffael blieb zum Zeichen seiner Dankbarkeit in Umbrien, bis er 1508 nach Rom ging.

Wenn er noch immer den für die Umbrische Schule charakteristischen Typen, besonders in Bezug auf die Madonnen, anhing, so nur, weil ihn Umbrien selbst mit vielen dieser zarten und gedankenvollen Antlitze, die sich durch tiefe religiöse Zufriedenheit statt bloßer Schönheit auszeichneten, versorgte. Für einen Spiritualisten wie ihn war das Malen der Seele eine höhere Aufgabe als das Malen des Körpers. Man findet bereits hier einen großen Anteil von Landschaftsmalerei in den Gemälden Raffaels. So wurde die Bergkette im Hintergrund der Madonna Conestabile (Bd. 1, S. 35) nach der Natur in der Nähe Perugias gemalt. Vielleicht ließ sich Raffael vom Trasimenischen See inspirieren, denn auf dem Bild lässt sich ein breites Gewässer erkennen, auf dem Fischer in ihrem Boot rudern. In seinen ersten Versuchen auf dem Feld der Landschaftsmalerei bemühte sich Raffael wie Perugino, die Genauigkeit und die Trockenheit der umbrischen Maler durch einfache Konturen und weite Entwürfe zu ersetzen.

Trinitätsbanner: Die heilige Dreieinigkeit mit dem heiligen Sebastian und dem heiligen Rochus, um 1499. Leinwand, 166 x 94 cm. Pinacoteca Comunale, Città di Castello

Dieses Banner existiert noch immer, allerdings in einem ruinösen Zustand. Es wurde aus der Trinitätskirche, für die es gemalt wurde, entfernt und in die Städtische Pinakothek von Città di Castello gebracht. Raffael sah es nicht als unter seiner Würde an, diesen Befehl zu akzeptieren, wissend, dass die berühmtesten Maler froh waren, diese Banner, die einen Ehrenplatz während der Prozessionen einnahmen und im Allgemeinen so gut bezahlt waren wie Ölgemälde, zu malen. Die Umbrische Schule hatte sozusagen ein Monopol auf sie, und Perugino gab seinem Schüler anhand von vierzehn kleinen Standarten für die Panicale-Kirche, in der sie für die Corpus Domini-Prozession verwendet wurden, ein Beispiel.

Auf der einen Seite des Banners hat Raffael Gottvater auf einer Wolke der Herrlichkeit sitzend und ein Kruzifix in beiden Händen haltend dargestellt, während über ihm der Heilige Geist schwebt. Im unteren Teil sieht man links den heiligen Sebastian und rechts den heiligen Rochus, beide kniend und den Blick auf Gott gerichtet. Auf der anderen Seite wird Gott gezeigt, wie er auf den schlafenden Adam zugeht, während darüber zwei Engelsfiguren zu sehen sind. Passavant, von dem diese Details stammen, fügt hinzu, dass die Gemälde auf leicht behandelten Leinwänden gemalt und mit einem blauen, mit goldenem Flechtwerk und Palmenmuster verzierten Rand ausgestattet worden sind; der Buchstabe R auf dem Rand des von Gott getragenen Gewands ist die Signatur, und das gesamte Werk, obwohl im Stile Peruginos entworfen, hat doch besonders in Bezug auf die Landschaft mehr Weite und Anmut.

Engelsbüste, Detail aus der Palavom seligen Nikolaus von Tolentino (Fragment des Baronci-Altarbildes), 1500-1501. Öl auf Holz, 31 x 27 cm. Pinacoteca Tosio Martinengo, Brescia

Die für die Kirche St. Augustinus angefertigte Pala vom seligen Nikolaus von Tolentino blieb bis 1789 in Città di Castello, als sie für die Summe von 1000 römischen Talern an Papst Pius VI. verkauft wurde. Das Bild war auf Tafel gemalt worden und aufgrund seiner Größe schwer zu transportieren. Da es nur im oberen Teil beschädigt wurde, ließ der Papst es in zwei Teile sägen, um aus dem unteren Teil ein eigenständiges Gemälde zu machen, während die oberen Figuren zu jeweils eigenen Bildern wurden. Diese Fragmente konnten bis zum Einmarsch der französischen Armee in Rom im Jahre 1798 im Vatikan betrachtet werden, als sie zweifellos in einer Auktion gemeinsam mit Raffaels Wandteppichen und vielen anderen, seitdem verschollenen Gegenständen verkauft wurden.

Dank der Beschreibungen Lanzis und Pungileonis, und auch dank zweier in Oxford beziehungsweise Lille aufbewahrter Zeichnungen ist es möglich, eine einigermaßen genaue Beschreibung des Gemäldes vorzulegen. Laut Lanzi stellte Raffael den heiligen Nikolaus, während dieser von der Jungfrau und dem heiligen Augustinus, die halb hinter einer Wolke versteckt sind, gekrönt wurde, dar. Unterhalb der Füße des heiligen Augustinus befindet sich die niedergeworfene Figur eines Dämons und zur Rechten und Linken befinden sich zwei Engel, die Inschriften zur Ehre des Heiligen halten. Im oberen Teil sieht man die majestätische Gestalt des von einer Engelsglorie umgebenen Allmächtigen. Eine Art Tempel mit im Stile Mantegnas ausgestalteten Pilastern bildet den Rahmen für die Komposition; die Draperien entsprechen der Mode der Zeit. In diesem Gemälde stellte Raffael den Teufel nicht in der gewohnten Abscheulichkeit dar, sondern verlieh ihm die Erscheinung einer schwarzen Gestalt.

Engel mit Spruchband, Detail aus der Palavom seligen Nikolaus von Tolentino (Fragment des Baronci-Altarbildes), 1500-1501. Öl auf Holz, 58 x 36 cm. Musée du Louvre, Paris

Die Skizze aus Lille unterscheidet sich nur leicht von Lanzis Beschreibungen. Der in der Mitte platzierte heilige Nikolaus, der ein Buch in der einen und ein Kreuz in der anderen Hand hält, ist nackt. Darüber sieht man das Halbporträt eines jungen Mannes in eng anliegender Kleidung der Zeit – es handelt sich um eine Studie für die Figur des Allmächtigen –, während die beiden Figuren an der Seite die Jungfrau und den heiligen Augustinus darstellen; beide als Halbporträt ausgeführt. Das Ganze wird von zwei Säulen, die ein Bogen überragt, umrahmt.

Die Pala vom seligen Nikolaus von Tolentino entspricht nicht der traditionellen Ansicht, und andere Maler hätten, wie Lanzi bemerkt, ihre Figuren um den Thron der Jungfrau gruppiert und hätten sie in eine der im 15. Jahrhundert so beliebten ‚frommen Unterhaltungen‘ eingebettet. Raffael dagegen richtet den Fokus voll und ganz auf den Heiligen, zu dessen Ehre das Bild gemalt wurde; seine Komposition ist in Wahrheit eine Apotheose, die sowohl den Sieg des heiligen Nikolaus über den Dämon, der ausgestreckt am Boden liegt, als auch seinen himmlischen Triumph feiert. Die Kraft dieser Konzeption sollte mit den weichen Konturen und dem allgemeinen Bedürfnis nach Charakter verglichen werden, dem Perugino und seine Schüler so zugeneigt waren. Raffael gibt sich nicht damit zufrieden, mit seinem ungewöhnlichen Geschick einfach ein altes Programm auszuführen; er hebt sich von seinen Vorgänger durch seine Erfindungen wie durch seinen Stil ab.

Die Kreuzigung Christi mit der Jungfrau Maria, Heiligen und Engeln oder Die Mond-Kreuzigung, um 1502-1503. Öl auf Pappelholz, 283,3 x 167,3 cm. National Gallery, London

Die Mond-Kreuzigung, die von der Gavari-Kapelle der Dominikanerkirche über Umwege ihren Weg in die National Gallery in London gefunden hat, zählt zu den wichtigsten Werken Raffaels. Das Motiv entsprach zugegebenermaßen nicht dem Genius des Künstlers, dennoch ist es verständlich, dass er sich bereits entwickelter Ideen bediente. In dem Maße, wie er bei der Darstellung von Würde und Schönheit seinen Geist und seine Inspiration zeigt, zeugen seine Werke von der Unentschlossenheit bei der Darstellung von Leidenschaft und Trauer, und zwar zu jedem Zeitpunkt seiner jungen Schaffensjahre, sodass man der Vorstellung verfällt, dass es für Leid und Übel in einer solch himmlischen Seele keinen Platz gab.

Während Michelangelo uns durch den Anblick moralischer und körperlicher Qualen in Erstaunen und Schrecken versetzt, interpretiert Raffael ruhige und pure Gefühle und scheitert immer dann, wenn er versucht, sein Talent zu erzwingen; denn selbst die Grablegung zeugt trotz ihrer zahlreichen Schönheiten von der zu großen Anstrengung. Es folgt, dass das vorherrschende Charakteristikum in der Mond-Kreuzigung das sanfter Resignation ist, ohne das rührende Leiden, das Giotto, Mantegna und Signorelli in ihre Kompositionen eingebracht haben.

Krönung Mariä (Pala Oddi), 1502-1504. Öl und Tempera auf Holz, auf Leinwand übertragen, 272 x 165 cm. Pinacoteca Vaticana, Musei Vaticani, Vatikanstadt

Kurz nach der Abreise seines Meisters (Perugino) beauftragte eine Dame aus einer der wohlhabendsten Familien Perugias, Maddalena degli Oddi, Raffael, die Krönung Mariä für die Kirche des heiligen Franziskus zu malen. Da die Oddi nach dem Sturz Cesare Borgias im August 1503 verbannt wurden, muss dieses Werk im Frühjahr desselben Jahres beendet worden sein. Das Bild setzt sich aus zwei Partien zusammen. Die eine zeigt die um das Grab der Jungfrau versammelten Apostel, genau wie in Darstellungen der Mariä Himmelfahrt, die andere zeigt den auf Wolken sitzenden Christus inmitten einer Engelsglorie, der eine Krone auf das Haupt seiner Mutter setzt. Einige der Apostel blicken nach oben, wo der Betrachter Christus und seine Mutter sieht. Diese Haltung reicht aus, um eine Verbindung zwischen den beiden Szenen herzustellen und somit dem Werk den Eindruck von Einheit zu verleihen.

Der von Raffael ausgewählte Moment zeigt die Apostel, nachem sie das Grab der Jungfrau erreicht haben. Einige von ihnen sind erstaunt, das Grab leer vorzufinden und schauen in den Sarkophag, in dem Lilien und Rosen den Platz des Körpers eingenommen haben. Während einige, darunter auch Paulus, von Staunen übermannt werden, blicken andere für eine Erklärung des Mysteriums gen Himmel und ihre Augen leuchten vor Freude bei dem freudigen Spektakel, das sich ihnen bietet.

Unterhalb der Krönung Mariä befand sich früher eine Predella, auf der in viel kleineren Dimensionen Szenen aus dem Leben Christi und seiner Mutter nachgezeichnet wurden, die das Hauptgemälde ergänzten. Diese Predella befindet sich, wenn auch abgetrennt vom Hauptteil des Werkes, im Vatikan. Raffaels Predella stellt in drei, von roten Arabesken auf schwarzem Untergrund untergliederten Bereichen Die Verkündigung, Die Anbetung der Könige und Die Darbringung im Tempel dar.

Darbringung im Tempel (Predellatafel der Pala Oddi), 1502-1504. Öl und Tempera auf Holz, auf Leinwand übertragen, 39 x 190 cm. Pinacoteca Vaticana, Musei Vatican, Vatikanstadt

Hier wie auch in der Verkündigung wählte Raffael einen gleichzeitig einfachen, aber beeindruckenden architektonischen Rahmen. In der Bildmitte steht der gealterte Simeon, der die einzige Person mit einem Heiligenschein ist und von Maria das neugeborene Jesuskind mit einer anmutigen und bescheidenen Geste entgegennimmt. Doch das Kind fürchtet sich vor dem Fremden und dreht sich in Richtung seiner Mutter und streckt die Arme aus, als würde es um ihre Hilfe flehen. Hier zeigt sich die Natürlichkeit, die Raffaels Beobachtungsgabe bezeugt. Josef von Nazaret vervollständigt die Gruppe, deren Anordnung perfekt ist. Am linken und rechten Rand des Bildes befinden sich zum einen die Männer und zum anderen die Frauen, von denen eine die traditionellen Turteltauben als Geschenk trägt. Die Gewänder entsprechen denen des 15. Jahrhunderts: rote, schwarze oder grüne Schuhe, fantasiereich geformte Filzhüte und lange Mäntel.

Die Verkündigung (Predellatafel der Pala Oddi), 1502-1504. Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 39 x 190 cm. Pinacoteca Vaticana, Musei Vatican, Vatikanstadt

Die Szene, in der Maria von dem himmlischen Boten die Gewissheit ihrer zukünftigen Größe erhält, findet unter einer erhabenen und eleganten, von korinthischen Säulen getragenen Portikus statt. Es weht ein ungehinderter Luftzug durch dieses wunderbare und harmonische Stück Architektur, das von der Renaissance erzählt, und die ruhige Landschaft im Hintergrund fügt sich in die Heiterkeit und Geräumigkeit der Komposition ein. Ein Rahmen dieser Art war dazu gedacht, die Figuren hervorzuheben, sodass Raffael sie nicht vervielfältigen musste, um die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Rechts sitzt die Jungfrau mit einem Buch auf ihren Knien, leicht den Kopf beugend und voller Offenheit und Ergebung; von links bewegt sich ein Engel, das Gesicht voller Freude, zügig auf sie zu; und im Hintergrund steigt Gottvater empor und bestätigt die Verheißung seines Boten; dies sind die einzigen Akteure dieser Szene, zugleich so vollendet und harmonisch.

Die Anbetung der Könige (Predellatafel der Pala Oddi), 1502-1504. Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 39 x 190 cm. Pinacoteca Vaticana, Musei Vatican, Vatikanstadt

In einem solchen Thema steckte viel, das einen jungen Maler zugleich reizte und einschüchterte, aber Raffael ließ sich von der letzteren Überlegung nicht zurückhalten und schritt entschlossenen Mutes zur Tat. Für ein Gemälde aus der Umbrischen Schule, das diesem in Lebendigkeit, Bewegung, Anmut und Kraft gleichkommt, muss man bis zur 1423 von Palla Strozzi gemalten Anbetung der Könige zurückgehen, das bei seiner Erscheinung die wärmsten Bewunderungen unter den Künstlern Florenz‘ hervorrief. Diese beiden innerhalb eines Zeitraums von achtzig Jahren gemalten Bilder zeichnen sich durch das gleiche Feuer und überschwängliche Leben der männlichen Figuren, wie die gleiche exquisite Anmut der Figur der Jungfrau aus; dazu die gleiche Lebhaftigkeit, die allerdings im Falle Raffaels, der die Anzahl der Personen von siebzig auf fünfzehn reduzierte und mit einfacheren Mitteln ähnlich ergreifende Effekte erzielte, konzentrierter erscheint. Rechts, neben einer verfallenen Hütte, sitzt die Jungfrau mit ihrem Sohn auf dem Schoß, dem einer der Könige kostbare Geschenke darbietet. Hier übertrifft Gentile seinen jungen Rivalen. In seinem Bild küsst der älteste der Weisen, ausgestreckt vor dem Jesuskind, demütig seine Füße, während das Kind feierlich seine Hand auf den Kopf des Anbeters legt. Diese Szene, die durch den Reichtum der Gewänder erhöht wird, hat eine Feierlichkeit an sich, an der es Raffaels Werk mangelt, und wirkt wie ein finales Echo der Herrlichkeit des Mittelalters. Die Jungfrau strahlt vor Freude, während die Haltung und das Gesicht des Kindes sowohl Neugierde als auch Überraschung ausdrücken. Hinter der Hauptgruppe platzierte Raffael, einer seiner kühnen Eingebungen folgend, drei Schäfer, die durch die Einfachheit ihrer Kleidung und die Bescheidenheit ihrer Gabe (ein Lamm) in Kontrast zur Herrlichkeit der drei Könige stehen. Bis dahin waren die beiden Szenen – die Anbetung der Könige und die der Hirten – immer separat dargestellt worden. Indem er sie miteinander verband, zeigte der Künstler, wie sorgfältig er die Bedeutung des Evangeliums gemeistert hatte und wie gut er gelernt hatte, den menschlichen und berührenden Teil seiner Seiten hervorzubringen.

Es wird im Folgenden noch häufiger die Gelegenheit geben, auf Raffaels Bibelwissen zu verweisen, das selbst in seinen jungen Jahren das von den anderen Künstlern dieser Zeit an den Tag gelegte überragte. Der übrige Teil der Komposition knüpft, wenn auch in einer anderen Stimmung gehalten, an deren Anfang an, da die zwei anderen Könige und ihr aus schneidigen Reitern zusammengestelltes Gefolge in gedankenvoller Bewunderung das sich vor ihren Augen abspielende Ereignis bestaunen, während die Szene von ein paar prächtig gemalten Pferden komplettiert wird. Die linke Gruppe wurde mit perfekter Kunstfertigkeit zusammengesetzt, und Raffael überflügelte seinen Meister, indem er eine Linienführung, eine Ausgewogenheit der Massen sowie eine Freiheit und Korrektheit der Bewegung anwandte, zu der Perugino nie in der Lage war.

Der heilige Michael besiegt den Drachen, 1503-1505. Öl auf Holz, 29 x 25 cm. Musée du Louvre, Paris

Das Gemälde des heiligen Michaels ist von anderer Art, denn während der heilige Georg