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Ich hätte die Wahrheit sagen sollen. Wirklich. Nur, weil ich einen Kerl beeindrucken wollte, bin ich jetzt auf dem Weg ins exotische und fremde Düsseldorf, im Gepäck ein Koffer voll Selbstzweifel und auf dem Fahrersitz mein bester Freund Kyo. Kyo, der immer wieder behauptet, dass er mich ins Bett kriegen will. Aber das meint er nicht ernst, oder? Das kann er gar nicht ernst meinen ... Diese Kurzgeschichte ist auch in der Sammlung »Kuss & Gut 1« enthalten.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Impressum
Ramen am Rhein
Text Copyright © 2018 Regina Mars
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.
Regina Mars
c/o Block Services
Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
www.reginamars.de
Alle Rechte vorbehalten
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
»Das war's«, seufze ich und lasse meine Stirn auf den schmierigen Tresen sinken. Schaler Biergeruch dringt in meine Nasenlöcher. Zuckerkörner und abgebrochene Cocktailschirmchen drücken sich in meine Haut. Dieser Tresen ist wirklich äußerst schmierig. »Ich hab's schon wieder verbockt. Und er war … Er ist so ein Traumtyp! Hast du ihn gesehen?«
»Ließ sich nicht vermeiden«, brummt Kyo, der Besitzer des schmierigen Tresens. Sonnenstrahlen dringen durch die Fenster der Bar und bringen seine tiefschwarzen Haare zum Aufleuchten. Ich suche in seinem Gesicht nach Mitleid. Vergebens. »Was beschwerst du dich? Er ist doch mit dir nach Hause gekommen, wenn ich recht gesehen habe.«
»Ja, schon. Er meinte sogar, ich wäre ganz nett.« Ich räuspere mich. Zucker bröckelt von meiner Wange. »Aber es gibt ein Problem. Ich … Sag mal, hast du einen Lappen? Das ist ja ekelhaft.«
Kyo verdreht die Augen und wirft mir einen feuchten Aufnehmer hin. Mit aller Kraft schrubbe ich den Tresen, während ich überlege, ob ich die Geschichte irgendwie so drehen kann, dass ich nicht wie ein totaler Volltrottel dastehe. Kann ich nicht.
Zögernd sehe ich zu Kyo auf, der soeben ein frisches Fass an den Zapfhahn anschließt. Wir sind allein in seiner Bar. Er macht erst in einer Stunde auf und die Stühle liegen noch umgedreht auf den Bambustischen. Die gigantischen Voodoostatuen könnte er auch mal wieder abstauben. Scheint aber nicht so wichtig zu sein. »Kyos Tikitempel« ist jedes Wochenende voll, was nicht zuletzt an Kyo selbst liegt. Unauffällig beobachte ich seine freien Arme. Tattoos schlängeln sich über pralle Muskeln und als er sich streckt, sehe ich mehrere Zentimeter Sixpack aus seinem Shirt herausblitzen. Schnell schaue ich wieder weg. Mein bester Freund muss mich wirklich nicht dabei erwischen, wie ich ihn anstarre.
»Jetzt rück raus damit.« Er reibt sich die Augen. »So früh am Morgen habe ich keine Zeit für dein Rumgedruckse.«
»Es ist Nachmittag«, murmele ich. »Später Nachmittag. Nicht meine Schuld, dass du gerade erst aufgestanden bist.«
»Du doch auch.« Ein spitzer Eckzahn blitzt, als er mir zugrinst.
»Hab halt Nachtschicht.« Inzwischen ist der Tresen blitzblank und der Lappen abscheulich. Ich halte inne. »Ich habe ihm Blödsinn erzählt.«
»Was, du? Hast du wieder so getan als wärst du ein Feuerwehrmann?« Ein heiseres Lachen. »So wie letztes Jahr? Dass der Kerl dir das geglaubt hat, fasse ich immer noch nicht.«
»Ich wollte nicht … Ich bin so langweilig. Feuerwehrmann klingt halt interessanter als Krankenpfleger. Echt, ich schäme mich ja dafür und ich schwöre mir jedes Mal, dass ich damit aufhöre, aber … irgendwie rutscht mir dauernd sowas raus. Letzte Woche hatte ich so einen süßen Patienten und ich hab ihm«, ich traue mich kaum, aufzusehen, »erzählt, dass ich Feuer spucken kann.«
Kyo lacht noch lauter. »Was, wie ein Drache?«
»Nein, wie ein Feuerspucker. Ich hab gesagt, ich würde auf Mittelaltermärkten auftreten.«
»Und, hat er einen Beweis verlangt?«
»Ne. Eh egal, seine Freundin ist im nächsten Moment ins Zimmer gekommen.« Ich kratze mir die Nase. Für mich ist die Wahrheit eine vereiste Fahrbahn und ich durchbreche oft genug die Leitplanken. Nicht aus Bosheit, sondern weil ich einfach der ödeste Mensch der Welt bin. »Der Typ gestern, der …«
»Was hast du ihm erzählt?« Kyo lehnt die Arme auf die Bar und sieht mich interessiert an. Seine Mandelaugen blitzen. Er ist Halbjapaner, was die folgende Beichte noch schlimmer macht.
»Ich habe ihm erzählt, dass ich am Wochenende nach Kyoto fliege.«
»Warum das denn?«
»Er war … Der war schon überall! Echt, überall! Lagos, Mali, Vancouver, Havanna … Ich bin schon gar nicht mehr mitgekommen, so viel hat er erzählt. Er ist so ein richtiger Traveller. Und Schriftsteller.« Mein Herz hüpft. »Er schreibt Bücher! Und einen Blog hat er auch und er ist so interessant und er weiß so viel.«
»Das wieder.« Kyo schaut, als hätte er ein Glas saure Gurken inhaliert. »Einmal Sex und schon bist du verliebt.«
Kein Wunder, so selten, wie ich Sex habe. Aber das sage ich nicht. Schon gar nicht vor Kyo, der täglich eine neue Eroberung abschleppt. Würdevoll stelle ich den ersten Stuhl auf den Boden.
»Na und?«, murmele ich.
»Man kann auch Sex haben, ohne gleich sein Herz zu verschenken.« Kyo taucht auf der anderen Seite des Tisches auf, packt mit einer Hand ein Stuhlbein und stellt das Ding auf den Boden.
»Du kannst das. Ich nicht.« Ich seufze. »Na, jedenfalls wollte ich mich interessanter machen. Hat auch geklappt. Er will meine Fotos checken und ich … soll ihm Restaurants empfehlen und so. Jetzt muss ich nach Kyoto.«
»Oh nein.« Kyo grunzt leise. »Wie kommst du überhaupt auf Kyoto?«
»Och, ich habe zufällig in deine Richtung geschaut, als du gerade deine Cocktailnummer für diese Studenten abgezogen hast. Angeber.« Ich muss doch lächeln, obwohl der wunderbare Reiseschriftsteller bald herausfinden wird, dass ich ein Hochstapler bin.
»Wer, ich?« Kyo wirft den nächsten Stuhl zwei Meter hoch in die Luft, fängt ihn hinter seinem Rücken wieder auf und schaut unschuldig.
»Mit drei Cocktailshakern gleichzeitig jonglieren könnte man schon als Angeben bezeichnen«, sage ich. »Und ich kann nicht nach Kyoto fliegen. Mein Konto ist jetzt schon überzogen.«
»Sag ihm halt die Wahrheit.«
»Aber dann weiß er doch, dass ich ein Langweiler bin!«
»Bist du nicht.«
»Ach, echt?«
»Ne, du bist total seltsam.«
»Oh. Danke.« Ich ramme den letzten Stuhl auf den Boden und verfehle meinen Zeh nur knapp. »Ich habe schon überlegt, die Fotos zu faken, aber ich weiß nicht, wie.