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Wir schreiben das Jahr 3216. Das Raumschiff Genderpreis soll im Zuge einer Forschungsreise unter Leitung des alten Haudegens Roderich Grubinger in die Tiefen unserer Galaxis vordringen. Diese Mission steht aber unter keinem guten Stern. Nicht nur, dass die Crew nach einer strikten Quotenregelung zusammengestellt werden musste, nein, man muss jetzt noch in jeder Lebenslage gender- und gleichstellungskonform vorgehen. Und um dies zu gewährleisten, wurde eine Sonderbeauftragte abgestellt, die, zusammen mit André, dem androgynen Androiden und einem Fernsehteam, das Leben an Bord gehörig durcheinanderwirbelt. Das kann schon für Anspannungen sorgen, besonders, wenn man es im weiteren Verlauf mit Quotenkriegern, dunklen Lords, Geheimwaffen, einer Zombie-Apokalypse der besonderen Art sowie einem Planeten voller Kuscheltiere zu tun bekommt, denen man möglichst gewaltfrei begegnen muss.
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Seitenzahl: 271
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Sämtliche Personen, Orte, Organisationen und Handlungen, die in diesem Buch vorkommen, entspringen einer schrägen Phantasie und sind völlig frei erfunden. Ähnlichkeiten mit existierenden Personen, Orten, Organisationen oder Handlungen sind rein zufällig.
Dasselbe gilt auch für die meisten der physikalischen Gesetze, die in diesem Buch Erwähnung finden.
Prolog
Teil 1
Vorgeplänkel
Angriff der Quotenkrieger
Die Geheimwaffe der Föderation
Zombie-Apokalypse auf Jura IV
Teil 2
Die in etwa 36 Kammern des Lanolin
Planet der Kuscheltiere
Wahl mit Folgen
The making of Raumschiff Genderpreis
Glossar
Es war eine ganz schön heftige Quantenfluktuation, die vor etwa vierzehn Milliarden Jahren über das völlig leere Nichts hereinbrach. Und mit ‚Nichts‘ ist hier wirklich nichts gemeint, denn zuvor hatte es nicht mal einen Raum, geschweige denn eine Zeit gegeben. Doch jetzt, mit einem Paukenschlag, betraten beide Akteure die Bühne – oder besser gesagt, sie bildeten diese, indem sie sich untrennbar ineinander verhedderten und verknoteten.
Nicht, dass es davor keine Versuche gegeben hätte, ein Universum oder ähnliches ins Leben zu rufen, oh nein. Ansätze gab es genug, doch ging dies alles kläglich in die Hose. Zu wenig Energie, zu viele Dimensionen, falsche physikalische Gesetze, keine Inflation, diese Dinger sind immer wieder ziemlich schnell nach ihrer Entstehung kollabiert und im Orkus der Geschichte verschwunden.
Doch dieses Universum hier war anders. Es war stabil. Diese Stabilität wurde von außen hereingetragen, von Paralleldimensionen flankiert, die auch die Initialzündung für die große Fluktuation geliefert hatten, doch das liegt außerhalb unseres Horizonts. Bleiben wir in diesem Universum, hier gibt es mehr als genug zu sehen.
Milliarden von Galaxien zum Beispiel.
Und Leben.
Leben ist in unserer Galaxis – der Milchstraße – nicht ungewöhnlich. Es hat sich an vielen Orten unabhängig voneinander entwickelt und zeigt daher eine große Bandbreite an Erscheinungsformen. Die dominierende Spezies aber sind die Wesen von Terra III, die sich selbst Menschen nennen. Diese Kreaturen werden von den meisten anderen Lebensformen in der Galaxis als ziemlich hibbelig und nervös angesehen. Mit Recht. Ständig ändern und verbessern sie alles Mögliche, auch wenn es gerade rund läuft. Es kann einfach nicht sein, dass man mal den Tag faulenzt und die geänderten Verbesserungen und verbesserten Änderungen genießt, nein, man könnte ja schon wieder etwas getan haben in der Zeit. Bloß nichts verpassen, nie stillstehen. Und die anderen müssen da auch mitmachen, diese faulen Säcke. Ist ja für einen guten Zweck, also los, bewegt euch endlich!
Schrecklich. Außerdem gründen sie gerne überall da, wo sie sich niederlassen (und das ist fast überall), Vereine und Organisationen. Kein Tag vergeht ohne Neugründung, und wenn es sich nur um einen Verwaltungsrat für die Einhaltung des maximalen Lärmpegels in der Fußgängerzone ab Mitternacht handelt.
Das Leben entstand auf Terra III vor ca. 3,5 Milliarden Jahren in Form kleinster Mikroben und hat sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert, wenn man denn den größeren und komplexeren Lebensformen Glauben schenkt. Die Mikroben selber sind da ganz anderer Ansicht, denn immerhin sind sie die ältesten Wesen, stellen knapp siebzig Prozent der Biomasse von Terra III und bilden die Lebensgrundlage für den ganzen Rest. Doch wer hört schon auf Kleinstlebewesen, die man nur unterm Mikroskop sehen kann?
Wenden wir uns lieber den Menschen zu. Die Geschichte dieser bemerkenswerten Spezies war über lange Strecken von Kriegen und Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Meistens ging es dabei um Differenzen von imaginären Freunden im Himmel, die vorgaben, innerhalb einer lächerlich geringen Zeit das ganze Weltall inklusive Lebewesen nur für den Zweck erschaffen zu haben, von eben diesen Wesen möglichst oft angebetet zu werden. Andernfalls wären diese Alleskönner so traurig, dass sie ihre Schöpfung ins ewige Feuer der sogenannten ‚Hölle‘ schmissen. Diese ‚Götter‘, wie sie sich selber nannten, sprachen seltsamerweise auch nie direkt zu den Menschen, sondern nur zu auserwählten Außenseitern, die in abgelegenen Höhlen zu viel getrockneten Kamelmist geraucht hatten und dennoch die Worte ihrer Gottheiten eins zu eins wiedergeben konnten – so jedenfalls die Eigendarstellung dieser Propheten.
Es hatte lange gedauert, bis die Menschen diese Phase einigermaßen überwunden hatten und sich produktiveren Dingen zuwenden konnten - wie der Gründung von Vereinen und Organisationen beispielsweise. Eines dieser Dinge war die systematische Erforschung der Galaxis und die damit verbundene Entdeckung extraterrestrischen Lebens.
Mit diesem einschneidenden Ereignis wurde auf Terra III – wo sonst? - die Föderation der zivilisierten Planeten der Milchstraße (FZPM) gegründet, die bis heute Bestand hat.
Diese Föderation hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Galaxis zu erkunden und nach anderen Lebensformen beziehungsweise bewohnbaren Planeten zu suchen, die sich zur Besiedlung eigneten. Es wurden im Lauf der Zeit viele Missionen zum Abschluss gebracht, zwei davon unter Leitung des damals jungen Käptens Roderich Grubinger, was jetzt auch schon knappe fünfzehn Jahre her ist.
Eine dritte Expedition unter Leitung dieser Ikone der Raumpioniere ist gerade in Planung. Man hatte den alten Haudegen nicht nur aufgrund seiner guten Reputation ausgewählt, sondern auch, weil die anderen Bewerber um diese Position entweder zu hohe Gehaltsvorstellungen gehabt haben oder bereits für andere Einsätze verplant gewesen sind. Herr Grubinger hingegen war froh, nochmal ein Angebot bekommen zu haben und den Schreibtisch verlassen zu können, hinter den er wegen ein paar Unregelmäßigkeiten bei seinen Spesenabrechnungen verbannt worden war.
Eine solche Mission ist kein Kinderspiel! Man begegnet vielen gefährlichen Wesen, die einem ans Leder wollen und denen gegenüber man sich behaupten muss. Man gelangt an äußerst dubiose Orte und muss oft Glück haben, um überhaupt etwas Essbares zu bekommen beziehungsweise um am Leben zu bleiben. Und richtig gefährlich wird es erst, wenn man von Bord gehen muss, etwa um fremde Planeten zu erkunden oder um Vereine und Organisationen auf neuen oder bekannten Welten zu gründen. Doch gerade das macht den Reiz einer solchen Expedition aus: Neues entdecken, an seine eigenen Grenzen stoßen und diese erweitern.
Und dafür steht die dritte Genderpreis-Mission. Sie erfüllt nicht nur diese Erwartungen, sondern gibt obendrein noch eine Vorgabe, eine neue Spielregel hinzu: Neuerdings muss man dabei diversitäts- und gleichstellungskonform vorgehen, auch wenn es nicht immer einfach sein wird. Aber immerhin repräsentiert man die Föderation der Galaxis und die hat nun mal diese Spielregeln aufgestellt.
Von dieser Mission sowie deren Schwierigkeiten handelt das vorliegende Buch.
Vorgeplänkel
Angriff der Quotenkrieger
Die Geheimwaffe der Föderation
Zombie-Apokalypse auf Jura IV
Seit den frühen Morgenstunden schon belauerten die drei verwegenen Gestalten das große Raumschiff. Sie hatten sich von Süden kommend an ihr Ziel herangepirscht, die Sensoren, welche die Umgebung nach Bewegungen abscannten, erfolgreich überwunden und konnten so in die unmittelbare Nähe des großen Schiffs gelangen, wo sie hochprofessionell mit der Umgebung verschmolzen, unsichtbar für das normale Auge. Jetzt musste es ihnen nur noch gelingen, irgendwie ins Innere zu gelangen, dort die Wachmannschaft zu überwinden und dann den Professor zu entführen, was das Ziel ihres Überfalls war. Danach würden sie noch den Antrieb lahmlegen, um eine Verfolgung unmöglich zu machen, und die Mission wäre erfüllt. Ja, sie waren die Bösen und fühlten sich unheimlich gut dabei!
Die Drei, das waren die Soldaten Möller und Kareninoff sowie der Zivilist Jarulin Voof, Angehörige eines verwegenen Haufens moldenischer Briganten. Sie hockten sich in ihrer Deckung ab. Einer der beiden großen und kräftigen Söldner flüsterte: „Möller und ich schleichen weiter an die Wartungsluke, Sie bleiben hier und lenken auf unser Zeichen die Wachen ab.“ - „Jawohl, Sir!“ bestätigte der Angeflüsterte, der von seinem äußeren Erscheinungsbild gar nicht zu den beiden durchtrainierten Muskelbergen passte.
Die beiden Riesen robbten sich, langsam von Deckung zu Deckung gleitend, weiter auf die Stelle des Schiffs zu, an der man die Umrisse einer Tür erkennen konnte. Diese kurze Zeitspanne gab ihrem kleineren Kameraden Jarulin, der in der Deckung geblieben war, die Gelegenheit, dieses Meisterwerk der Technik, das Raumschiff Genderpreis, nochmals von außen zu bewundern.
Keine dreißig Meter entfernt von ihm schlummerte es friedlich und erhaben, nichts von der drohenden Gefahr ahnend. Es war das modernste, schnellste und neiderweckendste Schiff, das bis dato jemals von Menschen oder anderen Wesen der Milchstraße erschaffen worden war. Für eine lange Mission in die entlegensten Winkel der Galaxis konzipiert bot es alles, was der Zubehörkatalog hergab. Nicht nur Platz für hundertzwanzig Besatzungsmitglieder, darunter einige der angesehensten Forscher dieser Zeit sowie deren technische Ausrüstung und Laboreinrichtungen, nein, auch für das Wohlergehen eben dieser Leute war bestens gesorgt.
Großzügige Kabinen, ein 4-Sterne-Koch, ein Fitnesspark und diverse Annehmlichkeiten sollten vergessen machen, dass man sich in den öden, schroffen Weiten des Weltraums befand und nicht auf einem urbanisierten Planeten mit allen erdenklichen Vorzügen einer fortschrittlichen Zivilisation.
Sogar ein Kindergarten nebst Zwergschule befand sich an Bord, da mindestens eine Mutter mit Kind anwesend sein musste, um zu beweisen, dass die Föderation der zivilisierten Planeten der Milchstraße etwas für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie machte.
Und - sind wir mal ganz ehrlich: So eine Expedition ist eine langwierige Angelegenheit, draußen im All ist es dunkel und kalt und für echte Abwechslung wird nur selten gesorgt. Was passiert denn auf der Erde in langen, kalten Nächten, wenn vielleicht noch der Strom ausfällt und kein Fernseher läuft, unter solchen Umständen? Richtig.
Es herrschen ideale Bedingungen, mit einer weitaus größeren und jüngeren Besatzung als beim Abflug heimzukehren.
Von außen ähnelte das Schiff einem gleißend-weißen Diskus, durch dessen Mitte irgendein Spaßvogel eine dicke Zigarre geschossen hatte. Im diesem länglichen Teil befand sich der Antrieb, der das Schiff mühelos bis zu den entferntesten und rätselhaftesten Orten der Galaxis katapultieren konnte. Zudem war hier der größte Teil des nicht unerheblichen Waffenarsenals untergebracht, da einerseits doch ein paar bekannte Völkchen immer wieder zu Aggressionen neigten und es andererseits einfach beruhigend war, neue Welten zu entdecken und zu wissen, noch ein paar Trümpfe in der Hinterhand zu haben.
Auf die obere Seite der Außenhülle waren die Fahnen aller teilnehmenden Zivilisationen sowie die der Föderation der Galaxis gemalt. Direkt darunter hatte man in großen Lettern den Namen des technischen Wunderwerks geschrieben: Raumschiff Genderpreis.
Eigentlich sollte es nach seinen beiden Vorgängern ‚Enterprise’ getauft werden, aber da die Föderation, welche die Schirmherrschaft über die Missionen innehatte, neuerdings eng mit dem Verein für Gleichstellung und Unterschiedlichkeit (VGU) zusammenarbeitete, wurde neben der Erforschung neuer Planeten und Zivilisationen auch die Verbreitung der auf Terra III so erfolgreich installierten Diversitäts- und Gleichstellungspolitik als zweites Expeditionsziel aufgenommen, was zu guter Letzt Ausdruck im Namen des Schiffs fand.
Direkt um den Schiffsnamen und die Flaggen befanden sich die Logos der Sponsoren, denn so eine Mission ist elendig teuer und die Föderation hätte die Kosten niemals alleine schultern können. Fünfundzwanzig Firmen waren es, die einige Milliarden nur für den Zweck zusammengebracht hatten, ihren Namen auf dem Schiffsrumpf unterbringen zu können und so mit der Genderpreis auf entlegenen Welten Reklame zu machen.
Eine Minute später hatten seine beiden Kameraden eine gute Position in der Nähe der kleinen Tür gefunden und gingen dort in Deckung. Kareninoff fuchtelte mit seiner rechten Hand in der Luft herum, was Jarulin als das verabredete Zeichen deutete. Seine Aufgabe war es jetzt, die Aufmerksamkeit der Angegriffenen auf sich zu ziehen.
Er nahm eine Patrone aus seinem Gurt und ließ sie über den Boden kullern, so als ob sie ihm versehentlich aus der Hand gerutscht wäre. Das genügte schon, um von den Wächtern bemerkt zu werden, denn kurze Zeit später öffnete sich, wie erhofft, die kleine Wartungsluke und ein Schrank von einem Soldat trat hinaus. Er sah sich um, ging langsam die kleine Treppe hinunter und kam, immer wieder um sich herumblickend, direkt auf ihn zu!
Jarulin war jetzt voll angespannt. Seine Knie schmerzten vom langen Hocken, die Luft war unangenehm stickig und er hatte von dem ganzen Herumkauern einen steifen Nacken bekommen. Kurz, er konnte es kaum erwarten, endlich Feierabend zu haben.
Roderich Grubinger stand, wie jeden Mittwoch, auf der Brücke seines Schiffs und versuchte, so gut es ging, wieder in die Rolle eines souveränen Käptens zu kommen, der mit seiner bloßen Autorität und seinem Charisma die Leute so befehligt, dass sie genau das Richtige tun. Doch offenbar hatte seine Ausstrahlung in der langen Zeit, die er im Verwaltungsapparat der Föderation zugebracht hatte, Rost angesetzt. Weder wurde er, wie noch vor fünfzehn Jahren, bewundernd angeschaut, noch gingen die Leute, die er kommandierte, mit dem freudigen Ausdruck im Gesicht, einen Befehl von der lebenden Legende Grubinger erhalten zu haben, an dessen sofortige Ausführung.
Doch das war im Moment nicht seine einzige Sorge, denn gerade wurden sie von einem Trupp Soldaten angegriffen und mussten sich verteidigen! Baxter hatte es mit seinen Adleraugen bemerkt. Eine Patronenhülse, die ein offenbar ungeschickter Angreifer hatte fallenlassen, war in sein Sichtfeld gerollt. Jetzt waren sie in einer heiklen Lage.
Ihr Auftrag war es gewesen, den Professor nach Beteigeuze zu bringen, doch unterwegs wurden sie von einem Schwarm moldenischer Briganten angegriffen und mussten auf einem unbekannten Planeten notlanden. An Flucht war nicht zu denken, da ihre Triebwerke bei dem Angriff beschädigt worden waren und sie nur mit viel Glück und Geschick hatten landen können. Und obendrein mussten sie jetzt den Angriff, der wahrscheinlich unmittelbar bevorstand, abwehren und sich die Gegner einen Tag lang auf Abstand halten, denn dann würde die Verstärkung eintreffen, die sie wenigstens noch über ihre Lage haben informieren können.
„Sergeant Baxter, checken Sie die Lage vor Ort, aber vorsichtig, wir können uns keinen Fehler mehr leisten!“ wandte er sich an den riesigen Soldaten, der neben ihm auf der Brücke stand.
Sie hatten noch zwei weitere Kämpfer dieser Machart an Bord, wahre Könner auf ihrem Gebiet. Nicht unbedingt als Gesellschafter oder Repräsentanten geeignet, doch wenn mal was in die Hose ging und mit brutaler Gewalt wieder gerade gebogen werden musste, war es gut, solche Leute mit an Bord zu haben.
„Jawoll, Käptn!“ lautete die schneidige Antwort. Baxter war voll in seinem Element. Er entsicherte sein Gewehr, öffnete eine Nebenluke und schlich nach draußen, in Richtung der Stelle, wo er die Bewegung lokalisiert hatte, um eine Gegenoffensive zu starten.
Jarulins Nerven waren jetzt bis zur Unerträglichkeit angespannt. Was, wenn die beiden Kameraden den Soldaten, der direkt auf ihn zukam, nicht überwältigen konnten? Er nahm zur Sicherheit sein Gewehr fest in beide Hände, bereit, sich bis zum bitteren Ende zur Wehr zu setzen.
Und als wäre diese Anspannung nicht schon genug, bemerkte er auf einmal mit einem großen Schrecken einen fremden Schatten, dessen Werfer direkt hinter ihm stehen musste. Jemand hatte sich unbemerkt an ihn herangeschlichen! Waren jetzt etwa sie, die hier einen Hinterhalt stellen wollten, selber in einen geraten? Er hatte doch, außer dem einen Soldaten, niemanden das Schiff verlassen sehen!
Ängstlich drehte er sich um und zuckte zusammen, denn er blickte dem Wesen, das sich unbemerkt angenähert hatte, direkt in die Augen. Die knapp 1,80 Meter große Kreatur steckte in einem dunkelblauen Overall und schwarzen Sicherheitsschuhen, auf dem Kopf trug sie einen gelben Helm. Anstelle eines Gesichts war nur ein wildes Gestrüpp aus schwarz-grauen Haaren zu erkennen, aus dem an der Stelle, wo man den Mund vermuten würde, nur ein dampfender Zigarrenstummel ragte, der sich rhythmisch auf und ab bewegte, als das Wesen nuschelnd zu sprechen begann:
„Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Meister, aber ich muss da mal eben ran!“ sagte der Monteur mit einem unverhohlenen, leicht spöttischen Grinsen und entnahm aus der großen Kiste, hinter der sich Jarulin die ganze Zeit versteckt hatte, zwei schwere, grundierte Metallstreben. Dieser grinste den Arbeiter gequält an und meinte: “Ja, natürlich, bitte bedienen Sie sich!“
Schon wieder ist die Luft draußen, dachte Jarulin und fühlte sich der Lächerlichkeit preisgegeben, was nicht nur daran lag, dass sie sich in Wirklichkeit nicht auf einem fernen Planeten befanden, sondern nur in einer halbfertigen Halle des Raumhafens Berlin-Brandenburg und so taten, als seien sie ein feindlicher Trupp Briganten, der jetzt ihr künftiges Raumschiff angriff. Es waren viel mehr die erstaunten und erheiterten Blicke der Arbeiter, die sich zumeist ebenfalls in der Halle aufhielten, um den Innenausbau fertigzustellen, die jegliche Atmosphäre oder Spannung immer wieder im Keim erstickten.
Solche Spielchen führten sie jeden Mittwoch durch. Letzte Woche war es ein simulierter Rettungseinsatz, davor der Ausfall des Bordcomputers und nächste Woche stand eine Asteroidenkollision auf dem Programm. All dies gab ihm das Gefühl, nicht standesgemäß wie der Erste Offizier, sondern wie ein armseliger Pausenclown behandelt zu werden. Aber egal, weiter im Programm.
Möller und Kareninoff hatten sich unterdessen hinterrücks an Baxter herangeschlichen und diesen überwältigt. Er leistete zwar erbitterte Gegenwehr, aber gegen seine beiden Kameraden hatte er keine Chance. Kurze Zeit später schlich sich Kareninoff ins Schiff, während Möller den Gefangenen in Schach hielt.
Jetzt war es für Jarulin an der Zeit, langsam aus seinem Versteck hinter der Kiste zu kommen, seine halbsteifen Knie zu lockern und ebenfalls an Bord zu gehen.
Mit seinen rabenschwarzen, glatten Haaren und einem leicht grünlichen Teint war Jarulin nicht unbedingt ein Schönling, was aber auch in Ordnung war, denn das hätte sich überhaupt nicht mit seinem recht trockenen Charakter vertragen. Jarulin war ein Bregander und somit fast humanoid, lediglich mit ziemlich großen und spitzen Ohren ausgestattet.
Doch dieser eine Körper, der hier gerade ein Schiff miteroberte, war nur die eine Hälfte von Jarulin.
Es ist normal, wenn ein Schizophrener zwei Seelen in einem Körper vereint, bei den Bregandern hingegen ist das manchmal genau umgekehrt: Sie sind nämlich die einzigen bekannten Wesen, bei denen ein Individuum auch in mehreren Körpern auf einmal existieren kann. Wie bei uns kommen manche Personen als Zwillings-und Drillingsgeburten auf die Welt. Doch diese zwei beziehungsweise drei Körper sind bei den Bregandern keineswegs Individuen, sie haben vielmehr nur einen Geist, der für die ganzen Körper zuständig ist. Und Jarulin ist ein bregander’scher Zwilling, dessen Zweitkörper auf Bregander III lebt, um dort als Vertriebsassistent für elektronische Werbesysteme zu arbeiten.
Stellen Sie sich doch einfach mal vor, Sie hätten zwei Körper: Es muss doch unheimlich schwierig sein, im gleichen Moment mit einem Körper Kaffee zu trinken und mit dem anderen Lichtjahre entfernt auf einem fremden Planeten ein Raumschiff zu erobern, ohne den Kaffee des anderen zu verschütten, doch die mehrkörperigen Bregander bekommen das meistens gut gebacken. Das Ganze funktioniert sogar instantan, also ohne Zeitverzögerung, da die Gehirne miteinander verschränkt sind.
An Bord der Genderpreis hatte Roderich, der Käptn, mittlerweile in seinem Chefsessel auf der Kommandobrücke Platz genommen und bekam von der Attacke rein gar nichts mit, da die Sensoren, welche die nähere Umgebung scannen sollten, ausgeschaltet waren, was wieder mal eindeutig auf einen Fehler der neuen Crew zurückging. Jaja, die neue Crew …
… sie gab ihm das Gefühl, ein wandelnder Anachronismus zu sein - was er eigentlich auch war. Wohl am richtigen Ort, hatte er es aber versäumt, sich schnell genug den neuen Zeiten anzupassen. Oh, tut mir leid, Herr Grubinger, Sie sind hier zwar richtig, aber fünfzehn Jahre zu spät!
Und in der Tat: Er war nicht ganz auf der Höhe seiner Zeit. Denn Roderich sah sich trotz seiner sechsundvierzig Lenze immer noch als der junge, dynamische Abenteurer von Anfang zwanzig, der mit seinen drei Kumpels für Aufruhr im Raum gesorgt hatte. Dabei zeigten sich bereits erste Anzeichen von Verschleiß im Spiegel. Die dunkelblonden Haare wurden da, wo sie noch wuchsen, ziemlich schütter - die Stirn hatte sich doch um einiges vergrößert. Zum Ausgleich hatte er sich längere Koteletten wachsen lassen, die ihm ein wenig das Aussehen eines in die Jahre gekommenen Rockabillysängers gaben. Und die Uniform musste zwei Nummern größer bestellt werden als bei den ersten Missionen - freilich nur, wenn er das Kneifen unter den Achseln und im Bauchbereich akzeptierte, sonst waren es drei.
Das lag unter anderem an der guten Ernährung, die seine Frau zubereitete und daran, dass er seit Ende der Enterprise II-Mission sportliche Aktivitäten stark zurückgefahren hatte. Aber das war alles noch im Bereich des Normalen. Immerhin war er seit einundzwanzig Jahren verheiratet und seit knapp fünfzehn Jahren vierfacher Vater, was ja auch seine Spuren hinterlässt. Auch an Raumhelden nagt die Zeit, vor allen Dingen, wenn sie seit Jahren nur noch im Innendienst der Föderation zum Einsatz gekommen sind. Ganz zu schweigen von den Geschäftsessen.
Doch zurück zur Crew:
Eigentlich sollte sie aus den erfahrenen Leuten der erfolgreichen Vorgängermission Enterprise II bestehen, doch aufgrund von diversitätspolitischen Anforderungen war es zu größeren Umstellungen gekommen.
Die Föderation arbeitete seit einiger Zeit eng mit dem Verein für Gleichstellung und Unterschiedlichkeit (VGU) zusammen. Dieser hatte sich die Aufgabe gestellt, alle Wesen in der Galaxis dort gleich zu behandeln, wo sie verschieden waren und dort verschieden zu behandeln, wo sie gleich waren. Das große Endziel war, alle Gleichheiten zu beseitigen und alle Verschiedenartigkeiten anzugleichen.
Und da dieser Verein einer der Hauptgeldgeber der Forschungsmission war, musste die Mannschaft nicht wie bisher nur durch Qualifikation, sondern auch durch ein kompliziertes Diversitätspunktesystem zusammengestellt werden.
Stützen des Erfolgs der früheren Missionen, die ebenfalls unter seiner Leitung gestanden hatten, waren seine alten Jugendkumpels von Wega III gewesen: Sathington Durbrick mit seinem genialen Händchen fürs Maschinelle, Jarulin Voof, der nüchterne Nerd, den wir schon kennen gelernt haben und Ludovic Vaillard, Mediziner. Bis auf Jarulin waren die drei Erdlinge, deren Eltern nach Wega ausgewandert waren.
Zusammen hatten sie schon vor ihren Forschungsmissionen auf Wega III einige kleinere Abenteuer bestanden und funktionierten als Team wie eine perfekte Maschine. Roderich konnte mit seinem Charisma und seinen verwegenen Ideen die Impulse setzen, Jarulin sorgte im Hintergrund für die nötige Bodenhaftung, Sathington übernahm das Tuning und die Reparatur der Sportraumer und Ludovic flickte sie wieder zusammen, wenn mal wieder was danebenging. Ja, das waren noch Zeiten!
Sie hörten Musik vom fünften Revival des dritten Rockabilly-Revivals von Terra III, ‚Rebels Rule‘ war zum sechsten Mal innerhalb der letzten zwölfhundert Jahre unter den Top Ten. Derartig beschallt flogen sie in der Stratosphäre um die Wette. Sie erledigten einige kleinere Geschäfte, von denen Föderation und Historie besser nichts erfahren, zumal diese bereits lange verjährt sind, und begannen ihre erfolgreiche Karriere als Team bei der galaktischen Föderation. Wie gerne wäre Roderich jetzt wieder mit den Dreien an seiner Seite auf Erkundungstour gegangen; vier erfahrene Astronauten, die der neuen Ordnung und den neuen Werten zeigten, wo der Hammer hing und die auf die gute, alte Art und Weise alle Probleme lösten. Daher war es umso trauriger, dass zwei der alten Kumpels von Bord mussten.
Sathingtons Alkoholproblem wurde zu einer immer größeren Belastung. Zu oft verstand der erste Maschinenoffizier unter „beamen“ die Einnahme eines fast gleichnamigen amerikanischen Whiskeys von Terra III. Und seitdem Ludovic der Doktortitel aberkannt worden war (auch waren seine Abrechnungen Gegenstand mehrerer Untersuchungen), blieb nur noch der erste Offizier Jarulin Voof vom engsten Kreis übrig.
Nachfolger von Dr. Vaillard wurde ein gewisser MbembaMbemba, ein Afrikaner, der nur mit Bambusrock und Kopfschmuck bekleidet letzten Monat Quartier im Sanitätsbereich bezogen hatte. Aufgrund der hohen Diversitätspunktrate sowie seinen geringen Gehaltsvorstellungen konnte er sich gegen die anderen Mitbewerber durchsetzen. Als Erstes ließ er die medizinischen Geräte auf den Speicher räumen und packte stattdessen ein paar abgewetzte Voodoopuppen, Schrumpfköpfe und verschiedene, geheimnisvoll stinkende Tinkturen aus. Roderich nahm sich fest vor, während der gesamten Reisezeit keinen Unfall zu bauen oder krank zu werden.
Auch die restlichen Mitarbeiter hatten die vorgeschriebene Diversitätsquote genauestens zu erfüllen. Leider hatte diese Quote absoluten Vorrang, so dass bei der Qualifikation größere Abstriche gemacht werden mussten. So war der Navigator, ein gewisser Herr Al-Djaffadth, kaum der deutschen Sprache mächtig, brachte aber als Angehöriger der Sekte der Akabaranier wertvolle Diversitätspunkte mit. Roderich ließ ihn aufgrund der sprachlichen Barriere meist links liegen und übertrug anstehende Aufgaben dessen Assistenten – was aber auch mit Vorsicht zu genießen war.
Denn der neue Navigationsassistent war der klägliche Versuch der Föderation, einen Außerirdischen der Quote wegen in eine Führungsposition zu pressen. Nichts gegen Abrenkulaner, doch leider waren sie auf einer Kommandobrücke ziemlich unbrauchbar.
Die Abrenkulaner sind eine friedliche Spezies und leben im Sektor 7, Abschnitt IIa. Für einen Erdling sehen sie wie ein viel zu groß geratener, zurückhaltender Säugetierkäfer aus. Sie verfügen über zwei Knopfaugen, ein Paar Fühler, mit denen sie hören und riechen, vier dünne Arme und zwei stämmige, kurze Beine. Ihr Körper ist mit einem schönen, bläulich-grünen Fell bedeckt. Abrenkulaner ernähren sich von den Sprossen heimischer Bäume, haben gerne ihre Ruhe und gehen Ärger aus dem Weg.
Da sie als Pflanzenfresser ein wenig träge und behäbig sind, ist die Kommandobrücke eines hochmodernen Raumers nicht unbedingt ein guter Arbeitsplatz für diese Sorte von Wesen, doch eine Spezies aus dem Sektor 7 musste laut Vorschrift in einer führenden Position angestellt werden und die anderen Arten, die zur Wahl standen, hätten für noch größere Emotionen gesorgt.
Zu ihrem Phlegma gesellen sich weitere Nachteile. Abgesehen davon, dass sie vier Meter groß sind und daher das halbe Schiff inkl. Toiletten komplett umgebaut werden musste, sondern sie in Stresssituationen ein eklig riechendes Sekret ab und fallen in eine Trance, die ungefähr zwei Stunden anhält. Das ist dem Umstand geschuldet, dass sie auf ihrem Planeten, bevor sie ihre Intelligenz ausspielen konnten, Beutetiere gewesen sind, die sich nicht durch Wegrennen oder Kämpfen haben zur Wehr setzen können.
Und eben dieser Quogag, der die Schaltelemente mit seinen dünnen Ärmchen nicht richtig hat bedienen können, war für das Desaster mit den Sensoren verantwortlich. Roderich wandte sich verzweifelt an Elektra Orlando, seine Kommunikationsoffizierin: „Lt. Orlando, scannen Sie die Umgebung genaustens ab. Ich hab‘ da so ein Gefühl, dass wir gleich Besuch bekommen werden!“
Er freute sich eigentlich, dass die begabte Funkerin von den Vorgängermissionen wieder gewonnen werden konnte, denn sie war zusammen mit dem alten Navigator eine zuverlässige Stütze in heiklen Situationen gewesen. Elektra war ein paar Jahre jünger als er und stammte von der Erde, genauer gesagt aus New Orleans, was man ihr auch anhörte und worauf sie unheimlich stolz war. Sie war so braun wie der Schlamm, der jedes Jahr den Mississippi hinuntergespült wird und trug ihre Rastalocken in einem zusammengeflochtenen Zopf. Doch sie konnte auch leicht energisch werden, wenn ihr etwas gegen den Strich ging, was der gute Roddi das ein- oder andere Mal hatte erfahren müssen.
Und auch jetzt schien sich eine solche Situation anzubahnen, denn mittlerweile war sie Mutter geworden. Erst mal schön für sie, doch als moderne Frau musste sie, von Föderation und VGU unterstützt, unbedingt versuchen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Daher kam der kleine Shaqueville-Boomsheeka, so der Name des Stammhalters, zu jedem Übungseinsatz mit aufs Schiff.
Der alte Navigator übrigens war der Vater von Shaquea-Boom, so der Kosename des Juniors, und hatte sich leider kurz nach dessen Geburt von seiner Mutter getrennt. Aufgrund der persönlichen Spannungen sowie nicht beglichener monatlicher Zahlungen für den Junior konnte er nicht mehr für die Folgemission gewonnen werden.
Im Moment schrie das kleine Balg unaufhörlich, weil sein rotes Feuerwehrauto unter das Navigationspult gerollt war. Elektra war gerade dabei, es mit Hilfe einer abgebrochenen Antenne wieder herauszuholen, und hielt sich daher ganz knapp: „Dann müssen die Angreifer mal einen Moment warten, ich kann mich schließlich nicht zerreißen! Wer hat denn diese Brücke auch so komisch konstruiert, dass da alles Mögliche runterkullern kann?“
Dieser kurze Moment Konfusion wurde von Sergeant Kareninoff erbarmungslos ausgenutzt, der vor der Tür stehend auf eine solche Gelegenheit gewartet hatte. Mit einem Hechtsprung gelangte er auf die Brücke und brüllte, dass alle die Hände hochnehmen sollten und er sie bei der kleinsten Bewegung über den Haufen schießen würde.
Damit hatte er es geschafft: Quogag schaute sich panisch um, gab einen stöhnenden Laut zu hören und verfiel in seine Schockstarre. Ein übler Geruch nach ranzigem Fisch in Buttersäure ging von ihm aus und etwas Schleim, den er reflexartig absonderte, tropfte auf den Boden.
Jetzt kam auch Jarulin langsam auf die Brücke geschlichen, um die Eingeschüchterten in Schach zu halten.
Kareninoff würde sich an Punkt zwei der Mission begeben, nämlich die Zerstörung des Antriebs, damit sie gefahrlos flüchten konnten.
Dazu musste er in den Maschinenraum, was für den Soldaten aber kein Problem darstellte. Lautlos und fast unsichtbar schaffte er den Weg in unter einer Minute. Dort traf er, wie wir wissen, nicht auf Sathington Durbrick, sondern auf den Praktikanten Kevin-Jeanette Müller-Brandenstett, der anstelle des alten Haudegens angeheuert worden war. Mehr als ein Praktikant war aufgrund einiger schwarzer Löcher in der Föderationskasse nicht mehr drin gewesen.
Dieser Kevin-Jeanette war ein schlanker, mittelgroßer Kerl, dessen straßenköterblonde Haare ziemlich ungepflegt in der Gegend herumhingen und dessen Gesichtsausdruck nicht unbedingt von einer Überdosis an Motivation geprägt war, was in Anbetracht seines jugendlichen Alters aber noch durchging. Immerhin, könnte man euphemistisch sagen, hier ist noch viel Entwicklungspotential und genau dafür sind Praktikanten ja da: Um sich zu entwickeln, zu lernen und den Job für ein Viertel des üblichen Salärs zu erledigen.
Bedenken, dass ein Praktikant diese wichtige Tätigkeit ausüben sollte, hatte niemand, denn die Genderpreis lief rundweg vollautomatisch. Sollte mal etwas kaputtgehen, würde der Bordcomputer den Schaden benennen und gleichzeitig sagen, was zu tun ist. Der Praktikant musste dann nur noch das defekte Teil unter Aufsicht des Zentralrechners austauschen.
Es fiel Kareninoff leicht, Kevin-Jeanette zu überwältigen und eine Bombenattrappe geschickt zu platzieren, die kurz darauf durch lautes Summen bekanntgab, dass der Antrieb des Schiffs jetzt in Trümmern lag.
Zum Schluss noch Punkt drei: Keine fünfzig Meter entfernt fand er die Kabine von Prof. Dr. Dr. Glrbrdryk. Dieser war eines der ganz wenigen rotationssymmetrischen und gleichzeitig hochintelligenten Wesen, die es in unserer Galaxis gab: ein Zwengenbrink. Das waren seesternartige Geschöpfe, die normalerweise unter Wasser lebten und einen Durchmesser von bis zu 1,8 Metern erreichen konnten. An Bord der Genderpreis war ein schönes Zimmer mit einem großen Aquarium für ihn fertiggestellt worden. Prof. Dr. Dr. Glrbrdryk war eine Kapazität auf dem Gebiet der Plattentektonik und Planetengeologie und als Forscher sowie Diversitätspunktlieferant unentbehrlich.
Und genau diesem stattete der wackere Sergeant einen ungebetenen Besuch ab. Besser gesagt, er hätte ihn ungebeten besucht, wenn der Professor denn an Bord gewesen wäre. Da er aber als Gastwissenschaftler nicht zur Stammbesatzung gehörte, musste er die ganzen Übungen nicht mitmachen und konnte auf seinem Heimatplaneten solange weiterforschen, bis die Genderpreis zu ihrer Mission aufbrechen würde.
Daher begnügte Kareninoff sich damit, per Funk “Ziel erreicht, Mission erfüllt!“ durchzugeben und sein Gewehr zu sichern. Damit war die Übung beendet.
„So ein Mist!“ dachte sich Roderich. „Schon wieder verloren. Na, wenigstens ist der Tag gelaufen.“ Er stand auf, um die Mannschaft zusammenzutrommeln, damit sie gemeinsam von Bord gehen konnten. Nein, nicht alle, es würde noch knapp zwei Stunden dauern, bis Quogag wieder aus seiner Starre aufwachen würde.
Feierabend. Endlich. Sie verabschiedeten sich beim Hinausgehen von den Monteuren, die gerade ein paar Zwischenwände und Lüftungsschächte in der Halle anbrachten beziehungsweise Wasserrohre auf Länge schnitten. Der bärtige Monteur von vorhin war gerade dabei, unter heftigem Blitzen die beiden Metallstreben an einen großen Träger zu schweißen und erfüllte dabei die umgebende Luft mit einem Geruch nach verbrannter Farbe.
Morgen würden sie, zusammen mit einigen Experten von der Föderation, den Übungseinsatz analysieren, Schwachstellen ausfindig machen und ausbessern. Es war immer wieder derselbe Trott. Seit Monaten warteten sie darauf, bald den Zweck erfüllen zu können, für den sie so intensiv übten. Dieser bestand darin, die Weiten des Weltalls zu erkunden, den Kontakt mit vorhandenen, bewohnten Welten aufzunehmen und je nach Bedarf verschiedene Missionen zu erfüllen, von denen sich noch niemand auch nur eine kühne Vorstellung machen konnte.
Doch das konnte noch dauern ...
Eigentlich sollten sie bereits seit einem halben Jahr unterwegs sein. Doch einige Verzögerungen beim Bau des Raumhafens Berlin-Brandenburg, dem Ort, an dem die Mission ihren Anfang nehmen sollte, hatten diese hochtrabenden Pläne gründlich vereitelt. Bei Großprojekten kam es natürlich immer wieder zu Komplikationen, doch hier gingen Armut und Elend Hand in Hand. Es gipfelte darin, dass vor zwei Jahren der Bürgermeisternde der Stadt Berlin (ganz früher sagte man „Bürgerinnen-und-Bürger-Meisterin-oder-meister“, was sich als zu lang erwiesen hatte. Daher folgte man hier dem Trend der Adjektivierung.) zu einer Kontrolle über die Baustelle flog, als diese bereits recht weit fortgeschritten war. Bei einem flüchtigen Blick aus dem Fenster echauffierte er sich, weil der Rohbau aus der Vogelperspektive fast so aussah wie das Logo der rivalisierenden bürgerlichen Partei, die ihm gerade im Senat die Hölle heiß machte.
Eine solche, wenngleich auf völlig zufällige Manipulation des Volkes konnte er nicht auf sich sitzenlassen und da ein Umbau ja nicht sein Geld oder das seiner Partei kosten würde, beschloss er, ein paar Gebäude umstellen zu lassen, damit das ganze Gebilde mehr Ähnlichkeit mit seinem geliebten Symbol, Hammer und Sichel, bekam. Glücklicherweise war er auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Baugesellschaft, was die ganze Sache unheimlich erleichterte.
Leider ergab es sich aus technischen und logistischen Gründen, dass der Raumhafen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, aus der Vogelperspektive dem Symbol der ärgsten Konkurrenzpartei ähneln musste.
Mist. Aber trotzdem.
Für diesen Umbau musste fast alles, was in mühevoller Arbeit aufgebaut worden war, wieder abgerissen beziehungsweise total umgemodelt werden, aber das war es wert. Immerhin sollte der Raumhafen viele Jahrzehnte lang bestehen bleiben und den ankommenden und abfliegenden Gästen zeigen, welche Fraktion sich beim Bau durchgesetzt hatte. Und so wurde jeden Tag eifrig weiter umgebaut ...