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Die Mannschaft um den erfahrenen Käptn Roderich Grubinger soll den frisch gewählten Präsidenten der Föderation zur Einweihung des WEDEE begleiten, mit dessen Hilfe man in die Parallelwelt vordringen kann. Durch Sabotage verschlägt es Käptn und Präsident in eben diese zeitlose Dimension, wo sie nicht nur dem ultimativen Kampfsportereignis beiwohnen, der Weltmeisterschaft der Götter, sondern auch noch ins Paradies - genauer gesagt, auf den Paradiesplaneten - gelangen. Dort erhalten sie wichtige Informationen über eine Verschwörung, welche der Präsident seit längerem aufdecken will. Wird es ihm gelingen oder wird die Dunkle Seite, die mit ihrem Kampfplaneten die Parallelwelt für sich beansprucht, schneller sein? Was hat es mit dem komischen Vogelwesen Tschillpie auf sich, das dem Präsidenten als Assistent zur Seite gestellt worden ist? Und welche Rolle spielt der Gott Pastafari, der ihnen in der Parallelwelt begegnet? Der zweite Teil des verschrobenen SF-Romans Raumschiff Genderpreis, der weder politische Korrektheit noch Vernunft kennt!
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Seitenzahl: 273
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Vorsicht!
Prolog oder Der erschöpfte Schöpfer
Erster Teil
Der Präsident hat einen Vogel
Ab ins Schlaraffenland!
Ab in die Parallelwelt!
Teil 2
Die Weltmeisterschaft der Götter
Paranoia im Paradies
Darf man SIE auch duzen?
Glossar
In diesem Buch kommen sämtliche bekannten und unbekannten Götter auf zumeist grausame Weise zu Tode!
Religiöse Menschen könnten dies als blasphemisch empfinden und sollten es daher nicht lesen!
Der Gott saß in seinem zeitlosen Raum-Zeit-Kontinuum und war zufrieden, wie er es die ganze Zeit (die in seinem zeitlosen Kontinuum eigentlich gar nicht existierte, aber egal) über war, denn er war ein guter und weiser Gott und alles lief in etwa so, wie er es eingerichtet hatte.
Naja, fast alles.
Eine Kleinigkeit war da noch, die allzu sehr aus dem Ruder gelaufen war und die nach seinem Eingreifen verlangte. Sein alter Rivale, der Zeitgeist, drehte seit geraumer Zeit völlig durch, doch das sollte sich demnächst wieder einrenken. Er war gerade dabei, dessen Hintermänner und Helfershelfer demaskieren – ohne natürlich offiziell einzugreifen. Er hatte bereits die entsprechenden Schritte eingeleitet und wartete nur noch auf die Bestätigung von deren Wirkung.
Er griff nie direkt ein, wollte so viel Freiräume wie möglich lassen, doch manchmal musste er ein wenig anstupsen, bitten, in die Spur bringen, durch Änderung unwichtiger Kleinigkeiten, die aber durch seine Weisheit und geschickte Platzierung ihre volle Wirkung entfalten konnten.
Interessanterweise rechnete er sich selbst nicht zu den Göttern, denn er wollte weder angebetet werden noch die Verantwortung für jedes Schlamassel, das schiefgeht, in die Schuhe geschoben bekommen. Hinter den Kulissen fühlte er sich am wohlsten. Sein Adjutant (bei anderen Göttern hätte er die Stellung eines Propheten inne), den er mit der Ausführung weiterer Schritte beauftragt hatte, war gerade mit seinem Raumfahrzeug gelandet und auf dem Weg zu ihm. Ein braver Kerl, unscheinbar, anspruchslos und klug, gerade richtig für diese Aufgabe. Ein wenig außer Atem trat er ein und wurde nach einer lässigen Begrüßung vom allwissenden Gott gefragt: „Und? Haben Sie alles arrangieren können?“
“Alles in Ordnung, Pastl, das Schwert ist im Säckel, das Gebäck mit der Apparatur verschickt worden und ich musste gerade eben noch seinem Diener einen Tipp geben, sonst hätten sie es nicht gefunden. Komischer Vogel das, hat mich beinahe überfahren. Hätte es eigentlich nicht gereicht, der Zielperson per Post Anweisungen zukommen zu lassen?“
„Nein, so einfach geht das nicht. Dann wären es nur Worte gewesen, die lediglich an den Verstand gerichtet sind. Sie würden niemals ihre Wirkung entfalten können. Nur, wenn er selber sieht, was Sache ist, kann er es auch verstehen und aus voller Überzeugung handeln. Eigenmotivation ist das A und O, die Show drumherum ist daher sehr wichtig, sie ist der Motor. Ach, was macht eigentlich Ihr Magen, geht es wieder?“
„Danke der Nachfrage, alles wieder bestens. Ja, was wäre die Welt ohne kulinarische Abenteuer?“
„Wen fragen Sie das? Schön auch, dass Sie sich die Zeit dafür genommen haben, ich hatte die letzten Wochen viel um die Ohren und hätte das unmöglich selbst erledigen können!“ meinte der allmächtige Gott und fuhr fort: „Ja, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Ich denke, wir können den Sekt schon mal öffnen.“
Der Präsident hat einen Vogel
Ab ins Schlaraffenland!
Ab in die Parallelwelt!
Das Unmögliche ereignete sich vor geraumer Zeit – Mittagszeit - in einem Chinarestaurant auf der Erde. Gerade, als ein Funktionär des VGU (Verein für Gleichstellung und Unterschiedlichkeit) sich nach einem anstrengenden Mahl über seinen Glückskeks hermachen wollte, verschwand dieser wie von Geisterhand, wurde durch das Raum-Zeit-Kontinuum geschleudert und irgendwo dort mit einer mysteriösen Botschaft vertauscht.
Diese Botschaft erschien eine knappe Sekunde nach dem Verschwinden des Kekses in Form eines zusammengeknüllten Fetzens Papier an Stelle eben dieses chinesischen Backwerks auf dem Teller des darüber sehr erstaunten Funktionärs. Sie war in der Universalsprache der Galaxis verfasst und lautete, um die Spannung ein wenig zu nehmen, wie folgt:
‚Es wird ein Lächeln sein, das sie besiegt‘.
Durch diesen dramatischen Auftritt wurde die Botschaft sofort in den Rang einer Prophezeiung erhoben, von vielen Leuten geglaubt und weiter ausgeschmückt, da – sind wir doch mal ehrlich – der Text doch ziemlich dünn war. Zudem ergab er keinerlei konkreten Sinn, aber das war schon in Ordnung, das haben Prophezeiungen halt so an sich. Durch den fehlenden Inhalt konnte jeder genau das hineininterpretieren, wonach ihm der Sinn stand, und so hatte man kurze Zeit später einen großen, bunten Strauß an obskuren Theorien.
Nur in einem waren sich alle einig: dass SIE natürlich dahinterstecken mussten (dieses „SIE“ wird im Folgenden zur besseren Unterscheidung immer groß geschrieben). Mit diesem SIE waren, wie üblich, irgendwelche dunklen Hintermänner gemeint, die eine nicht näher bekannte, unheilvolle Verschwörung anzetteln wollten. Und der einzige Weg, dies zu verhindern, war, die obskure These der Verschwörung immer weiter zu kolportieren und dabei ungewollt etwas zu verfälschen, weil man dem Erzähler nicht richtig zugehört hatte.
Das Dumme war in diesem Fall nur, dass es SIE wirklich gab. SIE hatten zwar diesmal nicht ihre Finger im Spiel. Da SIE aber mit anderen Plänen bereits ziemlich weit gekommen waren und stündlich damit rechnen mussten, dass ihnen – Pardon – IHNEN – jemand auf die Schliche gekommen sein könnte, fühlten SIE sich angesprochen und enttarnt.
Die Wahrheit war säkularer, doch das wusste niemand. Durch ein Experiment in einem Nebengebäude mit einer Apparatur, die gelöschte Informationen von Rechnern zurückholen sollte, bevor sie in der sechsten Dimension verschwinden, wurde ein Kalenderblatt mit einem philosophischen Aufdruck auf der Rückseite wieder in unsere Gegenwart geholt und versehentlich mit dem Glückskeks vertauscht, der sich nun seitdem im Reich der gelöschten Informationen befindet.
Wie dem auch sei, die Worte wurden von IHNEN sehr ernst genommen, denn Leute, die den Verlust ihrer Macht befürchten, haben vor vielen Dingen Angst. Und daher lebten SIE von dem Moment an in ständiger Furcht vor dem Lächeln, das SIE besiegen und IHNEN IHRE Macht nehmen würde.
Und jetzt, wo dieser Joschi Delgado wie aus heiterem Himmel aufgetaucht und so mir nichts, dir nichts Präsident der galaktischen Föderation geworden ist, bekamen SIE einen richtigen Bammel, denn dieser Herr Delgado lachte viel, gern und lang. Und obendrein hatten SIE ihn nicht unter Kontrolle - das hatte er oft ja selber nicht einmal. Nicht genug damit, er machte sich auch andauernd über IHRE Ziele und Maßnahmen lustig und wagte es sogar offen, diese zu hinterfragen.
Daher stand der Präsident natürlich ganz oben auf der Liste derer, dessen Lächeln SIE besiegen konnte. Und das wiederum machte ihn zu einer sehr gefährdeten Person.
Die Kopfschmerzen waren nicht von schlechten Eltern. Ausdauernd, pochend, hämmernd, fast jede bekannte Form des Schmerzes, durch alle Schattierungen und Stärken sandten seine Nerven ihre Botschaft aus, und das nicht nur an einer Stelle, sondern von der Stirn bis zum Nacken, die gesamte Schädeldecke entlang, ohne Ausnahme. Kopfschmerzen für Kenner, für Liebhaber, für Profis. Und verdient waren sie noch obendrein. Aber Joschi ertrug sie gerne, denn er hatte das erste Ziel seiner Bestimmung erreicht.
Nun war er Präsident der Föderation, hatte seine Hände, die noch ein wenig zittrig waren, an den Schalthebeln der Macht und war jetzt die Nummer eins, so dachte jedenfalls der größte Teil der weniger intelligenten Wesen der intelligenten Wesen der Galaxis. Doch in Wahrheit brachte ihm das erstmal nicht viel, abgesehen von einer schönen, purpurfarbenen Robe mit erlesenen Stickereien sowie einem Büro, Computer und einigen anderen Arbeitsutensilien.
Er konnte nicht viel mehr machen als einen guten Eindruck hinterlassen, repräsentieren, der Föderation ein Gesicht geben und umsonst mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Die Entscheidungen wurden von anderen Leuten getroffen, von Leuten, die im Gegensatz zu ihm kompetent waren. So war er zwar nicht mit großer Macht und Befugnissen ausgestattet, konnte aber überall dabei sein und tief hinter die Kulissen schauen.
Und darauf kam es ihm an. Das war der Grund, aus dem er überhaupt seine beschauliche Existenz als mittlerer Angestellter bei der Föderation aufgegeben hatte. Aber das durfte – noch – niemand erfahren.
Langsam öffnete er die Augen. Überall waren zerknüllte Klamotten, leere Flaschen, schmutzige Teller sowie Überreste von den Gerichten, die auf eben diesen serviert worden waren, drapiert. Zwei, drei Schnapsleichen und ein paar spärlich bekleidete Mädchen lagen dazwischen. Es würde ein paar Stunden dauern, den Saustall wieder auf Vordermann zu bringen. Aber halb so wild, denn zum Glück hatte er ja neuerdings einen Vogel.
Dieser wurde ihm am Tag seines Amtsantritts als persönlicher Mitarbeiter von der Föderation zur Seite gestellt. Joschi wollte eigentlich keinen Butlervogel haben, wurde aber durch die Blume belehrt, dass er ohne diesen kaum damit rechnen durfte, längere Zeit im Amt verweilen zu können.
Das war nicht ungewöhnlich, waren es doch die Assistenten und Sekretäre, die den Laden in der Föderation der zivilisierten Planeten der Milchstraße (FZPM) am Laufen hielten, die Drecksarbeit machten und sich Kompetenz aneignen mussten, während die Minister, Präsidenten und Kanzler sich lieber den ihrer Ansicht nach wichtigeren Dingen des Lebens widmeten wie der Eröffnung von Fabriken und Einkaufszentren, Teilnahme an Festbanketten oder dem Feiern von Geburtstagen anderer Staatsoberhäupter und Organisationschefs.
Schnell hatte er verstanden, dass es sich bei Predo Tschillpie, so lautete der Name des gefiederten Wesens vom Planeten Orneon 4a, um eine Art Gouvernante handelte, die ihn unter Kontrolle halten und die Föderation über jeden seiner Schritte informieren sollte. Und dieser Geselle benahm sich auch so, liebte es, den Präsidenten bei jeder Gelegenheit zurechtzuweisen und sich aufzuplustern, was teilweise für Heiterkeit sorgte, da der Vogel manchmal noch seine liebe Mühe mit der Grammatik der Standardsprache der Galaxis hatte. Aufgrund dieser Tatsache sowie des sehr uncoolen und pedantischen Charakters des Vogels zog Joschi ihn auf, wo es nur ging. Und jetzt ergab sich wieder eine Gelegenheit.
„Hansiiii!“
Das gefiederte Wesen kam hereingetrippelt und hielt die übliche Standpauke: „Mei, Herr Delgado, immer dasselbe mit Ihnen, feiern, bis die Fliegen fetzen und die anderen dürfen dann den Trümmerhaufen beseitigen, das ist überhaupt nicht unverantwortungslos! Ich dachte, dass sich das ändert, jetzt, wo Sie die ersten Tage im Amt so einigermaßen überstanden haben, sehe mich aber getäuscht. Schade ... Zudem ist mein Name nicht ‚Hansi‘, sondern Predo Tschillpie!“ und ein Blick, der vernichtend wirken sollte, aber nur zur Erheiterung des Angesprochenen diente, traf den eben aus dem Bett gestiegenen obersten Dienstherren.
Predo plusterte vor gespielter Enttäuschung sein gelblich-grün durchsetztes Gefieder auf, denn er war ein recht eitler Vogel und besonders stolz auf sein makelloses Federkleid. Dieses hatte zwar kaum noch einen praktischen Nutzen, diente aber umso mehr zum Repräsentieren, zum Unterstreichen der eigenen Persönlichkeit und wurde daher täglich mindestens eine halbe Stunde lang gepflegt.
Er war fast so groß wie sein Vorgesetzter, aber deutlich leichter gebaut und trug den feinen und dezenten Anzug, der einen hochrangigen Assistenten der Föderation ausweist, wie eine zweite Haut beziehungsweise ein zweites Federkleid. Als Orneer zog er es vor, barfuß zu gehen, was jedes Mal die Hausmeister der Behörden, bei denen er das Parkett mit seinen scharfen Krallen zerkratzte, zur Weißglut trieb.
Als Schwarmbester seines Jahrgangs stand ihm eine Karriere bei der Föderation offen; eine Gelegenheit, die er nur zu gerne beim Schopf gepackt hatte, denn er wollte neue Welten, andere Wesen und Kulturen kennenlernen, mal rauskommen aus dem heimischen Nest, weg von Orneon. Nach seiner Ausbildung, die er selbstredend als Bester abgeschlossen hatte, freute er sich auf seinen ersten Auftrag, den er für die Föderation erledigen sollte. Eigentlich war es sehr ehrenvoll, als Neuling gleich zur rechten Hand des Präsidenten ernannt zu werden, ein paar Tage im Amt hatten ihm aber gezeigt, dass der Job wohl von altbewährten Mitarbeitern strikt abgelehnt worden war, was ihn aber nicht in seiner Motivation bremste.
Zudem muss erwähnt werden, dass er ein flugunfähiger Orneer war, denn auf Orneon 4a gab es mehrere Vogelarten, die Intelligenz entwickelt hatten. Die mit Abstand Klügsten waren die Laufvögel, zu denen auch Predo gehörte. Sie sahen herablassend auf die kleineren, aber flugfähigen Vögel herab. die sich im Gegenzug einen Spaß daraus machten, ihre großen Verwandten wegen ihrer Flugunfähigkeit aufzuziehen und ihnen bei jeder Gelegenheit aus vollem Flug kräftig auf den Kopf zu kacken.
Und wer aufmerksam mitgelesen hat, wird sich über die seltsame Bezeichnung wundern: Orneon 4a. Das ungewöhnliche ‚a‘ lässt sich einfach erklären. Der Planet befindet sich auf einer stark elliptischen Bahn um seine Sonne und tauscht, ähnlich wie Neptun und Pluto, zweimal jährlich den sonnennäheren Platz mit seinem Bruderplaneten Orneon 4b. Dieser dient vielen Orneern, bei denen das Zugvogelgen noch aktiv ist, als Nistkolonie.
Gerade jetzt, wo er sich seit ein paar Tagen in der Mauser befand, hatte er starke Stimmungsschwankungen, die zu ertragen nicht immer einfach waren, zumal die Vogelwesen von Orneon für Erdlinge auch ziemlich nervtötend sein konnten, wenn sie sich in normaler Stimmung befanden. Rechthaberisch, arrogant und kleinlich waren Adjektive, die die meisten Angehörigen dieser Spezies treffend beschrieben und daher waren größere Konflikte mit Joschi, der es doch lieber sehr lässig und ungenau angehen ließ, vorprogrammiert.
„Ach, Hansi, reg dich nicht immer so auf. Eine kleine Feier wird man doch noch veranstalten dürfen. Präsidenten werden nicht jeden Tag gewählt! Und die Feier mit dem Hohen Rat war noch exzessiver. Die Butlerroboter sind heute noch am Aufräumen und renovieren.“ Und mit einem nonchalanten Wimpernklimpern fügte er hinzu: „Ist der Kaffee schon durch?“
„Selbstverständlich, Herr Präsident. Soll ich mich bequemen, Ihnen eine Tasse einzuschenken?“
„Ach, lass stecken, Hansi, ääähhh Tschillpie, stell die Kanne – was, das ganze Tablett auf den Tisch, ich mache das selber, hab noch was zu schreiben. Sind die Frühstückseier auch gut durch (schräger Seitenblick auf Predo)? Gut. Du kannst davonflattern und den Terminplan durchforsten, ich brauche noch eine Stunde am Abend, muss noch einen alten Schulfreund besuchen. Der wird Augen machen ...“
„Sehr wohl, Herr Präsident, ich ziehe mich dann zurück. Und mein Name ist Predo Tschillpie, mit einem Tirilli am Ende, nicht mit einem Zwitschern!“ tirilierte der Vogel auf die unnachahmliche Weise, wie nur Orneer sprechen beziehungsweise singen können und verschwand, bürzelwackelnd wie eine Gans, aus der Suite.
„Uff, den sind wir los. Na dann!“ sprach Joschi halblaut, ging ins Nebenzimmer und setzte sich an seinen Rechner. Er hatte noch einiges zu tun. Briefe schreiben, Verordnungen durchlesen, Vorbereitungen treffen, das Leben war kein Zuckerschlecken mehr. Die Freiheiten, die er mit Amtsantritt zu genießen erhofft hatte, gab es nicht - im Gegenteil, er hatte fast rund um die Uhr zu tun. Nichts wirklich Kompliziertes oder Verantwortungsvolles, aber er musste überall anwesend sein und lächeln. Immer lächeln. Sogar in Anwesenheit seines Vogels.
Und so trank er seinen Kaffee, aß seine Brötchen und hackte dabei verschiedene Texte in den Rechner, den er mit der Ernennung zum Präsidenten bekommen hatte. Da er nie wirklich gut im Schreiben gewesen ist, sondern nur im Improvisieren und Finden von Ausreden, musste er immer wieder Sätze und Abschnitte komplett löschen beziehungsweise redigieren.
Zuerst ein Zwischenbericht über die letzten Tage, streng geheim. Das war das absolut Wichtigste, denn er war nur Präsident geworden, um diese Berichte schreiben zu können. Sowohl Föderation als auch der allmächtige Verein für Gleichheit und Unterschiedlichkeit, VGU, durften nichts davon erfahren, daher hatte er alle Sicherheitsvorkehrungen aktiviert. Weder konnte ein Unbefugter mitlesen noch die Bestimmungsadresse in Erfahrung bringen. Unmöglich.
Der Rapport war an eine neutrale Adresse gerichtet, nicht einmal Joschi wusste, wer sich dahinter verbarg. Und damit noch etwas Spannung erhalten bleibt, wird das Geheimnis der Person hinter der Adresse nicht gelüftet.
In diesem Bericht schilderte er die Verstrickungen zwischen Föderation, VGU, Presse und ein paar regionalen Dienststellen, nannte Namen und stellte Vermutungen an, wofür diese denn wirklich verantwortlich waren. Nochmal in die Stulle gebissen, mit Kaffee runtergespült und abgeschickt, dann auf zum nächsten Bericht, diesmal ein offizieller, mit gänzlich anderem Inhalt, für die galaktische Föderation.
Gut, ein paar Krümel und Kaffeetröpfchen sind dabei auf die Tastatur geraten, aber dafür war diese anscheinend ausgelegt, denn selbst nach den üppigsten Frühstücksorgien ließ sich nicht mal das kleinste Krümelchen oder Stäubchen zwischen den Tasten erkennen. Das war bemerkenswert, denn nicht mal zu dieser fortschrittlichen Zeit gab es im Handel kaffee- und bröselsichere Tastaturen.
Kurze Auszeit. Man ging lange Zeit fälschlicherweise davon aus, dass die besagten Kleinstpartikel zwischen den Tasten von externen Quellen stammten wie beispielsweise Brötchen, Kaffee, schmutzigen Fingern oder anderen Dingen.
Diese machen tatsächlich aber nur einen sehr geringen Anteil aus. Mittlerweile weiß man, dass der Löwenanteil dieser ekligen, schwarzgrauen und klebrigen Masse direkt aus dem PC selbst stammt. Es ist nichts weiter als Information, die gelöscht wurde und weil diese aufgrund der Entropie nicht einfach so verschwinden darf, materialisiert sie sich und quillt, da sie ja irgendwohin muss, zwischen den Tasten hervor.
Dahintergekommen ist ein kleiner, spießiger Föderationsangestellter, der es nicht ertragen konnte, den Rechner seiner schludrigen Kollegen mitbenutzen zu müssen. Jedes Mal säuberte er das Gerät, bevor er zu arbeiten begann, zog sich Glacéhandschuhe an und aktivierte einen Staubeliminator auf seinem Tisch. Aber es half nichts, die Tastatur wurde sogar noch schneller schmutzig als bei den faulen Kollegen, die den Apparat nur zweimal am Tag benutzten, um private Dinge zu erledigen.
Das machte ihn stutzig und er fing an, da er nicht wirklich viel zu tun hatte, Experimente durchzuführen. Mal arbeitete er mit, mal ohne Handschuhe, mal ließ er den Staubeliminator laufen, mal nicht, aber immer führte er exakt Buch über den Verschmutzungsgrad der Tastatur. Nach zwei Monaten kam er auf das sensationelle Ergebnis, dass der Verschmutzungsgrad fast exakt mit dem Löschen von Textpassagen korrelierte, egal, ob der Rechner mit Handschuhen benutzt worden war oder nicht, egal, wie lange man an der Kiste gesessen hatte.
Diese Erkenntnis war sensationell und wurde natürlich sofort geheim gehalten, damit sie nicht in die falschen Hände geriet, was aber jetzt nicht wirklich notwendig gewesen wäre, denn dort war sie bereits.
Genauere Forschungen hatten ergeben, dass sich die Information eine gewisse Zeit lang materialisiert, dabei als Gebrösel ausfällt und dann, wenn sie von den Tasten entfernt worden ist, aus unserem dreidimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum verschwindet, um sich in die sechste Dimension zu verkrümeln (jaja!), nur um dort, zusammen mit all den anderen gelöschten Informationen, nach Herzenslust zu verkleben und verklumpen, so dass man sie beim besten Willen nicht mehr rekonstruieren kann.
Nun dürfen sich die Informationen erstmal gerne aus dem Staub machen, denn dort sind sie für uns unerreichbar. Wäre ja auch noch schöner! Sonst könnte man ja die ganzen gelöschten und geheimen Daten auslesen und ordentlich Schindluder damit treiben. Firewalls und andere Sicherheitsvorkehrungen wären praktisch zwecklos, könnte man sich dieses informationsreichen Gebrösels bemächtigen. Das geht ja nun wirklich nicht!
Doch, leider geht das. Und da außer IHNEN niemand davon wusste, kam auch niemand auf den Gedanken, sich gegen Informationsdiebstahl von gelöschten Texten zu schützen.
Also hackte der oberste Chef der Föderation munter seine geheimsten Berichte in den Apparat, fluchte, weil er wieder mal die Tasten verfehlt hatte und ließ die automatische Fehlererkennung und Stilverbesserung drüber laufen, damit sie geschätzte vierzig Prozent des Geschreibsels entfernte oder bis zur Unkenntlichkeit ummodelte und den Sinn des Originals auf den Kopf stellte. Joschi machte sich weder Gedanken um die fehlenden Krümel noch um das Wortgemetzel, das zu veranstalten er gezwungen war, und biss nochmal herzhaft in seine Schneckennudel, die auch prompt einen Regen kleinster Partikel in die Tastatur ergoss.
Auch wenn der Text nicht den Sinn ergäbe, den er haben sollte (wenn er überhaupt einen ergeben sollte), konnte er mit einem warmherzigen Lächeln die Sache wieder geraderücken, denn viel Verbindliches hatte der Präsident nicht zu sagen und konnte daher auch nicht so viel kaputtmachen. Er sollte nur der Macht ein Gesicht geben, etwas Greifbares, Ansprechbares, so dass die Bewohner der Galaxis nicht den Eindruck bekamen, die Föderation wäre eine gesichtslose Ansammlung von ausgemusterten und unfähigen Büro- und Technokraten, was sie eigentlich war, sondern würde aus Leuten bestehen, die sich locker den verwaltungstechnischen Anforderungen stellten und sogar noch Spaß dabei hatten.
An anderer Stelle waren einige Leute umso interessierter daran, jeden Brösel auslesen zu können. Es hatte einige Jahre gedauert, um eine Absorptionsfolie zu entwickeln, die geschickt unter der präsidialen Tastatur angeordnet war und welche die gelöschte Information (inklusive Schneckennudel- und Croissantüberresten) in einen externen Datenspeicher transferierte, bevor sie mit anderen Daten und Frühstücksresten endgültig zu einem wertlosen und ekligen Brei zusammenpappte, der normalerweise irgendwann von der Putzfrau gereinigt werden würde.
Noch länger hatte es gedauert, eine Apparatur zu entwickeln, mit der man eben diese Daten aus den unzähligen Nahrungsmittelresten extrahieren und wieder lesbar machen konnte. Diese sogenannte Datenzentrifuge separierte die kleinen, ekligen Teilchen (‚KETs‘), die Daten enthielten, vom restlichen Gepappe. Anschließend konnte man nicht nur alle Informationen auslesen, wenn man es richtig anstellte, sondern hatte auch noch ein wenig Gebäck aus den Resten des Gekrümels produziert, das die Zentrifuge ausspuckte.
Und es gab einen kleinen Zirkel von Leuten, die das konnten.
Diese Leute waren stinksauer, weil ihr Kandidat bei der Wahl zum Präsidenten der Föderation verloren hatte, und das noch gegen so einen unberechenbaren Taugenichts, den man kaum unter Kontrolle bringen konnte! Wenigstens hatte man einen Spion in seiner unmittelbaren Nähe, zudem wussten sie durch die Tastatur, was er gerade machte und plante und konnten entsprechend agieren. Denn eines war sicher: Die Föderation musste wieder unter ihre Kontrolle gebracht werden, zum Wohl aller Wesen in der Galaxis. Und für dieses hehre Ziel – Macht – durfte, ja musste man ohne Skrupel gegen alle Gegner vorgehen, auch wenn das der überwiegende Teil der Galaxis war, durfte, ja musste man alles einsetzen, was einem zur Verfügung stand.
Und das war einiges.
Etliches, um genau zu sein.
Doch davon konnte Joschi nichts wissen. Zum Abschluss seines morgendlichen Arbeitsschubes durchstöberte er seine Mails. Ein paar Fans hatten geschrieben, ein paar Mahnungen, Werbung, nichts Besonderes. Doch halt, eine wichtige Nachricht, sogar mit einer blinkenden, roten Fahne gekennzeichnet, direkt von der Föderation, fiel ihm jetzt auf. Sie lautete:
„Sehr geehrter Herr Präsident! Ein wichtiger Termin steht ins Haus. Durch Ihren Amtsantritt sind einige Zivilisationen ein wenig außer Fassung geraten, es herrscht Aufruhr in manchen Teilen der Galaxis. Gerade die von Akabaraniern bewohnten Welten sind aufgebracht - Sie hätten sich nicht so abfällig über ihre Religion auslassen sollen. Daher werden Sie sich sofort auf Schlaraffia IV einfinden, um dort die Wogen ein wenig zu glätten. Ich denke, dass dies in zwei Tagen bewerkstelligt werden kann.
Von dort werden wir Sie abholen lassen, damit Sie noch rechtzeitig bei der Präsentation des Phasen-Molekularumwandlers zugegen sein können. Für den Flug nach Schlaraffia steht Ihnen der Wellenreiter ‚Orion‘ unter Käptn Ehrlein zur Verfügung. Da unsere Flotte momentan noch ein paar kleinere technische Probleme hat – wir haben jetzt zwar wieder Geld für die Wartung, aber nicht die Kapazitäten, diese auch schnell durchzuführen, werden Sie von dort mit der ‚Genderpreis‘ zu der Präsentation nach Gliese weiterfliegen.
Dieses Schiff hat gerade eine Mission im Helix-System beendet und ist bereits auf dem Weg ins Schlaraffensystem, wo Sie dann an Bord genommen werden. Wir wünschen einen angenehmen Flug und verbleiben mit freundlichen Grüßen
Jean-Philippe Chevallier“
„Ach ja, der Jean-Philippe. Hat die Niederlage bei der Wahl zum Präsidenten gut verkraftet. Und die Genderpreis wollte ich mir schon immer mal gerne anschauen, soll ja ein doller Kahn sein!“, dachte sich der Adressat und machte sich an die nächsten Mails.
„Hey, Joschi, ich liebe dich, ich will ein Kind von dir!!!“ stand da in großen, rundlichen Lettern unterhalb eines nicht minder großen und rundlichen Paares weiblicher Brüste. Erst das achte Angebot heute, es lässt langsam nach, dachte sich der auserkorene Kindsvater. Ach ja, warum muss man mir ausgerechnet einen schrägen Vogel abstellen und nicht ein paar meiner Fans? Da könnte man sogar am Gehalt sparen!
Die Tage auf Helix III waren nicht leicht gewesen, jedenfalls nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Zwar konnte man mit Muße das Schiff wieder in Topform bringen (lassen) und selber noch etwas zur Ruhe kommen, aber der übliche Ärger ließ nicht lange auf sich warten - in Form von Person Roth-Grün natürlich, der Diversitätsbeauftragten, die vom VGU für die Dauer der Expedition abgestellt worden war, um eine gleichstellungs- und genderkonforme Reise zu garantieren.
Der Käptn, die Weltraumlegende Roderich Grubinger, war just auf dem Weg zur Brücke, um sich nach dem Fortschritt der Wartungsarbeiten zu erkundigen, als er auf dem Korridor beinahe mit Sathington Durbrick, dem Bordmechaniker, und besagter rot-grüner Person zusammenstieß. Beide diskutierten erregt. „Wie oft muss ich Ihnen noch erklären, dass ich den neuen Vorhammer brauche? Den Alten hat mir Kevin-Jeanette kaputtgemacht, als er die Schaltkreise vom Raumflitzer eines Bekannten reparieren wollte und ...“
„mit einem Sieben-Kilo-Hammer?“
„Ja, um sich abzureagieren, weil es nicht geklappt hat. Jedenfalls hat er den Stiel abgebrochen und ich hab‘ jetzt einen neuen gekauft. Im Sonderangebot! So ein Geschiss um einen billigen Allerweltsvorhammer! Wo ist das Problem?“ fragte der Maschinenmeister erregt.
„Das Problem, Person Durbrick? Es gibt hier viele Probleme, nicht nur eines! Es fehlen die grundlegendsten Zertifikate für besagtes Werkzeug! Ist der Stiel auch garantiert aus Ökoholz und nicht aus Tropenholz? Wurde der Hammer von fair bezahlten und gewerkschaftlich organisierten Arbeitskräften und nicht in Kinderarbeit auf Helix zusammengebaut?
Wurde der Stahl des Kopfs mit umweltfreundlich abgebauten Elementen legiert und nicht mit solchen, bei denen die Gewinnung eine Wüste hinterlässt? Wurde beim Schmelzen des Stahls nicht zu viel CO2 emittiert? Hat der Baumarkt, bei dem Sie das Produkt gekauft haben, eine genaue Diversitäts- und Außerirdischenquote eingehalten?
All das und noch viel mehr muss berücksichtigt werden, Person Durbrick! Daher ist ein ausgebildeter Einkäufer für solche Anschaffungen unbedingt vonnöten und darf nicht umgangen werden! Und jetzt bringen Sie den Hammer wieder zurück, es sei denn, Sie können die erforderlichen Zertifikate beischaffen!“
„Brummelbrummel – ach, hat doch eh keinen Sinn!“ schmollte der oberste Teiletauscher und machte sich davon, den Hammer zurückzugeben und seinen Frust in der Kneipe neben dem Baumarkt zu ertränken, anstatt, wie sein Praktikant, dafür den Hammer zu Hilfe zu nehmen, wobei ihn gerade jetzt diese Alternative doch sehr in den Fingern juckte, wenn man seinen Gesichtsausdruck richtig interpretierte.
Roderich hatte kurz die Hoffnung, ungeschoren davonzukommen, doch Roth-Grün machte diese zielsicher zunichte.
„Ah, Käptn, gut, dass ich Sie sehe! Es sind ja ein paar Umbauten vorgenommen worden während der Wartezeit im Dock. Mich würde interessieren, was denn so alles installiert worden ist, wo die zugehörigen Zertifikate sind und so. Können Sie mir eine Zusammenstellung vorlegen?“
„Kein Problem, neben den üblichen Verschleiß- und Ersatzteilen wurde die Genderpreis mit einem sogenannten Etikettiersystem, das vom VGU neuerdings für alle größeren Schiffe vorgeschrieben ist, ausgerüstet. Details werde ich Ihnen ausdrucken. Wie ich gesehen habe, ist aber alles ordnungsgemäß zertifiziert. Was ist das denn eigentlich, dieses ‚Etikettiersystem‘? Sie sind doch vom Verein für Gleichstellung und Unterschiedlichkeit und wissen da sicherlich mehr als wir alle zusammen!“
„Ach so, das neue System, dann ist ja gut, hehe. Es ist übrigens kein Etikettier-, sondern ein Etikettesystem.“ entgegnete Roth-Grün halblaut mit sibyllinischem Grinsen. „Es stellt sicher, dass die Ausdrucksweise des Personals nichtdiskriminierend, immer politisch korrekt und gesittet abläuft. Schimpfwörter, lautes Poltern und herabwürdigende Kommentare sowie Zoten und anrüchige Anspielungen werden gerügt und sogleich gemaßregelt. Das wäre ja noch schöner! Und, Person Grubinger, was sagen Sie dazu?“
„Das ist gut!“ antwortete der Käptn laut.
„Dass Sie sich dafür begeistern können ... gut, es ist ein Anfang. Offenbar treibe ich Ihnen die Machoallüren so langsam aus.“
Roderich ließ sie in dem Glauben weiterziehen, nuschelte leise „zu wissen“ hinterher und setzte seinen Weg zur Brücke fort. Unterwegs traf er auf Sergeant Kareninoff, der merkwürdigerweise anstelle einer Waffe ein kleines Notizbuch in der Hand hielt, in das er angestrengt etwas schrieb. Seltsam. Das war ungefähr so, als ob ein Löwe mit Essbesteck und Serviette eine Schüssel grünen Salat vertilgen würde.
Auf der Brücke nahm ihn Jarulin Voof, sein erster Offizier, in Empfang und erstattete Bericht. „Hi Roddi, wir sind fast startklar, ein erster Probelauf ist in fünfundvierzig Minuten angesetzt. Äh, wo geht denn Sathington gerade hin?“
„Ach, der geht nochmal in die Stadt, vorsorglich Besorgungen entsorgen. Leg besser noch zwei Stunden drauf mit den Tests, dann lassen wir das Mädel brummen. Wollen wir so lange noch eine Partie ‚Unicorn‘s Lair‘ spielen?“
„Du willst Revanche? Jederzeit!“ war die selbstsichere Antwort Jarulins. Sie gingen in die Kajüte des ersten Offiziers und packten die Controller aus. Das Spiel war der letzte Schrei, das ultimative Spiel, welches die ganze rechnerische Leistung für Grafik und Akustik der hochmodernen Spielkonsole benötigte, für die es konzipiert worden war.
Fünfzig Programmierer und Entwickler hatten monatelang an der Realisierung gearbeitet und achtzig Terrabyte geschrieben mit dem Ergebnis, dass die beiden Offiziere jetzt acht verschiedene Formen, die vom oberen Bildschirmbereich langsam nach unten fielen, so lange um neunzig Grad drehen mussten, bis dass sie in einen sich am unteren Bildschirmrand befindlichen Stapel bereits vorhandener Teile eingefügt werden konnten. Die Grundidee war schon ein paar hundert Jahre alt, aber Grafik, Effekte und Vorspann sowie verschiedene Spielmodi konnten einen vergessen lassen, dass es sich um ein simples und altbackenes Spielchen handelte.
Mitten im zweiten Durchgang – Roderich war es nicht unzufrieden, er lag wieder mal weit hinten - kam ein dringender Anruf der Föderationszentrale auf sein Mobilfon reingeschneit.
„Tut mir leid, Jaru, aber die Arbeit geht vor. Schade, ich war so kurz davor ...“
„abgezogen zu werden. Nix da, wir spielen ‚Unicorn‘s Lair‘ und der Anrufer keine Rolle!“
„Mal schaun, wer stört. Upps, der Admiral höchstpersönlich. Neh, da geh ich mal lieber dran.“
Sie packten die Controller weg, um seriös zu erscheinen, denn die Gespräche liefen üblicherweise mit Bildübertragung. Roddi meldete sich.
„Hier Käptn Grubinger von der Genderpreis, was liegt an?“
Es war die lebende Legende Admiral Krothenfels, die sich zu Wort meldete. „Person Käptn, ich habe vernommen, dass Sie morgen wieder ins Geschehen eingreifen können. Wir haben da eine kleine Mission, einen wichtigen und geheimen Auftrag, den nur ein zuverlässiges Schiff mit einem vertrauenswürdigen Käptn und gefüllten Tank übernehmen kann. Wie Sie wissen, haben wir seit kurzem einen neuen Präsidenten an der Spitze unserer Föderation, Herrn Joschi Delgado. Eigentlich ein Grund zur Freude, doch leider hat die Wahl dieser Person auf manchen Welten für negative Emotionen gesorgt.
Es gehen Gerüchte um, denen Zufolge ein Anschlag auf ihn geplant ist. Dennoch müssen die Geschäfte weitergehen. Herr Delgado befindet sich im Anflug auf Schlaraffia IV, um dort die Wogen zu glätten. Sie werden ihn dort abholen und sicher zur Präsentation von so einem Phasendingsda geleiten.“
„Aye, Sir, wir werden noch einen Probelauf absolvieren und können morgen aufbrechen.“
Roderich machte sich zurück zur Brücke, um genauere Instruktionen per Mail zu empfangen, während Jarulin die Konsole wegpackte und ein wenig Musik auflegte. Das konnte er nur, wenn er alleine war, denn Bregander wie er hatten einen sehr speziellen Kunstgeschmack.
Musik beispielsweise war für diese Spezies rhythmisch und wohlklingend, wenn der Rhythmus nicht gleichmäßig lief, sondern nur, wenn sich das Tempo ständig veränderte, was von den meisten anderen Wesen als schreckliche Katzenmusik empfunden wurde. Zudem mussten die Texte unerträglich öde sein. Das war auch der Grund, warum es kaum Ehen zwischen Bregandern und Erdlingen gab – sie frequentierten verschiedene Discos.
Das Bregandersystem war auch das einzige, in dem es Politikern verboten war, Musik zu machen. Die einschneidende Erfahrung, die zu dem Verbot führte, machten die Bregander mit Politikern eines Untersuchungsausschusses, der eigentlich die aktuelle Problematik beim Berechnen der Einkommenssteuer unterer Klassen durch die neue FX-1-Klassifizierung untersuchen sollte. Diese Arbeit war schrecklich langweilig und unwichtig und alle wussten, dass der Abschlussbericht zwar zweihundertfach ausgedruckt und zur Vorlage an die restlichen Parlamentarier versandt, aber tatsächlich von niemandem gelesen, geschweige denn verstanden werden würde.
Diese Aussicht hatte ein paar Hinterbänkler frustriert, die von ihren Parteigenossen in den Ausschuss gestopft worden waren, weil er ihnen selbst zu langweilig erschien. Diese zweiten Geigen hatten nun in einer Pause Überlegungen angestellt, wie man aus der investierten Zeit und Arbeit doch noch etwas Produktives machen könnte.
Einer dieser Hinterbänkler hatte einen Schwager in der Musikindustrie und schlug dadurch inspiriert vor, doch einfach eine Platte mit dem Bericht als Text aufzunehmen. Öde Lyrics waren ja auf Bregander schon seit jeher der Renner.
Die anderen Mitglieder waren begeistert. Die Musik war schnell zusammengeschrieben und als Text verwendete man Passagen aus dem erstellten Bericht.
Als Künstlername fiel ihnen nichts Besseres ein als ‚Untersuchungsausschuss für die aktuelle Problematik beim Berechnen der Einkommenssteuer unterer Klassen durch die neue FX-1-Klassifizierung‘, was ja auch der Wahrheit entsprach.
Die Hitsingle konnte nun platziert werden, die natürlich den einfallsreichen Titel ‚Untersuchungsabschlussbericht des Untersuchungsausschusses für die aktuelle Problematik beim Berechnen der Einkommenssteuer unterer Klassen durch die neue FX-1-Klassifizierung‘ trug und fast ein Jahr lang die Nummer eins der Charts belegte.
Dieses Stück hatte sich sogar, als einziges musikalisches Werk von Bregandern überhaupt, auf anderen Planeten gut verkauft. Nicht, weil die Leute die Musik so gut fanden, sondern weil sie sich ideal dazu eignete, Partygäste, die partout nicht gehen wollten, rauszuekeln. Es sind einige Fälle verbürgt, in denen sogar die Gastgeber gleich mitgegangen sind.
Zudem wurde das Stück gerne von den Polizeibehörden anderer Zivilisationen aufgelegt, um unliebsame Demonstrationen und Zusammenrottungen schnell und gewaltfrei aufzulösen. Und genau darin lag die negative Erfahrung der Bregander mit musizierenden Politikern: Sie hatten jetzt galaxisweit ihren Ruf als muffige Nerds mit schlechtem Musikgeschmack weg – völlig zu Recht.