Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Vivien Raid und Tarsifs Kinder sind Gefangene von König Knox und werden zur Schwerstarbeit gezwungen. Eine Flucht scheint unmöglich, bis das Flaggschiff der K'inga und ein Kreuzer der Tobes erscheinen. Eine unbarmherzige Schlacht zwischen den Feinden entbrennt. Unterdessen fliegen die Promet IV und weitere HTO-Raumer zum Wrack der Gagarin, um die toten Besatzungsmitglieder zu bergen, die Opfer eines Piratenangriffs wurden.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
In dieser Reihe bisher erschienen:
5101 Andreas Zwengel Mehr als tausend Lichtjahre
5102 Andreas Zwengel & Gerd Lange Geheiligte Spiele
5103 Andreas Zwengel Eisenfaust
5104 Andreas Zwengel Der Weiße Prophet
5105 Andreas Zwengel Im Tribunal der Häuser
5106 Andreas Zwengel Das Zeitenorakel
5107 Andreas Zwengel Die wahnhaften Künstler
5108 Andreas Zwengel Der Plan der Ehrenschwester
5109 Andreas Zwengel Die Vision der Propheten
5110 Gerd Lange & Achim Mehnert Requiem für Adamson
5111 Andreas Zwengel Die Jäger des Sternenkaisers
5112 Andreas Zwengel Im Reich der Zwölf Monde
5113 Andreas Zwengel Die Gagarin-Zeremonie
RAUMSCHIFF PROMET - STERNENABENTEUER
BUCH 12
Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen
und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.
In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.
Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.
© 2025 Blitz Verlag
Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH
Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier
Redaktion: Gerd Lange
Exposé: Gerd Lange
Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Logo: Mario Heyer
Satz: Gero Reimer
5112 vom 12.03.2025
ISBN: 978-3-689-84337-3
Im Reich der Zwölf Monde
Andreas Zwengel
Argl-Urgl-System,
Raumstation Thannhäuser, 05.07.2107
Die Raumstation Thannhäuser wurde von den Grrrntz im Auftrag der terranischen Firma Lunadocks erbaut, die die Station auch verwaltete. Sie war ein Treffpunkt für viele Raumfahrer, denn dort gab es Hotels, Geschäfte, Restaurants und Unterhaltungsmöglichkeiten aller Art.
Luzis Lagune beispielsweise war eines der beliebtesten Bordelle auf Thannhäuser, weil man dort nicht nur bei der Auswahl der Angestellten kritisch war, sondern auch bei der Kundschaft. Betrunkene Gäste und feiernde Gruppen wurden bereits am Eingang abgewiesen.
In diesem Etablissement sollte es ruhig und gepflegt zugehen. Der Sex fand in entspannter und friedlicher Atmosphäre statt, es gab keine Orgien mit Gegröle und Alkoholexzessen. Für die Freunde von Letzterem gab es mehr als genug andere Läden auf der Raumstation.
Die Separees von Luzis Lagune befanden sich in den beiden oberen Stockwerken, das Erdgeschoss nahm ein Café ein. Dort wurde zwar auch Alkohol ausgeschenkt, aber niemand kam her, um sich zu betrinken. Allerdings entdeckte Luzi Pallagon an diesem Tag zwei Ausnahmen. In einer Ecke saß sich ein Paar schweigend gegenüber. Jeder von ihnen mit seiner eigenen Flasche. Er mit Rum, sie mit Wodka. Ihr Vorhaben war nicht schwer zu durchschauen. Luzi kannte die beiden und wusste, was sie bedrückte. Die Frau hieß Barbea Delany, aber alle nannten sie Barbie. Sie stammte ebenfalls aus der Branche. Barbie hatte in der URNR, der Unabhängigen Republik Nordrussland, ein Bordell namens Snegurotschka geführt. Ihre üppige Oberweite, ihre Vorliebe für Lederkleidung und die tiefdunkle Stimme hatten sie zur Attraktion des Schneeflöckchen gemacht. Inzwischen war sie nicht nur wegen ihrer körperlichen Reize bekannt, sondern auch als weiblicher Haudegen, der sich verbal ebenso gut durchsetzen konnte, wie mit einer Waffe in der Hand.
Ihr gegenüber saß ein dunkelhäutiger Deutscher mit bulliger Statur. Er hieß Helmut M’Banga. Gemeinsam waren sie Eigner des Frachters Jolly Roger. Die Geschäfte liefen leider schlecht.
„Aus dem Auftrag ist nichts geworden, nehme ich an“, sagte Luzi mitfühlend, als sie an ihrem Tisch vorbeikam.
„Leider doch“, antwortete Barbie. „Aber der k’inganische Kaufmann war ein Betrüger. Er hat uns um die Bezahlung geprellt.“
„K’inga!“, sagte Luzi in einem Ton, als kaute sie auf dem Wort herum, bevor sie es ausspuckte. Die beiden blickten zu ihr auf. Sie hatten schon öfter erlebt, dass die ansonsten so freundliche Bordellbesitzerin nicht so gut auf dieses Sternenvolk zu sprechen war.
„Ich fürchte, wir werden die Jolly Roger verlieren“, beklagte sich Helmut und setzte die Flasche an, um einen raschen Schluck zu nehmen. „Wir können uns nicht einmal die Energieaufladung leisten, um von hier zu verschwinden.“
„Dürfen wir bei dir als Rausschmeißer anfangen?“, fragte Barbie.
Luzi legte eine Hand auf ihre. „Nimm es mir nicht übel, aber ich kann niemanden gebrauchen, der jeden über den Haufen schießt, der Ärger macht.“
„Ich habe an meinem Aggressionsproblem gearbeitet“, beteuerte Barbie. Die Bordellbesitzerin blickte fragend zu Helmut, der unauffällig den Kopf schüttelte.
Luzi seufzte. „Ich würde euch ja zum Trost einen Drink spendieren, aber wie ich sehe, seid ihr bestens versorgt.“
Barbie starrte auf den Pegel ihrer Flasche. „Bin mir nicht sicher, ob das reicht.“
„Ich werde mich auf jeden Fall für euch umhören, falls sich ein Auftrag ergibt“, versprach Luzi.
„Wir bleiben in der Nähe“, sagte Helmut und nahm einen weiteren Schluck.
„Apropos K’inga …“, sagte Barbie düster und wies zum Eingang.
Luzi drehte den Kopf und ihre Miene verdüsterte sich. Drei K’inga betraten Luzis Lagune, sie erkannte den hageren Anführer mit dem blonden Zopf und dem vernarbten Gesicht sofort. Es handelte sich um Poyle, den psychopathischen Lieblingsneffen von Thronräuber Radex. Sein Großvater mütterlicherseits war das Oberhaupt der gleichnamigen Ulann-Sklavenhändlersippe gewesen, also war er k’ingarischer Abstammung. Luzi fürchtete nicht, dass er sie erkannte, doch sie überließ die Neuankömmlinge trotzdem einer ihrer Mitarbeiterinnen. Sie wollte nicht mit Poyle reden müssen. Sie drehte sich zu Yoli Kropotkin, diese Angestellte war ungeheuer attraktiv und eloquent. Eine Topkraft in Luzis Lagune. Ihr konnte Luzi auch schwierige Kunden wie diese Irren überlassen. Sie gab ihr ein entsprechendes Zeichen und Yoli nahm sich mit zwei Kolleginnen der Neuankömmlinge an.
K’inga kamen regelmäßig nach Thannhäuser, doch sie bevorzugten in der Regel andere Läden. Solche, in denen mehr Stimmung herrschte. Luzi konnte keine K’inga abweisen, denn das hätte sich schnell herumgesprochen und zu viel Aufsehen erregt. Sie hatte sich auf der Raumstation unter falschem Namen ein neues Leben aufgebaut, das sie nicht gefährden wollte. Deshalb musste sie es ertragen, Poyle in ihrem Haus zu haben. Er würde sich ein paar schöne Stunden machen und dann mit der Stahgg weiterfliegen, also kein Problem. Vielleicht hätte sie Yoli noch anweisen sollen, nicht zu gut zu sein. Schließlich sollte der Neffe des Kaisers kein Stammkunde werden.
Sie ließ sich von der Barkeeperin einen Espresso machen und nippte daran, bis die nächsten Gäste hereinkamen. Dieses Mal war es ein sehr erfreulicher Anblick. Tim Axelrod lächelte, als er sie entdeckte, und kam zu ihr an die Theke. In seiner Begleitung befand sich ein Bodybuilder mit Bürstenschnitt und Schnauzbart.
„Wenn das nicht mein Lieblings-World-Police-Offizier ist“, sagte Luzi und breitete die Arme aus.
Axelrod drückte sie an sich und seufzte. „Ist schon viel zu lange her“, sagte er und stellte seinen Begleiter vor. „Das ist Major Patrick O’Healy.“
„Sehr erfreut“, sagte Luzi und schüttelte dem Major die Hand.
„Ich war auch mal bei der Space Police“, sagte O’Healy. „Aber so wurde ich selten begrüßt.“
Luzi lachte. „Tim hat mir ein paar seiner korrupten Kollegen vom Hals geschafft, die bei mir abkassieren wollten. Mit normalen Schutzgelderpressern bin ich immer fertig geworden, aber gegen Erpresser mit Dienstmarke konnte ich allein nichts ausrichten.“
„Es war mir eine Freude“, sagte Axelrod.
„Was führt dich diesmal nach Thannhäuser?“
„Wir sind hinter einem Piraten her, der eine Freundin von uns entführt hat. Er will sie wohl als Sklavin verkaufen. Angeblich an den Nurr-Kult.“
Luzi hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Die Ärmste. Ich hoffe, du irrst dich.“
„Offenbar hat jeder außer uns schon von diesem Kult gehört“, sagte der Major.
„Der Pirat ist ja wahrscheinlich ein K’inga. Kennt ihr seinen Namen?“
„Yax Karran“, sagte Axelrod.
Luzi verzog ängstlich das Gesicht. „Ausgerechnet. Sein Vater war ein netter Kerl. Ein Halunke, unbestritten, aber er hatte das Herz am rechten Fleck. Ich mochte ihn.“
Yoli Kropotkin kam wieder nach unten und gab eine Bestellung bei der Barkeeperin auf.
„Ich hoffe, ihr schnappt diesen Mistkerl“, sagte Luzi.
„Das wird schwierig, denn unser Transportmittel macht Probleme“, erklärte Axelrod. „Ich bin mit dem Experimentalmodell eines Stichlings unterwegs und anscheinend sind noch nicht alle Kinderkrankheiten an der Maschine kuriert.“
„Wir konnten nicht den Raumer meines Cousins nehmen“, verteidigte sich der Major, obwohl ihm Axelrod keinen Vorwurf gemacht hatte. „Wenn damit was passiert, wäre er ruiniert.“
„Momentan überlegen wir, wie der Stichling repariert werden kann. Wir können ihn nicht in eine normale Werkstatt geben. Wie gesagt, handelt es sich um einen Experimentaltyp. Wenn die Baupläne irgendwo auftauchen, bekomme ich eine Menge Ärger.“
Luzi winkte Yoli zu sich, die mit einem Tablett voller farbenprächtiger Cocktails auf dem Weg nach oben war. „Wie benimmt sich unser spezieller Gast?“
Yoli verdrehte angewidert die Augen. „Dieser Poyle nimmt sich gerade beide Mädchen vor und lässt seine Begleiter dabei zusehen. Ein sehr unangenehmer Typ.“
„Sieh zu, dass du ihn schnell loswirst, bevor er richtig unangenehm wird.“, sagte Luzi.
„Offenbar ist er in Eile und gönnt sich nur einen kleinen Zwischenstopp.“
„Solche Zwischenstopps macht der, wenn er in Eile ist?“, meinte Pat O’Healy. „Was hat der für eine Arbeitsmoral? Von jeder anderen Moral mal abgesehen.“
„Was hat er denn so Wichtiges zu tun?“, erkundigte sich Luzi. Allerdings nur, um sich darüber lustig zu machen.
„Anscheinend ist eines ihrer Schiffe auf einem Planeten namens Othan gestrandet. Er soll dorthin, um nach Überlebenden zu suchen“, berichtete Yoli. „Aber insgeheim rechnet er nicht damit, dass die Torrg den Absturz überstanden hat.“ Sie wunderte sich über die erstaunten Gesichter, die sie anblickten. „Äh, was ist los?“
„Sicher, dass er von der Torrg gesprochen hat?“, fragte Luzi. „Dem Schiff von Yax Karran?“
Yoli nickte. „Ganz sicher. Er hat sogar mehrmals wiederholt, wie sehr er hofft, dass Karran den Absturz nicht überlebt hat.“
Axelrod und O’Healy wollten sofort aufspringen, doch Luzi hielt sie mit erhobenen Händen zurück und wies die Männer an, ruhig zu bleiben. Dann wandte sie sich wieder an ihre Angestellte. „Planänderung. Jetzt gilt es, Poyle und seine Leute so lange wie möglich hier zu behalten. Nimm dir noch zwei Mädchen für seine Begleiter mit nach oben und ich lasse eine weitere Runde Cocktails bringen. Die K’inga sollen sich hier wohl fühlen. So lange, wie es möglich ist, ohne dass sie Verdacht schöpfen.“
Yoli hinterfragte die Anweisung ihrer Chefin nicht und eilte mit dem Tablett nach oben.
Tim Axelrod sah die Bordellchefin fragend an, doch die hatte noch keine Zeit für Erklärungen. Sie drehte sich zu der Barkeeperin. „Espressi und Sandwiches für die zwei von der Jolly Roger, aber nimm ihnen zuerst ihre Flaschen weg.“
Die stämmige Frau hinter der Theke nickte und machte sich an die Arbeit.
„Ich glaube, ich habe eine Lösung für euer Transportproblem“, sagte Luzi zu den beiden Männern.
„Ich bin dir wirklich dankbar“, sagte Axelrod beeindruckt. „Aber warum tust du das für uns? Das ist mehr als ein kleiner Gefallen.“
„Ich habe meine Gründe“, sagte Luzi zögernd.
„Du bist nicht besonders gut auf die K’inga und ihren Kaiser zu sprechen.“
Ihre Augen blitzten. „Radex ist nicht der rechtmäßige Kaiser, sondern ein Thronräuber. Er hat Kaiser Carsif vor zwanzig Jahren entweder selbst ermordet oder ihn ermorden lassen. Niemand weiß, wie er es getan hat, aber dass er es getan hat, daran gibt es keine Zweifel.“
„Das sind schwerwiegende Anschuldigungen, hast du nicht Angst, dass das jemand hören könnte?“, fragte Tim. „Gerade dann, wenn du K’inga im Haus hast.“
„Eigentlich ist das allgemein bekannt.“
„Trotzdem scheinst du wirklich gut informiert zu sein.“
Luzi lachte bitter auf. „Kann man so sagen, Tim.“
Tim und der Major sahen sie erwartungsvoll an, es war offensichtlich, dass da noch mehr war. Aber sie zögerte, darüber zu reden. Luzi kannte Axelrod zwar gut, aber doch nicht so gut, um ein Risiko eingehen zu wollen. Er wollte sie nicht drängen und überlegte schon, wie er das Thema wechseln konnte, da sprach sie wieder. Leise und kaum zu verstehen.
„Ich war mal mit Pytter Radex verheiratet.“
Tim und O’Healy klappten die Kinnladen herab.
„Du bist die Frau des Kaisers?“, fragte Axelrod leise.
„Er hat mich abserviert, bevor er sich auf den Thron schwang.“
„Ein ziemlicher Mistkerl“, entschied der Major.
„Mehr als du denkst. Er hat mich nicht nur von seinem Hof verjagt, sondern an Sklavenhändler verkauft.“
„Du machst Witze“, sagte O’Healy ungläubig.
„Nicht über dieses Thema. Niemals.“ Sie presste die Lippen fest aufeinander.
„Wie konnte er das machen? Ist niemandem aufgefallen, dass du vom Hof verschwunden bist?“
„Ich kann nicht sagen, welche Erklärung er dafür hatte. Er hat mich betäubt und als Nächstes erwachte ich gefesselt und geknebelt an Bord eines Raumers. Weit entfernt von Algor.“
Die beiden Männer hingen gebannt an ihren Lippen.
„Ich landete damals in einem Bordell wie diesem, aber ich machte mich dort bald auf andere Art nützlich. Die Inhaber erkannten meine Fähigkeiten und ziemlich schnell habe ich den Laden verwaltet. Als ich genug Geld zusammen hatte, habe ich mich abgesetzt.“
„Um dein eigenes Bordell zu eröffnen“, ergänzte Axelrod.
„Fast. Als Erstes habe ich eine neue Identität angenommen und mein Gesicht chirurgisch verändern lassen. Radex könnte nach mir suchen lassen. Also musste ich sichergehen, dass er mich nicht finden konnte. Ich habe ein völlig neues Leben begonnen.“
„Aber noch nicht völlig mit dem alten abgeschlossen, wenn ich dein Gesicht beim Anblick der K’inga bedenke“, erwiderte Tim.
„Manche Wunden verheilen langsam und andere nie.“ Sie schien einen Moment mit den Tränen zu kämpfen. „Ich könnte vielleicht überwinden, was er mir angetan hat, aber der Bastard hat sämtliche Nachfahren von Carsif ausgelöscht. Seinen Sohn Ryon und die vier Kinder von Carsifs Bruder, Prinz Tarsif. Jeder, der einen Anspruch auf den Thron erheben konnte, wurde beseitigt. Nicht einmal ihre Leichen hat man gefunden.“
„Was für ein Monster“, murmelte Axelrod fassungslos.
Luzi schniefte kurz und fasste sich dann wieder. „Also, es stimmt. Ich bin nicht gut auf Radex zu sprechen und ich werde auch nicht aufhören, schlecht über ihn zu reden. Allerdings nur gegenüber Leuten, denen ich vertraue. Denn ich möchte mir nicht noch einmal eine neue Identität zulegen müssen.“
„Wir werden schweigen wie ein Grab“, versprach Axelrod.
„Gut, dann stelle ich euch jetzt eure neuen besten Freunde vor“, sagte Luzi und machte ein Zeichen zu der Sitzgruppe in der Ecke. Das Paar dort erhob sich.
Axelrod stutzte, als sich die Frau näherte. „Barbie?“
„Ach, ihr kennt euch?“, wunderte sich Luzi.
Das war eine Untertreibung. Nachdem Timothej Axelrod seinen Posten als Chefmechaniker im Kosmodrom Plessezk auf Terra verloren hatte und nach der Schließung des Geländes obdachlos geworden war, lebte er eine Weile zur Miete in Barbies Schneeflöckchen. Natürlich zum Freundschaftspreis.1
Barbie erkannte ihn ebenfalls. Ihre Augen weiteten sich, ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei und dann stürmte sie los. Für einen Moment war es mit der Ruhe in Luzis Lagune vorbei. Barbie packte Axelrod unter dem Hintern, hob ihn in die Höhe und hüpfte mit ihm zusammen im Raum herum, während er sich an ihren Schultern festklammerte und auf Russisch auf sie einredete.
„Ja, ich denke auch, dass die beiden sich kennen“, meinte O’Healy zu Luzi.
Axelrod berichtete in Kurzfassung, was ihn und den Major nach Thannhäuser geführt hatte.
„Es geht um Vivien? Du brauchst kein Wort mehr sagen. Wir sind dabei.“ Barbie Delany war augenblicklich zum Abflug bereit, nahm sich dann aber doch die Zeit, ihren Partner vorzustellen. Besonders O’Healy war von dem gutgebauten Helmut sehr angetan und hörte gar nicht mehr auf, dessen Hand zu schütteln, bis sich Axelrod laut räusperte.
Schnell waren sie sich einig, sofort aufzubrechen. Über die Bezahlung wurde kein Wort verloren. Die beiden Frachterpiloten hätten auch umsonst geholfen, aber die Jolly Roger musste noch Energie laden, wofür Tim erst einmal die Kosten übernahm. Er verfügte dank der Space Police über ausreichend Finanzmittel. Es sollte auch nicht schwerfallen, sich auf einen Betrag zu einigen, mit dem beide Seiten zufrieden waren.
Mit den besten Wünschen von Luzi verließen sie die Lagune und machten sich auf den Weg zum Standplatz der Jolly Roger. Luzi Pallagon blieb allein an der Theke zurück und griff sich eine Flasche, die unter der Theke stand. Sie trank nur noch selten Alkohol. Nur bei besonderen Anlässen, und dies war auf jeden Fall einer. Sie erhob ihr Glas auf den Erfolg von Axelrod und O’Healy. Dabei bemerkte sie eine hohe Gestalt, die sich am Ende der Bar erhob. Sie war zweieinhalb Meter groß und versuchte ihr Aussehen durch einen langen Mantel und einen großen Hut zu verbergen. Aber Luzi hatte das monströse Seepferdchen auf zwei Beinen sofort erkannt. Die Tobes waren ein raumfahrendes Volk und als gewiefte Händler, die sie waren, hielten sie sich auch häufig auf Thannhäuser auf. Aber dieses Exemplar schien es gerade besonders eilig zu haben, hier wegzukommen. Es konnte reiner Zufall sein, aber K’inga und Tobes am gleichen Ort bedeutete fast unweigerlich Ärger. Luzi wusste nicht, ob er ihr Gespräch belauscht hatte. Entweder holte der Tobes gerade Verstärkung, um sich Poyle zu schnappen, oder er folgte ihren Freunden zur Jolly Roger. Sie wollte nicht abwarten, um irgendwann einmal zu erfahren, welche der beiden Möglichkeiten zutraf und leerte ihr Glas. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Die Zeit des Versteckens war vorbei.
* * *
Planet Othan, 06.07.2107
Rattenkönig Knox hatte sich an seine Ankündigung gehalten und den Gefangenen nicht das Geringste darüber verraten, was ihnen bevorstand. Er wollte nur einen Blick auf die neuen Arbeitskräfte werfen und verschwand anschließend wieder. Ob er zufrieden oder enttäuscht war, ließ er sich nicht anmerken. Er ignorierte alle Fragen, mit denen die Raumfahrer ihn bombardierten, bis er wieder aus dem Saal verschwand.
Vivien Raid und ihre Begleiter waren auf unterschiedlichen Wegen in die Fänge von Knox geraten. Vivien hatte sich an Bord der Gagarin befunden, um an ihren Urlaubsort zu gelangen, als der HTO-Frachter von dem K’inga-Piraten Yax Karran überfallen wurde. Vivien war die einzige Überlebende des grausamen Massakers und wurde an Bord der Torrg geschafft, wo sie auf vier weitere Gefangene traf.
Marvin Thorvald, David Brodie, Chris Castro und Haydee Gardner waren zuvor aus noch unbekannten Gründen von der Erde entführt worden. Als die Torrg auf ihrer Reise angegriffen wurde und abstürzte, konnten die fünf Gefangenen gemeinsam fliehen und auf einem Planeten notlanden. Doch sie waren nicht lange in Freiheit geblieben, sondern wurden von Helfern des Rattenkönigs gefangen genommen.2
Als Knox die Terraner verließ, führten die Wächter sie nach draußen und brachten sie in ein Verlies. Dort gab es große Gefängniszellen, von denen jede mühelos ein Dutzend Personen aufnehmen konnte. Sie waren noch leer, weil sich die anderen Gefangenen gerade bei der Arbeit befanden. Ein Rattenwesen versorgte die neuen Insassen mit einem Topf voll kaltem Brei, der nach nichts schmeckte, aber ziemlich nahrhaft war. Anschließend hatte es die Gefangenen sich selbst überlassen. So bekamen sie Gelegenheit, sich von der anstrengenden Wanderung auszuruhen.
Als am nächsten Morgen krächzende Befehle durch das Verlies schallten, erwachte Vivien sofort. Sie fröstelte, weil es keine Decken gab. Außerdem nahm sie nun den Gestank wahr, der in dem Verlies herrschte. Am Vortag war sie erschöpft eingeschlafen und hatte nicht einmal die Rückkehr der anderen Gefangenen in ihre Zellen bemerkt. Aber jetzt war deren Geruch nicht zu leugnen. Es übertraf sogar noch den Gestank der Kleidung, die man ihnen ausgehändigt hatte. Den Gefangenen blieb keine andere Wahl, als die übelriechenden Sachen anzuziehen, da sie immer noch ihre Straßenkleidung von der Entführung trugen, die weder für die Tätigkeit noch für die Temperaturen geeignet war. Zum Glück war niemand im Pyjama gekidnappt worden. Auch Vivien hatte auf der Gagarin bequeme Freizeitkleidung getragen, die nicht für Sklavenarbeit tauglich war.
Alle Zellen waren voll besetzt mit Angehörigen verschiedener Völker, die seit langer Zeit in den selben Klamotten schweißtreibende Arbeit verrichteten. Der Gestank, der in dem Verlies herrschte, war deshalb kaum auszuhalten. Wahrscheinlich konnten die Gefangenen es morgens gar nicht abwarten, schnell nach draußen zu gelangen und mit der Arbeit zu beginnen, nur um etwas frische Luft zu bekommen.