Ren Dhark – Weg ins Weltall 62: Rückkehr zum Ort der Macht - Andreas Zwengel - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 62: Rückkehr zum Ort der Macht E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Ömer Giray und seine Kollegin Liv Sanders folgen auf dem Planeten Blue Star einer heißen Spur, die sie mehr als einmal in Gefahr bringt. Und während Ren Dhark und seine Begleiter auf einer namenlosen Welt um ihr Leben kämpfen, bereiten Arc Doorn, sein Freund Chris Shanton samt dessen Roboterhund Jimmy sowie Amy Stewart eine Expedition vor. Sie planen die Rückkehr zum Ort der Macht... Jan Gardemann, Nina Morawietz und Andreas Zwengel schrieben einen SF-Roman voller Geheimnisse nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 62

Rückkehr zum Ort der Macht

 

von

 

Andreas Zwengel

(Kapitel 1 bis 6)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 7 bis 13)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 14 bis 19)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

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Ren Dhark Extra

Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung Babylons und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.

Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachkommen der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.

Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich Ruhe in der Milchstraße eingekehrt zu sein und die Normalität zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Trotzdem lauern im All weiterhin oft unerwartete Gefahren, wie Ren Dhark und seine Begleiter bei einem Außeneinsatz feststellen müssen. Zeitgleich bereiten sich Arc Doorn, Chris Shanton, Amy Stewart und Jimmy auf eine Forschungsreise vor, die ein altes Geheimnis lüften soll …

1.

Terra war aus der Eisstarre erwacht. Außerhalb der Städte ließen sich die Schäden der Vereisung noch deutlich erkennen. Der Eismantel um die Erde hatte sowohl die Vegetation zerstört als auch den Großteil der Tierwelt ausgerottet. Rudel von Wildhunden befanden sich auf der Jagd nach Nahrung. In der schier endlosen Ödnis hätten sie nicht einmal dann etwas gefunden, wenn sie ihre Ernährung drastisch umgestellt hätten. Es gab nur wenige Pflanzenarten, die die extreme Kälte der Vereisung überlebt hatten, und diese waren ausnahmslos ungenießbar. Deshalb näherten sich die Tiere immer mehr den menschlichen Siedlungen und zeigten sich bei der Wahl ihrer Speisen nicht wählerisch.

Inzwischen schritt die Bepflanzung mit dem Saatgut von Eden weiter voran, und auch die Tierwelt wurde aus Beständen der Archehöhlen Edens nach und nach wieder »aufgefüllt«, sodass auf diese Weise viele Arten den Weg zurück zu ihrer Ursprungswelt fanden. Aber es brauchte noch viel Zeit und Geduld, bis die gesamte Erde ihr altes Erscheinungsbild wieder angenommen haben würde. Viele Bewohner des Planeten würden dies sicher nicht mehr erleben.

Für die beiden Männer, die gerade die Stadt Salisbury in Wales, England, erreichten, galt dies nicht.

Chris Shanton hatte vor einigen Jahren durch die Teilnahme an einem speziellen Programm von Terence Wallis die Unsterblichkeit erlangt. Nur die Teilnehmer wussten von diesem Programm und hüteten dieses Geheimnis wie ihren Augapfel. Sie kannten einander, was sie zu einer verschworenen Gemeinschaft machte.

Arc Doorn gehörte nicht zu den Unsterblichen, doch als Worgunmutant konnte er bis zu zehntausend Jahre alt werden. Er kannte von den Unsterblichen neben Shanton nur noch Ren Dhark und hatte sich von ihnen zur Verschwiegenheit verpflichten lassen. Überhaupt handelte es sich bei ihm um den einzigen Nicht-Unsterblichen, der von dem Unsterblichkeitsprogramm wusste.

Doorn und Shanton hatten in ihrem Leben bereits viel gesehen, und es würden noch eine ganze Menge neuer Erlebnisse dazukommen.

Der rothaarige Worgunmutant lenkte ihren Gleiter an einigen restaurierten Fachwerkhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorüber, die die Vereisung gut überstanden hatten, weil man bereits 2041 aus Denkmalschutzgründen Kuppeln über ihnen errichtet hatte. Auch die berühmte Kathedrale stand noch völlig unbeschädigt und wirkte wie ein Symbol für den Triumph über das Eis.

Viele der Gebäude entlang der Hauptstraße wiesen dagegen schwere Schäden auf, die von der Last der Eismassen stammten. Einige von ihnen waren sogar eingestürzt oder befanden sich in einem so miserablen Zustand, dass eine Reparatur sinnlos war. Aus diesem Grund gab es überall im Land und auch auf dem gesamten Planeten eine Menge Geisterstädte, die die Bewohner aufgegeben hatten.

Nicht so in Salisbury. Dort wollten die wenigen verbliebenen Bewohner offenbar nicht kapitulieren und bündelten ihre Kräfte auf das am besten erhaltene Viertel der Stadt. Überall wurde an den Fassaden gearbeitet, darunter auch an der des kleinen Hotels, vor dem sie nun hielten.

Kaum glitt die Luke des Gleiters auf, sprang ein Scotchterrier ins Freie und landete auf dem Bordstein. »Ganz schön kalt für Anfang August«, beschwerte sich das Tier.

»Maulkorb, Jimmy!«, befahl Arc Doorn und blickte nach oben, um zu sehen, ob einer der Handwerker die Bemerkung des Hundes gehört hatte, aber sie hatten offenbar Glück, denn alle arbeiteten unverdrossen weiter.

Kopfschüttelnd stieg Arc aus und ließ dabei seine lange, rote Mähne wehen. Er mochte es nicht, wenn sich Jimmy derart unvorsichtig benahm, das verdüsterte Doorns ohnehin dauermürrische Stimmung. Natürlich konnte er sich vorstellen, wie langweilig und auch frustrierend es für den künstlichen Scotchterrier sein musste, sich in der Öffentlichkeit ständig auf Hecheln und Bellen zu beschränken, gerade weil er die ganzen Fähigkeiten von Jimmy kannte: Der Roboterhund verfügte über eine Langzeit- und eine Akutdatenbank, Speichermöglichkeiten für optische und akustische Daten, Nachtsichtmodus, einen Strahler in der Zunge, ausfahrbare Kugelrollen, Saugnäpfe an den Pfoten, einen Halsband-Translator, ein internes Funkgerät sowie unterschiedlichste Messfühler, Fernmessgeräte und Analysegeräte.

Trotzdem durften sie nicht unnötig auffallen. Es wäre Shantons Aufgabe gewesen, den künstlichen Hund zur Ordnung zu rufen, schließlich war er dessen Entwickler und Besitzer. Doch den hatte die Aussicht auf eine gute Mahlzeit längst ins Innere des Hotelpubs getrieben.

Chris Shanton, der ebenso geniale wie schwergewichtige Ingenieur, schnappte sich eine der in Kunstleder gebundenen Speisekarten und studierte sie auf dem Weg zum nächsten Tisch. Seine buschigen Augenbrauen, die fast schon eine frisierbare Länge besaßen, hoben sich angesichts der angebotenen Spezialitäten immer weiter die Halbglatze hinauf.

»Dir läuft Speichel aus dem Mundwinkel«, merkte Arc Doorn an und nahm ebenfalls Platz.

Das Innere des Pubs war im klassischen englischen Stil gehalten. Selbst wenn die Holztäfelung nicht aus echtem Holz bestehen sollte, geriet die Illusion dennoch perfekt. Auf jeden Fall war der Geruch nach Bier, Pfeifenrauch und Küche echt, und darauf kam es den Männern in diesem Augenblick an.

Eine junge Frau trat an ihren Tisch und hielt ihre Finger startbereit über die Tastatur ihres Hand-Suprasensors. Ihr Haar trug sie zu einem Zopf zusammengebunden und überall auf Stirn und Schultern waren Farbkleckse verteilt. Arc nahm an, dass sie vor wenigen Sekunden noch damit beschäftigt gewesen war, die Küchendecke zu streichen. Die Kleckse verliehen ihr eine Jugendlichkeit, die sie laut Kalender lange hinter sich gelassen haben musste.

Shanton hatte keinen Blick für die Frau, sondern bestellte ohne aufzublicken eine Vorspeisenplatte für zwei Personen sowie zwei Hauptgerichte. Dann schloss er die Karte und schaute zu Doorn. »Was nimmst du?«

»Ich mag Männer mit Appetit«, sagte die Bedienung augenzwinkernd, nahm auch Doorns Bestellung auf und verschwand wieder in der Küche.

»Sieht so aus, als hättest du Chancen bei ihr«, stellte Arc fest.

»Es sind wohl eher die bevorstehenden Einnahmen, die sie so erfreuen«, antwortete Shanton. »Ich halte mich in Liebesdingen zukünftig ein wenig zurück.«

»Klar, es sind ja auch gerade erst mal sechs Jahre vergangen, seit Liao sich von dir getrennt hat, da will man natürlich nichts überstürzen.«

»Spotte du nur, aber sieh dich doch mal um, wie viel Leid die Liebe über die Menschen bringt. Ich finde es schlimm, dass Amy und Ren sich getrennt haben. Die beiden sind füreinander bestimmt und wissen das auch, aber genutzt hat es trotzdem nichts.«

Arc Doorn schüttelte den Kopf. »Sie haben die richtige Entscheidung für sich getroffen. Es ist besser, sich zu trennen, als aus den falschen Gründen zusammenzubleiben. Es wäre auf jeden Fall ein falscher Grund, nur deshalb zusammenzubleiben, damit sich ihre Freunde besser fühlen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie auf ewig getrennt bleiben. Mit ein bisschen Abstand werden sie das sicher auch erkennen.«

»Ihr solltet jetzt schleunigst das Thema wechseln, sie kommt nämlich gerade zur Tür herein«, raunte Jimmy unter dem Tisch hervor.

»Und du solltest die Klappe halten, wenn du nicht willst, dass jemand auf dich aufmerksam wird«, zischte Shanton. »Kannst du nicht Winseln oder Bellen, wenn du was zu sagen hast?«

»Klar, genauso wie du dich auf Grunzen beschränken könntest, wenn man die Qualität deiner Beiträge bedenkt«, gab der Terrier trocken zurück.

»Aus und sitz!«

»Du solltest stolz sein, mit Jimmy eine echte KI geschaffen zu haben«, bemerkte Doorn leicht genervt von den ständigen Wortgefechten.

Shanton produzierte einen Lippenfurz. »In seinem Fall muss das I für irgendeinen anderen Begriff stehen.«

*

Jimmy war nicht der Einzige, der die Ankunft von Amy Stewart bemerkt hatte. Alle männlichen Wesen, die eben noch fleißig an der Fassade gewerkelt hatten, schienen plötzlich das Bedürfnis nach einem kühlen Getränk zu verspüren.

Amy tat so, als würde sie ihr Gefolge nicht bemerken, das sich mit dem Rücken zum Tresen versammelte. Sie war eine schlanke und sportliche Erscheinung, der man das jahrelange Training deutlich ansehen konnte. Mit achtzehn Jahren trat sie seinerzeit in die Armee ein und schaffte als einzige Frau die erfolgreiche Ausbildung zur Einzelkämpferin bei der Terra Defence Force. Drei Jahre später nahm man sie in das Cyborg-Programm auf. Als erste menschliche Frau unterzog sie sich der Prozedur, bei der ihr bionische Implantate in den Körper eingepflanzt wurden. Die Kombination ihrer militärischen Fähigkeiten mit einem hochtechnisierten Körper machten sie zu einem fast unbezwingbaren Gegner.

Sie sah sehr kräftig aus, wie sie jetzt so durch den Raum schritt, und das wirkte in den meisten Fällen abschreckend genug auf zudringliche Männer, auch ohne das Wissen um ihre Modifikationen.

Doorn und Shanton erhoben sich zu herzlichen Umarmungen, und dann nahmen alle gemeinsam Platz.

»Müssen wir uns wegen der Männer an der Theke Sorgen machen?«, raunte Shanton.

»Ich schätze, die wollen nur spielen. Falls sie zu frech werden, sind wir doch vorbereitet, oder?«, antwortete Amy mit einem Lächeln.

Auch ohne ihre Cyborg-Fähigkeiten konnte sie allein durch ihre Ausbildung in der Spezialeinheit die Bewaffnung ihrer Gefährten bestimmen. Die Ausbeulungen ihrer Kleidung, die Körperhaltung, um das zusätzliche Gewicht auszugleichen, das waren alles Hinweise, die ihr eine rasche Bestandsaufnahme ermöglichten. Arc Doorn trug einen Handnadelstrahler an der Hüfte und Shanton führte einen Paraschocker mit sich. Selbst wenn die beiden alten Haudegen es nicht schaffen sollten, ihre Waffen zu ziehen, blieb noch Jimmys Zungenstrahler, um einem eventuellen Gegner Respekt einzuflößen.

Einer der Männer am Tresen, ein hübscher junger Bursche, war dazu auserkoren worden, sein Glück bei Amy zu probieren. Unter getuschelten Anfeuerungen schoben sie ihn vorwärts. In dem ansonsten leeren Gastraum war natürlich jedes Wort zu verstehen.

Eine Sammlung mehr oder weniger schmeichelhafter Bezeichnungen für Amys Aussehen wehten herüber sowie die einhellige Meinung der Männer, dass Shanton und Doorn keine ernstzunehmende Konkurrenz darstellten.

Der Bursche war noch keine drei Schritte weit gekommen, da stellte sich ihm Jimmy knurrend in den Weg. Der junge Mann verringerte sein Tempo nicht, als er auf dem Absatz kehrt machte und zur Theke zurückging. Dort erwarteten ihn Hohn und Spott seiner Kumpel, weil er vor einem Scotchterrier kniff. Aber sie hatten das Knurren nicht so deutlich gehört wie er.

Jimmy half natürlich technisch nach und beschränkte sich nicht auf den Originalton eines Terriers. Er mischte die Stimme eines gereizten Löwen mit hinein sowie den Angriffslaut eines Kinomonsters namens Godzilla. Außerdem sandte er einen Infraschallton mit aus, der bei dem Betroffenen ein akutes Gefühl von Unwohlsein und Bedrohung auslöste. Fast hätte man Mitleid mit dem Jungen haben können.

Die Männer tranken aus und verließen den Raum. Sie begnügten sich damit, dem Jungen seine Schmach unter die Nase zu reiben.

»Habt ihr schon Zimmer gebucht?«, fragte Amy, während sie Jimmy unter dem Tisch den Kopf tätschelte.

Obwohl künstlich, schien der Scotchterrier diese Form der Zuneigung zu schätzen. Vielleicht tolerierte er es aber auch nur als seltsame Eigenart der Menschen.

»Bisher noch nicht«, antwortete Arc, dann mischte sich leichter Spott in seine Stimme: »Unser Freund hier muss zuerst seine leiblichen Gelüste befriedigen, um dem drohenden Hungertod zu entgehen.«

Amy musterte Shanton mit kritischem Blick. »Du hast recht, er wirkt irgendwie ausgezehrt.« Sie begann zu lachen.

Der Ingenieur wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als die Bedienung aus der Küche zurückkehrte und dabei geschickt zwei große Tabletts balancierte, die bis über den Rand hinaus beladen waren.

»Erwartet ihr noch weitere Gäste?« Amy blickte erstaunt auf die Speisen.

»Nur eine kleine Auswahl der Karte, um das Angebot besser beurteilen zu können«, verteidigte sich Shanton halbherzig. Er machte eine einladende Geste, und gemeinsam ließen sie es sich schmecken.

Alle erwarteten, dass sich der massive Tisch unter dem Aufgebot an Speisen durchbiegen würde.

Sie begannen mit einer herzhaften Brühe namens Cawl, die Shanton wie einen Espresso hinunterstürzte, um sich nicht zu lange mit der Vorspeise aufzuhalten. Neben der vegetarischen Glamorgan Sausage gab es eine Platte mit Schaf-, Lamm- und Rindfleisch, daneben eine weitere Servierplatte mit frischem Fisch, Hummer und Anglesey-Austern. Dazu wurde das berühmte Laverbread gereicht, ein Fladen aus Haferflocken und essbaren Meeresalgen.

Während Amy noch überlegte, wer das alles essen sollte, wurde aus der Küche noch eine riesige Platte mit walisischen Käsespezialitäten gebracht, die so exotische Namen wie Caerphilly, Y Fenni, Black Bomber und Peri Las trugen.

Shanton stieß Jimmy unter dem Tisch an. »Na, ärgert es dich jetzt nicht, dass du keine Nahrung brauchst?«

Der zusammengerollte Terrier hob nicht einmal den Kopf. »Nein, gerade jetzt stört es mich überhaupt nicht.«

Shanton stieß einen höhnischen Schnaufer aus und führte die erste Gabel Fleisch zu seinem Mund. Doch er stutzte und beugte den Kopf unter den Tisch. »Wieso?«

»Hast du auf dem Weg hierher Schafe, Lämmer oder Rinder gesehen?«, fragte der Terrier wie beiläufig.

Der Stimmung am Tisch tat das jedoch keinen Abbruch. Alle drei freuten sich darauf, wieder einmal wissenschaftlich tätig zu werden.

Doorn und Shanton suchten schon länger nach einer Abwechslung. Die ereignislosen Routineflüge an Bord der POINT OF während des gesamten letzten Jahres waren ihnen einfach zu langweilig geworden. Arc hatte sich daher entschieden, die Suche nach grüner Technologie wieder aufzunehmen, die er schon seit etlichen Jahrhunderten betrieb, und Shanton schloss sich ihm nur zu gerne an.

Amy suchte ebenfalls eine sinnvolle Beschäftigung, um nicht weiter über ihre Trennung von Ren nachzudenken. Sie wünschte sich, sie würde ihre Entscheidung nicht ständig in Zweifel ziehen. Ihr Verstand sagte ihr, dass es in der damaligen Situation der einzig logische und vernünftige Schritt gewesen war, trotzdem blieb immer das beunruhigende Gefühl, einen großen Fehler begangen zu haben, den sie einmal sehr bereuen würde. An das Bereuen glaubte sie auf jeden Fall, denn es hatte schon längst begonnen.

Shanton hob sein Glas, und die beiden anderen folgten seinem Beispiel. »Ich trinke auf eine erfolgreiche Suche, eine interessante und vergnügliche Zeit sowie auf bahnbrechende Entdeckungen zum Wohle aller Völker.«

»Hört, hört!«, sagte Amy und stieß mit ihm an.

Doorn nahm einen Schluck und murmelte dann: »Ich bin schon froh, wenn nur eines der drei in Erfüllung geht.«

*

Arc Doorn fand in dieser Nacht wenig Schlaf, denn er dachte über sein ereignisreiches Leben nach. Bei einer Lebensspanne von bisher zweieinhalb Jahrtausenden sollte man nicht meinen, das eine einzige Nacht dafür ausreichen sollte.

Schon seine Geburt war eine Besonderheit gewesen, denn er entwickelte sich damals aus der dritten Fruchtkapsel eines sich vermehrenden Worgun, die in aller Regel abstarb. Deshalb traten »dritte Kinder« nur sehr selten auf und wurden auch nicht sonderlich geschätzt. Sie waren schwächlicher als normale Worgun und konnten keinen eigenen Nachwuchs zeugen, galten aber im Gegenzug als wesentlich begabter als ihre Geschwister. Man bezeichnete sie abfällig als »Worgunmutanten«.

Deshalb wurde Arc Doorn nach seiner Geburt ausgesetzt. Er wuchs bei anderen, liberaleren Worgun auf und erfuhr erst zwei Jahrhunderte später von seiner wahren Abstammung, als er für eine geheime Mutantenorganisation rekrutiert werden sollte. Er lehnte das Angebot jedoch ab und wurde bei der darauf folgenden Auseinandersetzung schwer verletzt. Er floh vom Werftplaneten Dockyard, wo er zu dieser Zeit als Philosophielehrer arbeitete, und reiste zur Erde.

Der Planet war für die Worgun tabu, und das machte ihn zu einem geeigneten Versteck. Doorn landete im Gebiet des heutigen Dänemarks und vollzog dort seine letzte und endgültige Gestaltwandlung, indem er sich in einen Menschen verwandelte.

Bis zu ihrem 200. Lebensjahr konnten die Worgunmutanten unbegrenzt ihre Gestalt wandeln, wie alle anderen Worgun auch, aber nachdem sie ihre beiden Fruchtkapseln abgestoßen hatten, blieb ihnen nur noch eine einzige, endgültige Verwandlung. Die nun angenommene Gestalt mussten sie für den Rest ihres Lebens beibehalten, was bei ihnen bis zu zehntausend Jahre andauern konnte – also mehr als zehnmal so lange wie das Leben eines normalen Worgun.

Doorn nahm Kontakt zu den dort ansässigen Germanen auf. Als er seinen Nadelstrahler einsetzte und sich dabei mit einem Hammer aus seinem Werkzeugkoffer zeigte, wurde er von ihnen als der Blitze schleudernde Donnergott Thor verehrt.

Er begann, die damals bekannte Welt zu bereisen und zu erforschen. Sein Weg führte ihn zuerst nach Griechenland, wo er unter anderem Aristoteles und Alexander den Großen kennenlernte. Durch seine fortschrittlichen Kenntnisse wurde er überall als Berater geschätzt und gewann auch an Einfluss. Er bereiste Indien und ließ sich anschließend für eine Weile in Rom nieder, wo er Seneca und Kaiser Nero begegnete.

Es hätte ein friedliches und erfüllendes Leben werden können, doch Doorns Aufenthalt auf der Erde wurde lange Zeit durch die Auseinandersetzung mit seinem Erzfeind Potrek bestimmt. Der war ebenfalls ein Worgunmutant, wählte als letzte Gestalt allerdings nicht das Abbild eines Menschen, sondern sah aus wie ein Biïke. Er besaß feuerrote Haut, zwei kleine Hörner oben auf der Stirn, gelbe Augen, einen Schwanz mit herzförmiger Spitze und paarige Hufe statt Füßen. Die heutige Vorstellung des Teufels wurde seinerzeit maßgeblich durch Potreks Wirken auf der Erde geprägt.

Ihr Kennenlernen geschah unter ungewöhnlichen Umständen. Auf dem Indienfeldzug Alexanders des Großen beobachtete Arcdoorn, wie er sich damals nannte, einen Ringraumer, der ohne Intervallfeld in die Erdatmosphäre eintauchte, und begab sich auf die Suche nach ihm. Er fand das Schiff schließlich auf dem Gipfel des Mount Everest und rettete Potrek aus dem Raumer – eine Tat, die er wie keine andere in seinem langen Leben bereuen sollte.

Potrek benötigte dringend das Metall Ala, um die Erde und ihr Sonnensystem wieder verlassen zu können, und für dieses Ziel schreckte er vor nichts zurück. Er begann, die Menschheit für seine Zwecke einzuspannen, und manipulierte die Mächtigsten unter ihnen.

Als Berater Neros gelang es Potrek, einige Christen dazu anzustiften, den Sündenpfuhl Rom anzustecken, um dann die Macht ergreifen zu können. Aber Doorn und Seneca konnten das Schlimmste verhindern.

Das nächste Aufeinandertreffen der beiden fand im Jahr 437 nach Christus statt. Als Gelehrter Arcus Doornum lebte Doorn damals seit vier Jahren in Worms, wo er klassische Philosophie unterrichtete, bis die Stadt von Römern und Hunnen eingenommen wurde. Potrek gelangte in den Besitz eines Eisenmeteoriten mit Tofiriteinschlüssen und konnte dies für seinen Ringraumer benutzen. Aber es war nur ein Tropfen auf den heißen Stein und niemals ausreichend.

Im 13. Jahrhundert intrigierte Potrek am Hof des Kublai Khans und schreckte auch vor dem Einsatz einer Atombombe nicht zurück, um seine Macht auszuweiten. Doorn lebte zu dieser Zeit als reicher Gelehrter Arco Dorio in Florenz und reiste mit Marco Polo nach China, um erneut das Schlimmste zu verhindern. Damals glaubte er, seinen Gegner nach einer gewaltigen Explosion besiegt zu haben, aber – wie noch häufiger in ihrer gemeinsamen Geschichte – war dies ein Irrtum gewesen.

1610 begann Doorn als Artur Schwarz von Prag aus seinen langen Kampf gegen die von Potrek gegründeten Illuminati. Unter ständig wechselnden Namen und an den unterschiedlichsten Orten versuchte er, den Einfluss von Potrek und den Illuminati zu schwächen.

Als Albrecht Gustafson in Kopenhagen, unter dem Namen Anselm Dorn in Bremen und als Gaspard-Félix Tournachon in Paris gelangen ihm einige Erfolge.

Doch der entscheidende Kampf zwischen ihnen fand erst am 30. Juni 1908 statt. Potrek hatte zuvor in Afrika einen gewaltigen Ala-Brocken geborgen und auf einer abenteuerlichen Reise zum Mount Everest schaffen lassen. Es gelang ihm zwar, mit dem Ringraumer zu starten, aber Doorn hatte ein Störprogramm in den Hyperkalkulator eingespeist und brachte dadurch den Raumer in der Nähe des russischen Tunguska zur Explosion. Noch heute rätselten die Menschen über die Ursache dieser gewaltigen Explosion, und die Spekulationen reichten von einem Meteoriteneinschlag bis zu entzündetem Erdgas.

Arc dachte oft an diese jahrhundertelange Auseinandersetzung zurück und überlegte, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er damals Potrek nicht aus dem Ringraumer gerettet hätte. Der Menschheit wären einige üble Entwicklungen erspart geblieben, und er selbst hätte viel mehr Zeit für Forschung und Wissenschaft gehabt.

Vielleicht wäre es ihm schon vor Jahrhunderten gelungen, das Geheimnis um die grüne Technologie zu lösen. Schließlich wusste er bereits seit einer halben Ewigkeit von ihr, genauer gesagt seit dem Jahr 982.

Im Jahr 969 lebte er als Saga-Erzähler Doornson bei dem Wikinger Thorvald Asvaldsson, dem Vater von Eric dem »Roten«. Durch eine Reihe unglücklicher Verstrickungen wurden sie alle für viele Jahre in die Verbannung geschickt. Auf ihrer Fahrt in den Westen entdeckten sie Grönland, an dessen Küste eine warme Strömung von Norden her für ein fruchtbares Klima sorgte.

Doorn fand in der Gegend des heutigen Thule in einer Höhle eine vollkommen fremdartige Maschine, von der in einem Kristall ein intelligentes Bewusstsein gefangen gehalten wurde, das auf Gedankenebene mit ihm kommunizierte. Er hatte schon immer ein unnatürlich ausgeprägtes und präzises Einfühlungsvermögen in außerirdische und worgunfremde Technologie besessen und erfasste die Bedienungsweise unbekannter Apparaturen völlig intuitiv. Deshalb überkam ihn recht schnell die Überzeugung, dass es sich dabei nur um den kleineren Teil einer wesentlich größeren Maschine handelte. Er fühlte sich herausgefordert und begann mit seiner Untersuchung.

Die Betätigung der Bedienfelder führte zum Zerspringen des Kristalls und somit zur Befreiung des Energiewesens. Die Maschine selbst schmolz in Sekundenschnelle wie Wachs und versickerte im Boden – genau so, wie er es viele Jahrhunderte später in Stonehenge erneut beobachten konnte.

Das Geheimnis dieser Maschinen gehörte zu den größten Mysterien seines Lebens, und er war entschlossen, es zu lösen. Diesmal würde er sich nicht von anderen Aufgaben ablenken lassen. Er verfügte über geeignete Ausrüstung, engagierte Helfer und den unbedingten Willen zum Erfolg.

Es gibt wesentlich schlechtere Voraussetzungen, dachte er zufrieden und schlief kurz vor Morgengrauen doch noch ein.

*

Als Shanton am nächsten Morgen erwachte, hörte er draußen vor seinem Fenster bekannte Stimmen und ahnte nichts Gutes. Seine Gefährten waren offenbar aufbruchsbereit, und das würde Auswirkungen auf das Frühstück haben. Er hasste es, bei der wichtigsten Mahlzeit des Tages gehetzt zu werden. Für ihn bot dies viel Anlass zu Unmut, denn er betrachtete jede Mahlzeit als ausgesprochen wichtig. Nun, da der Alkohol keine Rolle mehr in seinem Leben spielte, waren raffinierte Speisen seine größte Leidenschaft, zumindest auf dem Sektor der körperlichen Stoffaufnahme. Wenn Essen der Sex des Alters war, dann machte ihn das wahrscheinlich zu einem zügellosen Nymphomanen.

Er könnte Amy und Arc glauben lassen, dass er noch schlief. Dann würden sie ihn vielleicht noch eine Weile in Ruhe lassen, und in dieser Zeit konnte er sich am Frühstücksbuffet schadlos halten. Aber er ging davon aus, dass Jimmy ihn wittern und verpetzen würde. Die Gefühle, die er seiner eigenen Schöpfung entgegenbrachte, schwankten je nach Situation zwischen Vaterstolz und tiefem Groll, dennoch konnte und wollte keiner der beiden auf Dauer ohne den jeweils anderen sein.

»Wohin soll es denn weitergehen?«, rief einer der Arbeiter draußen fröhlich von der Leiter herunter. Er gehörte zu der gestrigen Thekenbesatzung.

Die Frage stellte wahrscheinlich nur höfliches Geplänkel dar, aber die Zustände auf der Erde waren noch längst nicht zu den alten Verhältnissen zurückgekehrt, um völlig sorglos zu sein. Die Menschen, die nach der Vereisung auf Terra verblieben waren, stellten ein besonderes Völkchen dar, halsstarrige, entschlossene und nicht gerade zimperliche Leute, die den katastrophalen Zuständen getrotzt hatten. Sie mussten sicher einige unschöne Dinge tun, um ihr Überleben zu sichern. Deshalb fiel es den Wissenschaftlern wohl auch so schwer, die Frage lediglich als belangloses Geplauder zu verstehen.

»Wir wollen nach Süden, Richtung Southampton«, rief Doorn nach oben.

»Dann gute Reise«, wünschte der Mann und setzte seine Arbeit fort.

Shanton kam mit leuchtenden Augen aus dem Hotel. Die Bedienung vom Vortag hatte ihm für unterwegs eine ordentliche Brotzeit zurechtgemacht, als Entschädigung für das entgangene Frühstück. Zufrieden stieg der Ingenieur in den Gleiter und machte sich sofort über den Reiseproviant her.

Sie verließen Salisbury in südlicher Richtung, um den Eindruck zu wahren, sie seien tatsächlich nach Southampton unterwegs.

Jimmy befand sich am Rückfenster des Gleiters und passte auf, ob ihnen jemand folgte. Seine Augen waren in der Lage, den Ortsausgang noch zu beobachten, als für seine menschlichen Begleiter der ganze Ort nicht mehr zu erkennen war.

»Niemand folgt uns«, meldete Jimmy, und im selben Moment lenkte Doorn den Gleiter in einem Bogen nach Norden und steuerte ihr eigentliches Ziel an: den Ort der Macht namens Stonehenge.

*

Die Reise nach Stonehenge erfolgte ohne Zwischenfälle. Ihre Vorsichtsmaßnahmen wären vielleicht überhaupt nicht notwendig gewesen, aber nun mussten sie sich keine Gedanken mehr machen, sondern konnten sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren.

Sie entluden ihre Ausrüstung, wobei Amy die schweren Gegenstände übernahm.

Jimmy erkundete die Umgebung, weil er beim Herumstreunen die wenigste Aufmerksamkeit erregte – außer vielleicht durch sein irrwitziges Tempo.

Wie erwartet befand sich niemand in der Nähe. Touristen gab es hier schon lange nicht mehr.

Shanton legte alles bereit, um Hohlräume zu entdecken und zu kartieren. Neben einem Tiefenscanner kamen auch so banale Werkzeuge wie ein Laserdistanzmessgerät zum Einsatz.

»Glaubst du, wir werden Spuren grüner Technologie entdecken?«, fragte Amy.

»Nun, wir wissen, dass es diese Technologie hier gegeben hat, aber es ist lange her, und ich hoffe, wir entdecken noch ein paar Überreste davon.« Doorn grinste. Er wirkte aufgeregt wie ein kleiner Junge, der sich auf eine Schatzsuche begibt, und im Grunde handelte es sich um nichts anderes. »Aber dies ist nur der erste Ort, an dem wir suchen. Die Jagd hat gerade erst begonnen.«

Doorn und Shanton waren zuletzt 2065 mit der POINT OF während einer Auseinandersetzung mit den Eisläufern in Stonehenge gewesen. Sie stießen damals in einer Tiefe von drei Kilometern auf eine riesige Felsenhöhle, die sich exakt unter dem Zentrum des berühmten Steinkreises befand. Bei der Untersuchung der Höhle entdeckten sie eine bizarre Apparatur mit völlig unregelmäßiger Form. Sie besaß eine Grundfläche von etwa zwanzig mal fünfundzwanzig Metern und war rund fünfzehn Meter hoch. Aber diese Maße konnte man nur schätzen, da die Apparatur keiner bekannten geometrischen Form entsprach und vielmehr an moderne Kunst oder ein verunglücktes Experiment erinnerte. Kein Mensch hätte etwas Funktionales in dieser seltsamen und willkürlich wirkenden Form erschaffen.

Überrascht stellten sie fest, dass die Apparatur, die alle klar und deutlich vor sich sahen, für alle bekannten Ortungsgeräte nicht erkennbar war. Aus diesem Grund war sie auch so lange vor einer Entdeckung bewahrt geblieben.

Für den unsterblichen Arc Doorn stellte es allerdings nicht die erste Begegnung mit dem grünlichen Material, aus dem die Apparatur bestand, dar, er erkannte es sofort wieder. Seit Thule blieb sein Wunsch, das Geheimnis zu entschlüsseln, bis heute ungebrochen.

Vor sieben Jahren gelang es der Besatzung der POINT OF, die Apparatur zu aktivieren, und zwar mit ebenso ungeahnten wie verheerenden Folgen für die Eisläufer. Es kam zu einer gewaltigen Energieentwicklung, die die Maschine zuerst dunkelrot erglühen und anschließend zerfließen ließ. Durch die Energiefreisetzung stieg eine Energielanze mehrere Tausend Kilometer hoch in den Himmel und verwandelte die Eislandschaft in einem Radius von zweihundert Kilometern schlagartig in ein subtropisches Paradies.

Durch dieses Ereignis starben Millionen Eisläufer, die zu diesem Zeitpunkt auf der vereisten Erde siedelten.

Die neuerliche Bedeutung, die Stonehenge in diesem Zusammenhang erlangte, ergab einen Hinweis auf die Gäa-Jünger. Diese betrachteten und verehrten die Erde als lebendes Wesen. Deshalb verließen sie den Planeten auch während der Vereisung nicht. Sie hüteten uralte Runentafeln, auf denen von »Orten der Macht« die Rede war, und gelangten bei deren Erforschung zu der Ansicht, dass die Erde vor über zehntausend Jahren der Knotenpunkt eines interstellaren oder gar intergalaktischen Kommunikationsnetzes gewesen sein musste.

Die Suche nach den »Orten der Macht« beschäftigte Doorn und Shanton seitdem immer wieder. Neben Stonehenge und Thule führte ihre Suche sie ins Kilimandscharogebirge, unter den Titicacasee und in die Gila-Wüste, wo sie ein altes Heiligtum der Navajos untersuchten.

Aber nicht nur auf der Erde stießen sie auf Hinweise von grüner Technologie, sondern auch auf fernen Planeten wie beispielsweise Neu-Glandar.

Sie konnten bei ihrer Suche einige Erfolge vorweisen, aber die erhoffte »grüne Technik« fanden sie dabei nicht. In den folgenden sieben Jahren beschäftigten sie sich immer wieder mit dieser Suche, doch es gab stets dringendere Aufgaben und Missionen, die Vorrang besaßen.

Nun fanden sie endlich die Zeit, sich ganz und gar auf ihr Forschungsziel zu konzentrieren. Sie waren zurück mit Messgeräten, die Doorn und Shanton verbessert oder sogar eigens für diesen Zweck entwickelt hatten.

Damals gelang es ihnen, während der Aktivität der unbekannten Maschine einen Funkimpuls aufzuzeichnen und diesen zu replizieren. Doorn setzte die Kristalle unter dem Titicacasee einem Dauersignal aus und erreichte dadurch eine kurzzeitige, etwa einhundert Meter hohe Energielanze mitten im See.

Inzwischen war es ihm gelungen, den Aufbau des Impulses so weit zu analysieren, dass er ihn nicht bloß reproduzieren, sondern auf ein Vielfaches verstärkt abstrahlen konnte. Wenn es unter Stonehenge noch unentdeckte Überreste der grünen Technologie geben sollte, dann würde er mit seiner Ausrüstung eine Reaktion hervorkitzeln können.

Sie waren sich zwar sicher, dass sich die Maschine damals vollständig aufgelöst hatte, aber vielleicht gab es doch noch funktionierende Reste oder einen Ableger, der in einem anderen Bereich der Höhle stand. Voller Tatendrang rammte Doorn die Kontaktsporne in den Boden und folgte dabei der Anordnung der konzentrischen Kreise von Stonehenge.

Amy blieb im Schatten eines der Decksteine, der zwei Megalithen überbrückte. Als Cyborg musste sie sich nicht um einen Sonnenbrand sorgen, denn sie war für wesentlich stärkere Belastungen geschaffen, aber sie wollte dem Wissenschaftler nicht im Weg stehen.

Doorn machte den Eindruck, als habe er diese Vorgehensweise schon sehr lange geplant und in Gedanken durchgespielt, sodass er sich nun beinahe ärgerte, weil sein Körper sie nur so langsam umsetzen konnte.

Shanton versuchte behilflich zu sein, musste sich aber sehr häufig von Doorn korrigieren lassen, bis er sich eine andere Tätigkeit suchte.

Amy legte eine Hand auf den Stein neben sich. Dieser Ort war vom Jahr 3000 vor Christus bis in das 7. Jahrhundert nach Christus als Begräbnis- und Kultstätte genutzt worden. Ein so geschichtsträchtiger Hintergrund ließ einen nicht unberührt. Sie fühlte sich fast etwas eingeschüchtert, auch ohne die grüne Technologie.

»Fertig!«, verkündete Arc Doorn und marschierte zum Steuerungspult hinüber. Seine beiden Begleiter folgten ihm, und auch Jimmy verließ seinen Wachposten und gesellte sich zu ihnen. Gemeinsam blickten sie auf den Versuchsaufbau.

»Dann bringen wir mal alles zum Laufen«, meinte Doorn und betätigte den Schalter.

Die Geräte erwachten summend zum Leben, und die Beleuchtung der Sporne warf einen schwachen Schimmer gegen die Steine.

In der Nacht wäre dieser Schein wesentlich beeindruckender ausgefallen als momentan in der hellen Mittagssonne, allerdings wäre die Aktion dann auch um einiges auffälliger gewesen.

Doorn und Shanton starrten wie gebannt auf die Anzeigen. Amy konnte ihnen ihre Nervosität ansehen und wusste, wie viel Hoffnung die beiden in diese Untersuchung setzten. Am vergangenen Abend hatten sie sich mit fortschreitender Zeit immer weiter angestachelt und aufgepeitscht. Amy war davon ausgegangen, dass die beiden in der Nacht vor Aufregung nicht viel Schlaf finden würden. Nun würde sich zeigen, ob sich ihre Hoffnung auf eine bahnbrechende Entdeckung erfüllte.

»Nichts!«, brüllte Doorn enttäuscht und fuhr mit der Handfläche über die Sensoren. Alle Regler gingen zurück, und das Summen der Maschine verstummte. »Absolut nichts. Nicht die geringste Spur. Nada. Nothing. Nyzer-jatz.«

Auch Shanton wandte sich kopfschüttelnd von der Maschine ab und schürzte die Lippen. Während Doorn laut schimpfend losmarschierte, um seine Sporne einzusammeln, begann Shanton, die Apparatur für den Abtransport vorzubereiten.

»Könnt ihr denn vielleicht wenigstens die Höhle wiederfinden?«, wollte Amy wissen.

Shanton schüttelte enttäuscht den Kopf, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. »Das haben wir ganz am Anfang getan, aber da machten wir uns noch weniger Hoffnung. Die schmelzende Maschine hatte nicht nur nach oben hin gewaltige Auswirkungen. Das Gestein unter Stonehenge wurde bis in eine Tiefe von acht Kilometern zusammengeschmolzen.«

»Das bedeutet, es gibt keine Höhle mehr.«

»Genau das«, bestätigte Shanton. »Nicht die kleinste Luftblase ist unter uns geblieben. Wir stehen hier auf dem massivsten Fleckchen dieses Planeten.«

»Keine Höhle und keine Maschine. Kann man noch irgendetwas messen, das auf die damaligen Ereignisse hinweist?«

»Nichts mehr. Auch keine Strahlungsreste. Wenn wir nicht vor sieben Jahren dabei gewesen wären, würde ich heute bestreiten, dass dieses Ereignis überhaupt stattgefunden hat.«

»Können wir endlich?«, rief Doorn vom Gleiter aus.

2.

Auf dem Rückflug nach Alamo Gordo waren alle an Bord des Gleiters ungewöhnlich schweigsam, und sogar Jimmy begriff, dass es momentan klüger war, seine künstliche Schnauze zu halten.

Sie setzten Amy bei ihrer neuen Wohnung ab und flogen dann weiter zur Point-of-Stiftung.

Amy war nach ihrer Trennung von Ren Dhark aus der gemeinsamen Wohnung im Stiftungsgebäude ausgezogen und hatte sich ein Appartement in einer Wohnkugel in einem anderen Stadtteil gemietet. Genau dort trafen sie alle am nächsten Morgen zum Frühstück wieder zusammen.

Die Wohnkugel, in der sich Amys Wohnung befand, saß am oberen Ende eines tausend Meter hohen Turms. Damit rangierte sie im guten Mittelfeld der Turmhöhe, von denen die größten bis in eine Höhe von eineinhalb Kilometern in den Himmel ragten. Kein Wunder, dass diese Bauten das Stadtbild von Alamo Gordo ganz entscheidend prägten. Die Wohnkugel selbst besaß einen Durchmesser von zweihundert Metern und bot auf mehreren Ebenen Platz für zahlreiche Wohnungen.

Die Aussicht über die Stadt war von dort aus einfach atemberaubend, und Amys Tisch stand direkt an einem großen Panoramafenster.

Arc Doorn wirkte an diesem Morgen ganz anders als an allen übrigen Tagen, denn für gewöhnlich war er ein wortkarger Morgenmuffel, der nach dem Erwachen eine ganze Weile brauchte, bevor er sich auf Gespräche und die Gegenwart anderer Personen einlassen konnte.

Amy war davon ausgegangen, dass er nach dem Misserfolg des Vortages noch schlechterer Laune als sonst sein würde und hatte sich vorgenommen, sehr behutsam mit ihm umzugehen. Deshalb war sie völlig perplex, als er mit einem fröhlichen Lächeln ihre Wohnung betrat und den Frühstückstisch ansteuerte.

Shanton kam hinter ihm herein und zuckte nur mit den Schultern.

»Ich habe die ganze Nacht über unseren Misserfolg in Stonehenge nachgedacht und bin der Meinung, dass wir uns davon nicht entmutigen lassen dürfen«, eröffnete Doorn, noch bevor Amy dazu kam, den Kaffee auszuschenken. »Wir hätten unsere Suche am Titicacasee beginnen sollen, dort rechne ich uns wesentlich größere Chancen aus.«

Shanton wirkte skeptisch. »Aber dort hat die POINT OF seinerzeit schon alles gründlich durchgeortet und dabei keine Spur von irgendetwas entdecken können. Es gibt dort nur ein weitverzweigtes Höhlensystem, und in dem befindet sich nichts, was sich nicht auch in beliebigen anderen Höhlen weltweit finden ließe.«

Jetzt trübte sich Doorns Stimmung tatsächlich etwas ein. »Sollen wir vielleicht unsere Suche aufgeben? Nach einem einzigen Misserfolg?«

»Nein, natürlich nicht, aber du solltest deine Erwartungen auf ein gesundes Maß zurückschrauben, damit du nicht wieder so eine Enttäuschung wie gestern erlebst«, antwortete Shanton und hielt seinem Freund den Brotkorb entgegen.

Doorn winkte ab und beschränkte sich auf seinen Kaffee. »Das Ausmaß meiner Enttäuschung lag an meiner Vorfreude auf das ganze Projekt. Ich habe diesen Dämpfer möglicherweise sogar gebraucht, um wieder eine realistische Sicht auf die Dinge zu bekommen. Selbst wenn wir in den Höhlen nichts finden, werde ich nicht aufgeben. Es gibt noch viele Orte der Macht, die wir untersuchen können.«

Shanton schluckte seinen letzten großen Bissen herunter und legte das Gebäckstück auf dem Teller ab. »Aber mit unseren herkömmlichen Messgeräten können wir die Apparaturen der grünen Technologie nicht erfassen, das dürfen wir inzwischen wohl als Tatsache verbuchen. Der künstlich erzeugte Impuls war unsere beste Chance, aber vielleicht funktioniert er nicht. Dann bleibt uns nur noch die Chance, auf Sicht nach ihnen zu suchen. Allein die Durchsuchung des Höhlensystems unter dem See würde mehrere Wochen in Anspruch nehmen, und das ist noch eine vorsichtige Schätzung. Am Titicacasee haben wir zwar schwebende Kristalle gefunden, aber Maschinen wie in Thule und Stonehenge waren dort nirgends zu entdecken.«

»Darüber habe ich mir ebenfalls den Kopf zerbrochen und eine Vermutung, woran das liegen könnte«, sagte Arc Doorn und sah der Reihe nach jeden am Tisch an. »Die Maschinen sind versteckt.«

»Wie meinst du das? Auch für das Auge unsichtbar?«, fragte Amy und blickte von ihrem Teller auf.

»In den Fels der Höhlen integriert?« Jimmy ließ offen, ob diese Spekulation ernst gemeint war.

»Es wäre natürlich eine Möglichkeit, dass sie im Gestein eingeschlossen sind. Wir haben alle gesehen, wie diese Apparatur unter Stonehenge geschmolzen und im Boden versickert ist. Ich habe diesen Vorgang sogar schon zweimal beobachtet.«

Shanton schluckte einen großen Bissen seines Frühstücks herunter. »Das eröffnet zwei Möglichkeiten. Entweder hat sie sich anschließend an einem tieferen Ort unter der Erde verfestigt, um wieder funktionsbereit zu sein, oder sie ist sogar so hochentwickelt, dass sie auch in flüssiger Form betriebsbereit ist.«

»Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter«, verkündete Doorn. »Ich könnte mir vorstellen, dass wir die grüne Technologie nicht einmal mehr mit bloßem Auge erfassen können, weil sie an einem Ort versteckt wurde, der weder für unsere Messgeräte noch für unsere Sinne greifbar ist.«

Amy runzelte die Stirn. »Wie sollen wir das verstehen?«

»Die Technologie ist nicht mehr wahrnehmbar ist, weil sie eventuell in der Realität oder neben die Realität verschoben wurde.«

Einen Moment herrschte Schweigen am Tisch.

»Das wäre das perfekte Versteck, auch wenn ich keine Erklärung dafür habe, wie so etwas möglich sein sollte«, musste Shanton zugeben. »Ich kenne auch keine Geräte, die das möglich machen könnten. Man öffnet sich nicht einfach einen Zugang zu einer anderen Dimension, stellt eine Maschine hinein und schließt ihn wieder.«

»Wenn es ein solches Gerät gibt, will ich wissen, von wem es stammt und wo man es bekommen kann«, sagte Doorn. »Aber ich glaube nicht an eine solche Maschine. Allerdings gibt es Menschen, die über die Fähigkeit verfügen, in eine andere Realität zu wechseln. Zumindest einen von ihnen kennen wir.«

»Wen meinst du?«, wollte Shanton wissen.

»Na, deinen Namensvetter. Chris Nev.«

»Das Jüngelchen? An ihn habe ich schon lange nicht mehr gedacht.«

»So jung dürfte der längst nicht mehr sein«, brummte Doorn und wandte den Kopf. »Amy, erinnert du dich noch an Chris Nev?«

»Ausgezeichnete Idee, er könnte uns tatsächlich helfen.«

Jimmy schenkte seinem Herrchen einen überheblichen Blick, weil Shanton als einziger nicht auf die betreffende Person gekommen war.

»Guck nicht so!«, raunzte dieser den Terrier an. »Du erinnerst dich doch an jeden, der mal ein Stöckchen für dich geworfen hat.«

*

Arc Doorn war nicht mehr zu halten, nachdem er seine Idee erst einmal laut ausgesprochen hatte.

Sein oberstes Ziel bestand nun darin, den Aufenthaltsort von Chris Nev zu bestimmen, und zuerst versuchte er es natürlich an dem letzten Aufenthaltsort, den er von dem jungen Mutanten kannte.

Die Begabtenschule in Tycho City auf Luna war eine Schuleinrichtung für parapsychisch begabte Jugendliche, wo deren außergewöhnliche Fähigkeiten erforscht und trainiert wurden. Der Direktor war Doktor Seth Macat, ein dicklicher mittelgroßer Mann mit überragendem Intellekt. Der siebzigjährige Institutsleiter war zudem ein starker A-Klasse-Emphat und genoss den Ruf eines Genies.

Seit etwa 2040 kam es zu einem verstärkten Auftreten höherentwickelter Menschen, die über bestimmte körperliche oder parapsychische Eigenschaften verfügten, die sie aus der Masse der Normalmenschen hervorhoben. Die Ursache des Phänomens war bis heute unbekannt, aber der Handlungsbedarf wurde schnell eingesehen. Deshalb schuf man eine Schulform, bei der neben den klassischen Schulfächern auch Para-Konzentration, Telekinetik, Dimensionsmathematik, stellare Kartografie und Teleportation auf dem Lehrplan standen.

Doorn stellte vom Gebäude der Point-of-Stiftung aus eine Sprechverbindung zum Mond her.

Leider ließ sich Seth Macat, der Leiter der »Schule für außergewöhnlich Begabte«, nicht ganz so leicht von Doorns Begeisterung anstecken. »Es tut mir leid, aber ich darf keine Informationen zu unseren Schülern oder Assistenten weitergeben. Das ist eine Frage der Diskretion, das werden Sie sicher verstehen, Mister Doorn.«

Der Direktor klang freundlich, aber bestimmt.

»Sie kennen doch sicher die Reputation der POINT OF?«

»Die steht völlig außer Frage, aber … wie soll ich sagen? Auch der Name Arc Doorn ist mir natürlich ein Begriff, aber woher soll ich wissen, dass ich tatsächlich mit dem echten Arc Doorn spreche?«

»Da haben Sie natürlich vollkommen recht, Mister Macat, und ich freue mich über Ihre Umsicht. Wissen Sie, wie ich aussehe?«

»Natürlich, ich kennen die Mediadateien Ihrer Vorträge und durfte auch einmal an einem Symposium mit Ihnen teilnehmen.«

»Gut, dann geben Sie mir jetzt genaue Anweisungen, wie ich mich auf einem Foto verhalten soll, und ich schicke Ihnen eine Bilddatei zur Identifikation.«

Zwei Minuten später betrachtete Seth Macat auf seinem Suprasensor schmunzelnd die Aufnahme des berühmten Arc Doorn mit herausgestreckter Zunge, verdrehten Augen und dem rechten Zeigefinger im linken Ohr. »Was kann ich für Sie tun, Mister Doorn?«

»Wir brauchen dringend die Hilfe von Christopher Nev.«

»Da haben Sie ihn knapp verpasst. So etwa um zwei Monate.«

Doorn war erstaunt. »Wir haben gar nicht damit gerechnet, Chris bei Ihnen zu finden. Wir hofften nur, Sie würden vielleicht seinen Aufenthaltsort kennen. Er dürfte doch längst kein Schüler mehr sein, ich vermute mal, er ist inzwischen bereits Mitte zwanzig.«

»Sogar noch ein paar Jahre älter, und er ist tatsächlich kein Schüler mehr, sondern arbeitet als Assistent an unserer Schule. Vielmehr hat er bis vor zwei Monaten hier gearbeitet, doch dann überkam ihn überraschend – zumindest für mich überraschend – der Drang, einer anderen Berufung zu folgen.«

»Die da wäre?«, drängte Doorn.

»Er ist ein Enthüllungsjournalist und hat in dieser Eigenschaft wohl schon einen großangelegten Wahlbetrug aufgedeckt.«

»Davon habe ich überhaupt nichts mitbekommen.«

»Er fand auch nicht auf der Erde statt, sondern auf Xing. Chris arbeitet inzwischen für den Xing-Clarion. Dorthin sollten Sie sich wenden.«

»Vielen Dank, das werde ich tun.«

»Es war mir eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein«, versicherte der Schulleiter, und es klang aufrichtig.

»Eine Bitte hätte ich noch, Mister Macat.«

»Natürlich, was kann ich tun?«

»Löschen Sie dieses Foto!«

»Aber selbstverständlich«, versprach Macat mit gekreuzten Fingern.