Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 13: Die Gagarin-Zeremonie - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 13: Die Gagarin-Zeremonie E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Im Kaisersaal auf Zynth kommt es zur endgültigen Entscheidung über die Herrschaft im Reich der Zwölf Monde. Zur Trauerfeier für die Besatzung der Gagarin auf Terra werden Freunde, Verwandte und bekannte Persönlichkeiten erwartet. Aber die Veranstaltung ist auch das Ziel eines alten Feindes der HTO, mit dem niemand mehr rechnet.

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Seitenzahl: 186

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen:

5101 Andreas Zwengel Mehr als tausend Lichtjahre

5102 Andreas Zwengel & Gerd Lange Geheiligte Spiele

5103 Andreas Zwengel Eisenfaust

5104 Andreas Zwengel Der Weiße Prophet

5105 Andreas Zwengel Im Tribunal der Häuser

5106 Andreas Zwengel Das Zeitenorakel

5107 Andreas Zwengel Die wahnhaften Künstler

5108 Andreas Zwengel Der Plan der Ehrenschwester

5109 Andreas Zwengel Die Vision der Propheten

5110 Gerd Lange & Achim Mehnert Requiem für Adamson

5111 Andreas Zwengel Die Jäger des Sternenkaisers

5112 Andreas Zwengel Im Reich der Zwölf Monde

5113 Andreas Zwengel Die Gagarin-Zeremonie

DIE GAGARIN-ZEREMONIE

RAUMSCHIFF PROMET - STERNENABENTEUER

BUCH 13

ANDREAS ZWENGEL

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© 2025 Blitz Verlag

Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH

Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier

Redaktion: Gerd Lange

Exposé: Gerd Lange

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

5113 vom 14.03.2025

ISBN: 978-3-689-84339-7

INHALT

Die Gagarin-Zeremonie

Andreas Zwengel

Algor-System,

Mond Zynth, 11.07.2107

Prinzessin Elhoa saß mit geschlossenen Augen auf ihrem Platz und konzentrierte sich auf die bevorstehende Aufgabe. Sewta saß ihr gegenüber und war ebenso angespannt wie die anderen Kämpferinnen an Bord.

„Wir erreichen den Palast in wenigen Minuten“, kündigte die Pilotin an.

Elhoa öffnete die Augen und blickte durch ein Plastfenster voraus auf den Palast. Es war schon eine Weile her, dass sie ihren Vater zuletzt besucht hatte.

Als Kind fand sie den Palast faszinierend. Ein Märchenschloss, das in der Sonne funkelte und glitzerte. Nun empfand sie den ganzen Prunk nur noch als peinlich. Es war Kitsch, übertrieben und geschmacklos. Ihr Vater ließ beim Bau ausschließlich glänzende Materialien verarbeiten. Außerdem war der Zeitpunkt schon lange verstrichen, an dem er mit dem Bauen hätte aufhören sollen. Es entstanden immer mehr Türmchen, die den Palast aus der Luft wie ein Nadelkissen wirken ließen. Kein Wunder, dass dieser zur Schau getragene Prunk viele Untertanen verärgerte, denen es viel schlechter ging.

Elhoa hatte für diese Reise bewusst einen Raumer gewählt, der nichts Kriegerisches an sich hatte. Keine Waffen, keine besondere Beschleunigung. Es war ein gemütliches Fluggerät für kleine Ausflüge, niemand sollte in dieser prächtigen Maschine ein Dutzend bewaffneter Frauen vermuten. Elhoas Kriegerinnen sollten alle Palastwachen mit ihren Waffen und ihrem aggressiven Auftreten einschüchtern.

„Wir haben die Landefreigabe“, meldete die Pilotin und senkte den Raumer auf eine Landeplattform herab, die auf halber Höhe aus dem Palast herausragte.

Der Raumer setzte auf und die Kämpferinnen erhoben sich alle gleichzeitig. Sie waren zum Ausstieg bereit und wollten in den Palast marschieren, um für Elhoa den Thron zu erobern. Elhoa selbst rechnete nicht mit einem Kampf. Die Palastwache durften die Tochter des Kaisers nicht ohne direkten Befehl angreifen, und ihr Vater würde diesen Befehl niemals geben.

Als sich die Luke öffnete, stand einer der Diener ihres Vaters ganz allein auf dem Zugang zur Landefläche und machte zur Begrüßung eine Verbeugung. „Willkommen auf Zynth, Prinzessin Elhoa. Der Kaiser erwartet Euch im Thronsaal.“ Er drehte sich um und ging voraus.

Elhoa wechselte einen Blick mit Sewta, die sich ebenso überrumpelt fühlte wie ihre Geliebte. Dann folgten sie dem Diener, der bereits etwas Vorsprung hatte. Sein Verhalten verstieß gegen jegliches Protokoll und ließ es auch an Höflichkeit mangeln. Sie sollte sich bei ihrem Vater über den Kerl beschweren, aber ihr Vater konnte bald keine Entscheidungen mehr treffen. Sie würde den frechen Diener selbst bestrafen müssen. Die Vorfreude darauf stimmte sie milder.

„Ich möchte direkt zu meinem Vater“, kündigte Elhoa an. „Ich habe eine dringende Angelegenheit mit ihm zu besprechen.“

Der Diener reagierte nicht und Elhoa ärgerte sich, weil sie dem unverschämten Wicht überhaupt eine Erklärung gegeben hatte. Mehr als Anweisungen sollten nicht nötig sein.

„Hörst du mich?“, rief sie dem Diener hinterher.

„Selbstverständlich, Eure Kaiserliche Hoheit“, versicherte der Diener. Aber er drehte sich nicht zu ihr um. Und anstatt langsamer zu werden, beschleunigte er seine Schritte noch, als wollte er vor ihnen davonlaufen.

„Hey!“, protestierte die Prinzessin und wurde gegen ihren Willen ebenfalls schneller. Sie passierten einen weiteren Rundbogen, als Elhoa ihrer Getreuen einen Wink gab, damit sie sich den Diener schnappte.

In diesem Moment sauste im Rundbogen eine Sicherheitsschleuse herab. Direkt hinter Elhoa und Sewta und unmittelbar vor den Füßen der ersten Kriegerin. Man hatte sie voneinander getrennt. „Was geht hier vor?“, brauste Elhoa auf.

Sewta hielt bereits einen Strahler in jeder Hand und richtete beide Läufe auf den Gang vor ihnen. Sie rechnete damit, jeden Augenblick attackiert zu werden. Elhoa griff von hinten unter den Umhang ihrer Begleiterin und zog dort einen weiteren Strahler hervor.

Der Diener war stehengeblieben und drehte sich zu ihnen um. Er zeigte noch immer dieselbe unerschütterliche Freundlichkeit und schien von den bewaffneten Frauen nicht im Geringsten eingeschüchtert zu sein.

Sewta drückte dem Diener einen Strahler gegen den Hinterkopf, während Elhoa um ihn herumging. Sie wollte ihm ins Gesicht sehen. „Was geht hier vor?“, wiederholte sie, diesmal eindringlich und drohend.

„Euer Vater möchte Euch sprechen, Prinzessin. Nur Euch allein.“

„Dafür muss er mich nicht behandeln wie einen feindseligen Eindringling.“

„Ich bedauere sehr, wenn dieser Eindruck bei Euch entstanden ist“, sagte der Diener mit offensichtlich gespieltem Bedauern. „Eure Begleiterin darf während des Treffens die ganzen Waffen bewachen, die ihr in den Palast mitgebracht habt.“ Der Vorwurf in diesen Worten war unüberhörbar.

Elhoa machte sich in Gedanken eine Liste der Foltermethoden, die sie bei dem Burschen einsetzen wollte, sobald sie die Kontrolle im Palast übernahm. „Gehen wir“, sagte sie mit unterdrückter Wut.

Sie marschierten durch die hohen Gänge, in denen ihre Schritte widerhallten. Der Boden bestand aus poliertem weißem Gestein, in das goldene Kreise eingelassen waren. Wie die Junkti-Ringe eines Baumes. Als Kind hatte sie in diesen Gängen gespielt und sich vor den Palastdienern versteckt. Diese hatten deutlich weniger Spaß an dem Spiel gehabt, denn sie mussten um ihr Leben fürchten, falls der kleinen Elhoa etwas zustieß. Jetzt war sie es, die sich Sorgen machen musste, während sie sich dem Kaisersaal näherten. Immerhin wurde sie durch einen direkten Zugang geführt und musste nicht in der regulären Wartehalle an den ganzen Bittstellern vorbeimarschieren, die ihrem Vater jeden Sila⁠1 seine Zeit raubten.

Der Diener schob die hohen Türen auseinander und trat ein. Über dem Saal befand sich eine Glaskuppel, die das Sonnenlicht bis in den hintersten Winkel einließ. Die Kuppel ruhte auf rechteckigen Säulen, die kreisförmig im Saal standen und sich durch die Gebäudeflügel fortsetzten. Kaiser Radex saß auf seinem Thron und blickte ihr finster entgegen. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Zumindest nicht ihr gegenüber. Sie wusste natürlich, was mit den Leuten geschah, die ihr Vater so ansah. Aber noch nie hatte dieser Blick ihr gegolten. Sie war immer der Liebling ihres Vaters gewesen, er hatte ihr alles durchgehen lassen. In seinen Augen hatte sie nichts falsch machen können und deshalb war sie davon ausgegangen, ihn wie gewohnt, um den Finger wickeln zu können, bevor sie ihn heimtückisch überwältigte.

Sie setzte ein gewinnendes Lächeln auf und wollte ihren Vater herzlich begrüßen, doch dann entdeckte sie etwas, dass ihre fröhliche Fassade zusammenbrechen ließ. Erschrocken nahm sie die Anwesenheit von Ministers Perrs zur Kenntnis, der sich nicht wie erwartet irgendwo auf Algor III befand. Aber das war nicht der größte Schreck für sie. Der bestand in einem Stoffbündel, das sie als ein Mönchsgewand erkannte. Genauer gesagt, das Gewand eines Mönchs des Pador-Ordens. Sofort begriff sie, weshalb es dort lag. Es war nicht das Gewand, das Perrs getragen hatte, schloss sie sofort. Sie begegnete dem Blick ihres Vaters. „Du warst der zweite Mönch“, sagte sie entmutigt.

* * *

An Bord der Tarrs, 11.07.2107

Flug und Landung waren problemlos verlaufen, niemand hatte die Legitimation der Tarrs angezweifelt. Die Verbündeten der Rebellen im Palast hatten ganze Arbeit geleistet. Vivien Raid, Tim Axelrod und Patrick O’Healy begleiteten Luzi Pallagon, Holgar, Prinz Ryon und Marvin Thorvald mit den Befreiungskämpfern zur Audienz.

Haydee war froh darüber gewesen, nicht mit in den Palast zu müssen. Die ganze Geschichte drohte, sie zu überfordern. Sie hatte bisher noch nicht einmal die Wahrheit über ihre Abstammung verkraftet und bereits eines ihrer neugewonnenen Geschwister verloren. Sie blieb bei Barbie Delany und Helmut M’Banga auf der Jolly Roger. Gemeinsam mit der Promet IV sollten sie erst im äußersten Notfall eingreifen.

Die Krieger der Befreiungsfront hatten sich in für sie ungewohnte Festkleidung geworfen und fühlten sich darin äußerst unwohl. Obwohl alles maßgeschneidert war, sah es irgendwie unpassend aus. Konnten sie die Wachen und den Kaiser mit dieser Verkleidung täuschen?

Nur Sark Namton wirkte als Einziger überzeugend und schien sich in der Rolle des Adeligen wohlzufühlen. Beim Verlassen der Tarrs vollführte er eine überraschende Wandlung. Sark hob den Kopf und reckte sein Kinn vor. Wie ein echter Würdenträger marschierte er in den Saal hinein, winkte und grüßte in alle Richtungen. Er übertrieb es ein wenig, obwohl gerade das besonders überzeugend an seiner Darbietung zu sein schien. Eine Gruppe junger männlicher Adeliger war in der Regel laut, auffällig und meistens auch betrunken. Letzteres vielleicht nicht unbedingt bei einer Audienz mit dem Kaiser, aber Ausnahmen bestätigten die Regel.

Doch dann wurde Sarks Blick missbilligend, als ob alles Interieur um ihn herum nicht seinen Anforderungen genügte. „Bei uns auf Avid würde man eine solche Hässlichkeit mit Tüchern abdecken“, beschwerte er sich mit nasaler Stimme. „Ach was, man hätte sie längst in Säure aufgelöst.“

Die K’inga hinter ihm stimmten ein affektiertes Gegacker an. Dann marschierten sie los, mit zurückgezogenen Schultern, vorgestreckter Brust und wiegendem Gang. Zusammen mit den farbenprächtigen Gewändern wirkten sie wie eine Tanzformation. Ihre Begleiter blieben staunend zurück, bis Vivien unauffällige Zeichen machte, schnell wieder aufzuschließen. Immerhin bestand ihre Tarnung darin, dass sie die Bediensteten der Delegation waren.

„Ich habe ja nicht geahnt, mit welch begnadeten Schauspielern wir es zu tun haben“, raunte Thorvald zu Luzi.

„In der K’inga-Kultur hat das Theatralische einen sehr hohen Stellenwert“, erklärte Luzi leise. „Aber ich muss zugeben, dass selbst ich von dieser Vorstellung überrascht bin.“

Vivien, Tim und O’Healy blieben im Hintergrund und behielten in ihrer Rolle als Personenschützer die Umgebung im Auge. Sie durchschritten einen langen Säulengang und mussten dabei einen seltsamen Zickzackkurs einschlagen. Vivien konnte in der Anordnung der Säulen kein Muster erkennen. Es ergab keine geometrische Figur. Vielleicht erkannte man sie nur aus der Luft oder die Säulen bildeten gemeinsam ein ihr unbekanntes Sternzeichen nach. Jedenfalls wirkten die Materialien edel und teuer. Wie alles, was hier verbaut worden war. Der Kaiserpalast war schon allein durch seine reine Bausubstanz unbezahlbar.

Obwohl Sark Namtons Truppe sehr überzeugend agierte, musste sie trotzdem die regulären Sicherheitsvorkehrungen über sich ergehen lassen. Alle Besucher wurden einer strengen Leibesvisitation unterzogen, denn Radex war, wie alle Gewaltherrscher, extrem vorsichtig. Er fürchtete stets Anschläge auf sein Leben. Mit unzufriedenen Untertanen bekam es jeder Herrscher früher oder später zu tun, egal, ob die Beschwerden gerechtfertigt waren oder nicht. Radex hatte sich allerdings nie die Mühe gemacht, sich näher mit den Gründen der Unzufriedenheit seiner Untertanen zu beschäftigen. Seine Minister, allen voran Perrs, hielten Beschwerden von ihm fern und Radex glaubte nur zu gerne, dass es sich bei seinen Kritikern nur um eine Handvoll Querulanten handelte, die nie zufrieden waren.

Als die Kontrollen abgeschlossen waren, wurde die Delegation zu offenen Kleinstschwebern geführt, die sie durch den weitläufigen Palast befördern sollten. Bewaffnete Mitglieder der Kaiserlichen Garde wurden allen Besuchern zur Seite gestellt. Sark Namton nahm die Anwesenheit der fünf Palastwachen zufrieden zur Kenntnis. Aus seiner Sicht waren sie keine Bedrohung für sein Vorhaben. Im Gegenteil, sie trugen die Waffen bei sich, die Sarks Kämpfer nutzen konnten, sobald ihr Geleitschutz überwältigt war.

Die Rebellen wurden mit ihrem Gefolge in eine weitläufige Halle geführt, deren Decke prächtige Schlachtengemälde aus der k’inganischen Geschichte zierten. Die einzelnen Bilder gingen fließend ineinander über und bildeten ein hundert Meter langes Kunstwerk.

Die Palastwachen führten sie zu einer durchgehenden Sitzbank entlang der Hallenwand und forderten sie auf, dort zu warten. Von der anderen Seite kam eine weitere Delegation herein, die ebenfalls zum Warten aufgefordert wurde.

„Das ist Poyle“, sagte Luzi Pallagon.

„Und unser Bruder“, erwiderte Thorvald, der Brodie neben dem Schiffer der Stahgg entdeckte.

Beide Gruppen saßen sich gegenüber und musterten sich feindselig. Es war entscheidend, wer zuerst zu Radex gelassen wurde. Allerdings sollte wohl Poyle mehr Gehör beim Kaiser finden als die Mitglieder einer vergleichsweise unbedeutenden Delegation. Poyle setzte bereits dazu an, die Palastwachen anzuweisen, Thorvald und die anderen verhaften zu lassen, doch überraschend unterließ er es dann und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die kühlende Wand hinter sich zurück. Der Mistkerl schien die Situation auszukosten. Er genoss es sichtlich, seine Gegner in aller Ruhe zu betrachten, während diese nichts dagegen unternehmen konnten. Er brauchte nur im geeigneten Moment den Befehl geben, damit die Wachen die Rebellen ergriffen.

Brodie neben ihm starrte ausschließlich Ryon an. Er schien zu ahnen, um wen es sich bei diesem braungebrannten Naturburschen handelte. Das war sein Konkurrent, der ihm den Thron streitig machen konnte. Der Ex-Söldner begann unbewusst, mit den Zähnen zu knirschen. Er war kurz davor, einer Wache die Waffe zu entreißen, um damit den Konkurrenten zu beseitigen. Nur die Vermutung hielt ihn davon ab, dass die anderen Palastwachen ihn töten würden, bevor er den ersten Schuss abgeben konnte. Er war ihm sichtlich unangenehm, seinen Geschwistern so ausgesetzt zu sein. Vor allem Thorvalds hasserfüllte Blicke waren Brodie so unerträglich, dass er irgendwann den Kopf senkte. Es überraschte ihn selbst, dass ihm die Meinung anderer, die er erst so kurz kannte, so viel ausmachte. Bisher war es ihm als ehemaligem Söldner gleichgültig gewesen, was andere Personen von ihm dachten, da er den meisten von ihnen kein zweites Mal begegnen konnte. In der Regel deshalb, weil diese Leute nach der ersten Begegnung tot waren.

Brodie konzentrierte sich auf das hüfthohe Aquarium, das der Länge nach durch die Halle verlief und durch die Wand auch in den Kaisersaal weiterführte. Darin schwammen riesige Yukks im Wasser, krokodilähnliche Raubfische mit stelzenartigen Flossen, die wohl den wartenden Besuchern Furcht und Demut einflößen sollten, bevor sie dem Kaiser gegenübertraten.

Die Yukks warfen durch die Glaswände rasche Blicke auf die Wartenden zu beiden Seiten des Aquariums. Vivien erinnerte das an Restaurants auf Terra, wo sich Gäste einen bestimmten Fisch auswählen konnten, der anschließend für sie zubereitet wurde. Mit dem Unterschied, dass es hier umgekehrt zu sein schien. Die Yukks wählten ihre Beute. Nicht nur durch die aggressiven Raubfische war die Stimmung in der Vorhalle äußerst angespannt. Die Befreiungskämpfer rutschten unruhig auf ihren Plätzen herum. Sie wollten sich lieber auf den verhassten Neffen des Kaisers stürzen und anschließend den Kaisersaal stürmen. Doch in dem Moment, in dem sie sich zu erkennen gaben, würden von überall her weitere Palastwachen heranstürmen. Sie waren zu wenige, um sich durch deren Reihen in den Kaisersaal zu kämpfen.

Poyle lächelte weiter und genoss die Anspannung und die Gefahr. Auch er ging davon aus, als Erster zu Radex eingelassen zu werden. Dort wollte er die Rebellen enttarnen. Aber bis dahin war es sein perverses Vergnügen, die Leute auf der anderen Seite der Halle leiden zu sehen.

Warum dauerte es so lange, bis sie empfangen wurden? Selbst er als Lieblingsneffe musste wie ein gewöhnlicher Untertan warten. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass die Rebellen eine Verzweiflungstat begehen könnten. Wenn er zuerst in den Saal gelassen wurde, war für sie die Zeit abgelaufen. Dann mussten sie zwangsläufig losschlagen, sonst waren sie verloren. Also konnten sie auch nicht abwarten, bis Poyle die Sicherheit des Kaisersaals erreicht hatte. Er hoffte, dass sie die Nerven verloren. Es würde ein regelrechtes Gemetzel geben, mit ihm mittendrin. Da auch er seinen Uniformsäbel hatte abgeben müssen, legte sich seine Hand auf seinen Gürtel mit der verborgenen Sichelklinge.

Der Grund für die Verzögerung offenbarte sich kurz darauf und für alle Wartenden laut hörbar. Aus dem Saal drang das wütende Geschrei von Kaiser Radex und seiner Tochter Elhoa. Sie waren weit davon entfernt, sich wieder zu beruhigen. Es war nicht zu verstehen, was sie sagten, obwohl das nicht an fehlender Lautstärke lag. Über Elhoas Gefühle gab es jedenfalls nicht die geringsten Zweifel. Einen solchen Streit hatten selbst die anwesenden Palastwachen nie zuvor gehört, weil es noch niemand gewagt hatte, auf diese Weise mit dem Kaiser zu reden. Nicht einmal zum Tode Verurteilte hatten das bei ihren letzten Worten gewagt.

Poyle kicherte vergnügt in sich hinein und wartete ab, was geschah. Er war der Einzige in der Wartehalle, der hoffte, dass die Lage noch mehr eskalierte.

* * *

Mond Zynth, Palast des Kaisers, 11.07.2107

Im Kaisersaal standen sich Vater und Tochter unversöhnlich gegenüber. Neben dem Thron stand Perrs und verfolgte den Streit, ebenso wie Sewta neben ihrer Gebieterin. Sie konnte nichts sagen, um die Gemüter zu beruhigen, aber Perrs versuchte es immerhin. „Wir haben noch eine Audienz auf dem Programm, Eure Kaiserliche Hoheit.“

„Können wir die nicht verschieben?“, rief Radex gereizt. „Es war ein anstrengender Sila und das hier ist noch nicht zu Ende.“

„Ich fürchte, das geht leider nicht. Es ist eine Delegation von Avid. Wir können das Treffen mit ihnen auf morgen verlegen, aber Ihr müsst sie wenigstens begrüßen.“

„Wie lange ist dieses Treffen schon geplant?“, fragte der Kaiser.

„Die Anfrage ist schon älter und wir haben die Avider anscheinend immer wieder vertröstet. Ein weiteres Mal würde sie beleidigen. Das hätte unangenehme Folgen.“

„Sie sollen warten.“

Als Radex sich seiner Tochter wieder zuwandte, ging der Streit zwischen ihm und ihr ungehindert weiter. „Ich kenne deine Absichten. Es gibt nichts, womit du mich beruhigen könntest.“

„Ich bin auch nicht hier, um dich zu beruhigen“, gab Elhoa zurück.

„Und auch nicht, um zu heiraten? Du wirst mir nicht helfen, den Thron zu sichern, und du hast auch nicht vor, mir Enkel zu schenken, nicht wahr?“ Er warf einen vernichtenden Blick auf Sewta. „Damit beendest du unsere Familienlinie. Wie kannst du das verantworten?“

„Willst du mir wegen der Traditionen ein schlechtes Gewissen einreden?“

„Hat es dir jemals an irgendetwas gefehlt? Welchen Grund gibt es hierfür?“ Plötzlich riss Radex die Augen auf. „Es ist der Nurr-Kult, nicht wahr? Sie zwingen dich, das zu tun. Oder willst du nur aus Langeweile meinen Thron?“

Elhoa lief feuerrot an. „Du hältst mich immer noch für das dumme kleine Mädchen, das sich ziellos durchs Leben treiben lässt. Natürlich kann der einzige denkbare Grund für dich nur sein, dass andere meine Naivität ausnutzen. Völlig undenkbar, dass ich selbst einen solchen Plan entwickeln könnte.“

„Was willst du mir damit sagen?“

„Ich bin Hohepriesterin des Kultes. Ich habe den Entschluss gefasst, die Leitung des Reichs zu übernehmen.“

„Das glaube ich nicht.“

Elhoas Wut wuchs noch weiter an. „Der Thron steht mir ohnehin zu, ich nehme ihn mir nur etwas früher.“

„Aber du solltest ihn doch bekommen. Schon in wenigen Silas.“

„Indem ich einen Mann heirate, den du für mich ausgewählt hast. Dann bin nicht ich deine Thronfolgerin, sondern nur die Ehefrau deines Nachfolgers. Oder noch schlimmer: einer bloßen Marionette. Das reicht mir nicht. Ich werde die erste Sternenkaiserin sein.“

„Wenn deine Mutter dich so sehen könnte“, sagte Radex verächtlich.

„Leider ist sie tot.“

„Sie ist nicht tot. Ich habe sie verkauft.“

„Das erfindest du nur, um mich zu verletzen.“

„Dafür muss ich nichts erfinden. Ich habe dich dein ganzes Leben über vor allem Unangenehmen bewahrt. Es gibt genug Dinge, mit denen ich dich verletzen könnte.“

„Was hast du meiner Mutter angetan?“

„Sie war eine Hure. Sie hat es auch mit Carsif getrieben. Ich konnte sie nicht mehr sehen.“

„Du verdammter Mistkerl!“, zischte Elhoa.

„Sie hat nicht gerade darum gefleht, bei dir bleiben zu dürfen. Du warst ihr gleichgültig. Wahrscheinlich hat sie dich sogar gehasst, weil du sie an mich erinnert hast.“

Plötzlich hielt Elhoa einen kleinen Strahler in der Hand und richtete ihn auf ihren Vater.

„Wer hat sie durchsucht?“, rief Radex, an Perrs gewandt.

„Natürlich niemand“, antwortete der Minister. „Schließlich ist sie die Prinzessin.“

„Von der wir wussten, mit welcher Absicht sie hierherkommt.“

Perrs senkte den Kopf. „Ihr habt recht, Majestät. Ich habe es versäumt, die Palastwachen entsprechend zu instruieren. Ihre Begleiterinnen hatten alle Waffen bei sich.“

„Das ist kein Trost“, blaffte Radex. „Würdest du dich bitte vor mich stellen?“

Elhoa schwenkte den Strahler auf Perrs. „Du bleibst, wo du bist, sonst stirbst du zuerst.“

Der Minister riss entsetzt die Augen auf. Bisher war er nicht einmal davon ausgegangen, als Zweiter zu sterben.

„Wie heißt meine Mutter?“, fragte Elhoa.

„Das spielt keine Rolle, du wirst sie niemals finden. Sie ist untergetaucht und unauffindbar, wahrscheinlich längst tot. Du machst dir falsche Hoffnungen auf irgendwelche Muttergefühle bei ihr.“

„Schlimmer als du kann sie nicht sein.“

„Du undankbares Kind, ich habe dir alles gegeben.“ Radex glühte vor Zorn. „Als Dank willst du mir nun meinen Thron rauben.“

„Ich denke, das ist eine schöne Familientradition bei uns. Findest du nicht, Vater?“

„Du bist doch gar nicht in der Lage, dieses Reich zu führen“, wütete Radex. „Innerhalb kürzester Zeit hättest du alles zugrunde gerichtet.“

„Du glaubst, ich hätte mein ganzes Leben nur mit Feiern vertrödelt, aber das ist ein Irrtum. Ich hatte gute Lehrerinnen, die mich seit langem auf diese Aufgabe vorbereiten. Ich bin besser über alle Belange informiert, als du es jemals warst. Wie sieht denn deine Bilanz aus? Die Befreiungsfront gewinnt immer mehr Zulauf und wird mit jedem Sila stärker. Das Reich steht kurz vor einem Bürgerkrieg und du unternimmst nicht das Geringste dagegen.“

„Willst du jetzt behaupten, du bist hier, um das Reich zu retten? Wen willst du damit täuschen, du egoistische Schlange? Dir geht es doch nur um den Titel und die Macht. Sternenkaiserin Elhoa, das willst du hören. Selbst wenn du dafür deinen Vater töten musst.“

„Ich will dich nicht töten. Ein Kaisermord reicht. Ich erwarte, dass du abdankst und mir ganz offiziell dein Amt übergibst. Unsere Untertanen müssen nie von den Hintergründen erfahren. Die Begründung überlasse ich dir.“

„Und wenn nicht?“

„Dann wird es heißen, du bist plötzlich und überraschend verstorben. Du kennst das. Du weißt schließlich, wie du damals alle Zweifler zum Schweigen gebracht hast.“

„Damit wirst du nicht durchkommen. Wer soll dir das glauben?“

Elhoa lächelte. „Es gibt genug Leute an deinem Hof, die es genauso bestätigen werden.“