Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 48: Das Bankor-Desaster - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 48: Das Bankor-Desaster E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Nach einem fehlgeschlagenen Geheimexperiment auf dem Gelände der HTO-Corporation muss die Promet II mit einer ausgewählten Crew zu einem Sucheinsatz in den Plejaden-Sternhaufen starten. Noch ahnt niemand an Bord, dass dies zu einem Schicksalsflug wird. Auf dem Planeten Okan führen mysteriöse Funkimpulse die Forscher in der Gigantenstadt zu einer bisher unbekannten Sendestation. Hier machen sie eine überraschende Entdeckung.

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen:

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

5023 Gerd Lange Das fremde Ich

5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat

5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne

5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer

5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal

5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes

5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem

5030 Andreas Zwengel Negor in Not

5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff

5032 Andreas Zwengel Orffs Sonnenreigen

5033 Andreas Zwengel Der falsche Orff

5034 Andreas Zwengel Entscheidung auf Baranad

5035 Gerd Lange Im Licht der drei Monde

5036 Andreas Zwengel Planet der Bestien

5037 Andreas Zwengel Mysteriöse Vergangenheiten

5038 Andreas Zwengel Wächter des Schwarzen Imperiums

5039 Andreas Zwengel Der Raub der Moranerin

5040 Andreas Zwengel Transition ins Gestern

5041 Andreas Zwengel Überfall auf Wasp

5042 Gerd Lange Auf der Suche nach Moran

5043 Gerd Lange Ximenas Martyrium

5044 Manfred H. Rückert Das Geheimnis von Jiron

5045 Andreas Zwengel Die Körperlosen

5046Manfred H. Rückert Gefahr für Sperrkreis 1

5047 Andreas Zwengel Das Erbe der Agaren

5048 Andreas Zwengel Das Bangor-Desaster

5049 Gerd Lange Überfall auf Riedle

5050 Manfred H. Rückert Die Hölle von Bangor

DAS BANKOR-DESASTER

RAUMSCHIFF PROMET – VON STERN ZU STERN

BUCH 48

ANDREAS ZWENGEL

INHALT

Das Bankor-Desaster

Andreas Zwengel

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

© 2025 Blitz Verlag

Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH

Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier

Redaktion: Gerd Lange

Exposé: Gerd Lange

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati, Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Alle Rechte vorbehalten

eBook Satz: Gero Reimer

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-689-84313-7

5048 vom 20.02.2025

DAS BANKOR-DESASTER

Terra, HTO-Corporation, Harry T. Orells Büro, 08.02.2096, 09:48 Uhr Ortszeit

Die Sonne war vor einer Stunde aufgegangen und beschien das winterliche HTO-Gelände. Zu dieser Jahreszeit war jeder Sonnenstrahl kostbar. In der Nacht waren die Temperaturen auf minus 20 Grad Celsius gefallen, aber in den Gebäuden war nichts davon spürbar.

Wie an jedem Morgen saß Harry T. Orell an seinem Schreibtisch in der neuen HTO-Zentrale und studierte auf seinem Arbeitspaneel die Tagesberichte der verschiedenen Abteilungen. Er wollte über alles informiert sein, was bei der HTO geschah. So hatte er es schon immer gehalten und er empfand diese Aufgabe nicht als Belastung. Ganz im Gegenteil, häufig erfüllte es ihn mit Stolz, wenn er von den Fortschritten las, die einzelne Projekte machten. Natürlich gab es auch jede Menge schlechter Nachrichten, mit denen er sich beschäftigen musste, aber zum Glück überwogen meist die positiven Neuigkeiten.

Seine Sekretärin Cynthia Kelly erschien in der Tür. „Theodor Crook will dich dringend sprechen“, meldete sie. Da sie einen wesentlich höheren Stellenwert in seinem Leben besaß als nur seine Sekretärin zu sein, duzten sie sich, wenn sie unter vier Augen miteinander sprachen. Im Beisein anderer Personen blieben sie aber beim förmlichen Sie. Denn bei der HTO sollte noch immer niemand etwas wissen von ihrer Beziehung, nicht einmal Harrys Sohn Peet.

„Danke, stell ihn bitte durch.“

„Schon gesehen“, sagte sie und zog sich an ihren eigenen Arbeitsplatz zurück.

„Guten Morgen, was ist denn so dringend?“, begrüßte Orell seinen Sicherheitschef.

Commander Theodor Crook klang angespannt und das aus gutem Grund. „Ein Hantelraumer ist gerade innerhalb von Sperrkreis 3 materialisiert.“

Der HTO-Chef sprang auf. „Was?“, rief er entsetzt und Cynthia Kelly kam wieder in sein Büro. Sie wirkte besorgt. Anscheinend hatte sie die Information durch die offene Tür mithören können.

Der Sicherheitsalarm, den Crook in diesem Moment auslöste, ertönte über die Werks-Com in allen Gebäuden und auf dem gesamten Gelände. Dann übermittelte der Commander Direktaufnahmen vom Sperrkreis 3 an Orell. Sie zeigten den Raumer.

„Vom Typ und der Größe her ist es ein Modell, wie es die Ewigen um Naugor verwenden“, erklärte Crook. „Jedenfalls vermute ich das aufgrund der gelieferten Übertragung. Aber ich will kein Risiko eingehen.“

„Es war richtig, den Alarm auszulösen“, stimmte Orell ihm zu. Auch er nahm an, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um einen der gefürchteten Schwarzen Raumer der Zyklops handelte.

Der Hantelraumer stand allein auf der seit mehreren Tagen schneebedeckten Landepiste. Der Schnee war knochenhart gefroren, aber bisher hatte es noch keinen Anlass zur Enteisung gegeben. Es herrschte aktuell kaum regulärer Flugverkehr, der wurde komplett über die äußeren Sperrkreise abgewickelt.

„Es tut sich was“, meldete Crook.

Orell konnte es auf seinem Arbeitspaneel verfolgen. Aus dem Mittelteil des fremden Schiffes wurde ein Heer von offenbar zentral gesteuerten, humanoid aussehenden Robotern ausgeschleust. Erst vor zwei Wochen war es zu einem dramatischen Vorfall im Sperrkreis 3 gekommen, der sich zu einer weltweiten Katastrophe hätte entwickeln können. Niemand bei der Corporation wollte eine Wiederholung der damaligen Ereignisse.

Die Roboter schwebten auf das leere Landefeld nieder und verteilen sich kreisförmig um den Hantelraumer.

„Was haben die vor?“, fragte Harry T. Orell.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, antwortete sein Sicherheitschef wahrheitsgemäß.

„Wie verläuft die Räumung?“

„Alle Mitarbeiter befinden sich bereits auf dem Weg zu den äußeren Gebäuden, um sich so weit wie möglich vom Sperrkreis 3 zu entfernen, ohne das Gelände zu verlassen“, berichtete Crook.

„Dann hoffen wir mal, dass die Blechkameraden keine feindlichen Absichten haben.“

Auf der Landefläche hoben die Roboter ihre Arme und streckten sie seitlich ihren Nachbarn entgegen. Um ihre Hände bildeten sich weißglühende Energiekugeln, die sich in flimmernde Energiestrahlen wandelten. Die Strahlen verbanden sich mit denen der benachbarten Roboter und formten sich zu weißlichen Energiebändern. Rund um den Hantelraumer breiteten sich diese Bänder von Roboter zu Roboter aus, so entstand ein kompletter Schutzring. Doch damit war der Prozess nicht beendet. Die Maschinen bewegten ihre ausgestreckten Arme und schwenkten sie auf und ab, wodurch sie die dünnen Energiebahnen zu mannshohen Barrieren zwischen sich erweiterten. Innerhalb einer Minute entstand ein geschlossener Ring aus der unbekannten Energieform. Die Roboter verschwanden völlig hinter dieser nicht einsehbaren Energiewand. Auch die Sicht von außen auf den Hantelraumer war nun von allen Seiten versperrt.

„Was soll das?“, fragte Orell und diesmal ersparte sich Theodor Crook die Antwort.

Der Sicherheitschef wechselte den Com-Kanal und wies die zwei Mitarbeiter der HTO-Raumüberwachungszentrale an, zwanzig unbemannte Flugsonden zu starten, die aus der Luft Bilder des Geschehens hinter der kreisförmigen Energiewand liefern konnten.

Flugleiter Mike Castor und dessen Mitarbeiter Percy Calder führten den Befehl sofort aus. Sie lenkten die Sonden von zwei Seiten über den Energiering und hielten die Luft an, als die Sonden das Hindernis überflogen. Alles war möglich, von Energiestößen gegen die Sonden bis zum Kontrollverlust über die Steuerung, doch nichts davon geschah. Die Sonden passierten unbehelligt den Energiering und konnten von oben dokumentieren, wie sich die Mentalroboter langsam von dem Hantelraumer wegbewegten. Auf diese Weise erweiterten sie den Radius der Energiebarriere und damit das darin befindliche Gelände immer mehr.

„Wie weit soll das gehen?“, fragte Castor nervös. Ein paar Schweißtropfen lösten sich aus seinem hellbraunen Kurzhaar und flossen über sein längliches Gesicht.

„Wir müssen uns wohl überraschen lassen. Ich weiß nämlich nicht, wie wir sie daran hindern können.“ Percy Calder lenkte seine Sonden tiefer, um zu testen, ob sie sich innerhalb des Energierings frei bewegen konnten.

Augenblicklich setzte das fremde Raumschiff schwebende Robotkugeln frei, die sich in den Luftraum über dem abgeschotteten Gelände erhoben. Fliegend erzeugten sie ebenfalls Energiefelder über dem Hantelraumer. Diese verbanden sich zuerst untereinander und dann mit der bereits am Boden befindlichen Barriere. Innerhalb weniger Minuten war das gesamte abgetrennte Areal in eine weißlich schimmernde Energieglocke gehüllt.

„Tja, und was machen wir jetzt?“, fragte Castor ratlos.

„Vielleicht sind unsere Gäste ja irgendwann so freundlich, uns einzuweihen“, antwortete Calder. „Außerdem haben wir noch ein anderes Problem.“

„Der Schneesturm?“

„Ja, die Unwetterwarnung wurde noch einmal erhöht. Der Schneesturm bewegt sich mittlerweile direkt auf Yellowknife zu.“

„Behaltet die Front im Auge“, wies Calder seine Kollegen an und nahm sich die Aufnahmen der Roboter vor, die vor ein paar Tagen beim Hantelraumer der Ewigen entstanden waren.⁠1 Er verglich sie mit den jetzigen Aufnahmen der Sonden und stellte fest, dass es sich bei ihnen eindeutig erneut um Roboter der Ewigen handelte. Calder meldete dies an Orell und Crook und sorgte dadurch zumindest für etwas Entspannung bei seinen Vorgesetzten.

Die Sonden schwebten weiterhin über der Energieglocke und meldeten die ständig veränderten Werte an die Überwachungszentrale. Erst nach einer halben Stunde blieb der Energiepegel endgültig stabil. Der Prozess schien abgeschlossen, die Sichtbarriere aus der weißlich schimmernden Energie hatte sich vollständig manifestiert.

„Die Glocke hat einen Durchmesser von eintausendzweihundert Meter und eine Höhe von neunhundert Meter an ihrem Scheitelpunkt“, meldete Castor. „Sie erstreckt sich an ihren Rändern auch auf Teile der Sperrkreise 2 und 4.“

„Was wollen die vor uns verbergen?“, überlegte Orell laut.

* * *

An Bord der Promet II, sechs Stunden später

Schon im Anflug auf Terra bemerkten Peet Orell und seine Crew den Schneesturm, der über Kanada hinweg zog. Das spektakuläre Schauspiel zog alle an Bord in seinen Bann.

„Sollen wir warten, bis der Weg frei ist?“, erkundigte sich Jörn Callaghan.

„Ich könnte mir das noch eine Weile anschauen“, sagte Vivien. Sie hatte schon oft Hurrikane und Vulkanausbrüche aus dem Orbit beobachtet und konnte sich trotzdem nicht daran stattsehen. Es war nicht nur wissenschaftliches Interesse, das sie an dem Anblick fesselte, sondern die reine unverfälschte Schönheit von Natur und Wetterphänomenen.

„Einige von uns haben es möglicherweise eilig“, sagte Junici Borul und wies zu Thosro Ghinu hinüber.

Die Promet II befand sich auf dem Rückflug von Suuk, wo die Mannschaft Ghinu an Bord genommen hatte. Der Moraner freute sich darauf, einige seiner Artgenossen auf Terra zu besuchen, darunter auch Shalyn Shan und ihre Eltern.

Nach der ersten Transition war es zu einem unerwarteten Zwischenfall gekommen, als das Schiff in einen Schwarm von sieben Kleinstmeteoriden geraten war. Zwei von ihnen waren an der Triebwerkswulst der rechten Heckseite mit dem Schiff kollidiert. Pino Tak hatte nach einer raschen Kontrolle festgestellt, dass keine sichtbaren Schäden entstanden waren, also flogen sie weiter. Sie absolvierten die restlichen vier Transitionen in Rekordtempo, um pünktlich nach Zeitplan ins Sol-System zu gelangen.

„Peet, dein Vater funkt uns an“, meldete Gus Yonker.

„Stell ihn durch. Er will sicher wissen, ob ich pünktlich zum Mittagessen da bin.“

„Das denke ich eher nicht“, erwiderte Gus.

Harry T. Orell berichtete seinem Sohn und der übrigen Crew von dem Hantelraumer, der völlig überraschend auf dem HTO-Gelände gelandet war, und von der durch die Roboter errichteten Energieglocke.

Wegen des herrschenden Schneesturms war die Energieglocke trotz ihrer Größe aus dem Orbit nicht visuell auszumachen. Szer Ekka übernahm diese Aufgabe mit seinen Ortungen und schaffte es, die Kuppel im Sperrkreis 3 auf den Holoschirmen in der Zentrale sichtbar zu machen. Allerdings vermochte es auch die Ortung nicht, bis in die halbkugelige Schutzsphäre vorzudringen.

„Ich wüsste zu gerne, was unter dieser Glocke vorgeht“, sagte Jörn.

„Das werden wir herausfinden“, versprach Peet.

Die Promet II wurde von der Raumüberwachungszentrale auf Sperrkreis 1 eingewiesen und landete inmitten eines undurchdringlichen Schneegestöbers. Peet Orell, Jörn Callaghan, Junici und Arn Borul sowie Vivien Raid stiegen zuerst aus und eilten durch das dichte Schneetreiben zu einem wartenden Shuttle, das sie hinüber in die Hauptzentrale bringen sollte.

„Willkommen zurück auf Terra“, begrüßte Lucia McLean die fünf Raumfahrer.

„Und was für ein schönes Willkommensgeschenk ihr für uns vorbereitet habt“, scherzte Jörn, während er in den Gleiter stieg.

„Ja, ist nur etwas schwer auszupacken“, antwortete die junge Frau von der Raumüberwachung schlagfertig. Dann wandte sie sich an Peet. „Die Restmannschaft wird ins Zwischenquartier gebracht und die Promet im nächsten Hangar der routinemäßigen Kontrolle unterzogen.“

„Scheint so, als hätte mein Vater schon für alles gesorgt“, sagte Peet zufrieden. „Dann informiere uns unterwegs doch über die wichtigsten Ereignisse. Außerdem möchte ich alles erfahren, was ihr bisher unternommen habt.“

Lucia McLean gab einen resignierenden Laut von sich. „Das sollte ziemlich schnell gehen.“

* * *

Genf, Berserk-Akademie von Grenn Jakat,

08.02,2096, 20:30 Uhr Ortszeit

An der Kampfsportschule von Grenn Jakat herrschte eine eiserne Disziplin. Jeder Schüler gab bereitwillig sein Bestes, denn es war eine Ehre, dort unterrichtet zu werden. Shalyn Shan trainierte seit eineinhalb Jahren an der Akademie mit dem Ziel, eine vollwertige Berserk-Meisterin zu werden. Auf der höchsten Ebene dieser moranischen Kampfkunst waren Experten in der Lage, sich in Sekundenbruchteilen in eine Kampftrance zu versetzen, die das Schmerzempfinden ausschaltete, die Reaktionsgeschwindigkeit um ein Vielfaches steigerte und die Körperkräfte verfünffachte.

Shalyn hatte den Kurs von Arn und Junici Borul zur erreichten Volljährigkeit geschenkt bekommen⁠2 und wollte ihn zum Dank dafür mit Bravour abschließen. Doch an diesem Tag fühlte sie sich von diesem Ziel weiter entfernt als sonst.

Schweratmend ließ Shalyn die Schultern sinken. Sie war enttäuscht von dem erneuten Misserfolg. Jedenfalls betrachtete sie ihre aktuelle Leistung als Misserfolg. Sie hatte die Bewegungsabläufe in endlosen Wiederholungen trainiert und ihr Muskelgedächtnis funktionierte tadellos. Nun musste sie noch die Geschwindigkeit steigern, mit der sie den Trancezustand erreichte. Aber genau das wollte ihr noch nicht verlässlich gelingen. Sie schaffte es nicht, die Trance für längere Zeit aufrecht zu erhalten. Deshalb wollte sie noch härter trainieren. Natürlich achtete sie sehr darauf, dass ihr reguläres Studium der Hyperphysik nicht unter dem vielen Training litt. Schließlich wollte sie ihre Eltern nicht enttäuschen.

Der Moraner Jakat war bereits auf Moran ein bekannter Berserk-Lehrmeister gewesen. Im Januar 2094 hatte er in Genf die erste Berserk-Akademie auf Terra eröffnet. Die Helvetische Konföderation war von Anfang an sehr offen gegenüber Moranern gewesen, weshalb sich viele von ihnen in der Metropole angesiedelt hatten. Green Jakat verfügte daher über genug moranische Schüler, doch als Dank für die Gastfreundschaft seiner neuen Heimat hatte er den ersten Berserk-Kurs für Nicht-Moraner entwickelt. Er vermittelte dabei nur die einfachsten Grundtechniken, da den Terranern die genetischen Voraussetzungen für die vollständige Beherrschung dieser Kampfkunst fehlten. Menschen waren physisch nicht in der Lage, sich in die Kampftrance zu versetzen, die Grundlage der moranischen Angriffs- und Verteidigungsphilosophie war. Allerdings war Berserk selbst in der abgespeckten und modifizierten Version noch eine höchst effiziente Kampftechnik und so gab es mittlerweile auch einige menschliche Berserk-Experten.

Shalyn nahm eine Wasserflasche und erreichte mit zwei Sprüngen den Querast eines Apfelbaumes. Von dort aus konnte sie das benachbarte Trainingsgelände einsehen. Die moranischen und terranischen Teilnehmer trainierten meist getrennt voneinander, da sich ihre Ausbildungsinhalte voneinander unterschieden. Shalyn saß dort gelegentlich, wenn sie Pause machte und sah den Nicht-Moranern beim Training zu.

Gerade befand sich Michiko Kurosan allein auf dem Übungsfeld. Shalyn hatte die junge Japanerin schon oft bei ihrem Training mit dem Katana beobachtet. Sie galt als sehr ehrgeizig und wollte sich ihre Spitzenposition nicht nehmen lassen. Michiko kämpfte gegen drei baseballgroße Flugrobots, die sie in rasantem Tempo umschwirrten. Die junge Frau schwenkte ihr Katana seitlich über ihren Kopf und die Klinge blitzte in der Sonne.

Sie studiert die Flugbahnen der Angreifer, dachte Shalyn noch, da vollführte Michiko bereits eine blitzschnelle Schleifenbewegung durch die Luft. Sie ging so geschickt mit der Waffe um, dass es wie ein eleganter Tanz aussah, allerdings einem der tödlichen Art. Um sie herum fielen die halbierten Roboter an den Sollbruchstellen zu Boden. Wann musste Michiko mit ihrem Training begonnen haben, um mit gerade einmal sechzehn Jahren schon so gut zu sein? Auf einen Schwertkampf mit ihr wollte sich Shalyn jedenfalls nicht einlassen.

„Miss Kurosan“, rief ihr Trainer vom anderen Ende des Platzes. „Wissen Sie eigentlich, was diese Geräte kosten?“

„Entschuldigung“, rief Michiko und blickte dann unverwandt hinüber zu Shalyn auf dem Baum. „Interessante Trainingseinheiten habt ihr Moraner.“

„Ich konnte vorher schon auf Bäume klettern“, rief Shalyn zurück. „Ich mache nur Pause.“

„Ich weiß. Ich habe dich schon öfter da oben bemerkt. Schön, einen Fan zu haben.“

Shalyn verzog das Gesicht. „Ich warte nur darauf, dass du endlich Fortschritte machst.“

„Oh, der berühmte moranische Humor. Ich habe davon gehört.“ Michiko ließ den Schwertgriff um ihr Handgelenk kreisen, während sie näher zur Mauer kam. „Baumhocken beherrscht du ja schon ganz gut, willst du auch mal etwas Neues lernen?“

„Ist das eine Einladung?“

Michiko zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Wir könnten Erfahrungen austauschen, Miss Shan.“

„Du weißt also, wer ich bin. Gut, aber wir sollten das nicht hier tun, vor aller Augen.“ Shalyn blickte sich von ihrem erhöhten Sitzplatz aus um. „Hinter der Schwimmhalle. Jetzt gleich.“

Beide verließen unauffällig ihre jeweiligen Trainingsbereiche und trafen sich Minuten später an der vereinbarten Stelle.

„Bereit für ein kleines Sparring?“, fragte Michiko und lächelte.

„Faust gegen Schwert?“

„Ich brauche kein Schwert“, sagte die Japanerin. Sie ergriff das Katana auf ihrem Rücken, zog den Gurt mit der Schwertscheide über ihren Kopf und lehnte die Waffe gegen die Außenwand der Halle.

„Also dann“, meinte sie einladend. „Zeigen wir uns doch mal gegenseitig, was wir können.“

Shalyn band sich ihr schulterlanges Silberhaar zusammen, damit es sie im Kampf nicht behinderte.

Michiko war einen halben Kopf kleiner als die Moranerin und ihre beachtliche Oberweite störte den Eindruck einer grazilen Kämpferin. Aber nur so lange, bis Shalyn sie in Bewegung erlebte. Ebenso täuschten ihr Lächeln und die niedliche Stupsnase. Als die Moranerin zum ersten Mal aus der Nähe in die braunen Augen unter der Ponyfrisur blickte, erkannte sie schnell, wie falsch der erste Eindruck gewesen war.

„Ich fang mal an“, erklärte Michiko und machte im nächsten Augenblick einen Fußtritt vorwärts.

Shalyn blockte ab und ging zum Gegenangriff über. Ein schneller Wechsel von Tritten und Schlägen folgte, aber keiner von ihnen gelang ein Treffer. Keuchend traten sie voneinander zurück.

„Nicht schlecht“, lobte Michiko anerkennend. „Sieht so aus, als ob dies eine lohnende Begegnung wird.“

Shalyn machte einen Satz über die Japanerin hinweg, drehte sich in der Luft und kam direkt hinter ihr auf, um sie in den Würgegriff zu nehmen. Michiko befreite sich daraus, bevor Shalyn den Unterarm gegen die Kehle drücken konnte.

Sie wechselten pausenlos zwischen verschiedenen Kampftechniken, doch es gelang ihnen nicht, sich gegenseitig zu überraschen. Dabei gerieten sie gehörig ins Schwitzen und genossen es.

Shalyn merkte schnell, dass es für Michiko nicht nur Spaß war. Es fiel der Japanerin schwer, einen Kampf locker zu nehmen. Selbst ein Trainingskampf bedeutete für sie, alles zu geben. Da sie getrennten Trainingsgruppen angehörten, standen sie an der Akademie nicht in direkter Konkurrenz zueinander. Ihr Wettkampf wurde nirgendwo vermerkt oder gewertet. Niemand brauchte davon zu erfahren.